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I
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Der Kinder-Arzt.
Zeitschrift für Kinderheilkunde
unter
Mitwirkung hervorragender Fachärzte
herausgegeben
Sanitätsrat Dr. med. Sonnenberger,
Spezialarzt für Kinderkrankheiten in Worms.
XXV. Jahrgang 1914.
Benno Konegen Verlag
LEIPZIG
I 9 I 4-
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Register
zum Jahrgang XXV des „Kinderarzt“.
Originalien,Versammlungs-
berichte, Sammelreferate.
Armbrust er, Neue Anschauungen
über Rachitis 25.
— Beobachtungen über Pemphigus
neonatorum 101.
— Bedeutung des Labfennentes für
die Ernährung des Säuglings 209.
— Genetisches über die Anfälle von
Pertussis 244.
Bayerthal, Uber die prophylakti¬
schen Aufgaben des Lehrers auf dem
Gebiete der Nerven- und Geistes¬
krankheiten 2.
Deutsche Orthopädische Gesellschaft
13. u. 14. April 1914 129.
Dutoit, Klinische Besonderheiten des
Typhus abdominalis im Kinderalter 8.
— Uber Aristolöl in der Augenheil¬
kunde 73.
— Uber die sog. Rezidive der adeno¬
iden Vegetationen im Kindesalter
und ihre rationelle Behandlung
mittels Atmungsgymnastik 173.
Erlacher, Ein Frühsymptom für die
Differentialdiagnose der Gonitis und
Koxitis tuberkulosa 225.
Hunaeus, Kindermilch und Milch¬
küche 193.
Neter, Donaueschingen als Kurort 29.
Noviform (Ubersichtsreferat) 78.
Schlichting, DieJodbehandlungdes
Rachens zur Beseitigung von Diph-
teriebazillen 55.
6 / 2 •'/
Sonnenberger, Die sozialhygieni¬
schen Aufgaben der Ärzte im Zu¬
sammenhang mit der gesamten
Jugendfürsorge 97, 121.
Stamm, Zur Melaena neonatorum 145.
Tugendreich (Immenstadt), Die
Schulzahnpflege mit besonderer Be¬
rücksichtigung des platten Landes
241.
Thymobronchin 54.
Versammlung 21 der Vereinigung
südwestdeutscher Kinderärzte am
14. Dez. 1913 101.
Vulpius, Uber die operative Behand¬
lung der tuberkulösen Wirbelsäulen¬
entzündung 169.
Wachsner. Orthopädische Jugend¬
fürsorge 49.
Referate.
Alsberg, Hereditäre Syphilis 82.
Arheiner, Die Abbott’sche Methode
des Skoliosenredressements 154.
Aschenheim, Quarkfettmilch 182.
Bach au er, Diphtherie 179.
Baginsky, Kinderkrankheiten wäh¬
rend des Schullebens 84.
Bauer, Eine Prophylaxe der Diph¬
therie nach v. Behring 139.
Baum, Angeborene Hüftluxation 17.
Beck, Kaseinkalziumrailch bei Er¬
nährungsstörungen der Säuglinge 61.
249424
DigitizecfBy^C^OO^IC
IV
Blumen thal, Zur Therapie schlecht¬
heilender Mastoid wunden im Kindes¬
alter 155.
Böhm, Für Berliner Gemeindeschul¬
kinder geplante orthopädische Für¬
sorge 164.
Bönning, Romauxan 186.
Broka und Malvas, Die Radiothera¬
pie bei lokalen Tuberkulosen 81.
Bubarew, Urotropin bei Masern 140.
Büsing, Zusatz der Rindergalle zum
Löffler’schen Diphterienährboden
149.
Claus, Verhütung und Behandlung
von Ohrenerkrankungen 38.
Conradi, Tuberkulosenachweis im
Tierversuch 178.
Cozzolino, Stillen bei Muttertuber¬
kulose 218.
Curtius, Abnahme der Geburten¬
ziffer im Regierungsbezirk Magde¬
burg 65.
Czerny, Tuberkulose im Kindes¬
alter 199.
David, Akute, primäre, diphterische
Lungenentzündung 15.
Deist, Bazillenträger bei Diphtherie
137 -
Deresse, Stillhindernisse 204.
Dietl, Arsenregenerin und Regene-
rin 19.
Eckert, Indikation und Technik der
Tuberkulinkuren im Kindesalter 13.
Engel, Die Skrofulöse und ihre Be¬
handlung 58.
— Mastkuren im Kindesalter 157.
Epstein, Bedeutung der Wasser¬
mann’schen Reaktion in der Säug¬
lingsfürsorge 12.
Erlacher, Subluxatio radii perannu-
lare 91.
Erl b eck, Hygienische Milchver¬
sorgung der Städte 88.
Flosser, Grippenartige Erkrankun¬
gen des Säuglings 34.
Freund, Yatren purissimum zur
Unterstützung der Diphtheriebe¬
handlung 56.
Friedenthal, Säuglingsernährung
mit Friedenthal’scher Kinder¬
milch und Gemüsepulvem 153.
Friedjung, Rezidivierende Nabel¬
koliken der Kinder 152.
— Diagnostik und Theorie der here¬
ditären Syphilis 212.
Fröschel, Wesen des Stotterns 219.
Gast, Wirkung des Odda K auf den
kindlichen Organismus 204.
Gellhaus, Scharlach und subkutane
Salvarsaninjektion 201.
Gettkant, Diphtheriebekämpfung in
den Schulen 43.
— Schulärztliche Untersuchung an
Fortbildungsschulen 92.
Gott, Psychotherapie in der Kinder¬
heilkunde 187.
Großer, Stoffwechselprobleme der
Rachitis 150.
Hans, Operationstechnik der Hasen¬
scharte 219.
Hoffmann, Angeborene Syphilis 177.
Holzinger, Mutter- und Säuglings¬
fürsorge 161.
Hörne mann, Das neue Diphtherie-
Schutzmittel v. Behrings 13.
Hutinel, Prognose der tracheobron-
chialen Adenopathie 213.
Ickert, Bewahrung der Kinder vor
der Tuberkulose 33.
Jelile, Bronchialerkrankungen im
Kindesalter 151.
Joliat, Chronische eitrige Mittelohr¬
entzündung 220.
Kausch, Behandlung der Diphtherie
mit intravenöser Seruminjektion u.
Yatren 14.
Keppler u. Erkes, Tuberkulinherd¬
reaktion bei unklaren Hüftgelenks¬
erkrankungen 200.
Kienböck, Zwerchfellhernien bei
Kindern 156.
Kissling, v. Behrings Diphtherie-
Vakzin 82.
K 1 e b a n s k i, Oplithalmoblenorrhoe
der Neugeborenen 202, 248.
Kleemann, Zur Frage der Emphy em-
behandlung bei Kindern 249.
Kobrak, Durch den Diphtherie¬
bazillus hervorgerufene blenorrhoi-
sehe Prozesse 139.
Koch, Uber Scharlach-Rekonvales¬
zentenserum 11.
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Langstein, Pyelitis im Kindesalter 15.
Langerhans, Hygienische Vorträge
im Rahmen der schulärztlichen
Tätigkeit 162.
Lawatschek, Enterale Resorption
von genuinem Eiweiß bei Neuge¬
borenen und darmkranken Säug¬
lingen 181.
Ledermann, Lues kongenita 177.
Lederer, Schrumpfniere im Kindes¬
alter 186.
Levy, Abortiver Scharlach in den
ersten Lebensmonaten 149.
Lövy, Magnau u. Seilet, Verhält¬
nis zwischen Körperwachstum und
Brustumfang beim Menschen 184.
Liedtke u. Völckel, Befunde und
Diphtheriebazillen in den Organen
bei tödlicher Diphtherie 136.
Lindenfeld, Über „Spontanheilung“
von Glioma retinae 233.
Loa ec, Injektionen von künstlichem
Serum bei den Gastro-Enteritiden
im ersten Lebensalter 250.
Löhlein, Das Glaukom der Jugend¬
lichen 234.
Lust, Ei weiß wasser bei akuten Er¬
nährungsstörungen v. Säuglingen 37.
Manu afHeurlin, Einfache Methode
zur Unterscheidung der Diphtherie¬
bazillen von Pseudo - Diphtherie-
bazillen 139.
Mielke, Behandlung von Tetanus
mit Magnesium sulfurikum 159.
— Spitzen dämpf ung im Kindesalter
187.
Moldenhauer, Die schulhygienische
Abteilung im städt. Museum für
Volkshygiene zu Köln 162.
Molodenkoff, Das Fleckfieber bei
Kindern 35.
Moog, Serumtherapie des Schar¬
lachs 56.
Müller u. Schloß, Die wichtigsten
Nahrungsmischungen für den Säug¬
ling 84.
Müller, pie Abbott sche Skoliosen¬
behandlung 154.
— Anämie und Schein anämie im
Kindesalter t8i.
Neurath, Versuche über eine aller¬
gische Reaktion mit dem Bordet-
Gengou’schen Keuchhusten-Endo¬
toxin 248.
von Noorden, Bananen und Ba¬
nanenmehl 40.
Oppenheimer, Inflammatory affec-
tions of sinuses 16.
v. Oy, Kolloidales Trikalziumphos-
phat „Tricalcol“ 158.
„Pathologie Infantile“, Der akute Ge¬
lenkrheumatismus bei Kindern 251.
P ei per, Bekämpfung der Säuglings¬
sterblichkeit im deutschen Reiche 161.
Peiser, Fettaustausch in der Säug¬
lingsernährung 183.
Peterka, Lichtscheu bei Konjunkti¬
vitis ekzematosa 183.
Peters, Beeinflussung der Schul¬
leistungen unserer Volksschulkinder
durch körperliche Störungen 93.
Pfleiderer, Beiträge zur Kenntnis
der engl. Krankheit 59.
Piske, StilTsche Krankheit 36.
— Emphysem bei Masern 180.
Popper, Pertussis 203, 229.
Prinzing, Scharlach 179.
Pussep, Operative Behandlung des
Hydrozephalus internus bei Kin¬
dern 39.
Rach, Radiologisch erkennbare ana¬
tomische Typen an kindlicher Lun¬
gentuberkulose 134.
Raecke, Geistesstörung und Krimi¬
nalität im Kindesalter 62.
Raudnitz, Anzeigen derNährbehand-
lung bei Säuglingen 60.
Rebouillet, Varizellen des Neuge¬
borenen 215.
Reinhard, Gonorrhoe und gonorr¬
hoische Komplikationen 180.
Reiche u. Liede, Mitteilungen aus
der Diphteriestation des allg. Kran¬
kenhauses Hamburg-Eppendorf 112.
Reiche, Seltene Komplikationen der
Diphtherie. — Meningitis bei Diph¬
therie. — Plaut-Vincent’sche An¬
gina und Diphtherie. — Serumexan¬
theme 230.
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VI
Reiche, 2000 weitere 111. Behring’sch.
Serum behandelte Diphteriefälle. —
Weitere Mitteilungen überBehring-
sches Heilserum bei Diphtherie. —
Mehreres über Diphtherie 112.
Riebold, Infektiosität der Diphtherie-
bazillenträger für ihre Umgebung 136.
Rietschel, Kongenitale Syphilis 175.
Rist, Chlorose d. jungen Mädchen 151.
Ritter, Ziele und Erfolge der Schul -
zahnklininken 41.
Rohm er, Individualistische Unter¬
suchungen über Säuglinge in einer
großstädtischen Proletarierbevölke-
rung 159.
Eine günstige Bevölkerungsbilanz 160.
R o 11 e s t o n, Diphtheristic paralysis 148.
Rom in ge r, Phinose im Kindes¬
alter 185.
Rott, Das Museum für Säuglings¬
kunde im Kaiserin Auguste-Viktoria-
Haus zur Bekämpfung der Säug¬
lingssterblichkeit im Deutschen
Reiche 232.
Rowe, Die Behandlung des Schar¬
lachs mit Rekonvaleszentenserum 11.
Ruppel, Die Wandlungen der spe¬
zifischen Bekämpfung der Diph¬
therie 113.
Salomon, Diabetes innocens der
Jugendlichen 86.
Schädel, Gemeinsame Tätigkeit der
Ortskrankenkasse und der Säug¬
lingsfürsorgestelle zu Chemnitz 161.
Schick, Diphtherietoxin - Hautreak¬
tion als Vorprobe der prophylak¬
tischen Diphtherieheilserum - Injek¬
tion 36.
Schlaefke, Hydrophthalmus mit
vorderer Synechie und Fehlen der
Linse 234.
Schreiber, Jetziger Stand der akti¬
ven Diphtherie-Immunisierung nach
v. Behring 115.
Schubert, Furun kulose im Säuglings¬
alter 185.
Sittler, Bedeutung des Kalzium für
die pädiatrische Praxis 218.
Soresti, Haemorrhagie conditions in
children ti6.
Stephani u. Wimmeuauer, Schul¬
zahnklinik oder freie Zahnarzt¬
wahl 163.
Stettiner, Aus dem Gebiet der Säug¬
lingschirurgie 90.
Straß mann, Kindersterblichkeit in
gerichtl.-medizinischerBeziehung63.
Tobias, Rezidivierende Nabelkoliken
der Kinder 216.
Uffenheimer, Heine-Medin'sehe
Krankheit in Bayern 58.
— Gibt es einen schädlichen Nahrungs¬
rest beim Säugling? 249.
U 11 m a n n, Therapeutische Anwen¬
dung von Normalserum bei jucken¬
den Dermatosen 17.
Variot u. Lavialle, Mit Erbrechen
verbundene infantile Dyspepsien 216.
Vollmer, Die Tuberkulose im schul¬
pflichtigen Alter 132.
Wachsner, Physikalische Behand¬
lung der chirurgischen Tuberku¬
lose 57.
Weber, Extensionstisch zur Ein¬
renkung angeborenen Hiiftluxa-
tionen 18.
Weih, Tricalcolmileh beim kranken
Säugling 217.
Weiß, Digipan 41.
Wolf, Die Säuglingssterblichkeit in
der Tübinger mediz. Poliklinik 1911
u. 1912 65.
Wolff, Zur Technik der Duodenal¬
sondierung 62.
Zuckmayer, Frauenmilch der ersten
Laktationszeit 203.
Bücherbesprechungen.
Abel, Bakteriologisches Taschenbuch.
17. Aufl. 21.
Albu, Die spastischen Erkrankungen
des Verdauungskanals 190.
Aronsohn, Der psychologische Ur¬
sprung des Stotterns 206.
v. Baeyer u. Winter, Kinderturnen
235 -
v. Bardeleben, Die Anatomie des
Menschen, Teil V: Nervensystem
und Sinnesorgane 167.
— Anatomie des Menschen, Teil I, 236,
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VII
Berg eil, Chemische Probleme in der
Gesundheitspflege 94.
Bertholeth, Die Wirkungen des
chronischen Alkoholismus auf die
Organe des Menschen, insbesondere
auf die Geschlechtsdrüsen (übersetzt
von Pfleiderer) 69.
Birk, Leitfaden der Säuglingskrank¬
heiten 44.
Blasehko, Geburtenrückgang und
Geschlechtskrankheiten 189.
Blenke, Orthopädische Sonderturn¬
kurse 67.
Bornträger, Der Geburtenrückgang
in Deutschland 44.
v. Bunge, Die zunehmende Unfähig¬
keit der Frauen, ihre Kinder zu
stillen 255.
Dippe, Die wichtigsten angeborenen
Krankheitsanlagen, ihre Bedeutung
und Bekämpfung 94.
Faulhaber, Röntgendiagnostik der
Magenkrankheiten 252.
Feer, Lehrbuch der Kinderheilkunde.
3. Aufl. 168.
Fürst, Jahrbuch der Schulgesund¬
heitspflege 117.
Glaser, Repetitorium der Pharma¬
kologie. 3. Aufl. 22.
H a 11 b a u e r, Regenerationserschei¬
nungen an der Leber 166.
Haussen, Diphtherie, Sommersterb¬
lichkeit der Säuglinge und Tuber¬
kulose als soziale und Wohnungs¬
krankheiten 253.
Heiberg, der gegenwärtige Stand
der Pathologie und Prophylaxe des
Diabetes mellitus sowie die Thera¬
pie des Frühstadiums 254.
v. Heilborn, Entwicklungsgeschichte
des Menschen 167.
Hirsch, Fruchtabtreibung u. Präven -
tivverkehr im Zusammenhang mit
dem Geburtenrückgang 70.
Ide, Die Nordseeluftkur 68.
Kataster der Anstalten und Einrich¬
tungen für Kinderschutz und Jugend¬
fürsorge in Österreich 119.
Kauffmann, Kritik der fanatischen
Alkohol-Abstinenz-Bewegung 118.
Keller u. Birk, Kinderpflege-Lehr¬
buch 190.
Koppe, Säuglingssterblichkeit und
Geburtenziffer 44.
Kordts, Jugendpflege und freies
Volksbildungsw r esen 221. — Schul¬
kinderspeisung 221. — Organothera-
peutisches Kompendium 222.
Kreis, Die Fortschritte der Hygiene
1888—1913 67.
Krevet, Wert der Bindehautdeckung
166.
Kurpjuweit, Kaiser-Wilhelm-Kin¬
derheim 222.
Lohn stein, H. u. Th., Medizinal¬
kalender und Rezepttaschenbuch der
Allgem. mediz. Zentralzeitung. 21.
Jahrg. 22.
Major, Schwer erziehbare Kinder 45.
Mann, Lehrbuch der Tracheo-Bron-
choskopie (Technik und Klinik) 205.
Michaelis, Das Impfgesetz für das
Deutsche Reich vom 8. April 1874.
Einleitung und Erläuterungen 93.
Oberwarth, Mutterbriefe. 2. Aufl. 68.
Polligkeit, Landsberg und Dr.
Marie Baum, Fürsorge für orts¬
fremde oder nicht seßhafte Jugend¬
liche 255.
Reyher, Das Röntgen verfahren in
der Kinderheilkunde 117.
Ritter, Das kommunale Säuglings¬
krankenhaus und die öffentlichen
Säuglings-Fürsorgemaßnahmen der
.Gemeinde Berlin-Weißensee 21.
Rosin, Das Blut und seine Bedeutung
für Gesundheit und Krankheit 94.
Rott, IV. Deutscher Kongreß für
Säuglingsschutz 141.
— II. Preußische Landeskonferenz für
Säuglingsschutz 142.
Ruland, Das Fiudelhaus 68.
Ruschke, Beitrag zur Lehre von der
Fortpflanzungsgeschwindigkeit der
Puls wellen 166.
Schaumburg, Mutter und Kind.
Abreißkalender für 1915 254.
Sch um er, Beitrag zur Kenntnis der
Poliomyelitis ant. chron. 165.
Digitized by t^ooQle
VIII
Schwabe, 30 Jahre äugenärztlicher
Praxis 1882 -1912 205.
Sonnenberger, Pyocyanase 22.
Spitzy, Die körperliche Erziehung
des Kindes 21.
Strauß u. Ramberger, Die Stoff¬
wechselkrankheiten : Fettsucht, Zu¬
ckerkrankheit, Gicht und ihre Ver¬
hütung 94.
Tugend reich, Vorträge über Er¬
nährung und Pflege des Kindes im
ersten und zweiten Lebensjahre.
2. Aufl. 190.
Vossius, Die Angiomatose der Retina
(v. Hippel’sche Krankheit) 141.
Wagner, Uber pathologische Ver¬
mehrung der Erythrozyten 165.
Walkhoff, Zahn-und Mundpflege 94.
Weygandt, Soziale Lage und ge¬
sunde Nerven 220.
Wie mann, Jugendpflege 168.
Wolf, öffentliche und persönliche
Gesundheitspflege in ihrer Bedeu¬
tung für den Einzelnen 94.
Sach-Register.
A.
Abführmittel und Stopfmittel im Kin¬
desalter 192.
Adenopathie, tracheo-bronchiale 213.
Adenoide Vegetationen 173.
Alkohol - Abstinenzbewegung, Kritik
der falschen 117,
Alkoholismus 69.
Anatomie 167, 236.
Anaphylaxie 109.
Anämie und Scheinanämie im Kindes¬
alter 181.
Angina 230.
Angiomatose der Retina (v. Hippel-
sche Krankheit) 141.
Anomalien, drei angeborene 46.
Antitiphus-Vakzine (Vinzent) 192.
Appendizitis 191, 238.
— Diagnose bei kleinen Kindern 191.
Appendix nach Diphtherie 112.
Aristolöl 73.
Arsenregen erin 19.
Äthylhydrocuprein - Inj ektion en 72.
Augenheilkunde 73, 205.
Azodolen 31.
Azidosis 223.
B.
Bakteriologisches Taschenbuch 21.
Barlow’sche Krankheit 239.
Bananen und Bananenmehl 40.
Bevölkerungsbilanz, eine günstige 160.
Bindehautdeckung 166.
Blennorrhoische Prozesse, durch Diph¬
theriebazillus hervorgerufene 139
Blinddarmentzündung vid. Appendi¬
zitis.
Blut 94.
— entnähme mittels einer Saug¬
glocke 238.
Bronchialerkrankungen im Kindes¬
alter 151.
Bronchienerweiterung 144.
Brustumfang u. Körperwachstum 184.
Brustdrüsen defekt u. Brustwarze 240.
— muskeln, kongenitales Fehlen ders.
256.
C.
Cellon-Stützkorsetts 143.
Chemische Probleme in der Gesund¬
heitspflege 94.
Chirurgie des Säuglings 90.
Chirurgische Tuberkulose, physika¬
lische Behandlung ders. 57.
Chlorose der jungen Mädchen 151.
Cholecystitis 166.
Digitized by t^ooQle
IX
D.
Dermatosen, Anwendung von Normal-
serum bei juckenden 17.
Diabetes innocens der Jugendlichen 86.
— mellitus 254.
Digipan 41.
Diphtherie 13, 14, 15, 36, 43, 46, 55,
56, 112, 113, 115, 136, 137, 139, 148,
149, 179, 230, 253.
— bazillen 136, 139.
— bekämpfung in den Schulen 43.
— heilseruminjektion über Anaphy¬
laxie bei ders. 109.
Diphtherietoxin-Hautreaktion 36.
— fakzin v. Behrings 82.
Donaueschingen als Kurort 29.
Drüsen, tracheo-bronchiale 239.
Duodenalsondierung, Technik ders. 62.
Dyspepsie, infantile 216.
Dysthyreosis in.
E.
Eiweiß bei neugeborenen Säuglingen
181.
— milch 23, 108, 119, 236.
— wasser 37.
Ekzem der Kinder 72.
Emphysem, bei Masern 180.
— behandlung bei Kindern 249.
Endocarditis 119.
Englische Krankheit 59.
Entwicklungsgeschichte 167.
Erbrechen 224, 237.
Ernährung, über den Einfluß der
künstlichen 23.
— und Pflege des Säuglings 190.
— des Säuglings 209.
— sstörungen des Säuglings 37, 61.
Erysipel des Säuglings 191.
Erythrozyten 165.
Erziehung, körperliche des Kindes 21.
— schwer erziehbare Kinder 45.
F.
Fazies adenoida 240.
Fettaustausch in der Säuglingsernäh-
rung 183.
Fettsucht 94.
Findelhaus 68.
Fleckfieber bei Kindern 35.
Frauenmilch der ersten Laktations¬
zeit 203.
Fürsorge für ortsfremde Jugendliche
2 55 -
Furunkulose iin Säuglingsalter 185.
G.
Gallengangverschluß 109.
Gastro-Enteritiden, Behandlung ders.
mit künstl. Serum 250.
Gaumen- und Rachenmandelhyper¬
plasie 72.
Geburtenrückgang 44, 70, 189.
— Ziffern 44, 65.
Geistig minderwertige 144.
Geisteskrankheiten, Nerven- und die
prophylaktischen Aufgaben des Leh¬
rers auf dem Gebiete ders. 2.
— Störung u. Kriminalität im Kindes¬
alter 102, 162.
Gelenkrheumatismus, akuter infantiler
251-
Gemüsepulver 153.
Geschlechtskrankheiten 189.
Gesundheitspflege 94.
Gicht 94.
Glaukom der Jugendlichen 234.
Glioma retinae 233.*
Gonorrhoe u. gonorrhoische Kompli¬
kationen 180.
Gonitis 225.
Grippenartige Erkrankungen des Säug¬
lings 34.
GuajakolVergiftung 224.
H.
Haemorrhagie bei Kindern 116.
Hasenscharte, Operationstechnik ders.
219.
Heine - Medin'sehe Krankheit in
Bayern 58.
Herpes, fazialis bei Diphtherie 112.
v. Hippel’sche Krankheit 141.
Hirntumoren 237.
Hitze, ihre Wirkung auf das Kind 95.
Hüftgelenkerkrankungen 200.
Hüftluxation, angeborene 17.
— Extensionstisch zur Einrenkung
angeborener 18.
Hydrozephalus internus operative Be¬
handlung bei Kindern 39.
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X
Hygiene 67, 94.
Hydrophthalmus 234.
Hypertrophie, unilaterale kongenitale
223.
Hypophysentherapie bei Rachitis 70.
— trophie durch Unterernährung 237.
Hypophysen-Extrakt, s. toxische Wir¬
kung a. d. Neugeborenen 256.
I.
Impfgesetz 93.
Infektionskrankheiten bei Kindern 48.
Intoxikation der Säuglinge 22.
Jodbehandlung des Rachens zur Be¬
seitigung von Diphtheriebazillen
46, 55-
Jugendfürsorge, orthopädische 49.
— u. sozialhygienische Aufgaben der
Ärzte 97, 121.
— in Österreich 119.
— In Pflege 168, 221.
K.
Kalzium in der Pädiatrie 218.
Kaseinkalziummilch bei Ernährungs¬
störungen 61.
KautschukTpflaster, sterilisierbares 143.
Keuchhusten vid. Pertussis.
— Endotoxin nach Bordet-Gen-
gou 248.
Kinderheilkunde, Lehrbuch ders.' 188.
— Psychotherapie in ders. 187.
— Röntgen verfahren in ders. 117.
Kinderheim 222.
— krankheiten während des Schul¬
lebens 84.
— milch und Milchküche 193.
— — Frieden thal’sche 153.
— — Stationen 236.
— nährmittel 23.
— pflege-Lehrbuch 190.
— Sterblichkeit 63.
— schütz 119.
— turnen 235.
Kollaps 239.
Konjunktivitis ekzematosa 183.
Körperwachstum u. Brustumfang 184.
Koxitis tuberkulosa 225.
Krankheitsanlagen 94.
Kriminalität im Kindesalter 62, 102.
Krippen sorgen, Hamburger 24.
Kryptorchismus 46.
Kurort, Donaüeschingen als 29.
L.
Labfemieut in der Säuglings-Ernäh¬
rung 209.
Laparotomie 237.
Larosan oder Eiweißmilch 108.
Leber 166.
Leukozyten 46.
Lipom 237.
Lues vid. Syphilis 177, 192, 207.
Lungenentzündung vid. Pneumonie.
— tuberkulöse 71, 134.
— Verdichtung, tuberkulöse 144.
M.
Magen 207.
— krankheiten 152.
Malaria bei Säuglingen 223.
— kongenitale 223.
Masern 23, 140, 180.
Mastkuren im Kindesalter 157.
Mastoidwunden, zur Therapie der
schlechtheilenden im Kindesalter 155.
Medizinal-Kalenderu. Rezept-Taschen¬
buch der Allg. med. Zentralzeitung 22.
Melaena neonatorum 145.
Meningitis 72, 230.
Milch 238, 256.
— menschliche 236.
— kondensierte 95, 224, 237.
— küche 193.
— Versorgung, hygienische d. Städte 88.
— stationskinder, Beobachtungen an
ders. 236.
Milieu, tuberkulöses 222, 223.
Mineralsalze bei Verdauungsstörun¬
gen 223.
Mittelohrentzündung, chron.eitrige 220.
Mongolenflecken 239.
Molken 238.
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XI
Mutterbriefe 68.
— u. Kind, Abreißkalender für 1915 254.
— u. Säuglingsfürsorge im Deutschen
Reich 161.
— milch 256.
— tuberkulöse 218.
N.
Nabelkoliken, über rezidivierende 107,
152, 216.
Nabelstrangbruch 46.
Nährbehandlung der Säuglinge 60.
Nahrungsmischungen, die wichtigsten
für den Säugling 84.
— reste, schädliche 249.
Nerven- und Geisteskrankheiten, die
prophylaktischen Aufgaben des Leh¬
rers auf dem Gebiete ders. 2.
— System u. Sinnesorgane 167.
— und soziale Lage 220.
Nervosität beim Kinde 223.
Nitrite, Wirkung der 47.
Nordseeluftkur 68.
Normalserum bei juckenden Derma¬
tosen 17.
Noviforra 78.
O.
Odda K, Wirkung auf den kindlichen
Organismus 204.
Odem bei Kindern und Säuglingen
223, 238.
Ohrenerkrankungen 38.
Ophthalmoblenorrhoe der Neuge¬
borenen 202, 248.
Organotherapeutisches Kompendium
222.
Orthopädische Jugendfürsorge 49, 164.
— Sondertumkurse 67.
— Gesellschaft, Deutsche 129.
Ortskrankenkasse u. Säuglingsfürsorge
zu Chemnitz 161.
Osmose u. Ödem 223.
Osteomyelitis 144.
P.
Paralysis, diphtherische 148.
Paratyphus 168, 239.
Pathologisch-anatomische Demonstra¬
tionen 101.
Pellidol 3t.
Pemphigus neonatorum 101.
Pertussis 203, 229, 244, 248.
Pharmakologie, Repetitorium der 22.
Phimose im Kindesalter 185.
Pneumonie 240.
— akute primäre diphtherische 15.
Pneumokokkenmeningitis 72.
— erkrankung 107.
Polyomyelitis 102, 165.
Pseudody phtheriebazillen 139.
Psychotherapie in der Kinderheilkunde
187.
Puls wellen. Fortpflanzungsgeschwin¬
digkeit ders. 166.
Pyelitis im Kindesalter 15.
Pyozyanase 22.
Q.
Quarkfettmilcli 182.
R.
Rachitis 23, 25, 59, 70, 150.
Rachenmandelhyperplasie 72.
Radiotherapie 81.
Regenerin 19.
Rekonvaleszentenserum, Behandlung
des Scharlachs mit 11.
Retina 141.
Rheumatismus 238, 251.
Rindergallenzusatz zum Löffler-
schen Diphtherienährboden 149.
Rippendefekt, angeborener totaler 95.
Romauxan 186.
Röntgenstrahlen bei Lungentuber¬
kulose 71.
— bilder in.
— diagnostik der Magenkrankheiten
252.
— verfahren in der Kinderheilkunde
117.
Ruhr 110.
S.
Salvarsan 207.
— bei Scharlach 201,
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xir
Säuglingschirurgie 90.
— erkrankungen, grippenartige 34.
— ernährung 153, 183, 238.
— fürsorge 12, 161, 159.
— — maßnahmen in der Gemeinde
Berlin-Weißensee 21.
— — stelle zu Chemnitz 161.
— krankenhaus, das kommunale 21.
— Krankheiten 44.
— künde, Museum für 232.
— schütz, Kongreß für dens. 141, 142.
— Sterblichkeit 44, 65, 71, 161, 253.
Scarlatina n, 56, 149, 179, 201.
Scharlach vid. Scarlatina.
Schrumpfniere im Kindesalter 186.
Schulärztliche Tätigkeit 162.
— Untersuchungen an Fortbildungs¬
schulen 92.
Schulgesundheitspflege, Handbuch
ders. 117.
— hygienisches aus dem Kölner
Museum für Volkshygiene 162. •
— kinderspeisung 221.
Schulleistungen, deren Beeinflussung
durch körperl. Störungen 93.
— Zahnkliniken 31, 163.
-pflege 241
Serum-Exantheme 230.
— das künstliche in der Kinderheil¬
kunde 191.
— bei den Gastro-Enteritiden 250.
— therapie des Scharlachs 56.
Sinusaffektion 16.
Skoliose, die Ab bot sehe Behandlung
154 , 239 -
— kongenitale 240.
Skrofulöse und ihre Behandlung 58.
Soziale Lage u. gesunde Nerven 220.
Sozial-Hygiene und Jugendfürsorge
97 » 121.
Spitzendämpfung im Kindesalter 187.
Still’sche Krankheit 36.
Stillen 207. 218.
— hindemisse 204.
— prämien 71.
— Unfähigkeit 255.
Stoffwechsel-Krankheiten 94.
— Probleme der Rachitis 150.
Stopfmittel 192.
Stottern 206, 219.
Subluxatio radii perannulare 91.
Süd westdeutscher Kinderärzte - Kon¬
greß 101 - III.
Syndaktylie 256.
S} r philis 82, 192, 207. 212, 275, 177, 192,
192, 267.
T.
Teleangiektasien 120.
Tetanusbehandlung mit Magnesium
Sulfurikum 159.
Thorax-Abnormitäten 265.
Thymobronchin 54.
Tollwut 238.
Tracheo-Bronchoskopie 205.
— Bronchialdrüsen 239.
Tricalcol 158.
— milch 217.
Tuberkulose 33, 57, 71, 81, in, 132,
134, 144, 169, 178, 199, 207, 218, 222.
223, 225, 253.
— nachweis im Tierversuch 178.
Tuberkulöses Milieu 222, 223.
Tuberkulin 95.
— Rosenbach’sches in.
— kuren im Kindesalter 113.
— Herdreaktion bei Hüftgelenkser¬
krankungen 200.
Typhus abdominalis im Kindesalter 8.
Typhus 192.
— Vakzinetherapie 256.
— — und Kollaps 239.
U.
Untersuchung, die vaginale der Kin¬
der 24.
Urachusfistel 46.
Uretroskop 239.
Urotropin bei Masern 140.
V.
Vakzine-Therapie des Typhus 256.
Varizellen des Neugeborenen 215.
Verdauungskanal, spastische Erkran¬
kungen dess. 190.
- Störungen 223.
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xin
Volksbildungswesen und Jugendpflege
221.
Vulvovaginitis 239.
W.
Wassermann'sehe Reaktion, Bedeu¬
tung der, in der Säuglingsfürsorge 12.
Wärmestauung bei der Intoxikation
der Säuglinge 22.
Wärmestichhyperthermie 47.
— regulation 47.
Wirbelsäulenerkrankungen 119.
— entzündung, tuberkulöse 169.
Wohlfahrtseinrichtung der Stadt New.-
York, gen. „St. John’s Guild“ 222.
Y.
Yatren, Behandlung der Diphtherie
mit 14.
— purissimura bei Diphtherie 56.
Z.
Zahnstellung, abnorme 48.
— und Mundpflege 94.
Zirbeldrüsengeschwulst 95.
Zuckerentziehung, die Gefahren ders.
für den Säugling 119.
Zuckerkrankheit 94.
Zwerchfellhemien bei Kindern 156.
Autoreu-Register.
Abel-Bergen 46.
Abel-Berlin 21.
Abrand 240.
Aimes 144.
Albee 130.
Albert-Weil 120. 239.
Albu 190.
Alsberg 82, 132.
Arheiner 154.
Armbruster 25, 101, 209,
244.
Aronsohn 8, 206.
Aronson 95.
Aschenheim 182.
Dachauer 179.
Bade X30, 132.
von Baeyer 235.
Baginsky 84, 94.
Bakay 207.
Baker 236.
Barbier 144.
von Bardeleben 167, 236.
Bardoff 110.
Bartenstein 107.
Baß 223.
Bauer 139.
Baum, L. 17.
Baum, Marie 255.
Bayerthal 2.
Beck 61, 108, 110, 111.
Bergeil 94.
Bertholeth 69.
Bibergeil 129.
Birk 44, 190, 192.
Bisalsky 131.
Blaschko 189.
Blechmann 192, 238.
Blenke 67.
Blumenthal 155.
Bölim 130, 164.
Bönning 186.
Bornträger 144.
Breuning t68.
Broka 81.
Bruno 104.
Bubarew 140.
von Bunge 255.
Büsing 149.
Camp 71.
Cantley 119.
Cassel 23.
Ghapin 23.
Christen 129.
Claus 38.
Colliver 238.
Comby 256.
Conradi 178.
Cozzolino 218.
Cramer 129.
Cuno 109.
Curtius 65.
Czerny 199.
David 15.
Deist 137.
Delcourt 23.
Deresse 204.
Deutschländer 132,
Dietl 19.
Dippe 94.
Dufond 237.
Dutoit 8, 73, 173.
Eckert 13.
Eichelberg 71.
Engel 58, 157.
Engelbrecht 143.
Epstein 12.
Erk es 200.
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XIV
Erlaclier 91, 131, 225.
Erlbeck 88.
Etienne 144.
Faulhaber 252.
Feer 168.
Fischer 101.
Fischberg 222, 223.
Flosser 34.
Fraser 240.
Freund 56.
Frieden thal 153.
Friedjung 152, 212.
Fröschel 219.
Fürst 117.
Gast 204.
Gelhaar 108.
Gellhaus 201.
Gernsheim 106, 107.
Gettkant 43, 92.
Glaß 143.
Glaser 22.
Gocht 129.
Götzky 95, in.
Gött 187.
Großer 109, 150.
Guinon 191, 192, 237.
Hallbauer 166.
Halle 239.
Hans 238.
Haus 219.
Hartshorn 222.
Hasselt 239.
Haussen 253.
Heiberg 254.
von Heilborn 167.
Herrn 22.
Heinecke 132.
Hirsch 70.
H offmann-Bonn 177.
Hoffmann-Heidelbg. 103,
108.
Holzinger 161.
Hoobler 236.
Hoobles 236.
Homemann 13.
Hunaeus 193.
Hutinel 213.
Ickert 33.
Ide 68.
Izard 191.
Jacoby 47-
Jansen 130.
Jehle 151.
Joliat 220.
Jones 207.
Joseph 72.
Kauffmann 118.
Kausch 14, 132.
Keller 190.
Keppler 200.
Keuper in.
Kienböck 156.
Kißling 82.
Klebanski 202, 248.
Kleemann 249.
Knox 95.
Kobrak 139.
Koch-Frankfurt n.
Koch-Wiesbaden 108, in.
Koppe 44.
Kordts 221, 222.
Kraus 47-
Kreiß 67.
Krevet 166.
Kuclair 239.
Kühl 23.
Küpferle 71.
Kurpjuweit 222.
Lagane 239.
Lamy 132.
Landsberg 255.
Lange 239.
Langerhans 162.
Langstein 15.
Lavialle 216.
Lawatschek 181.
Lebedew 46.
Lederer 186.
Ledermann 177.
Lehmann 72.
Leopold 238.
Lesn£ 191.
Levy-Offenbach 149.
L6vy 184.
Levy, David J. 223.
Liede 112.
TJedtke 136.
Lindenfeld 233.
Loaec 250.
Lohlein 234.
Lohnstein, H. u. Th. 22.
Lorenz 256.
Lowenburg 144, 240.
Lugenbühl 106.
Lust 37, 102, 106, 108.
Maaß 132.
Magnau 184.
Mahas 81.
Major 45.
Mal arte 192.
Mann 205.
Manu af Heurlin 139.
Marsh all 223.
Maxaronopoulos 239.
Mayer 131.
Mery 239, 240.
v. Mettenheimer 108, in.
Michaelis 93.
Mielke 159, 187.
Moldenhauer 162.
Molodenkoff 35.
Monod 237.
Moog 56.
Moro 106, 107, 109, no.
Morse 95.
Müller, G.-Berlin 154.
Müller, E.-Rumitielsburg
84, 181.
Muskat 132.
N ageotte- Wilbouche-
witsch 238.
Neuhaus no.
Neurath 248.
Neter 29.
Nobecourt 119.
von Noorden 40.
Oberwarth 68.
Ombridanne 255.
Oppenheimer 16.
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XV
Ossinin 23.
von Oy 158.
Parturier 240.
Peiper~i6i.
Peiser 183.
Peltasohn 130.
Peterka 183.
Peters 93.
Pfleiderer 59.
Piske 36, 180.
Polligkeit 255.
Popper 203, 229.
Prinzing 179.
Pussep 39.
Rabinowitsch 46.
Rach 134.
Raeeke 62, 102.
R^mberger 94.
Raudnitz 60.
Rebouillet 215.
Reinhard 180.
Reiche 112, 230.
Reuben 236.
Reyher 117.
Riebold 136.
Rietschel 175.
Ripart 237.
Risel 71.
Rist 151.
Ritter, J.-Weißensee 21.
Ritter, P.-Berlin 41.
Rohmer 159, 160.
Rolleston 148.
Rominger 185.
Rosin 94.
Rott 141, 142, 232.
Rowe 11.
Ruland 68.
Ruppel 113.
Ruschke 166.
Salonion 86.
Schädel 161.
Schanz 119, 129.
Schede 132.
Schick 36.
Schlaefke 234.
Schloß 84.
Schlichting 55.
Schmidts 71.
Schreiber-Magdebg. 115.
Schreiber 119.
Schubert 185.
Schultheiß 132.
Schumer 165.
Schürer 110.
Schwabe 205.
Seilet 184.
Sever 207.
Sexton 224.
Sheffield 256.
Sieveking 24.
Simon 130.
Sittler 218.
Sonnenberger 22, 97, 109,
121.
Soresti 116.
Speese 223.
Spitzy 21.
Stamm 145.
Stephani 163.
Stern 48.
Stettiner 90.
Stoffel 130, 131.
Stowell 144.
Straßmann 63.
Strauß 94.
Streißler 132.
Tobias 216.
Toeplitz 72.
Tugendreich - Berlin 190,
207.
Tugendreich-Immen¬
stadt 241.
Uffenheimer 58, 249.
Ullmann 17.
Variot 216, 224, 237, 256.
Veau 191.
Völckel 136.
Vollmer 132.
Vossius 141.
Vulpius 169.
Wachsner 49, 57,
Wagner 165.
Walkhoff 94.
Wahrmann 223.
Weber 18.
Weih 217.
Weihe 95, 110.
Weiß 41, 70.
Werndof 120.
Weygandt 220.
Wiemann 168.
Wilms 132.
Wimmen auer 163.
Winter 235.
Wittek 131.
Wladimiroff 23.
Wolf, Marga 65.
Wolf, Kurt 94.
Wolff, S. 62, 72, 107.
Wood 223.
Zentier 48.
Zuckmaver 203.
bfuck von A. fcaböt In KÄnigebrtittk.
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Diqitized
Der Kinder-Arzt.
Msehnift für Kinderheilkunde
unter Mitwirkung hervorragender Fachärzte
herausgegeben
von
Sanitätsrat J)r. Sonnenberger in Worms.
Erscheint am ersten Freitag eines jeden Monats. — Vorauszubezahlender Preis ffir das ganze
Jahr 6 Mk., direkt unter Kreuzband fttr Deutschland und Österreich-Ungarn 6 Mk. 50 Pf., 7 Mk.
fürs Ausland. Mit Frauenarzt zusammen bezogen statt 24 Mk. nur 20 Mk. Einzelne Hefte 1 Mk.
— Bestellungen nimmt jede Buchhandlung und Postanstalt sowie auch die Verlagsbuchhandlung
jederzeit gern entgegen.
XXV. Jahrg. Januar. 1914. No. 1. (289.)
- -- ff-#»" ■' " ■'
INHALT: Originalien: Bayertfial, Ober die prophylaktischen Aufgaben des Lehrers
auf dem Gebiete der Nerven- und Geisteskrankheiten. 2. — Dutoft, Klinische Besonderheiten des
Typhus abdominalis im Kindesalter. 8. — Referate: Koch, Ober Scliarlachrekonvaloszenten-
serum. 11 . — Rowe, Die Behandlung des Scharlachs mit Rekonvaleszentenserum. 11. — Epstein,
Bedeutung dor Wassormann'schen Reaktion in der SäugUngsfQrsorge. 12. — Eckert, Indikation
und Technik der Tuberkulinkuren im Kindesalter. 13 . — Hornemann, Das neue Diphtherieschutz-
raittel v. Behrings. 13 . — Kausoh, Behandlung der Diphtherie mit intravenöser Seruminjektion
und Yatren. 14 . -- David, Akute primäre diphtherische Lungenentzündung. 15. — Langstein, Pye¬
litis im Kindesalter. 15 . Oppenheimer, Inflammatory affections of sinuses. 16 . — Ullmann, Thera¬
peutische Anwondung von Normalserum bei juckenden Dermatosen. 17. — Baum, Angeborene
Ilüftluxation. 17. — Weher, Extensionstisch zur Einrenkung angeborener Hüftluxationen. 18. -•
Dietl, Arsenregenerin und Regenerin. 19. — Bücherbesprechungen: Ritter, Das kommunale
Säuglingskrankonhaus und die öffentlichen Säuglingsfürsorgemaßnahmcn der Gemeinde Berlin-
Weißensee. 21. — Spitzy, Dio körperliche Erziehung des Kindes. 21 . — Abel, Bakteriologisches
Taschenbuch. 17. Aufl. 21. — Dieser, Repetitorium der Pharmakologie. 8 . Aufl. 22. — H. u. Th.
Lolmsteia, Medizlnal-Kalender und Rezept-Taschenbuch derAllg. raediz. Zentralzeitung. 21. Jahrg.
22. — Sonneoberner, Pyocyanase. 22. — Kurze Notizen aus derPraxis und Wissenschaft.
22 . — Kleine Mitteilungen. 24.
Abonnements-Einladung.
Mit diesem Heft tritt der „Kinder-Arzt“ den 25. Jahrgang seines
Erscheinens an.
Wie wenige Gebiete der Medizin hat die Kinderheilkunde — ein
Spezial-Forschungsgebiet, das mehr wie alle anderen im engen An¬
schluß an die gesamte Medizin bleiben muß — in dieser Zeit eine
erhebliche Umgestaltung und Erweiterung erfahren. Bei der großen
Fülle der Veröffentlichungen auf dem Gebiete der Pädiatrie, die natur¬
gemäß mit ihrer raschen Entwicklung verknüpft war, sichtend zu wirken
und den praktischen Arzt getreu über alle wirklichen Fortschritte zu
berichten, die ihm bei der Ausübung seiner Tätigkeit von Nutzen
sein können, dabei aber auch dem Spezialisten und Forscher manche
Anregung bezüglich der wissenschaftlichen Seite der Kinderheilkunde
zu geben — das waren die Grundsätze, die uns in der langjährigen
Redaktionstätigkeit geleitet haben. Im gleichen Sinne dieselben
weiter zu betätigen, dazu ermuntert uns die Mitwirkung zahlreicher
hervorragender Mitarbeiter auch für die Zukunft.
Zum Abonnement auf den neuen Jahrgang laden hierdurch
ergebenst ein
die Redaktion der Verlag
des „Kinder-Arzt*!
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Originalien.
Ober die prophylaktischen Aufgaben des Lehrers auf
dem Gebiete der Nerven- und Geisteskrankheiten.
(Vortrag, gehalten in einer Lehrerkonferenz zu Womis am 14. Juli 1913.)
Von Dr. J. Bayerthal,
Nervenarzt und Arzt an der städtischen Hilfsschule in Worms.
Meine Damen und Herren! Man kann Krankheiten, die zum
körperlichen, geistigen und moralischen Bankerott führen können,
dadurch bekämpfen, daß man immer mehr Heilstätten, Kranken¬
häuser, Irrenanstalten, Gefängnisse usw. errichtet, bis schließlich der
eine Teil der Menschheit in der Hauptsache sich damit abplagt,
die Mittel zur Unterstützung des durch diese Krankheiten sozial
unbrauchbar gewordenen anderen Teiles aufzubringen. Wir können
aber auch den genannten sozialen Übeln bekanntlich auf eine andere
Weise entgegentreten, und darüber sind denkende und urteils¬
fähige Menschen von jeher einig, — nämlich auf dem Wege der
Vorbeugung. Prophylaktischen Aufgaben dieser Art hat sich die
Schule schon seit geraumer Zeit unterzogen. Ich brauche in dieser
Beziehung bloß an die Bekämpfung der Infektionskrankheiten durch
geeignete Schutzmaßregeln, die des Verbrechens auf dem Wege der
Fürsorgeerziehung, der Folgen des angeborenen Schwachsinnes
durch Errichtung von Hilfsklassen, zu erinnern. Eine neue Aufgabe,
die die Schule erst jetzt eingehender zu beschäftigen beginnt, be¬
steht in der Prophylaxe der Nerven- und Geisteskrankheiten*),
eine fast neue Aufgabe, da die für die Hilfsschule in Betracht
kommenden Formen des angeborenen Schwachsinns ja nur einen
kleinen Teil jener Erkrankungen bilden. Ich habe Sie bereits in
einem früheren Vortrag**) auf einige Bedingungen aufmerksam ge¬
macht, die zu diesem Zwecke erfüllt werden müssen: Wir müssen
von den AbstammungsVerhältnissen und der Entwicklung eines
Kindes im vorschulpflichtigen Alter Kenntnis erhalten, ferner ist
eine ärztliche Untersuchung aller Schulanfänger erforderlich. Aber
eine nur verhältnismäßig kleine Zahl der in psychischer und nervöser
Hinsicht bedrohten Kinder würden wir auf diese Weise kennen
lernen. Zu einer erfolgreichen Prophylaxe ist es ferner erforderlich,
daß dem Arzte rechtzeitig die Beobachtungen des Pädagogen über
das geistige Verhalten eines Kindes während des Unterrichts und
während des Spiels, soweit es an die Möglichkeit einer abnormen
Veranlagung denken läßt, zur Verfügung gestellt werden. Zu diesem
*) Die in dieser Hinsicht maßgebenden Gesichtspunkte habe ich in
einem gelegentlich der Wanderversammlung der südwestdeutscheu Neurologen
und Irrenärzte am 25. Mai 1913 in Baden-Baden gehaltenen Vortrage dar¬
gelegt. („Uber die prophylaktischen Aufgaben der Schule auf dem Gebiete
der Nerven- und Geisteskrankheiten“. Veröffentlicht in der Psyehiatrisch-
Neurologischen Wochenschr. v. 26 Juli 1913.)
; ) Anhangsweise bringe ich einen a. a. O. schon veröffentlichten Bericht
über diesen Vortrag nebst der sich demselben anschließenden Diskussion, aus
welch letzterer geschlossen werden kann, welchem Interesse jetzt derartige
Fragen bei den Schulbehörden und Lehrern begegnen.
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3
Zwecke enfpfehle ich Ihnen bereits im ersten Schuljahre die Eltern
zu veranlassen, den Rat des Arztes einzuholen in all den Fällen,
wo Sie gewisse körperliche Erscheinungen wahrnehmen, die vom
Nervenapparat ausgehen und von dem Schularzt bei seiner Unter¬
suchung nicht beobachtet worden sind. Dazu gehören z. B. Blut¬
andrang zum Kopf, leichtes Erröten, häufiger Wechsel der Gesichts¬
farbe, auffallende Schweißabsonderung, Muskelzittern, Sprachstörungen
und dergleichen mehr. Natürlich müssen Sie das Elternhaus in ge¬
eigneter Weise auf die Notwendigkeit der Zuziehung des Arztes
aufmerksam machen, und das gilt auch für alle die anderen Eigen¬
tümlichkeiten, auf die ich gleich zu sprechen komme. Eine der
Damen sagte mir einmal vor einiger Zeit, sie möchte es nicht
wagen, den Eltern eines Kindes zu sagen, dasselbe sei „nicht normal!“
Ich kann der betreffenden Lehrerin aus naheliegenden Gründen
nicht Unrecht geben. Wenn Sie aber zu den Eltern sagen, diese
oder jene Erscheinung sei Ihnen an ihrem Kinde aufgefallen, viel¬
leicht sei sie ohne Bedeutung, vielleicht könne aber auch durch Ver¬
nachlässigung d. h. Nichteinholen ärztlichen Rates Schlimmes ent¬
stehen, Vorbeugen sei leichter als heilen und dergl. mehr, wenn
Sie so vorgehen, werden Sie wohl in der Regel Erfolg haben, und
wo Sie auf diesem Wege der Güte die Zuziehung des Arztes nicht
erreichen, da werden Ihre Vorgesetzten und Schularzt Abhilfe zu
schaffen wissen. Wer übrigens von uns meine Damen und Herren!
— gestatten Sie mir diese kurze Abschweifung! — darf von sich
sagen, er sei ganz und immer „normal“, auch in Erkrankungsfällen,
im Affekt, im Alter usw. Wir alle haben unsere Minderwertigkeiten,
die wir der ererbten Anlage verdanken. Normal ist in bestimmtem
Sinne der, der diese seine Schwächen und Unvollkommenheiten
kennt, — durch Erfahrung werden wir ja auch in dieser Beziehung
klug — und, soweit sie für ihn in sozialer Hinsicht bedenklich sind,
in gesunder und vernünftiger Weise zu beherrschen lernt. Um auf
unser Thema zurück zu kommen, so können wir für unsere Zwecke
das Schulkind als abnorm in geistiger oder sittlicher Beziehung be¬
zeichnen, bei dem die Erziehungsmittel, die bei der überwiegenden.
Mehrzahl der Kinder zum erwünschten Ziele führen, versagen. Ich
bemerke gleich hier, daß die Frage, ob und inwieweit an den Ano¬
malien eines Kindes nur Erziehungsmängel und ungünstige häus¬
liche Verhältnisse oder mehr abnorme Veranlagung und krankhafte
Momente schuld sind, in der Regel nicht ohne ärztlich-fachmän¬
nische Untersuchung zu entscheiden ist Ich wende mich jetzt zu
den hierher gehörigen, abnormen psychischen Erscheinungen, die
Sie schon bei den Schulanfängern beachten und zur Kenntnis des
Arztes bezw. des Elternhauses bringen sollen. Um uns die Über¬
sichtlichkeit über die in Betracht kommenden Anomalien zu er¬
leichtern, teilen wir die Gesamtheit der Schulanfänger ein in die
intellektuell normalen und intellektuell abnormen. Zu
den letzteren rechnen wir die Schüler, deren intellektuelle Leistungs¬
fähigkeit sich unter dem Durchschnitt bewegt und bei denen ein
regelmäßiges Aufrücken in die oberen Klassen mehr weniger
zweifelhaft ist. Natürlich ist diese Einteilung nicht als eine defi-
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nitive zu betrachten, da manches Schulkind, das anfangs ganz
normal zu sein schien, in seiner Leistungsfähigkeit so nachläßt, daß
es zu den Anormalen gerechnet werden muß. Umgekehrt kann auch
ein anfangs nicht ganz normales Kind sich so günstig entwickeln,
daß es nicht mehr als abnorm betrachtet werden kann. Unsere
Einteilung soll Sie nur veranlassen, von vornherein der Entwick¬
lung der Intelligenz besondere Aufmerksamkeit zu schenken und
bei Störungen derselben rechtzeitig ärztlichen Rat einholen zu
lassen. Ferner bitte ich Sie, die Stimmung der Kinder zu be¬
achten. Wenn wir auch das Recht haben, von einer normalen kind¬
lichen Heiterkeit zu sprechen, so kann man doch in der Regel
frühzeitig erkennen, ob ein Kind mehr eine ausgesprochene Frohnatur
oder mehr für den Ernst des Lebens empfänglich ist Halten Sie
nun fest, daß ungewöhnliche Abweichungen von der normalen
kindlichen Heiterkeit — mag es sich um auffallend ernste oder auf¬
fallend heitere oder beständig zwischen auffallend heiterer und
schwermütiger Stimmung schwankende Kinder handeln — Vorbote
und Grundlage von nervösen und geistigen Erkrankungen im
späteren Leben sein können. Dasselbe gilt für die abnorme
Willensschwäche eines Kindes. Wir können von einer abnormen
Willensschwäche dann sprechen, wenn ein Kind einen bedeutenden
vom Durchschnitt abweichenden Mangel an der Willenskraft auf¬
weist, die zur Beherrschung der willkürlichen Muskulatur, Aufmerk¬
samkeit, Affekte und Triebhandlungen erforderlich ist. An eine
abnorme oder krankhafte Willensschwäche in der Beherrschung der
willkürlichen Aufmerksamkeit, die ärztlichen Rat nötig macht,
müssen Sie auch bei allen ungewöhnlich unaufmerksamen, zerstreuten,
flatterhaften und ablenkbaren Kindern denken. Eine abnorme
Willensschwäche inbezug auf die Beherrschung der Muskulatur
zeigen alle Kinder mit ungewöhnlich nachlässiger und schlaffer
Körperhaltung, ferner gehören hierher alle auffallend unbeholfenen
und linkischen, zappeligen und unruhigen Kinder. Denken Sie
ferner daran, daß sich auch hinter einem auffallenden Mangel an
Selbstbeherrschung gegenüber den Affekten und Stimmungen die
Wurzel einer künftigen Seelenstörung bergen kann. Sorgen Sie
also für ärztlichen Rat bei allen Kindern, die durch ihre Ängst¬
lichkeit, Schreckhaftigkeit, Schüchternheit u. dcrgl. auffallen. Das¬
selbe gilt für alle zur Übertreibung und Maßlosigkeit geneigten
Schüler, also für die ungewöhnlich heftigen, leicht begeisterten,
leidenschaftlichen, zornigen, hastigen, impulsiven, launenhaften und
die auffallend vorlauten, geschwätzigen, ausgelassenen Naturen, ferner
für die auffallend einsilbigen, ruhigen, verschlossenen Elemente.
Denn auch diese Züge können durch einen abnormen oder krank¬
haften Affekt bedingt sein. Beobachten Sie auch, bitte, außerhalb
der Unterrichtsstunden beim Spiel und Spaziergang, ob ein Kind
nicht in ungewöhnlicher Weise auf Lob und Tadel, Bevorzugung
und Zurücksetzung reagiert Wir werden so jene Kinder am besten
ausfindig machen, von denen nicht wenige später, falls die Schule
nicht rechtzeitig eingreift, die Selbstüberschätzung und Selbstüber¬
hebung zeigen, die schon vor 20 Jahren einen bekannten Nerven-
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arzt von einem „Größenwahn als Krankheit des Jahrhunderts“
sprechen ließ. Tatsächlich bilden die genannten Eigenschaften auch
heute noch eines der größten Hindernisse zur Wiedererlangung
der Nervengesundheit. Ebenso verdienen unsere Aufmerksamkeit
die auffallend widerspenstischen, eigensinnigen, trotzigen, aber auch
die auffallend gehorsamen, unselbständigen, bestimmbaren Naturen,
ferner die auffallend faulen, unordentlichen, unreinlichen Elemente.
Die Beziehungen zu den Mitschülern sind natürlich für dieBe-
urteilung der Geistesart ebenfalls von der größten Bedeutung. Ihre
Beobachtung gestattet uns, jene anmaßenden, hochmütigen, streit¬
süchtigen und rechthaberischen Elemente frühzeitig ausfindig zu
machen, die bei mangelnder ärztlich-pädagogischer Beeinflussung
später entweder selbst als „Querulanten“ den Behörden und Irren¬
ärzten viel zu schaffen machen oder wenigstens nicht sehr wider¬
standsfähige Menschen in ihrer Nervengesundheit schädigen. Patho¬
logische Bedeutung kann auch allen auffallend einsamen, ungeselligen
Elementen, ferner auffallend „unmütterlichen“ Mädchen und feigen
Knaben (Abneigung gegen Puppenspiel und Soldatenspiel!) zu¬
kommen. Besondere Aufmerksamkeit seitens der Schule und zwar
von allem Anfang an, weil zugleich auch für die Bekämpfung des
Verbrechens von Bedeutung, verdienen auch alle ungewöhnlich
lügnerischen, diebischen, unkeuschen und grausamen (d. h. schaden¬
frohen, bösartigen, gehässigen, rachsüchtigen, brutalen u. a.) Kinder.
Auch diejenigen Schulkinder gehören hierher, wie mir wieder ein
in der letzten Zeit zu meiner Kenntnis gekommener Fall gezeigt
hat, die schon im ersten Schuljahr sich unerlaubte Schulversäum¬
nisse zuschulden kommen lassen. Meine Damen und Herren! Ich
hoffe, Sie auch durch meine heutigen Ausführungen davon überzeugt
zu haben, daß wir nicht nur imstande sind, die Kinder, die nach
ihrem körperlichen und geistigen Zustande den Anforderungen der
Schule nicht gewachsen sind, von vornherein auszuscheiden und
die Behandlung solcher körperlicher Leiden zu veranlassen, die in
nervöser Hinsicht bedenklich werden können, sondern auch mit
Hilfe Ihrer Beobachtungen eine Disposition zu Nerven- und Geistes¬
krankheiten zu erkennen, die bisher dem Elternhause und Haus¬
arzt entgangen war. Daß Sie bei Ihren Versuchen, die erforder¬
lichen Vorbeugungsmaßregeln zu veranlassen, der Unterstützung
der Vorgesetzten Behörde und der Schulärzte sicher sein können,
darüber brauche ich wohl kein Wort zu verlieren. Auch zu den
übrigen Ärzten dürfen Sie das Vertrauen haben, daß sie den Eltern
Ihrer Zöglinge nach bestem Wissen und Gewissen raten und auch
die rechtzeitige Zuziehung des Spezialisten nicht versäumen werden.
Auch von Ihnen darf ich annehmen, daß Sie sich nicht dem Vor¬
wurf aussetzen, den ich vielleicht am besten charakterisieren kann,
wenn ich die Worte zitiere, die ein Schulinspektor auf einem der
letzten schulhygienischen Kongresse äußerte. „Wenn ich in eine
Klasse komme“, sagte er, „so frage ich den Lehrer: Wo sitzen die
kurzsichtigen, wo die schwerhörigen, wo die wegen körperlichen
Schäden vom Turnunterricht dispensierten Kinder? Wenn mir der
Lehrer auf diese Frage keine genügende Auskunft geben kann, dann
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sage ich ihm: Sie haben es an der nötigen Sorgfalt fehlen lassen“.
Ohne Sorgfalt ist ja kein planmäßiges Zusammenwirken von Lehrer
und Arzt und damit auch keine Prophylaxe auf dem in Rede
stehenden Gebiete möglich. Es wird nun voraussichtlich gar nicht
so selten Vorkommen, daß bei den in Betracht kommenden Kindern
die Ratschläge des von den Eltern mit oder ohne Zureden des
Lehrers befragten Arztes nicht zum Ziele führen. Wie diese Kinder
dann seitens der Schule zu behandeln sind, das kann dann nur von
Fall zu Fall auf Grund eines gegenseitigen Meinungsaustausches
von Lehrer und Arzt entschieden werden. Uber die dabei ma߬
gebenden Gesichtspunkte gedenke ich mich bei einer späteren Ge¬
legenheit zu verbreiten und ich hoffe dann, Ihnen die Dinge, um die
es sich dabei handelt, auch durch Vorstellung einiger inbezug auf
ihre Nervengesundheit gefährdeter Kinder besser veranschaulichen
zu können.
Anmerkung: Bericht über den S. 2 erwähnten frühercu Vortrag.
Schon bei der ersten ärztlichen Untersuchung der Schulanfänger ist bei
den Kindern, die in körperlicher und geistiger Beziehung auffallende Er¬
scheinungen darbieten, die Beantwortung bestimmter Fragen erforderlich.
Von diesen Fragen spielt die nach den erblichen Verhältnissen eine
wichtige Rolle. Abgesehen jedoch davon, daß sich von dein sog. Vererbuugs-
gesetz zahlreiche Ausnahmen finden, ist den Kindern gegenüber, in deren
Verwandtschaft Nerven- und Geisteskrankheiten, Selbstmord, Trunksucht und
Verbrechen, gehäufte Tuberkulose usw. vorgekommen sind, auch deshalb
keine Schwarzseherei am Platze, weil nicht Krankheiten sich für gewöhn¬
lich vererben, sondern nur Krankheitsanlagen, deren Entwickelung die Schule
durch Fernhaltung gewisser Schädlichkeiten häufig verhüten könne. Aus
naheliegenden Gründen erhält man öfter über die in einer Familie vor¬
handenen Erblichkeitsverhältnisse nicht die wünschenswerte Auskunft. Auch
aus diesem Grunde muß man sich an der Hand von Fragen über die Ent¬
wicklung im vorschulpflichtigen Alter ein Urteil über die Nerven -
und Gehirnlage eines Kindes zu bilden suchen. Von großer Bedeutung in
dieser Hinsicht ist es z. B. zu wissen, ob ein Kind zu einer Zeit das Licht
der Welt erblickte, in der die Mutter schweren Gemütsbewegung e 11
ausgesetzt war. Derartige Kinder sind oft mit einer Schwäche der nervösen
Funktion behaftet, die sich bis zur Idiotie erstrecken. Zum Teil aus diesem
Grunde findet man bei unehelichen Kindern mehr Mängel in psychisch¬
nervöser Beziehung als bei ehelichen. Ein weiterer Grund für diese Er¬
scheinung ist der, daß die Mütter unehelicher Kinder häufig geistig minder¬
wertig sind. Ererbt dagegen ein uneheliches Kind gute Anlagen, so richtet
schlechte Erziehung und Pflege, denen die Unehelichen in besonderem Maße
ausgesetzt sind, weit weniger Unheil an aus dem einfachen Grunde, weil
Vernachlässigung die Geisteskräfte wohl unentwickelt läßt, aber keine minder¬
wertigen Anlagen schafft. Von Interesse ist es ferner, zu wissen, wann die
Kinder zu zahnen, gehen, sprechen begonnen haben, da eine
auffallende Verspätung in dieser Beziehung auf Anomalien des Nervensystems
hin weist. Vorsicht ist auch solchen Kindern gegenüber am Platze, von denen
man hört, daß sie mit Schlafstörungen behaftet sind. Vorsicht, aber
keine Ängstlichkeit. Dasselbe gilt für die Schulkinder, die an Bettnässen
leiden. Auch die Frage, ob ein Kind im vorschulpflichtigen Alter an
Krämpfen gelitten habe, ist seitens des Elternhauses zu beantworten. Sie
stellen allerdings nur dann den Ausdruck einer nervösen Minderwertigkeit
dar, wenn sie häufiger aufgetreten sind. Notwendig ist es ferner, auf die
Kinder zu achten, bei denen sog. nervöse Gewohnheiten wie Lut¬
schen, Nägelkauen und dergl. bemerkt werden. Diese Erscheinungen
sind häufig Merkmale eines abnorm schwachen Willens und vergesellschaften
sich außerdem nicht selten mit Störungen der sexuellen Entwick¬
lung, die den Schularzt auffordern, nach dieser Richtung hin Nachforsch¬
ungen anzustellen. Besonders wichtig für die Beurteilung der Veranlagung
eines Schulkindes ist es, durch Befragen der Mutter zu ermitteln, ob das-
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selbe schon vor dem Besuche der öffentlichen Schule an Erscheinungen
erhöhter gemütlicher Erregbarkeit gelitten hat. In der Regel wird man
das Vorkommen abnormer affektiver Erregbarkeit im vorschulpflichtigen
Alter feststellen können, wenn man sich nach der Wirkung von körper¬
licher und geistiger Ermüdung,Temperatureinflüssen, fieber¬
haften Erkrankungen, Alkohol genuß, Körperverletzungen
auf das Allgemeinbefinden des Kindes erkundigt. In der Schule sind jeden¬
falls die Kinder von vornherein zu beachten, die durch abnorme große, d. h.
nicht im Verhältnis zum Anlaß stehende Ängstlichkeit, Schreckhaftig¬
keit, Zornausbrüche usw. ausgezeichnet sind, und dem Schularzt vorzu¬
führen. Dieser ist dann imstande, auf Grund solcher Mitteilungen und Be¬
obachtungen und an der Hand seines Untersuchungsbefundes Schule und
Elternhaus wertvolle Dienste zu leisten, er kann z. B. raten, von der An¬
wendung körperlicher Strafen vollständig Abstand zu nehmen, keine Nach¬
hilfsstunden zu erteilen, im Gegenteil im Interesse des reichlichen Genusses
der frischen Luft Dispens von einzelnen Unterrichtsstunden eintreten zu
lassen, den Ehrgeiz des Kindes nicht anzuregen usw.
Weitere prophylaktische Aufgaben treten an die Schule und den Schul¬
arzt heran mit aem Beginn der Pubertät, in der manche nervöse Erschei¬
nung, die beseitigt schien, wieder auftaucht, mancher psychopathische Keim,
der bisher der Beobachtung entgangen ist, sich zu entwickeln beginnt. Zur
Zeit der Schulentlassung ist es erforderlich, Fürsorge zu treffen für die
abnorm veranlagten Elemente, die sich ihrer Minderwertigkeit nicht für jeden
Beruf und Lehrherrn eignen, die gar leicht mit dem Strafgesetzbuch in Kon¬
flikt kommen können und aus diesen und anderen Gründen nicht in das
Heer eingestellt werden sollen. Unter den anormalen Schulkindern befinden
sich aber nicht nur minderwertige, sondern auch höherwertige Individuen,
d. h. Kinder, die an Intelligenz und guten Charaktereigenschaften das Ditrch-
schnittsmaß übertreffen. Auch diesen Kindern muß natürlich bei der Wahl
des Berufes der Rat des Schularztes zur Verfügung stehen. Ich
bezweifele nicht, daß die erforderlichen Anordnungen seitens der Schule ohne
große Schwierigkeiten durchgeführt werden können und durchgeführt werden
müssen. Denn in dem Maße, als es gelinge, schon in der Schule die nervös
und psychopathisch veranlagten Kinder in der richtigen Weise zu behandeln,
werde die Zahl der Menschen abnehmen, die auf ihrem späteren Lebenswege
unheilbarem Nervensiechtum verfallen und besten Falls in der Irrenanstalt
endigen.
In der sich an den Vortrag anschließenden Besprechung erläuterte Kreis¬
schulinspektor Prof. Luley-Worms zuerst unter Hinweis auf die heute so
eifrig betriebene Jugendpflege, warum die Schule sich auch mit diesen Fragen
beschäftigen müsse. Er betonte, daß auch die von der Natur stiefmütter¬
lich Bedachten ein Recht auf individuelle Behandlung in Erziehung und
Unterricht hätten. Erforderlich zu diesem Zwecke sei es aber für den
Lehrer, die anormalen Schulkinder rechtzeitig zu erkennen, damit er seine Er¬
ziehungsarbeit, sein Lehrverfahren danach einrichten könne und Mißgriffe
vermeide, die oft üble Folgen nach sich ziehen. Es liegt auch im Interesse
der Mitschüler, der Eltern, der Gemeinde, des Kreises, des Staates, daß die
abnormen Schüler richtig erkannt, behandelt und ausgebildet werden. Eltern
und öffentliche Körperschaften haben heute oft unter den Folgen von Ver¬
nachlässigungen dieser Art zu leiden. Sie müssen für die in Erziehung und
Unterrricht vernachlässigten Anormalen finanziell und zwar oft mit großen
Opfern eintreten. Zwangserziehung, Armen Unterstützung, völlige Unter¬
haltung usw. könne aber bei sachgemäßer, rechzeitig einsetzender Ausbildung
unnötig gemacht werden. Redner ist ebenfalls der Ansicht, daß die Erreich¬
ung solcher Ziele nur durch Zusammenwirken von Arzt, Schule uud Familie
möglich ist. Es ist zuerst Aufgabe des Lehrers und Schularztes, durch Be¬
obachtung und Befragen der Eltern die anormalen Erscheinungen festzu¬
stellen. Der Arzt wird dann durch Zusammenfassung der Beobachtuugser-
gebnisse ein Bild der besonderen Artung des Kindes schaffen und dem
Lehrer die nötigen Winke für die Behandlung des Zöglings geben. Auf
dieser Grundlage baut der Lehrer dann sein Erziehungsverfahren auf, soweit
cs im Rahmen der öffentlichen Schule möglich und nicht die Überweisung an
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besondere Anstalten notig macht. Professor Luley wies zum
Schlüsse noch auf einige in seiner Berufstätigkeit gemachten Erfahrungen
hin, kennzeichnete einige Erscheinungsformen bei geistig anormal veranlagten
Schulkindern und zeigte dabei, wie folgenschwer die Vielkenntnis krankhafter, ,
psychischer und moralischer Anlagen sein kann. Hauptlehrer Sande r-Worms
und Hilfsschullehrer B ü ttne r-Worms sprachen gleichfalls in diesem Sinne.
Dr. Bayerthal betonte nochmals, daß bei Feststellung der die normale
Veranlagung kennzeichnenden Erscheinungen möglichst früh in der Schule
eingegriffen werden müsse, nicht erst nach Verlauf mehrerer Jahre, und be¬
sprach einen von ihm entworfenen Fragebogen und seine Bearbeitung durch
den Lehrer und Schularzt.
Zum Schlüsse sprach Geheimer Regierungsrat Dr. Kayser-Worms
Dr. Bayerthal und den Diskussionsrednern seinen Dank aus und schloß
die Besprechung mit dem Wunsche, daß die auf dem genannten Gebiete nun
beginnende prophylaktische Arbeit von Nutzen, von Vorteil und Segen be¬
gleitet sein möchte.
Klinische Besonderheiten des Typhus abdominalis
im Kindesalter.
Von Dr. A. Du toi t in Montreux (Schweiz).
Unter Berücksichtigung der praktischen Erfahrungen unter¬
scheiden wir in diesem Zusammenhang die Erkrankungen an Typhus
abdominalis bei Säuglingen einerseits von denjenigen bei Kindern
mittleren Alters andererseits.
Ganz allgemein betrachtet gilt der Typhus abdominalis im
Kindesalter als eine gutartige Erkrankung, vorausgesetzt natürlich,
daß die Diagnose rechtzeitig erfolgt und eine entsprechende Behand¬
lung mit Verständnis durchgeführt wird. Immerhin kommt zumal
dem Typhus abdominalis beim Säugling eine ernste Prognose zu.
I. Der Typhus abdominalis im mittleren Kindesalter
betrifft vorwiegend die Zeit vom io. bis 15. Lebensjahr.
Das Anfangsstadium der Krankheit verdient ganz besondere
Aufmerksamkeit. I111 Gegensatz zu den Erfahrungen beim Erwach¬
senen erscheint der Beginn häufig auffällig abgekürzt, das heißt das
Fieber steigt schon innerhalb der ersten drei oder vier Tage zur
vollen Höhe an.
Sonst aber finden sich im Anfangsstadium die allbekannten
Störungen, wie Schwäche, Schwindel, Kopfschmerzen, Nasenbluten,
und vorzugsweise gerade Erbrechen.
Abgesehen davon gibt es gelegentlich einmal eine Erkrankung
mit plötzlichem Anfangsstadium, das Fieber erreicht dann schon
innerhalb zweimal 24 Stunden einen recht bedenklichen Grad, der
Art, daß die Diagnose außerordentliche Schwierigkeiten bietet, falls
nicht auch andere Zeichen den Verdacht auf Typhus abdominalis
bestärken. Im besonderen liegt in derartigen und ähnlichen Fällen
die Verwechslung mit einer Pneumonie auf der Hand, einer¬
seits weil die das Fieber begleitende Leberstauung eine Dämpfung
in der rechten unteren Brustgegend hervorruft, welche natürlich den
Anschein einer Lungenanschoppung erweckt, andererseits weil der
Milztumor bei Kindern und überhaupt im Anfangsstadium öfters fehlt
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Aus diesem Grunde kommen also Verwechselungen zwischen
Pneumonie und Typhus abdominalis bei Kindern im mittleren Lebens¬
alter vor. Der Irrtum klärt sich erst später von selbst auf, etwa
vom neunten Tage an, wenn eher keine Krise eintritt. Zu dieser
Zeit läßt sich dann zumeist der Milz tumor unzweifelhaft nachweisen.
Nur im Vorbeigehen endlich erwähnen wir, daß, allerdings recht
selten, im Anfangsstadium ein erythematose oder selbst eitrige Angina
für einige Tage das klinische Bild beherrscht.
Neben der Verwechslung mit einer Pneumonie verdient vor
allem aber eine solche mit Appendizitis nähere Beachtung.
Kinder neigen ganz besonders zu Klagen über Schmerzen im Unter¬
leib, Klagen, welchen man, je nach Gebühr, mit Verständnis entgegen-
kommen muß.
Zu den besonderen Erscheinungen, welche das Anfangsstadium
eines Typhus abdominalis im mittleren Kindesalter auszeichnen,
rechnen wir hier die meningitischen Störungen. Sie erinnern
bald mehr an eine echte Meningitis cerebrospinalis acuta, bald mehr
an eine Meningitis tuberculosa. Die Lumbalpunktion gibt
nur insofern sicheren Aufschluß, wenn entweder Tuberkelbazillen
oder Typhusbazillen gefunden werden, oder wenn die Zerebrospinal¬
flüssigkeit Typhusbazillen agglutiniert
Wir gelangen sodann zum Status typhosus im engeren
Sinne, welcher im mittleren Kindesalter annähernd dem¬
jenigen des Erwachsenen entspricht. Der Milztumor steht hier
im Vordergrund. Dazu kommen Roseolaflecken, welche aber
bei weitem nicht so häufig wie beim Erwachsenen und im ganzen
genommen recht spärlich sich zeigen. Einen wesentlichen Anteil im
klinischen Bilde beansprucht zu dieser Zeit auch zumal die Bron¬
chitis, wogegen die Diarrhoe keineswegs die gleiche Bedeutung
gewinnt wie beim Erwachsenen. Fälle von Typhus abdominalis im
mittleren Kindesalter mit hartnäckiger Verstopfung gehören
gar nicht zu den Ausnahmen.
Verweilen wir noch einen Augenblick bei den Roseolaflecken,
so bemerken wir darüber, daß dieselben gelegentlich recht frühe, z.
B. schon am dritten und vierten Krankheitstage, erscheinen, über¬
haupt öfter in geringer Zahl und unansehnlich sich zeigen und end¬
lich nicht selten überraschend schnell verschwinden.
Bezüglich des Fiebers ist zu sagen, daß Kinder im mittleren
Lebensalter, im Gegensatz zu dem, was wir beim Erwachsenen be¬
obachten, zu ganz erheblichen Schwankungen neigen, derart,
daß zwischen dem Maximum und Minimum desselben Tages, bis zu
zwei Grad C liegen. Natürlich heißt es unter diesen Umständen
der Differentialdiagnose mit einer Miliartuberkulose gebührend
Rechnung tragen, zumal dann, wenn die Bronchitis den Verdacht
auf eine Lungenerkrankung hinlenkt.
Zur Zeit der Entfieberung sodann findet gerade das Gegen¬
teil dessen statt, was das Anfangsstadium auszeichnet, nämlich wenn
dort von einer Verkürzung die Rede war, so handelt es sich jetzt
gerade ebenso oft um eine Verzögerung, welche aber kaum ein¬
mal den zehnten Tag überdauert Ganz selten ist ein rascher Fieber-
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IO
abfall. Er gilt indessen als charakteristisch für Fälle, welche der
Typhusvaccine unterworfen werden.
In klinischer und prognostischer Hinsicht unterscheiden
wir, das Gesagte kurz nochmals zusammenfassend, am besten wohl
drei Grade der Erkrankung an Typhus abdominalis im mittleren
Kindesalter:
1. Leichte Formen. Sie kommen verhältnismäßig häufig
vor. Das Fieber erhebt sich nach meist raschem Anstieg zu bedenk¬
licher Höhe. Milztumor, vereinzelte Roseolaflecken, gelegentlich Ei¬
weiß im Ham. Status typhosus erscheint verkürzt auf Kosten der
Zeit der Entfieberung, welche unmerklich in die eigentliche Rekon¬
valeszenz übergeht.
Hierher gehören anhangsweise die abortivenFormen, welche
bei Kindern im mittleren Lebensalter nicht selten Vorkommen.
2. Mittlere Formen. Die Erscheinungen nähern sich den¬
jenigen beim Erwachsenen, mit den Besonderheiten, welche wir oben
hervorgehoben haben.
3. Schwere Formen. Die Erfahrung lehrt hier, daß Mädchen
im Pubertätsalter öfter einen außerordentlich schweren, ja selbst
tödlichen Verlauf der Erkrankung zeigen. Dabei handelt es sich
Jeils um den sogenannten Lungentyphus, teils um meningi-
tische Erscheinungen, welche von Anfang an das klinische
Bild beherrschen. Hier vor allem drängt sich die Verwechslung mit
einer akuten Tuberkulose immer wieder auf.
Dazu gesellen sich, nach vorangehender Entfieberung, die bekann¬
ten Rückfälle. Diese bedrohen ganz allgemein die Kinder häufiger als
die Erwachsenen. Das Zeitintervall beträgt sechs bis zehn Tage im
Mittel, gelegentlich aber auch mehr. In der Regel ereignet sich e i n
einziger Rückfall, selten sind schon zwei und drei Rückfälle. Ge¬
wöhnlich verläuft der Rückfall ähnlich wie die erste Erkrankung, jedoch
wesentlich abgekürzt Häufig handelt es sich nur um eine mehr
oder weniger leichte Fieberschwankung von fünf- bis achttägiger
Dauer.
Die eigentlichen Komplikationen des Typhus abdominalis
im mittleren Kindesalter entsprechen durchaus denjeningen beim
Erwachsenen. Wir gehen an dieser Stelle nicht weiter darauf ein,
erinnern aber daran, daß die Darmblutungen in diesen Fällen
gerade besonders verhängnisvoll endigen.
Dem mittleren Kindesalter eigen sind osteomyelitische
Komplikationen, welche zumal die Zeit der Rekonvaleszenz be¬
vorzugen.
II. Der Typhus abdominalis beim Säugling stellt an
sich ein recht seltenes Vorkommnis vor. Bis zum sechsten Lebens¬
monat bildet er überhaupt eine Ausnahmeerscheinung.
Wir unterscheiden in diesem Zusammenhang kurz die drei fol¬
genden Formen:
i. Der Typhus abdominalis verläuft unter dem Bilde einer
schweren fieberhaften Allgemeinerkrankung, ohne her¬
vorstechende Störungen. Einzig die genaue Aufzeichnung der Fieber¬
kurve läßt hier die Diagnose richtig stellen.
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II
2. Der Typhus abdominalis erinnert Zug um Zug an eine
Meningitis zerebrospinalis. Einzig die Diarrhoe erregt den
Verdacht auf Darmerkrankung. (Tritt aber auch bei M. z. auf. Red.)
3. Der Typhus abdominalis täuscht eine Gastroenteritis in¬
fantum vor. Die Diarrhoe steht ganz im Vordergrund.
In allen diesen Formen des Typhus abdominalis beim Säugling
lautet die Prognose äußerst bedenklich. Der Tod tritt in
der Regel schon nach zehn bis fünfzehn Tagen ein.
Referate.
über Scharlachrekonvaleszentenserum. Von Richard Koch.
(Aus der medizinischen Klinik des städtischen Krankenhauses
Sachsenhausen, Frankfurt a. M.) [Direktor: Prof. Dr. Schwen¬
kenbecher.] Münch, med. Wochenschr., 1913, Nr. 47.)
Nach der Behandlungsmethode, über die Reiß und Jungmann
1912 berichteten (Deutsches Archiv f. klin. Medizin, Bd. 105, S. 70)
wurden bis Ende März 1913 weitere 22 schwere Scharlachfälle be¬
handelt Bereitung des Serums: Sterile Blutentnahme von fieber¬
freien, nicht tuberkulösen, auf W.-R. negativ reagierenden Schar¬
lachkranken am 18.—24. Tag nach Ausbruch des Exanthems. Ab¬
stehenlassen über Nacht im Eisschrank, dann Zentrifugieren und
Einschmelzen in Glasampullen unter Zusatz von 0,5 proz. conc. Kar¬
bolsäure. Vor dem Karbolzusatz Sterilitätsprüfung. Indikation:
Schwer toxische Scharlachfälle in den ersten Tagen. Dosis und
Applikation: Bei kleinen Kindern 50 cc, bei größeren und Er¬
wachsenen 100 cc intravenös (im Salvarsaninfusionsgefäß). Er¬
folge: Kritische Entfieberung und Umschwung im Allgemeinbefinden
bei rein toxischem Scharlach. Keine Einwirkung auf Komplikationen.
Kontrollversuche mit normalem Menschenserum ergaben, daß
auch hierdurch tiefe Temperatursenkungen herbeigeführt werden
können. Die Einwirkung ist aber weniger dauernd und die Beein¬
flussung des Allgemeinbefindens weit geringer. Autoreferat.
Die Behandlung des Scharlachs mit Rekonvaleszenten*
serum und Normalserum. Von Rowe. (Aus der II.
inneren Abt des städtischen Krankenhauses Charlottenburg.
— Deutsche med. Wochenschr., 1913.)
R. gewann das Rekonvaleszentenserum von gesunden Scharlach-
rekonvaleszenten zwischen dem 21. und 28. Krankheitstage, die kein
Zeichen konstitutioneller oder hereditärer Lues boten und einen ne¬
gativen Ausfall der Wassermann’schen Reaktion hatten; das Nor¬
malserum von Gesunden, die noch niemals Scharlach gehabt hatten.
Das Serum injizierte er nur solchen Patienten, die eine Temperatur
von 39,5 Grad und darüber hatten. Einen merkbaren qualitativen
Unterschied in der Wirkung der beiden Seren konnte er nicht be¬
merken. Bei beiden ließ sich zunächst die Beeinflussung des Fiebers
und der mit dem Fieber verknüpften Störung des Allgemeinbefindens
feststellen. Die Kurve kann eine kurze Zeit nach der Injektion noch
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etwas ansteigen oder hält sich ungefähr auf derselben Höhe, um
dann in wenigen Stunden bereits bis zur Norm zu sinken. Die Puls¬
kurve fällt mit der Temperaturkurve parallel. Im Anschluß an die
Injektion stellt sich gewöhnlich Schlaf ein, # auch am Tage. In den
günstigen Fällen bleibt dann am nächsten Tage die Temperatur
normal oder überschreitet wenigstens nicht mehr 38 Grad, um dann
dauernd unten zu bleiben. Das Exanthem pflegt 24 Stunden nach
der Injektion bis auf geringe Spuren verschwunden zu sein, nach
weiteren 24 Stunden ist gewöhnlich nichts mehr davon zu sehen.
Im Gegensatz hierzu werden die Halserscheinungen nur wenig durch
die Seruminjektion beeinflußt.
Der günstige Krankheitsverlauf konnte jedoch nur dann
beobachtet werden, wenn die Patienten gleich in den ersten Krank¬
heitstagen behandelt werden konnten. Nicht geeignet für die Serum-
therapie erschienen solche Fälle, bei denen ein hoch fieberhafter
Scharlach schon länger als fünf Tage bestand, oder Fälle, die unter
dem Bilde einer sogenannten Scharlachsepsis auftraten.
Während R. anfangs hohe Dosen gab, injiziert er jetzt gewöhn¬
lich 40 bis 65 ccm Serum und erlebt dabei keine unangenehmen
Nebenwirkungen. In solchen Fällen, bei denen am nächsten Morgen
die Temperatur Neigung zu erneutem Anstieg zeigt, macht er eine
zweite Injektion von 20 bis 40 ccm Serum und erzeugt auf diese
Weise einen erneuten und häufig definitiven Temperaturabfall.
Schnell (Halle).
über die Bedeutung der Wassermaiut’schen Reaktion in
der S&uglingsfttrsorge. Von Alois Epstein. (A. d. Kinder¬
klinik u. -abteilung in der Prager Landesfindelanstalt — Prager
Mediz. Wochenschr., 1913, Nr. 45.)
Die Gefahr der Lues-Infektion in der geschlossenen Säuglings¬
fürsorge — in der Anstaltspflege — ist unwesentlich gegenüber der
Infektionsgefahr, welche von hereditär luetischen Kindern in der
offenen Säuglingsfürsorge — in der Außenpflege — ausgeht In
der Anstalt selbst läßt sich durch strenge Schulung des Ärzte- und
des Pflegepersonals die Gefahr der Lues-Infektion ganz vermeiden.
Epstein selbst sah während seiner* langen Tätigkeit nie eine
derartige Übertragung in der Anstalt; wohl aber läßt sich diese
Gefahr in der offenen Säuglingsfürsorge nicht ganz bannen, selbst
bei genauester ärztlicher Aufsicht, wie sie z. B. von den französischen
Findelhäusern geübt wird. In der Prager Findelanstalt muß, wie
ein Landes-Ausschuß-Erlaß bestimmt, bei allen von der Anstalt zu
versorgenden Kindern vor deren Abgabe in die Außenpflege W.-R.
vorgenommen werden und auch bei deren Müttern, soweit dies tun¬
lich ist. Die Untersuchung auf W.-R. wird bei längerem Aufenthalte
der Kinder in der Regel alle 4 Wochen wiederholt. Seit dem 14. Mai
1^12 bis 3. Oktober 1913 wurden 1497 Kinder und 1306 Mütter in
die vom Verf. geleitete Abteilung auf genommen, die Zahl der vor¬
genommenen W.-R. beträgt 3991, von welchen 2299 auf Kinder,
1392 auf Mütter entfallen. Eine zur vorläufigen Orientierung über
die ersten zwei Monate der obligatorischen W.-R.-Vomahme mv
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*3
gestellte Zählung ergab unter 198 Müttern 20 positive Reaktionen (10%).
Von diesen zeigten Zeichen frischer oder alter Lues 5, die übrigen
15 waren frei von manifester Lues. Von den letzteren wurden zum
zweiten Mal untersucht 7, und auch zum zweiten Mal positiv ge¬
funden 4, die übrigen 3 negativ. Unter 236 Kindern der ersten
Lebenswochen reagierten positiv 8, das sind 33%. Darunter Kinder
von nachweisbar luetischen und positiv reagierenden Müttern 4, von
negativ reagierenden Müttern 1, Kinder nicht untersuchter Mütter 3.
Bei einem Kinde war das Resultat negativ und erst nach Ausbruch
der Erscheinungen, bei Wiederholung der W.-R. positiv. — Die
regelmäßige Vornahme der W.-R. ist nicht nur für die Prophylaxe
der Lues in der offenen Säuglingsfürsorge, sondern auch für den
inneren Anstaltsbetrieb (Isolierung, Dauer des Aufenthaltes, Art der
Ernährung) von großer Wichtigkeit geworden und sollte nach Mög¬
lichkeit auch in der privaten Säuglingsfürsorge durchgeführt werden.
E. Flusser (Prag).
Indikation und Technik der Tuberkulinkuren im Kindes¬
alter. Von Eckert-Berlin. (Therapeut Monatshefte, 1913,
Oktober.)
Neuere phthiseogenetische Anschauungen, die sich auf die kli¬
nische Betrachtung wie auf die experimentelle Forschung stützen,
weisen der Phthise im Bilde der tuberkulösen Infektion etwa die
gleiche Stelle zu wie der tertiären Form im Bilde der Syphilis, d. h.
die chronische, langsam verlaufende Phthise ist der Ausdruck einer
durch eine erstmalige, bereits überstandene Infektion erzeugte partielle
Immunität, die den Ausbruch akut tödlicher Miliartuberkulosen ver¬
hindert Aufgabe der Tuberkulinkuren kann es nur sein, die Ent¬
stehung einer solchen partiellen Immunität zu unterstützen. Nie¬
mals kann durch Tuberkulin eine Immunisierung des nicht infizierten
Körpers erreicht werden, dazu ist der lebende Bazillus unentbehrlich.
Eine direkt heilende Beeinflussung tuberkulöser Herde bedingt
eine mehr oder weniger starke, im Kindesalter stets gefährliche Herd¬
reaktion, durch Anwendung größerer Dosen. Eine Förderung der
natürlichen Immunität kann schon durch geringe Dosen mit vor¬
sichtiger Steigerung ohne Herd und Allgemeinreaktion erreicht werden.
Die Tuberkulinkur ist demnach auf bereits infizierte Kinder
mit streng lokalisierten Tuberkulosen zu beschränken, technisch
kommt nur die einschleichende (Sahlisehe) Methode der kleinen
Dosen in Frage. Autoreferat.
Das neue Diphtherieschutzmittel v. Behrings. Von O.
Hornemann-Charlottenburg. (Aus dem Kaiserin Augusta-
Victoria-Haus zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit im
Deutschen Reich. — Therapeutische Monatshefte, Nov. 1913.)
Das neue Schutzmittel sucht den Impfling durch Erhöhung des
Antitoxingehalts des Blutes aktiv zu immunisieren. Es besteht
aus einer Mischung von starkem Diphtheriegift und Antitoxin, und
zwar in solchem Verhältnis, daß die Mischlösung im Meerschweinchen¬
versuch nur einen geringen oder gar keinen Toxinüberschuß
aufweist,
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H
Die Leistungen und Ziele dieser aktiven Immunisierung bestehen
darin, den Antitoxingehalt des Blutes auf eine bestimmte Höhe zu
bringen, die einen ausreichenden Schutz gegen eine epidemiologische
Infektion gewährleistet (*/, 0 Antitoxineinheit in i cbcm Serum).
Weiter soll durch die aktive Immunisierung ein möglichst lange
anhaltender Schutz erzeugt werden. Man hat nämlich die Erfahrung
gemacht, daß die autogenen Schutzkörper ungleich länger im Or¬
ganismus verbleiben, als die heterogenen (Pferdeserum). Es liegen
Beobachtungen vor, die darauf hindeuten, daß durch diese Immuni¬
sierungsart ein Schutz von i—2 Jahren erworben werden kann.
Ferner soll von hochimmunisierten Impflingen ein anthropogenes
Antitoxin genommen werden, das im Gegensatz zu dem am Pferde
gewonnenen bei Diphtheriekranken jegliche Anaphylaxiegefahr aus¬
schließt Schließlich soll das Schutzmittel im Kampfe gegen die
Bazillenträger Anwendung finden.
Vorläufig sind wissenschaftliche Prüfungen im Gange mit dem
Zwefck, die beste Zusammensetzung und richtige Dosierung des
Mittels ausfindig zu machen, damit mit möglichst geringer lokaler
und allgemeiner Reaktion eine ausgiebige Antitoxinproduktion erreicht
wird, ohne daß Gesundheitsschädigungen der Impflinge zu be¬
fürchten sind.
Die Applikationsweise ist subkutan oder intrakutan gedacht.
Autoreferat
über die Behandlung der Diphtherie mit intravenöser
Seruminjektion und Yatren. Von Kau scli-Berlin-
Schöneberg. (A. d. Kaiserin Augusta-Viktoria-Krankenhaus zu
Berlin-Schöneberg. — Dtsch. med. Wchschr., 1913, Nr. 68.)
K. führte in einer schweren Diphtherieepidemie den bisher noch
ausstehenden Beweis der Wirksamkeit des Serums, indem er ab¬
wechselnd einen Fall um den anderen spritzte, wie die Fälle zur
Aufnahme kamen. Die Resultate der nicht gespritzten Fälle waren
außerordentlich schlechte gegenüber den gespritzten, so daß die Ver¬
suche nach kurzer Zeit eingestellt werden mußten.
Der Verlauf der Fälle dieser schweren Epidemie, in der alles
versucht wurde, wurde ein eklatant günstiger, als zur systematischen
intravenösen Injektion (500—1500 E.) zusammen mit intramuskulärer
(1000—1500 E.) übergegangen wurde. Die intravenöse Injektion ist
keineswegs etwas neues, wird aber bisher sehr vernachlässigt
Yatren (Tryen), ein organisches Jodschwefelbenzolpräparat, hat
sich, neben Serum gegeben, als ein sehr wertvolles Unterstützungs¬
mittel in der Behandlung der Diphtherie bewährt Es empfiehlt sich
auch als Prophylaktikum und bei Bazillenträgern. Es wird in den
Rachen und in die Nase eingestäubt, ferner per os gegeben in
Dosen von 3 mal 0,2 bis 0,5 je nach dem Alter.
Verf. faßt seine Erhebungen folgendermaßen zusammen:
1. Das Wichtigste ist bei der Behandlung der Diphtherie die
möglichst frühzeitige Injektion von Serum.
2. Auch jeder zweifelhafte Fall ist zu injizieren; es ist nicht
erst abzuwarten, ob der Abstrich positiv ist oder bis die klinische
Diagnose gesichert ist
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3- Am intensivsten wirkt die intravenöse Injektion des Serums.
Stets ist diese anzuwenden bei schweren Fällen, ferner bei allen, die
erst spät zur Injektion kommen.
4. Yatren ist ein wertvolles Unterstützungsmittel bei der Be¬
handlung der Diphtherie.
5. Yatren ist das beste Mittel, um Diphtheriebazillenträger bazillen¬
frei zu machen.
6. Yatren ist ein Prophylaktikum gegen Diphtherie.
Autoreferat.
Akute primäre diphtherische Lungenentzündung. Von O.
David. (Aus der Mediz. Univ.-Klinik Halle. — Mediz. Wochen-
schr., 1^13, Nr. 42.)
Ein 9jähriger Junge erkrankte mit den ausgesprochenen Zeichen
einer linksseitigen Unterlappenpneumonie, die in typischer Weise
kritisierte. Es schloß sich eine leichte Pleuritis derselben Seite an.
Plötzlich entwickelte sich eine aufsteigende diphtherische Broncho-
tracheitis, die eine Tracheotomie nötig machte und eine rechtsseitige
Unterlappenpneumonie, die zum Tode führte. Die Sektion ergab
im Kehlkopf und der Trachea gelblich-grauen Belag, der sich bis
in das Lungengewebe verfolgen ließ. Außerdem pneumonische In¬
filtrationen der Unterlappen, die makroskopisch und mikroskopisch
das Bild der kruppösen Pneumonie zeigten. Schon im Leben ergab
die Untersuchung der bei der Tracheotomie entfernten Membranen
Diphtheriebazillen. Aus dem post mortem unter allen Kautelen aus
der Lunge entnommenen Gewebe wurden auch Diphtheriebazillen
in Reinkultur gezüchtet. Pneumokokken konnten nicht nachgewiesen
werden.
Der Verf. kommt zu dem Ergebnis, daß auf einem nicht mehr
festzustellenden Wege Diphtheriebazillen in die linke Lunge gelangt
sind und von hier aus primär zu einer pneumonischen Erkrankung
geführt haben. Bisher kannte man Pneumonien, die umgekehrt im
Anschluß an Rachenerkrankungen auftreten und die im Gegensatz
zum Vorliegenden bronchopneumonischen Charakter haben.
Autoreferat
Beiträge zur Kenntnis der Pyelitis im Kindesalter. Von
Langstein-Berlin. (Medizinische Klinik, 1913, Nr. 37.)
Nach L.’s Beobachtungen schließt sich ein großer Teil der
Pyelitiden an akute Infektionskrankheiten an. Besonders hat die
Grippe einen dominierenden Einfluß, aber auch Keuchhusten und
Scharlach scheinen die Entstehung einer Pyelitis zu begünstigen.
Daß zwischen akuten Darmkatarrhen und der Pyelitis Beziehungen
bestehen, ist bekannt. L. hat zwei Fälle von Hi rschsprung’scher
Krankheit beobachtet, bei denen eine Infektion der ableitenden
Hamwege vorhanden war.
Das klinische Bild der Pyelitis ist sehr polymorph. Die schwerste
Form, die toxische, sah L. häufig bei Brustkindern, bei denen hohes
Fieber, Gewichtssturz, Bewußtlosigkeit, Erbrechen das Bild be¬
herrschten. In einem Teil der Fälle bestand Durchfall und Er¬
brechen, in einem andern nicht. Eine andere Form gibt manchmal
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i6
infolge der bestehenden Nackensteifigkeit zur Fehldiagnose
der Meningitis Veranlassung, L. bezeichnet sie als me-
ningeale Form. Dann gibt es Fälle, die mit einer Störung des
Atmungstypus oder mit Ikterus verlaufen, wieder andere, die unter
dem Bilde der Appendizitis oder unter dem Bilde akuter Erschein¬
ungen von Seiten des Magendarmkanals verlaufen.
Was die Diagnose betrifft, so betont L., daß der Urin nicht
immer stark eiterhaltig zu sein braucht, sondern daß unter Um¬
ständen selbst bei schwerer Pyelitis eine Urinportion völlig klar
sein kann. Dies Phänomen erklärt er damit, daß aus der erkrankten
Niere infolge eines Abflußhindernisses eine Zeit lang kein Urin in
die Blase 1 kommt und so nur der Harn der gesunden Niere nach
außen gelangt. Weiter hat L. eine hämorrhagische Form beobachtet,
bei der sich im Urin zunächst viele rote Blutkörperchen, nur ver¬
einzelte Leukozyten und vielleicht hier und da einmal ein Zylinder
befinden, bei der aber im weiteren Verlaufe eine hochgradige Pyurie
zu Stande kommt.
Uber die Prognose und den Verlauf läßt sich niemals mit ab¬
soluter Sicherheit etwas Voraussagen. Nach L/s Schätzung nehmen
90 Proz. bei rechtzeitiger Diagnose und richtiger Behandlung einen
günstigen Ausgang.
Bei der Therapie der Pyelitis ist es das wichtigste Gebot, den
Kindern reichlich Wasser zuzuführen. Für ebenso wichtig hält es
L., den Patienten Nährstoffe zuzuführen, was bei hochgradiger
Appetitlosigkeit die Anwendung der Sonde nötig macht Von
Medikamenten verabreicht L. Urotropin, in schweren Fällen leistet
Salol in nicht zu kleinen Dosen (0,6—1,0 pro die) mehr. Außer¬
dem hat L. noch verschiedene andere Mittel, besonders das Hippol,
mit gutem Erfolge angewandt L. hat weder von der Alkali- noch
von der Vakzinations-Therapie Erfreuliches gesehen.
Schnell (Halle).
InflammatorY affecttons of sinuses. Von S. Oppenheimer-
New-York. (Arch. of ped., 1913, H. 1.)
In Zusammenhang mit der Darstellung der anatomischen Ver¬
hältnisse wird die Häufigkeit akuter und subakuter Entzündungen
der Oberkieferhöhle sowie der Stimbeinhöhlen im frühen und spä¬
teren Kindesalter dargelegt; seltener sind Entzündungen der anderen
Höhlen, die sich erst spät ausbilden. Die Nebenhöhlenentzündungen
beim Kind können jede Schleimhautaffektion von Nase und Rachen
begleiten; sie sind relativ häufig bei Infektionskrankheiten. Die Dia¬
gnoseist schwierig: von subjektiven Symptomen besteht Kopfschmerz.
Die Lokalisation des Schmerzes ist im kindlichen Alter unzulänglich;
charakteristisch kann das Aufhören des Schmerzes bei Sekretabfluß
durch die Nase sein. Einseitige eitrige Rhinitis ist verdächtig. Der
Verlauf der Nebenhöhlenaffektionen im Kindesalter ist meist gutartig;
konservative Behandlung (Spray alkalischer Lösungen, Adrenalin) ge¬
nügt meist; wichtig ist Hebung des Allgemeinbefindens. In hart¬
näckigen Fällen Drainage von der Nase. Radikaloperation der Stirn-
heinhöhle ist kaum indiziert, gibt keine guten Resultate. Bauer (Wien).
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i7
Uber die therapeutische Anwendung von Normalserum
bei Juckenden Dermatosen. Von Ullmann. (Aus der
kgl. dermat Universitätsklinik in Breslau. — Arch. f. Dermat
u. Syph., Bd. 118, H. i.)
U. hat auf der Neisser’sclien Klinik 18 Fälle von juckenden
Dermatosen mit Seruminjektion nach dem Linser’schen Verfahren
behandelt, fast ausnahmslos Fälle, die lange Zeit jeder lokalen und
internen Therapie getrotzt hatten oder die häufig rezidiviert waren;
dabei hat er jede sonstige Therapie vermieden.
Bei zwei Ekzem fällen der Kinder hat U. keinerlei Einfluß
vom Serum gesehen, weder auf das pathologisch-anatomische Sub¬
strat, noch auf den Juckreiz, obgleich es Fälle waren, die später
durch lokale Therapie in kurzer Zeit günstig beeinflußt wurden. —
Bei 7 Fällen von Dermatitis herpetiforinis wurden weder der
Juckreiz noch die schon bestehenden Effloreszenzen noch das Auf¬
treten neuer Schübe in irgend einer Richtung beeinflußt
Bei zwei Fällen von Urtikaria war zwar eine Abnahme des
Juckreizes nach den Seruminjektionen zu bemerken, ein völliges
Schwinden konnte jedoch nicht festgestellt werden. Auch das Auf¬
treten von neuen Quaddelschüben wurde nicht hintangehalten.
Bei einem Fall war überhaupt kein günstiger Einfluß zu konsta¬
tieren. Bei einem Falle von Prurigo Hebrae konnte nach der
dritten Injektion — fünf Tage nach Beginn der Behandlung —
das völlige Schwinden des Juckreizes festgestellt werden.
Die verhältnismäßig günstigsten Resultate erzielte U. bei rein
nervösem Pruritus. Die vier von U. behandelten Fälle konnten
nach der Behandlung mit einer deutlichen Besserung des Juckreizes
entlassen werden. Schnell (Halle.)
Zur Kenntnis der angeborenen Httftluxation. Von Heinrich
L. B a u m - München. (Ärztl. Rundschau, 1913, Nr. 36.)
Es wird häufig Sache des Kinderarztes sein, die Diagnose auf
angeborene Hüftluxation zu stellen; an dieses Leiden muß bei jedem
Kinde gedacht werden, das wegen Gehstörungen irgendwelcher Art
(z. B. nur auffallend rasche Ermüdbarkeit eines Beines) zur Unter¬
suchung gebracht wird. Größere Kinder, die schon stehen und gehen
können, bieten der Diagnose meist keine erheblichen Schwierig¬
keiten, zumal wenn es sich nur um eine einseitige Luxation handelt:
hier wird die Verkürzung des einen Beines (gemessen an der Ent¬
fernung der Spina iliaca ant. sup. vom Malleolus ext.), das Höher¬
und Seitwärtstreten des Trochanter major, der eigentümlich
watschelnde Gang und das Trendelenburgsche Phänomen
(Herabsinken der normalen Hüfte beim Stehen auf dem luxierten
Bein) alsbald den richtigen Weg weisen. Bei ganz kleinen Kindern,
wo die Angabe der Mutter, schon bald nach der Geburt eine gewisse,
ohne Schmerzen nicht ganz zu beseitigende Kontraktur des einen
Hüftgelenkes bemerkt zu haben, eine kongenitale Luxation ver¬
muten läßt, ist das JoachimsthaPsche Zeichen von besonderem
Wert: dem in Rückenlage befindlichen Kind werden beide Beine
in der Hüfte rechtwinkelig gebeugt und gleichmäßig abduziert;
Kinder-Arzt XXV. Jahrg. 19t4. 2
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i8
sodann ist deutlich zu erkennen, daß die Längsachse eines luxierten
Oberschenkels am Azetabulum vorbeigeht, und die obere Schenkel¬
umrandung eine ausgeprägte Einsattelung erfährt, während sie auf
der gesunden Seite einfach geschwungen verläuft In allen Fällen
ist zur Entscheidung die Röntgenphotographie und zwar, um ver¬
gleichen zu können, beider Hüftgelenke heranzuziehen; damit be¬
kommt man auch einige prognostische Anhaltspunkte insofern, als
die Konfiguration der Pfanne und des Oberschenkelkopfes maßgebend
dafür sind, ob wir bei unserer Behandlung mit größerer oder geringerer
Wahrscheinlichkeit mit einem guten Dauerresultat rechnen dürfen.
Die unblutige Einrenkung, die allgemein nicht vor dem zweiten,
bei einseitigen Luxationen nicht nach dem zehnten, bei doppelseitigen
Luxationen nicht nach dem sechsten Lebensjahr vorgenommen
werden sollte, ist Aufgabe des Chirurgen oder Orthopäden. Sie
wird in tiefer N arkose in der von Joachimsthal etwas modifizierten
Lorenz’schen Weise am besten manuell ausgeführt, d. h. ohne Zu¬
hilfenahme besonderer Apparate außer vielleicht einem passenden
Lagerungstisch, der die nachfolgende Anlegung des Gipsverbandes
erleichtert. So werden am sichersten die bei der Einrenkung zu
fürchtenden Oberschenkelbrüche oder Nervenlähmungen vermieden.*
Die Behandlungsdauer ist bei einfachen Luxationen mindestens ein
Vierteljahr, bei doppelseitigen Luxationen, die nach einander ein¬
gerenkt werden müssen, mindestens drei Vierteljahre. Die nach
Ablegung des letzten Gipsverbandes noch notwendige in sorgfältiger
Massage und aktiven Bewegungsübungen bestehende Nachbehand¬
lung wird am besten vom Arzte überwacht. Von Zeit zu Zeit ist
es ratsam, mittels Röntgenphotographie nachzusehen, ob das mit
der unblutigen Einrenkung erreichte Ziel, die Herstellung anatomisch
normaler Hüftgelenksverhältnisse, erhalten geblieben ist
Autoreferat
Extensionsttech zur Einrenkung angeborener Httftluxa-
ttonen. Von Heinr. Web er-München. (Münchner med.
Wochenschr., 1913, Nr. 36.)
Der Luxationstisch beruht auf dem Prinzip der Extension und
des direkten Druckes auf den Trochanter. Die Extension geschieht
vermittelst allseitig beweglicher Schraubenstangen, der Trochanter¬
druck durch verstellbare Hebel. Die Form des Tisches ist derartig,
daß die Beine des Patienten nach allen Seiten frei bewegt werden
können. Dadurch ist es möglich, unter Fortdauer der Extension
mit dem Beine Einrenkungsmanöver vorzunehmen und den Kapsel¬
schlauch für den Durchtritt des Kopfes zu erweitern. Der Apparat
gestattet die größte Kraftanwendung ohne Anstrengung für den
Operateur und erleichtert also die schwierigen Einrenkungen.
Ferner findet keine Gefährdung des Ischiadikus statt Der Haupt¬
vorzug des Luxationstisches besteht darin, daß er auch bei jüngeren
Kindern dazu beiträgt, die Retention zu erleichtern, denn nach
gründlicher Dehnung des Kapselisthmus und des Ileopsoas kann
der Kopf tief in die Pfanne hineingetrieben werden, Autoreferat,
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19
Uber Arsenregenerln und Regenerln. Von Karl Dietl.
(Aus dem Kinderspital der allgemeinen Poliklinik in Wien.
[Vorstand: Prof. Hamburger.] — Münch, med. Wochenschr.,
1913, Nr. 39.) . , . . ,
Der fördernde Einfluß, den das Arsen in kleinen Dosen dem
Organismus zugeführt, auf den Stoffansatz nimmt, ist schon lange
bekannt und therapeutisch angewendet worden, bevor noch die Be¬
stätigung dieser günstigen Wirkung durch den exakten Tierversuch
geliefert wurde. Tatsächlich zeigt sich, wenn man neugeborene
Kaninchen vom gleichen Wurf teils mit, teils ohne Zusatz arseniger
Säure füttert, nach 4 Wochen eine Gewichtsdifferenz von etwa
30 Proz. zugunsten der mit Arsen gefütterten Tiere, die auf stärkere
Entwicklung der Knochensubstanz und des Fettgewebes zurück¬
zuführen ist.
Worauf diese dem wachsenden Organismus so wertvolle Arsen¬
wirkung beruht, ist nicht sicher bekannt, ebensowenig ist festge¬
stellt, ob die Bildung der roten Blutkörperchen bzw. des Hämoglobins
durch Arsenzufuhr gesteigert w r ird.
Wir wissen aber vom Eisen — und vom Mangan —, daß es
zweifellos eine mächtige spezifische Wirkung auf die blutbildenden
Organe ausübt, was durch histologische Befunde am Knochenmark
anämisch gemachter Tiere, die teils mit Eisenzufuhr, teils mit eisen¬
armer Nahrung gefüttert wurden, am einwandfreiesten bewiesen er¬
scheint Bei den Tieren, die Eisen erhielten, zeigten sich im
Knochenmark bedeutend mehr kernhaltige rote Blutkörperchen als
bei den Kontrollieren, die kein Eisen zugeführt bekamen. Allge¬
mein bekannt ferner ist die günstige Beeinflussung der Chlorose
durch Eisen. Hier dürfte die Wirkung des Metalls eine zweifache
sein. Es wird einerseits zum Aufbau des Hämoglobins verwendet
und wirkt andererseits anregend auf die hämoglobinbildenden Zellen.
Wir haben also in den beiden Metallen Arsen und Eisen Sub¬
stanzen, die, beide richtig angewendet, einen roborierenden Einfluß
ausüben, wobei das Arsen hauptsächlich den Ansatz von Körper¬
substanz, das Eisen die Bildung der roten Blutkörperchen bzw. des
Hämoglobins begünstigt
Es ist daher begreiflich, daß man von alters her Eisen und
Arsen kombiniert zur Behandlung chronischer mit Blutarmut einher¬
gehender Schwächezustände mit Erfolg verwendet.
Freilich stellen sich z. B. bei den offizinellen Eisenpräparaten,
seltener bei den natürlichen Eisen-Arsen enthaltenden Wässern
manchmal unangenehme Nebenerscheinungen, wie Magenbeschwerden,
Verstopfung etc., ein, aber auch andere schwerere Störungen sind
namentlich bei lange dauernden Arsenkuren schon wiederholt be¬
obachtet worden.
Es dürften — für das Eisen speziell ist dies ziemlich sicher¬
gestellt — namentlich die anorganischen Arsen-Eisen-Verbindungen
sein, die vom Organismus auch nicht gut vertragen werden, während
die organischen Verbindungen viel seltener oder nie schädliche
Nebenwirkungen zeigen.
Eine derartig organische Eisen-Arsen-Verbindung ist das Arsen-
regenerin.
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20
Es besteht aus Regenerin, mit je 0,04 Proz. Arsazetin und
Lithium kakodylikutn. Der Gehalt an reinem Arsen beträgt
0,03 Proz. Das Regenerin wieder setzt sich zusammen aus 0,6 Proz.
Eisen und 0,1 Proz. Mangan. Beides verbunden mit Ovo-Lezithin.
Verf. hat das Arsenregenerin und das Regenerin nach der
an g e g e benen Dosierung — 3 Kaffeelöffel, das ist 15 g täglich —,
wobei beim Arsenregenerin 45 mg reines Arsen, was etwa 30 Tropfen
der in der üblichen Weise mit Tinktura ferri und amara äa partes
verschriebenen Solutio Fowleri entspricht, dem Organismus zuge¬
führt werden, bei einer ganzen Reihe von Kindern teils selbst an¬
gewendet, teils angewendet gesehen.
Es handelt sich stets um schlecht genährte, appetitlose nervöse
Kinder, die ja so häufig die Ambulatorien aufsuchen und daselbst
mit mehr oder weniger Erfolg behandelt werden. Man darf nun
nicht übersehen, daß bei älteren Kindern und gerade bei „nervösen“
Kindern jedes Medikament eine doppelte Wirkung hat: die —
manchmal recht geringe — pharmakologische oder organische und
die suggestive.
So kann bei dem einen die harmlose Tinktura valeriana wahre
Wunder wirken, bei dem anderen die noch so streng durchgeführte
Eisen-Arsenkur zuschanden werden.
Der Glaube an die Wirksamkeit der Medizin und nicht zuletzt
die Person des Arztes sind in der Therapie des kranken Kindes
Faktoren von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit.
Ganz anders natürlich ist es in jenen Fällen, wo das nervöse
Moment zwar nicht in den Hintergrund tritt, aber gleichsam sekun¬
där zu bestehenden organischen Veränderungen, wie Abmagerung
auf Grund einer sonst latenten Tuberkulose, Unterernährung, Blut¬
armut etc., hinzukommt Hier ist eine wirksame roborierende
Therapie sicher angezeigt. Zweifellos aber gibt es auch zahlreiche
Fälle, bei denen die Hauptbeschwerden primär „nervöser“ Natur
sind und diese Beschwerden doch durch Besserung des Allgemein¬
zustandes zum Schwinden gebracht werden können. Freilich kann
auch da die Suggestivwirkung eine Rolle spielen. Wenn man aber
nachweisen kann, daß durch entsprechende Medikation das Körper¬
gewicht zunimmt, der Hämoglobingehalt des Blutes steigt und da¬
mit Hand in Hand der Zustand des Patienten sich bessert, so ist
diese Besserung wohl auf Rechnung der roborierenden Therapie zu
setzen und die Suggestivwirkung spielt eine ganz untergeordnete Rolle.
So gelingt es, durch Hebung des Allgemeinbefindens auf Grund
roborierender Therapie oft „nur nervöse“, aber den Patienten sehr
lästige und quälende Symptome wirksam zu bekämpfen.
Das Arsenregenerin bzw. Regenerin stellt eine treffliche Waffe
in diesem Kampfe dar. Es wird — ein sehr wichtiger Faktor —
von den Kindern gerne genommen, hat niemals irgendwelche üble
Nebenwirkungen und nimmt einen fördernden Einfluß auf Blut¬
bildung und Körpergewicht, wie Verf. durch die Schilderung einer
Reihe von Fällen nachweist
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2t
Bücherbesprechungen.
Das kommunale Säuglingskrankenhaus und die öffent¬
lichen Säuglingsfürsorgemaßnahmen der Ge¬
meinde Berlin-Weißensee. Von Dr. Julius Ritter,
Direktor des Gemeindesäuglingskrankenhauses Berlin-Weißen¬
see. gr. 8°, 46 S. m. 20 Taf. Leipzig 1913* Verlag G. Thieme,
Preis 3 Mk.
Die Säuglingsfürsorge in Weißensee ist meisterhaft organisiert.
Es bestehen: 1. Säuglingsfürsorgestellen. 2. Milchkuranstalten.
3. Säuglingskrankenhaus. 4. Säuglings-, Säuglingsrekonvaleszenten-
und Wöchnerinnenheim mit Entbindungssaal und Schwangeren-
unterkunft. 5. Freiluftkrippe und Stillstuben. 6. Ammenvermitt¬
lungsamt und Aufsichtsamt für das Halte- und Pflegekinderwesen.
Das Säuglingskrankenhaus stellt in Wirklichkeit ein „allge¬
meines Krankenhaus für Säuglinge 14 dar. Es nimmt seine kleinen
Patienten in die verschiedensten der Leitung von Fachautoritäten
unterstellten Spezialabteilungen für Augen-, Haut-, Hals-, Ohren-,
ansteckende und chirurgische Krankheiten auf. Aber als Spiritus
rektor des ganzen fungiert der Kinderarzt, der die wichtigste Funk¬
tion des jungen Kindes, die Ernährung und Pflege nach den
Prinzipien der modernen Pädiatrie leitet und überwacht
Die Milchkuranstalt liefert nicht nur für die Fürsorgeanstalten,
sondern möglichst allen Reflektanten einwandfreie Vollmilch oder
entsprechende mustergültige Milchpräparate. Sie untersteht ärzt¬
licher Aufsicht
Die Weißenseer Einrichtungen können vorbildlich wirken.
Spiegel (Kiel).
Die körperliche Erziehung des Kindes. Von Prof. Dr.
Hans Spitzy-Wien. gr. 8°, VIII u. 416 S. Mit 196 Text¬
abbildungen. Berlin und Wien 1914. Urban & Schwarzen¬
berg. Preis 15 Mk.
In diesem Werk wird ein für Ärzte, Lehrer, Eltern, überhaupt
für alle diejenigen, die sich mit dem Erziehungswerk zu befassen
haben, gleich wichtiger Gegenstand besprochen, nämlich die plan¬
mäßige körperliche Erziehung der Jugend („Somatopädagogik 44 wie
sie Verf. nennt). Man kann mit dem Verf. lebhaft wünschen, daß das
ausgezeichnete Buch der körperlichen Erziehung in wissenschaft¬
lichen Kreisen Anerkennung, in pädagogischen Kreisen Liebe, in
Eltemkreisen das weitgehendste Verständnis und in der studieren¬
den Jugend werktätige Mitarbeit werben möge. S.
Bakteriologisches Taschenbuch. Von Geh. Oberreg.-RatDr.
Rudolf Abel-Berlin. 17. Aufl. kl. 8°, VT u. 318 S. Würz¬
burg 1913. Curt Kabitzsch. Preis 2 Mk.
Das Büchelchen gibt die wichtigsten technischen Vorschriften
für bakteriologische Laboratoriumsarbeit. Ein Beweis für seine
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große Brauchbarkeit ist die 'Tatsache, daß in 24 Jahren 17 Auf¬
lagen erschienen sind* S.
Repetitorium der Pharmakologie* Nach Prüfungsfragen be¬
arbeitet von Dr. L. Glaser-Doberan. 3. revidierte und ver¬
besserte Aufl. 8°, VI u. 73 S. WÜrzburg 1914. Emil Mönnich
vorm. Hans Gnad. Preis 1,60 Mk.
Das Werkchen stellt an Hand der Prüfungsfragen ein gutes
Repetitorium in der Arzneiverordnungslehre, Arzneimittellehre und
Toxikologie dar. S.
Medizinal-Kalender und Rezept-Taschenbuch der Allg.
mediz. Zentralzeitung. Von Dr. H. u. Dr. Th. Lohn¬
stein. 21. Jahrg. 1914. kl. 8°, 318 S. u. 2 Tafeln. Berlin.
Oscar Coblentz. Preis 2 Mk.
Der sehr praktische Kalender bringt außer einem guten Arznei¬
mittelverzeichnis und den gewöhnlichen kalendarischen Notizen,
2 wertvolle Aufsätze: Anwendung radioaktiver Stoffe in der inneren
Medizin von Priv.-Doz. Dr. Gudzent-Berlin und: Anwendung der
Radium- und Mesothoriumbestrahlung in der Heilkunde von Prof.
Dr. Sticke r-Berlin. S.
Pyocyanase. Von San.-Rat Dr. Sonnenberger-Worms.
Würzburger Abhandlungen aus dem Gesamtgebiet der
Medizin. Bd. XIII. H. 12. Lex. 8°, 26 S. Würzburg 1913.
Curt Kabitzsch. Preis 85 Pfg.
Die Abhandlung gibt eine erschöpfende Übersicht über das
interessante aus dem Bazillus pyozyaneus gewonnenen Präparat, das
eine vielfältige Anwendung auch in der Kinderheilkunde in neuerer
Zeit findet. Zur Vervollständigung sind zahlreiche Literaturangaben
hinzugefügt. S.
Kurze Notizen aus der Praxis und Wissenschaft.
DieRolle der Wärmestauung und Exsikkation bei der
Intoxikation der Säuglinge. Von Heim-Budapest.
Ein dyspeptischer Säugling reagierte auf 200g einer 2 Proz. Kochsalz¬
lösung per os gegeben mit schweren Intoxikationserscheinungen. Diese
führt Heim auf Exsikkation der Gewebe zurück. Das mit Salz an¬
gereicherte Blut entzieht den Geweben Wasser. Daß es nicht die
Salzanhäufung selbst ist, welche die Intoxikation auslöst, soll der
gleiche Zustand bei Cholera infantum lehren. Hier ist der Körper
nicht nur an Wasser, sondern auch an Kochsalz arm. Die Intoxi¬
kation tritt im Sommer häufiger auf, weil hier Durchfall nach dem
Genuß verdorbener Milch häufiger ist und die Sommerhitze dem
so in seinem Wasserbestande geschädigten Organismus noch mehr
Wasser entzieht. Sie führt nicht blos zu einer vermehrten Wärme¬
abgabe durch die Haut, sondern weil mit der Körpertemperatur die
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*3
Zahl der Atemzuge steigt, auch durch die Lungen. Infolge seiner
Anschauung empfiehlt Verf. neben dem Schutz vor Hitze auch Vor¬
sicht mit salzhaltiger Nahrung, z. B. Fleischbrühe*
(Arch. f. Kinderheilk., Bd. 59, H. 1/2.) Hohlfeld-Leipzig*
Zur Frage über den Einfluß von künstlicher Er¬
nährung auf biologische Eigenschaften des Organismus
in dessen frühem Alter. Von Ossinin-St Petersburg.
Junge Kaninchen reagieren auf die subkutane Injektion von
Kuhmilch in den ersten Lebenswochen nicht mit der Bildung von
Kuhmilchpräzipitin. Das jüngste Tier, von dem Verf. Laktoserum
erhielt, war 49 Tage alt Bei künstlich ernährten Tieren tritt die
Präzipitinbildung noch später auf. Nicht übel ist es, daß Verf. von
Leukozytitis spricht Hohlfeld (Leipzig).
(Arch. f. Kinderheilk., Bd. 59, H. 1/2.)
Erfahrungen mit Eiweißmilch. Von Cassel-Berlin.
Empfehlung der Eiweißmilcli bei akuten und chronischen Er¬
nährungsstörungen der Säuglinge an der Hand poliklinischer Beobach¬
tungen. Das Heraufgehen auf 180—200 g pro Kilo Körpergewicht
gelang nicht immer so schnell, wie es Finkeistein vorschreibt,
oft überhaupt nicht, weil die Kinder die Eiweißmilch trotzdem sie
mit Saccharin gesüßt wurde, im allgemeinen nicht gern nahmen.
Erfolgreicher Übergang zur gewöhnlichen Kost oft schon vor der
vierten Woche. Hohlfeld (Leipzig).
(Arch. f. Kinderheilk., Bd. 58.)
Kindernährmittel im Handel. Von Kühl-Kiel.
Bemerkenswert ist die vom Verf. nachgewiesene Verunreinigung
„sehr beliebter Kindermehlmarken 44 mit Spalt- und Schimmelpilzen.
(Arch. f. Kinderheilk., Bd. 58.) Hohlfeld (Leipzig).
DieHospitalmasernundSterbekasuistik nach Masern.
Von Wladimiroff-Moskau.
In dem St Wladimir-Kinderkrankenhause starben durch¬
schnittlich 18,7 Proz. der Masemkranken. Diese hohe Sterblich¬
keit läßt den Verf. fragen, ob es nicht besser wäre, Masern über¬
haupt nicht aufzunehmen. Da er unter den Ursachen der hohen
Sterblichkeit auch Uberfüllung der Masernabteilung und mangelhafte
Pflege nennt, würde es sich empfehlen, erst mal diese Mängel ab¬
zustellen. H o h 1 f e 1 d - Leipzig.
(Arch. f. Kinderheilk., Bd. 58.)
Die Kontagiosität derRachitis bei den Tieren. Von
A. Delcourt
Verf. betont, daß nach den Forschungen der Tierärzte die
Rachitis bei den Tieren ansteckend ist und daß die Ansteckung
bei jungen Tieren Rachitis, bei älteren Osteomalazie hervoruft.
Solche Versuche wurden von Li6naux in Brüssel berichtet
(La Pathol. inf., 1913, Nr. 5.) Ibrahim (München).
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24
Die vaginale Untersuchung der Kinder. Von Max
Stolz-Graz.
S. empfiehlt bei Kindern zunächst mit Säen geraschen Stiften
die Weite des Hymens festzustellen, dann einen entsprechenden,
mit einem Obturator verschlossenen gut vaselinierten Röhrenspiegel
einzuführen und das Gesichtsfeld nach Art der Augen- und Ohren¬
ärzte mittels eines konkaven, zentral durchbrochenen Spiegels zu
beleuchten. Nun können auch kleinere therapeutische Eingriffe aus¬
geführt werden.
Die Notwendigkeit gelegentlicher Untersuchungen wird an zwei
Beispielen gezeigt. Autoreferat
(Zentralbl. f. Gyn., 1913, Nr. 41.)
Hamburger Krippensorgen. Von G. H. Sieveking.
An der Hand zweier mit lehrreichen Bildern ausgestatteter
Druckschriften von Dr. jur. Jacobi-Hamburg und Dr. med. Geor¬
gen s-Leipzig aus den Jahren 1855 un d 1854 zeigt der Verf., daß
die Krippenleitungen seither vieles vernachlässigt und vergessen
haben, was schon damals als unbedingt nötig für ihre Einrichtung
und für ihren Betrieb hingestellt worden ist Welche Schwierigkeiten
die heute mit Recht als unumgänglich nötig geforderte Mitwirkung
des Hygienikers und des Arztes und die Durchsetzung ihrer For¬
derungen macht, das wird an dem Beispiel der letztjährigen Ham¬
burger Entwicklung dargestellt, die in gewisser Weise charakteri¬
stisch für deutsche Verhältnisse überhaupt ist An dem Beispiel
einer neu eingerichteten Krippe werden die Grundforderungen der
Landeszentrale Hamburg der Deutschen Vereinigung für Säuglings¬
schutz klargelegt Autoreferat.
(Ztschr. f. Sglgssch., Bd. V., H. 9.)
Kleine Mitteilungen.
Der 31. Deutsche Kongreß fttr innere Medizin findet
vom 20. bis 23. April 1914 in Wiesbaden unter dem Vorsitz des
Herrn Professors Dr. v. Romberg -München statt. Das Hauptthema,
welches am ersten Sitzungstage: Montag, den 20. April 1914, zur
Verhandlung kommt, ist: Wesen und Behandlung der Schlaf¬
losigkeit. Referenten sind die Herren G a u p p - Tübingen, Gold-
sch ei der-Berlin und Faust-Würzburg. Am dritten Tage, Mitt¬
woch, den 22. April, 10 Uhr vormittags, wird auf Aufforderung des
Vorstandes Herr Wern er-Heidelberg einen zusammenfassenden Vor¬
trag über Strahlenbehandlung der Neubildung innerer
Organe und am vierten Tage, Donnerstag, den 23. April, 11 Uhr
vormittags, Herr Schottmüller-Hamburg einen solchen über Be¬
handlung der Sepsis halten. Mit dem Kongresse ist eine Aus¬
stellung von Präparaten, Apparaten und Instrumenten, soweit sie
für die innere Medizin von Interesse sind, verbunden. Anmeldungen
zur Ausstellung sind an Geh. Rat Dr. Emil Pfeiffer, Wiesbaden,
Parkstr. 13, zu richten.
Verlag von Benno Konegen, Leipzig. — Druck von A. Pabst, Königsbrück.
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Der Kinder-Arzt.
Zeitschrift fön Kinderheilkunde
unter Mitwirkung hervorragender Fachärzte
herausgegeben
von *
Sanitätsrat Dr. Sonnenberger in Worms.
Erscheint am ersten Freitag eines jeden Monats. — Vorauszubezahlender Preis für das ganze
Jahr 6 Mk., direkt unter Kreuzband für Deutschland und Österreich-Ungarn 6 Mk. 50 Pf., 7 Mk.
fürs Ausland. Mit Frauenarzt zusammen bezogen statt 24 Mk. nur 20 Mk. Einzelne Hefte 1 Mk.
— Bestellungen nimmt jede Buchhandlung und Postanstalt sowie auch die Verlagsbuchhandlung
jederzeit gern entgegen.
XXV. Jahrg. Februar 1914. No. 2. (290.)
INHALT: Originalien: Armbruster, Neue Anschauungen über
Rachitis. 25. — Neter, Donaueschingen als Kurort. 29. — Ubersich ts-
referate: Pellidol und Azodolen. 31. — Referate: Ickert, Bewahrung der
Kinder vor der Tuberkulose. 33. — Flosser, Grippenartige Erkrankungen des
Säuglings. 34. — Molodenkoff, Das Fleckfieber bei Kindern. 35. — Schick,
Diphtherietoxin-Hautreaktion als Vorprobe der prophylaktischen Diphtherie-
heilserum-Injektion. 36. — Pfske, Still’sche Krankheit. 36. — Lust, Die mi߬
bräuchliche Verwendung von Eiweißwasser bei akuten Ernährungsstörungen
von Säuglingen. 37. — Claus, Was kann der praktische Arzt zur Verhütung
und Behandlung von Ohrenerkrankungen tun? 38. — Pussep, Operative Be¬
handlung des Hydrozephalus internus bei Kindern. 39.— v. Noorden, Bananen
und Bananenmehl. 40. — Weiß, Digipan. 41. — Ritter, Ziele und Erfolge der
Schulzahnkliniken. 41. — Gettkant, Diphtheriebekämpfung in den Schulen. 43.
— Bücherbesprechungen: Birk, Leitfaden der Säuglingskrankheiten. 44.
Borntraeger, Der Geburtenrückgang in Deutschland. 44. — Köppe, Säuglings¬
sterblichkeit und Geburtenziffer. 44. — Major, Schwer erziehbare Kinder.
45. — Kurze Notizen aus der Praxis und Wissenschaft. 46. —
Kleine Mitteilungen. 48.
Originalien.
Neue Anschauungen über Rachitis.
Von Dr. Armbruster in Schweinheim.
Die Natur gewährt gar manches dem Menschen in Überfülle,
um ihm den Kampf ums Dasein zu erleichtern. Wir sehen es an
der Lungenkapazität, wo 1500 ccm Komplementärluft durch tiefste
Inspiration gewonnen werden kann, während die vitale Lungen-
kapazität selbst bei Männern nicht allzuviel über das Doppelte von
1500 ccm beträgt. Wir sehen es beim Pankreas, wo nur die voll¬
ständige Entfernung oder totale Erkrankung dieser Drüse Diabetes
mellitus erzeugt Wir sehen es bei der Leber, die bei gar manchen
entsprechenden Krankheiten eine wunderbare Überfülle an tätigen
Zellen aufweist.
Die Bildung einer Überfülle ist am merkwürdigsten beim
Embryonalleben wahrzunehmen. Wir wissen unter anderem vom
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«6
Hirschkäfer, daß seine Larve im Kokon im voraus einen Raum für
die sehr langen, geweihartigen Mandibeln des späteren Käfers
bildet Zu ähnlichen Zwecken sind beim menschlichen Embryo
das Foramen ovale, der Duktus venosus Arantii, der Duktus
arteriosus Botalli vorhanden, um post partum die Gewebe an eine
Mischung von arteriellem und venösem Blut schon im Fötalleben
gewöhnt zu haben, was bei Herzverletzungen unter anderen oft von
hohem Vorteil erscheint
Dieser Drang nach Überfülle gereicht bei manchen typischen
Krankheiten, da die Natur gewissermaßen durch entsprechende Ein¬
richtungen nur allgemein den gesunden Körper gegen ihr unbe¬
kannte Schädlichkeiten zu schützen sucht, nicht selten dem Menschen
zum Verderben oder Nachteil. Das Unbegrenzte beim Auftreten
von Krebs, der ursprünglich eine Körperstelle gegen Insulten oft¬
mals schützen soll, kann so erklärt werden. Der anormal große
Fettverbrauch bei Phthisis mit der dabei vorkommenden fettigen
Degeneration der Leber ist ein weiterer Beweis dafür. Auch die im
Folgenden erörterte Anschauung über die Entstehung der Rachitis
gehört teilweise in dieses Gebiet.
Es fragt sich zunächst, was man unter Rachitis sich vorzu¬
stellen hat. Rachitis oder Englische Krankheit ist eine Knochen¬
entwicklungskrankheit, welche im wesentlichen darin besteht, daß
die Umsetzung in Knochensubstanz gegenüber der Bildung der
Ubergangssubstanz von Knorpel und Periost zum Knochen in krank¬
hafter Weise verzögert, resp. letztere beschleunigt ist, wodurch es
zur Anhäufung der weichen Zwischensubstanz an Stelle kompakter
Knochensubstanz und dann zu Auftreibungen, Verbiegungen und
Infraktionen kommt.
Es ist längst bekannt, daß das Wesen der Rachitis auf Mangel
an Kalk oder, besser gesagt, an Kalksalzen beruht, zumal da die
Knochenerde, welche den Knochen ihre Härte und Starrheit ver¬
leiht, allein schon aus 84 Proz. phosphorsauerm Kalk besteht, wozu
dann noch kohlensauerer Kalk kommt. Dieser Kalkmangel kann
so stark sein, daß selbst ein teil weiser Kalkschwund bei hoch¬
gradiger Rachitis in schon gebildeter Knochensubstanz zu konsta¬
tieren ist Deshalb sucht sich die Natur so zu helfen, daß sie die
erwähnte Anhäufung der weichen Zwischensubstanz bildet Mangelnde
Kalkzufuhr bringt daher auch bei Tierversuchen Knochenbrüchig¬
keit zustande und macht bei jugendlichen Tieren Rachitis, wie
Chassat und E. Voit längst erkannt haben.
Als Veranlassung von Rachitis können gelten:
1. Verdauungsstörungen;
2. hereditäre Konstitution oder Disposition;
3. mangelhafte Ernährung;
4. schlechtgelüftete und sonnenarme Wohnräume;
5. feuchte Gegenden, besonders auch enge, feuchte Täler;
6. kalkarmes Trinkwasser.
Nachdem über die ersten vier Punkte anderweitig schon ge¬
nügend Erörterungen gepflogen wurden, so erübrigt noch zunächst
Punkt 5 zu begründen. Verf. wohnt in einer Gemeinde, wo nur
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in den Wohnungen von eitlem erlgen feuchten Tälchen am untern
Ausgang des Ortes Rachitis vorzukommen vermag, während sie
sonst unbekannt ist. Selbst bei zugezogenen Kindern mit Rachitis
entwickelt sich diese alsbald nicht mehr weiter. Bei der Skrofulo$e
sind daselbst ähnliche günstige Verhältnisse, wenn auch nicht in
dem hohen Grade, zu finden, auf die schon der bekannte Ortho¬
päde Hoffa aufmerksam machte. Eine Analyse des Trinkwassers,
um zu Punkt 6 überzugehen, ist dieserseits nicht bekannt Dagegen
findet sich in der Gemeinde eine ergiebige Kalkspatgrube, so daß
wohl das Wasser entsprechend kalkhaltig ist, ohne daß es Magen-
Darmkatarrh der Kleinen verursacht, wie es bei kalkhaltigem
Wasser der Fall sein kann. Bei den ersten vier Punkten sei nur
der vierte Punkt herausgegriffen und darauf hingewiesen, daß
zwischen solchen Wohnungen und der körperlichen Entwickelung
gewisse Beziehungen bestehen, die heute bei der häufigen Anwen¬
dung von Sonnen-und Luftbädern nicht selten erörtert werden. Auch
die Ursache der häufig vorkommenden Bronchitis von rachitischen
Kindern ist vielfach auf die dumpfen Wohnräume zurückzuführen.
Für die diesseitige, schon teilweise angedeutete Anschauung über
Rachitis spricht nach diesen Ausführungen der Umstand, daß die
sechs angeführten Ursachen zumeist den ganzen Körper in Mitleiden¬
schaft ziehen, wenn auch in solchen Fällen die dadurch verminderte
Kalkzufuhr namentlich die Knochenbildung hemmt. Die Natur
wehrt sich gegen solche Verhältnisse, und sie wehrt sich oft in
einseitiger, ja verkehrter Weise am meisten dort, wo es ihr am
nötigsten erscheint. Ähnlich wird der Brustkrebs der Frauen er¬
klärt, die deshalb vom Lippenkrebs verschont sind.
Die schon erwähnten rachitischen Auftreibungen, Verbiegungen
und Infraktionen kommen als Auftreibungen vornehmlich an den
Hand- und Fußgelenken und an den Rippen vor. Da die Rachitis,
erst mit dem sechsten Lebensmonat anfängt, so ist bei dem regen
Gebrauch von Hand- und auch vom Fußgelenk ohne weiteres die
Verdickung an dieser Stelle klar, und es ist nicht nötig, eine
analoge Erklärung — vor allem beim Fußgelenk — wie die
schon erwähnte für das Foramen ovale etc. zu suchen, die Präven¬
tion in Betracht zieht. Bei den Rippen kommen zweierlei rachitische
Erscheinungen vor, einmal der rachitische Rosenkranz, sodann in
schlimmeren Fällen das Pektus karinatum. Die bekannten Ver¬
änderungen des Thorax beruhen auf einer Arbeitsentlastung der
kosto-sternalen Artikulationen. Hier beim rachitischen Rosenkranz
und namentlich bei Pektus karinatum wehrt die Natur oft mit be¬
deutender Überfülle am Unrechten Ort und läßt sich nur verleiten
durch die rege Bewegung des vorderen Brustkorbs bei der kind¬
lichen Atmung. Sie sucht eben nur allgemein den gesunden Körper
gegen ihr unbekannte Schädlichkeiten zu schützen.
Rachitische Verbiegungen zeigt oft der Oberschenkelknochen,
der zum Unterschied vom Unterschenkel allein die Körperlast zu
tragen hat Das rachitische Becken mit seinem oft stark vor¬
springenden Promontorium beruht ebenfalls auf solchen Druckver-
hältnissen. Hierher ist auch die rachitische Kyphose der Wirbel-
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28
säule zu rechnen, die dort entsteht, wo die alten Griechen die
Entasis der Steinsäulen schufen. Daß die rachitische Kyphose nur
stumpfwinkelig sich zeigt, kommt daher, weil dieses Leiden nach
dem fünften Lebensjahr selten auftritt, die Körperlast also noch
nicht sonderlich groß genannt werden kann. Hier sollte doch wohl
die Natur in erhöhterem Grade wehren, als bei den kosto-stemalen
Artikulationen, wo es kaum nötig erscheint
Merkwürdig verhält sie sidh auch bei den rachitischen Infrak¬
tionen des Schädels, die eigentlich der höchste Grad von Kranio-
tabes sind. Hier wehrt die Natur nicht trotz des Kissendruckes des
Bettes, sondern erzeugt Atrophie. Es liegt in ihrem Wesen, den
platten Schädelknochen, welche keine Knorpelsubstanz wie die
Röhrenknochen besitzen, zumal da sie nicht aus Knorpel, sondern
aus Bindegewebe embryonal hervorgehen, zunächst keinen Schutz
angedeihen zu lassen. Zudem hat es keine Eile, die Schädelknochen
möglichst bald rigid zu gestalten; sie haben wegen des Gehirn¬
wachstums die beiden Fontanellen; ihre Tabula vitrea macht des¬
halb im Laufe der kindlichen Entwickelung eine Resorption
durch, und sie sind endlich keinem Körperdruck ausgesetzt. Durch
das Kaput quadratum, welches bei Kraniotabes entsteht, schützt sie
insofern den Schädel, daß hinten die Wölbung wegfällt und der
Kissendruck auf breiterer Fläche verteilt ist Statt Überfülle ist
hier Atrophie zu konstatieren, die allerdings durch die embryonale
Entwickelung und durch die normale Resorption der Tabula vitrea
mit am besten erklärt werden kann. Die Kraniotabes geschieht
also nicht aus ökonomischen Gründen, die Zufuhr von Kalksalzen
in dem von Natur aus drucklosen Schädel aufzuheben, sondern ist
in diesem Falle durch die normale Entwickelung des Schädels be¬
dingt. Wie schon angedeutet, beruht der Schutz der Natur nur dar¬
auf, den Gesunden gesund zu erhalten, und er ist dabei teilweise
von der embryonalen Entwickelung und selbst in einseitiger Weise
abhängig, zumal da er nicht speziell die typischen Erscheinungen
der einzelnen Krankheiten berücksichtigt. Wäre dieses letztere der
Fall, so würde die vis medikatrix natural fast ausschließlich genügen,
und der Ärztestand wäre eigentlich — von manchen Traumen ab¬
gesehen — so gut wie überflüssig.
Von der früheren Anschauung, daß bei Rachitis eine überreich¬
liche Menge Milchsäure auf trete und dadurch eine Lösung der Erd¬
salze aus den Knochen bewirke, ist man mangels entsprechender
Beweise abgekommen. Auch eine Anhäufung von Kohlensäure
wurde schon als Ursache ohne genügende Begründung anzusprechen
versucht Selbst neuerdings gibt es immer noch Ärzte, die mit einer
vorgängigen Digestionsstörung und mit Sinken der Ernährung die
Genese der Rachitis ausschließlich zu erklären wagen. Teilweise
haben sie allerdings recht. Die Kalksalze sind bei solchen Verhält¬
nissen nahezu für den Darm unresorbierbar, weshalb dann die weiche
Zwischensubstanz an Stelle kompakter Knochensubstanz tritt.
Daß bei rachitischen Kindern der Bauch aufgetrieben ist, kommt
mit daher, weil die Natur sucht, eine Einziehung der Bauchdecken
zu vermeiden, um überschüssige Haut zu sparen. Sie gestaltet ihn
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29
zunächst so, daß er sich nicht über Brust und Becken erheben soll.
Durch das Winkelverhältnis des Beckens zum Thorax wird er
gleichwohl über die Ebene der Brust hinaus aufgetrieben. Bei
dieser ätiologischen Anschauung der Auftreibung des Unterleibes
sind jedoch die wichtigen Damistörungen nicht in Betracht gezogen.
Auch in der Weise kann vielleicht dieses starke Hervortreten des
Bauches mit erklärt werden, daß, wenn die Natur einen Körperteil
oder ein Organ zum Schutze etc. gegen bestehende Krankheit ent¬
sprechend umgestaltet, sie bei dieser Veränderung nicht selten über
die Grenze des Notwendigen, des Vorteilhaften sogar hinausgeht.
„Sie zieht an demselben Strang weiter.“ Wissenschaftlich begründet
kann heute diese Erscheinung am Unterleib durch die wider¬
standsloseren Zellen werden, deren Kern vor allem keinerlei Kalk
enthält.
Jedenfalls wird eine eben gemachte Behauptung über das
Wirken der Natur durch die Eburneation der rachitischen Knochen
zwar nicht vollständig, wie bei der Genese von Krebs, aber besser
bewiesen. In solchen früher erkrankten Teilen des Skeletts findet
bei Heilung der Rachitis eine ungewöhnlich reichliche Neubildung
echten Knochengewebes statt. Die Knochen sind dann vielfach be¬
deutend schwerer, fester und dicker, was allerdings nicht überall,
wie schon bei rachitischem Rosenkranz ausgeführt, von Vorteil ist.
Noch soll Osteomalazie im Anschluß von Rachitis kurz be¬
sprochen werden. Bei ihr ist ein Versagen der Resorption und
Assimilation der Kalksalze gewöhnlich nach Hyperaktivität vor¬
handen. Daher entsteht sie am häufigsten bei Frauen nach einem
Wochenbett, wo vorher von der Mutter aus das Skelett des Kindes
geschaffen wu rcl e.
Es gibt auch eine akute Rachitis. Man sieht sie dann zumeist
mit akuten Krankheiten auftreten. Sie kann schnell, aber auch den
gewöhnlichen langsamen Verlauf nehmen. Im letzteren Falle ist
vielfach eine hereditäre Konstitution vorhanden, indem die Mutter
ehedem rachitisch erkrankt war. Auch kann sich eine hereditäre
Disposition bei solchen Krankheitsformen finden. Syphilis, Tuberku¬
lose, Skrofulöse der Eltern können diese Disposition hervorrufen,
indem oft schwache und dadurch zu Rachitis mehr neigende Kinder
aus solchen Verbindungen hervorgehen.
Donaueschingen als Kurort.
Von Kinderarzt Dr. Eugen Net er in Mannheim.
Mit der. Erschließung einer Solquelle ist Donaueschingen in den
Kreis jener wenigen Kurorte eingerückt, welche die Vorzüge der
Höhenluft in erfolgreicher Weise mit der heilkräftigen Wirkung
des Solbades verbinden. Diese Neuschaffung darf als eine wert¬
volle Bereicherung unseres Arzneischatzes bezeichnet werden, die
wir Ärzte insbesondere dann dankbar begrüßen, wenn die günstige
Lage des hübschen Städtchens den Aufenthalt nicht nur nützlich,
sondern auch angenehm zu gestalten vermag.
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Google
30
Es ist hier nicht der Ort, auf die hohe Bedeutung derSolbade-
kuren für Kinder und Jugendliche näher einzugehen. Die außer¬
ordentliche Wertschätzung der Solbäder gerade für das Kindesalter
ist bekannt; fast will es scheinen als ob in neuerer Zeit die heilende
Wirkung dieser Kuren noch höher eingeschätzt werde als früher.
Gleichzeitig hieimit beobachten wir eine zunehmende Erkenntnis
von dem günstigen Einfluß einer zweckmäßigen Verbindung der
Luft- und Solbad.ekuren einerseits und von der Ausdehnung dieser
bisher fast nur auf den Sommer beschränkten. Kuren über die
Wintermonate hinaus. Dieser Fortschritt deckt das Bedürfnis nach
Schaffung neuer Möglichkeiten zu solch’ gemeinsamen Kuren.
Donaueschingen erfüllte mit der Einrichtung des „Irinabades“
alle Anforderungen, die an ein modern eingerichtetes Solbadehaus
gestellt werden müssen. Die Sole wird von der neu erbohrten
Quelle direkt dem Bade zugeführt und zeigt die übliche chemische
Zusammensetzung. Das Irmabad macht einen sympathischen Ein¬
druck, es liegt kurz vor dem Eingang in den fürstlichen Park und
bietet in seiner unmittelbaren Umgebung eine angenehme Abwechs¬
lung von sonnigen und schattigen Plätzen zum Ausruhen. Diese
günstige Lage des Bades möchte ich als einen unschätzbaren Vor¬
teil bezeichnen: er sichert Donaueschingen eine gewisse bevorzugte
Stellung gegenüber andren Solbädern. Der in dichter Nähe beim
Irmabad beginnende fürstliche Park macht einen unvergeßlichen
Eindruck auf Jeden, der ihn zum ersten Mal betritt. Und wer sich
dann von diesem tiefen persönlichen Empfinden löst und der Über¬
legung Raum gibt, wieviel diese herrlichen Anlagen den kleinen
Kurgästen, den Kindern zu bieten vermögen, der wird begreifen
können, wenn der Arzt in dieser Rückwirkung des wald- und
wasserreichen Parkes auf die leibliche und seelische Gesundung des
Kindes eine-unentbehrliche Ergänzung der Solbadekur erblickt.
Es war an einem Herbstnachmittag, als ich vom Hellenberg
aus, einer über 800 m ansteigenden Anhöhe über Donaueschingen,
zum ersten Mal mich des neuerstandenen Städtchens inmitten eines
herrlichen Panoramas der Baar zu erfreuen Gelegenheit fand.
Freundlich liegt die kleine Residenz auf der freien Hochebene und
doch durch leichte Anhöhe gegen allzu rauhe Winde gut geschützt.
Ein reicher Flor lieblicher Dörfer umsäumt in weitem Umkreise
die Amtsstadt, weit herab bis an die Äcker und Wiesen zieht sich
der dunkle, hochstämmige Tannenwald mit seinem reichen Wild¬
bestand. Im Hintergrund begrenzen die Berge des Hegaus und
des Schwarzwaldes den Horizont; durch die Lücken zwischen diesen
Bergen zeigen sich die gigantischen Silhouetten der schneeglänzen¬
den Alpen. Die in der Rundung dieses durch die Schönheit und
Gunst der Natur ausgezeichneten Fleckchens Erde sich verlierende
Phantasie ließ hier vor den wünschenden Augen des Arztes ein
Kinderheim entstehen, am Rande des Hochwaldes, nach Süden
schauend, im Sommer voll würziger Tannenluft und wohltuenden
Schattens, im Winter gebadet in der warmen klaren Sonne der Hoch¬
ebene. Ich sah das Heim bevölkert von einer großen Schar nach
Luft und Licht hungernder Stadtkinder, ich sah sie — durch Luft
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3i
und Sole gekräftigt — an Leib und Seele gesunden, treubesörgt
von einer tüchtigen, warmherzigen Oberin. Willkürlich suchte hier
mein Blick am südwestlichen Horizonte das nahe Kinderheim in
Dürrheim, nur einige Wegstunden von Donaueschingen durch einen
herrlichen Wald getrennt. Ein neues Heim, das diesem von einer
trefflichen Oberin vorbildlich geleiteten gleiche, würde kaum an
einer günstigeren Stelle geschaffen werden können, als auf Donau-
eschingens Gemarkung.
Die Nachbarschaft von Dürrheim und Donaueschingen drängt
zu einem Vergleiche der beiden Orte. Nach Lage und Heilmittel
gleichmäßig ausgezeichnet, lassen die zwei Städtchen hinsichtlich
ihrer gesundheitlichen Einwirkung keine wesentliche Unterschiede
erkennen. Einen nicht zu unterschätzenden Vorteil scheint mir
Donaueschingen aber insofern zu besitzen, als die unmittelbare Nähe
des fürstlichen Parkes an der Stadt und beim Badehaus den Kurgästen
während der warmen Jahreszeit weitere Erholungsmöglichkeiten
bietet. Der Hochwald ist von dort ungefähr Stunde vom Orte
entfernt. Daß Donaueschingen mit seinen fürstlichen Sammlungen
manchen regnerischen oder sonst trüben Tag leichter überwinden
läßt, mögen die Erwachsenen als große Annehmlichkeit empfinden.
Für unsere Kleinen kommt lediglich die wertvolle Nutznießung des
Parkes in Betracht, diese verschafft Donaueschingen eine gewisse
Bevorzugung.
Das nach dem großen Brande 1908 in vorbildlichem Baustil
neuerstandene Donaueschingen geht einer zukunftsreichen Entwick¬
lung entgegen. Der Besitz eigener Sole und die günstige Lage
als Höhenluftkurort sichern dem aufstrebenden Städtchen den Ruf
eines für Sommer- und Winterkuren gleichmäßig geeigneten Bade¬
platzes.
Übersichtsreferate.
Pellidol und Azodolen.
Chemisch-Physikalisches. Pellidol ist das Diazetylderivat
des Amidoazotoluols und besitzt die Formel:
\
— N = X —
<
(CH, CO)
(CH, CO)
CH, CH,
(= Amidoazotoluol und 2 Essigsäuregruppen).
Die Verbindung bildet hell ziegelrote Nadeln, welche bei 65 0
schmelzen, oder dicke rote, dem Bichromat ähnliche Krystalle vom
Schmelzpunkt 75 °.
Pellidol erscheint im Handel als ein blaßrotgelbes Pulver, das
keinerlei Färbeeigenschaften besitzt. Es ist löslich in Vaselinen,
Fetten und ölen, sowie in anderen organischen Lösungsmitteln
wie Äther, Alkohol, Eisessig, Azeton, Chloroform, Ligroin, Benzol,
etc., unlöslich dagegen in Wasser.
Diese Löslichkeitsverhältnisse sind in Bezug auf die Beschaffen¬
heit der mit Pellidol hergestellten Salben wohl zu beachten. Die
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Pellidolsalbe ist nämlich, wenn ihr Gehalt nicht übertrieben hoch
genommen wird, eine vollständige Lösung des Pellidols in der
Salbengrundlage, im Gegensatz zu Scharlach- bezw. Amidoazotoluol-
salbe. Es ergibt sich dafaus, daß die Pellidol-Salben bei hoher
Wirksamkeit nur eines geringen Prozentgehaltes (2 Proz.) bedürfen.
Da es in manchen Fällen erwünscht erschien, neben der epitheli-
sierenden Wirkung der Pellidolsalbe gleichzeitig eine antiseptische
und austrocknende zu erreichen, wird das Pellidol mit
einem Jodeiweißpräparat, dem Jodoien, verbunden, das ca. 30
Proz. Jod enthält Dieses Gemisch aus gleichen Teilen Pellidol und
Jodoien ist unter dem Namen Az od ölen im Verkehr. Die Anwend¬
ung ist die gleiche wie bei Pellidol.
Physiologisch-Klinisches: Pellidol bezw. Azodolen übt
auf die Epithelzellen einen starken Reiz aus und fördert das
Epithelwachstum, die Neubildung und Wiederherstellung defekter
Gewebeteile in überraschender Weise; wie durch exakte Unter¬
suchungen festgestellt wurde, ist das gebildete Epithel auffallend
dick, fest und widerstandsfähig.
Indi ka ti*onen: Pellidol eignet sich vorzüglich zur raschen
und gründlichen Epithelisierung granulierender Wundflächen, bei
Epitheldefekten jeder Art, namentlich solchen von größerer
Ausdehnung, .Verbrennungen, Verätzungen, Dekubitus,
Intertrigo, Hautgangrän, Geschwüren, Lupus, Ulkus
molle, Ulkus kruris, Röntgen-Ulzera, Pruritus etc. In
vielen Fällen macht es die Hauttransplantationen (Thiersch) über¬
flüssig. Ferner wird Pellidol mit Erfolg angewandt zur Nachbe¬
handlung von Radikaloperationen am Warzenfortsatz,
zur Schließung von persistenten Trommelfellperfora¬
tionen, bei Hornhautdefekten und Ektasien der Horn¬
haut zur Erzielung eines widerstandsfähigen Gewebes, ebenso auch
in der Gynäkologie, Tamponade nach Zervix-Ätzungen etc.
Überraschende Resultate werden erzielt bei den Säuglings¬
ekzemen auf Grund exsudativ er Diathese und den hart¬
näckigsten Hautkrankheiten der Kinder. Nässende,
krustöse, schuppende und trockene Ekzeme zeigen ein
rasches Zurückgehen der Reizerscheinungen und werden
zur Abheilung gebracht
Anwendung: Die Anwendung von Pellidol und Azodolen
erfolgt in Form 2 proz. Salbe, oder 5 proz. Bolus- bezw. Talkum-Puder.
Einige bewährte Rezepte:
Rp. Pellidol vel Azodolen 2,0 Rp. Pellidol vel Azodolen 2,0
Vaselin, flav. ad 100,0 Past. zinki ad 100,0
M. f. ungt M. f. ungt.
S. Salbe. S. Salbe.
+
Rp. Pellidol vel Azodolen 2,0 Rp. Pellidol vel Azodolen 2,0
Lanolin, flav. ad 100,0 Mitin. pur. ad 100 ,q
M. f. ungt. M. f. ungt.
S. Salbe. , S. Salbe.
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33
Rp. Pellidol vel Azodolen
Ol. olivar.
M. leni calore.
D. S. Oel.
2,0
ad 100,0
| Rp. Pellidol vel Azodolen 5,0
i Tale, venet. alb. pulv. subt.
; ad ioo.o
M. f. pulvis.
Rp. Pellidol vel Azodolen 5,0
Bol. pulvis subt. ad 100,0
M. f. pulvis.
Referate.
Zur Bewahrung der Kinder vor der Tuberkulose. (Oeuvre
Grancher. Adelsberger Kinderkolonie.) Von Ickert-Eythra.
(Deutsche med. Wochenschr., 1913, Nr. 46.)
Der Kampf gegen die Tuberkulose darf sich nicht nur auf den
Heilungsversuch der Erkrankten beschränken, sondern muß prophy¬
laktisch die Infektion der Menschen verhindern oder wenigstens
dafür Sorge tragen, daß die tuberkulösen Keime nicht auf ge¬
eigneten Boden fallen. Da die meisten Infektionen nach den
Statistiken der Schulärzte im (schulpflichtigen) Kindesalter statt¬
finden, so sind die Kinder in erster Linie vor der Infektion zu
bewahren. Gründlich kann dies aber nur geschehen durch die
Entfernung der gesunden Kinder aus dem tuberkulösen
Milieu auf lange Zeit, bis die Gefahr der Infektion zu
Hause vorüber ist oder bis zum Eintritt der Kinder ins Leben.
Die Franzosen haben in diesem Punkte eine schon 10jährige Er¬
fahrung in der sogenannten Preservation de PEnfance contre
la Tuberkulose, kurz nach ihrem Begründer „Oeuvre
Grancher“ genannt. Die Oeuvre Grancher nimmt aus den
tuberkulösen Familien die noch gesunden Kinder weg und steckt
sie aufs Land in bäuerliche gleichfalls gesunde Familien, wo sie
bis zur Entlassung aus der Schule verbleiben. Die Kinder werden
dadurch den Gefahren des Milieus und der unmittelbaren Ansteck¬
ung entrückt, werden gleichzeitig in ihrem neuen gesunden Milieu
körperlich und moralisch ganz neue Wesen. Die einzelnen bäuer¬
lichen Familien — vom Arzt ausgesucht und überwacht — erhalten
1—4 Schützlinge. Eine Stadt (Marseille) hat für den Zweck der
Preservation ein Kinderheim angelegt für 22—24 Schützlinge. Der
Erfolg der Oeuvre ist großartig. Von 1903 bis 1911 hat die Oeuvre
de Paris ca. 1000 Kinder versorgt, davon ist nur eines an Tuberku¬
lose erkrankt und verstorben. Unter den Kindern tuberkulöser
Familien, welche nicht von dem tuberkulösen Herd entfernt werden,
herrscht nach der Statistik der Franzosen eine Mortalität von
60 Proz., unter den Fürsorgekindern der Oeuvre eine solche von
l l 4 Proz., bei */* Proz. Morbidität. Notwendig ist, die Kinder mög¬
lichst frühzeitig der Fürsorge zuzuführen; je jünger die Schütz¬
linge sind, um so leichter lassen sie sich in jeder Beziehung be¬
einflussen. Ein großer Teil der Schützlinge bleibt übrigens nach
Entlassung aus der Fürsorge auf dem Lande. Die Kosten der
Preservation betragen für einen Schützling 1—1,20 Fr. täglich, alles
Kinder-Arzt XXV. Jahrg. 1914. 3
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34
inbegriffen, auch Kleidung und Büroaufwand. Der Unterhalt ge¬
sunder Kinder kostet eben naturgemäß weniger als derjenige kranker
Kinder (Mk. 2,50). Die Kosten für die Schützlinge (1912:849)
werden in Frankreich aufgebracht:
1. Durch Staat und Gemeinden. Die französische Regierung
zahlt jährlich 100000 Fr., die Stadt Paris 18000 Fr. Das Gesund¬
heitsamt in Paris zahlt für seine 100 Schützlinge 40 000 Fr. Pension
allein. 2. Durch Gaben und Stiftungen. 3. Durch den Anteil der
Familien der Kinder. Außerdem hat das Mutterhaus der Oeuvre
in Paris einen Reservefond von einer Million Fr. angesammelt —
Ganz unabhängig und ohne die Oeuvre Grancher genauer zu kennen
hat der „Sächsische Volksheilstättenverein für Lungenkranke“ 1912
ein Kinderheim bei Chemnitz „am Adelsberg“ (Oberhermsdorf) er¬
richtet, welches die gleichen Zwecke wie die Preservation verfolgt
Aufgenommen werden dort über 6 Jahre alte Kinder, die von
zarter Gesundheit sind, an Skrofulöse leiden oder tuberkulös ange¬
steckt erscheinen, außerdem völlig gesunde Kinder aus Familien,
in denen Schwindsucht vorgekommen ist; ausgeschlossen sind
deutlich lungenkranke Kinder. Der Kinderkolonie „am Adelsberg“
stehen erst 25 Betten zur Verfügung. Die Kosten betragen für 1
Kind täglich 1,— Mk. (außer Kleidung), also etwas mehr als bei
der Oeuvre. Sowohl die Einrichtung und Erfolge der Oeuvre als
auch der Adelsberger Kinderkolonie fordern zu Nachahmung auf.
Autoreferat
Beitrag zur Klinik der grippenartigen Erkrankungen
des Säuglings. Von Einil Flosser. (Aus der Universi¬
täts-Kinderklinik in der Prager Findelanstalt, Vorstand Prof.
Alois Epstein. — Prager med. Wochensehr., 1913, Nr. 49.)
Verf. weist auf die Häufigkeit grippenartiger Erkrankungen
auch unter dem poliklinischen Material der Epstein’schen Klinik
hin und betont die Notwendigkeit der Beachtung und Behandlung der
bei der Grippe fast regelmäßig mit vorhandenen gastro-intestinalen
Störungen. Die grippenartigen Erkrankungen sind ätiologisch und
klinisch weit entfernt von der klassischen Säuglings-Influenza der
neunziger Jahre, bei welcher schwerste gastro-intestinale Erschein¬
ungen im Vordergründe des Krankheitsbildes standen (Flesch)
und bei der durch das hohe Fieber, die große Prostration, den
lähmungsartigen Zustand der erkrankten Kinder (Epstein) oft ein
der Meningitis gleichendes Krankheitsbild sich darbot.
Der Begriff „Grippe“ wird heute viel zu weit gefaßt und es
werden Krankheitsbilder in ihn einbezogen, für die striktere Bezeich¬
nungen auf ätiologischer Grundlage wohl möglich wären. Verf.
beschreibt den Verlauf zweier Fälle schwerster grippenartiger Er¬
krankung, bei denen einem klinisch eigentümlichen Verlaufe auch
ein bestimmter Erreger, der Mikrokokkus katarrhalis zugrunde
lag. Bei beiden Kindern, schwach geborenen und minder gedeihen¬
den Säuglingen des zweiten Lebensmonates bestand im Anfang
eine Rhinitis, dann eine über die ganze Lunge sich ausbreitende
kapilläre Bronchitis mit physikalisch nachweisbaren Verdichtungs-
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35
herden. Von Anfang an bestand eine eminente Herzschwäche,
Zyanose, schwere Prostration, getrübtes Sensorium. Milztumor war
bei beiden nachweisbar, wurde auch dufch die Sektion bei einem
Falle bestätigt. Auf der Höhe der Erkrankung kam es zu gehäuften
Anfällen von Asphyxie; einem solchen Anfalle erlag auch das eine
Kind, das andere genas. Auffallend war, daß die Körpertemperatur
bei beiden Kindern die Norm kaum überschritt Gastro-intestinale
Störungen waren nicht vorhanden.
Verf. glaubt in den beiden Fällen das Vollbild der Mikrokokkus-
Ijifektion gesehen zu haben. Wie der Peumokokkus und der In¬
fluenzabazillus erzeugt auch der Mikrok. katarrh., und zwar in der
Regel nur leichtere katarrhalische Erkrankungen. Wie aber das
Vollbild der Pneumokokken-Infektion die krupöse Pneumonie, das
der Influenzabazillen-Infektion die klassische Influenza ist, so ist
auch das Vollbild der Mikrokokkus-Infektion ein charakteristisches
wenn auch selten beobachtetes. Bei den berichteten Fällen glaubt
Verf., daß die konstitutionelle Schwäche beider Kinder das Voll¬
bild dieser Infektion aufkommen ließ. Autoreferat.
Das Fleckfieber bei Kindern nach dem Material des
M o r o s o f fsehen Kinderkrankenhauses in Moskau.
Von Molodenk off-Moskau. (Archiv f. Kinderheilkunde,
59. Bd., H. 3/4.)
Breite Schilderung des bei uns zu Lande fast nur vom Hören¬
sagen bekannten Krankheitsbildes, das Verf. in wenig mehr als
3 Monaten an 115 Fällen bei Kindern studieren konnte. Nach
seinen Beobachtungen wächst die Disposition mit dem Alter, nur
7 von seinen Fällen waren noch nicht 3 Jahre alt. Unter den
ersten Erscheinungen sind starke Kopfschmerzen besonders charakter¬
istisch. Regelmäßig besteht trockne Bronchitis und Konjunktivitis,
während niemals Schnupfen beobachtet wurde. Der Ausschlag, dem
in der Rekonvaleszenz eine feine Schuppung folgt, tritt in der
Regel am 2.—4. Tage auf und beginnt gewöhnlich im Bereiche des
Schultergürtels, wo er auch bei schwacher Entwickelung am leich¬
testen zu entdecken ist Im Gegensatz zum Erwachsenen befällt
er häufig auch das Gesicht. Die Milz ist von den ersten Tagen
an, meist aber nur mäßig vergrößert. Das Sensorium ist mehr
oder weniger getrübt, es kann zu heftigen Delirien kommen, in
einem Falle entwickelte sich eine akute Psychose. Die Temperatur
steigt schnell an, zeigt bis zum Anfang der 2. Woche den Typus
der Kontinua und sinkt dann in 3—4 Tagen meist staffelförmig,
selten kritisch zur Norm ab. Der Puls ist in der ersten Woche
nicht selten ausgesprochen dikrot, nach der Entfieberung wurde er
in einigen Fällen unregelmäßig. Im Gegensatz zum Abdominal¬
typhus besteht auf der Höhe der Erkrankung eine Vermehrung
der weißen Blutkörperchen. Die Nieren sind, abgesehen von vor¬
übergehender Albuminurie, wenig beteiligt, nur imal entwickelte
sich eine hämorrhagische Nephritis. Mit großer Regelmäßigkeit
tritt die Diazoreaktion auf. Von Komplikationen spielt die Otitis
media die Hauptrolle. Die Mortalität war = o, während sie bei
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36
den Erwachsenen in derselben Epidemie ungefähr 8 Proz. betrug.
Die Behandlung ist eine symptomatische. Als Überträger des
Kontagiums haben nach den Arbeiten von Nicolle die Läuse zu
gelten. Daher das Vorkommen der Krankheit in den engen Wohn¬
ungen der Armut, die relativ geringe Infektionsgefahr im Kranken¬
hause. Hohlfeld (Leipzig).
Die Diphtherietoxin-Hautreaktion des Menschen als Vor-*
probe der prophylaktischen Diphtherieheilserum¬
injektion. Von Schick-Wien. (Münchner med. Wochen-
schr., 1913, Nr. 47.)
Die prophylaktische Injektion von Heilserum soll einem be¬
stehenden Schutzkörpermangel abhelfen. Neugeborene besitzen
Schutzkörper in 80 Proz., die Erwachsenen bis zu 90 Proz. Man
könnte also bei einer großen Anzahl Menschen auf die prophylak¬
tische Injektion verzichten, wenn wir eine einfache Methode besitzen,
solche Menschen zu erkennen, die in ihrem Serum Schutzkörper gegen
Diphtherietoxin besitzen.
Löwenstein, Michiels und Schick haben nachgewiesen,
daß bei Menschen durch intrakutane Injektion von minimalen
Mengen Diphtherietoxin eine spezifische Hautreaktion hervorgerufen
wird. Der negative Ausfall der Reaktion beweist immer das Vor¬
handensein von Schutzkörpern in genügender Menge für prophy¬
laktische Zwecke.
Für geschlossene Anstalten hat die diagnostische Prüfung der
Toxinhautreaktion praktische Bedeutung. In der Wiener Universi¬
täts-Kinderklinik wird fogendermaßen vorgegangen: Ist ein Diph¬
theriefall zur Beobachtung gelangt, so werden sämtliche Personen
zuerst mit Diphtherietoxin intrakutan geprüft. Nach 24 Stunden
ist man über den Ausfall der Reaktion orientiert. Die positiv
reagierenden Kinder werden prophylaktisch mit Serum immunisiert,
die negativ reagierenden hingegen nicht. Dadurch erspart man
einer großen Anzahl die Injektion des Diphtherieserums und damit
die Gefahr der Allergisierung durch Pferdeserum und außerdem
bringt dieses Vorgehen auch eine erhebliche Kostenersparung.
Schlich ting (Kassel).
Zur Kenntnis der Still’schen Krankheit. Von Johannes
Piske. (Aus der Kinderklinik in Kiel. — Med. Klinik, 1913,
Nr. 48.)
Das von Still im Jahre 1897 zuerst beschriebene und nach
ihm benannte Krankheitsbild ist in der deutschen Literatur kaum
erwähnt. (20 Fälle in England, 3 in Deutschland). Es handelt sich
hierbei um eine Erkrankung, die mit einer fortschreitenden Ver¬
dickung symmetrischer Gelenke beginnt und in der Regel von einer
Vergrößerung der Lymphdrüsen und der Milz begleitet ist. Die
Schwellung an den Gelenken wird bedingt durch eine Verdickung
der periartikulären Gewebe, während die knöchernen Teile der Ge¬
lenke selbst bei längster Dauer der Erkrankung keine Veränder¬
ungen zeigen. Die Schmerzhaftigkeit ist meist gering, vielmehr
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besteht häufig nur eine gewisse Steifigkeit Eine Vereiterung oder
Ankylose der Gelenke, ebenso eine Einschmelzung der regionären
Lvmphdrüsen ist nie beobachtet worden. Unter Fiebersteigerungen,
die teils kontinuierlich, teils periodisch mit fieberfreien Intervallen
abwechselnd verlaufen, breitet sich die Erkrankung auf weitere
Gelenke aus (Knie, Knöchel, Hand, Ellenbogen, Hals, Wirbelsäule
und Finger).
Der Verlauf ist äußerst langwierig, die Ätiologie unklar und
die Prognose sehr zweifelhaft, da in der weitaus größten Zahl der
Fälle durch interkurrente Krankheiten infolge des langen Kranken¬
lagers und der erschwerten Bewegungsmöglichkeit der Exitus
erfolgte.
In Kiel wurden 2 Fälle beobachtet. Der erste kam zur Aus¬
heilung und ist noch heute nach fast iojähriger Beobachtung völlig
rezidivfrei. Der zweite Fall kam ad exitum und zwar infolge einer
von einer eingeschmolzenen Bronchialdrüse ausgehenden Miliar¬
tuberkulose. Sämtliche regionären Lymphdrüsen erwiesen sich frei
von Tuberkulose. Ebenso waren sämtliche Untersuchungen auf
Tuberkulose im Beginne der klinischen Behandlung resultatlos.
Ein Zusammenhang der Stil lachen Krankheit mit der Poncet-
schen Krankheit erscheint demnach recht unwahrscheinlich,
zumal auch sämtliche der füher vorgenommenen Sektionen keine An¬
zeichen für Tuberkulose ergeben haben.
Therapeutische Maßnahmen erwiesen sich als ziemlich macht¬
los. Salizyl- und Chininpräparate hatten nicht den geringsten Ein¬
fluß, weder auf die Gelenkaffektionen noch auf die Fiebersteiger¬
ung. Der erste Fall kam zur Ausheilung unter systematischer Ein¬
reibung der Gelenke mit Ungt. kolloidale Crede und Stauung.
Autoreferat
Uber die mißbräuchliche Verwendung von Eiweißwasser
bei der Behandlung akuter Ernährungsstörungen
von Säuglingen. Von F. Lu st-Heidelberg. (Aus der
Heidelberger Kinderklinik. — Münch, med. Wochenschr., 1913,
Nr. 43.) •
Die moderne pädiatrische Lehrmeinung lautet zwar fast überein¬
stimmend, daß Eier im Menü des gesunden Säuglings und des
Kindes bis gegen das Ende des 2. Lebensjahres nichts zu suchen
haben, da vielfach enterale und vasomotorische Störungen auf
Eigenuß beobachtet werden; höchstens wird das unschuldigere
Eigelb erlaubt. Trotzdem hat das zweifellos weniger harmlose
Eier-Eiweiß in Form des Eiweißwassers gerade in der Diätetik der
schwersten akuten Ernährungsstörungen des Säuglingsalters seinen
Platz vielfach noch recht fest behauptet. Versuche über die Toleranz
des Säuglingsdarms haben zu dem Ergebnis geführt, daß von allen
Eiweißarten das Hühnereiweiß die Darmschleimhaut am meisten
schädigt und sie bei akuten und chronischen Ernährungsstörungen
in noch artfremdem Zustande zu passieren vermag. Bei diesen Unter¬
suchungen zeigte sich wieder, daß der Stuhl nach der einmaligen
Zufuhr des Weißen von */$—1, höchstens 2 rohen Eiern auch bei
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3 «
vorher völlig darmgesunden Kindern nicht selten dünner wurde,
ja daß es zuweilen zu einem eigentlichen Durchfall kam.
Bei drei unter 20 Säuglingen kam auch eine Fernwirkung zur
Beobachtung in Form von vasomotorischen Störungen, die sich in
Ödemen, Urtikaria und einem rubeolaartigen Exanthem äußerten.
Verf. formuliert seine Ergebnisse in folgendem Satz: Wenn be¬
reits der Darm des gesunden oder zum mindesten des nichtdyspep-
tischen Säuglings in der Mehrzahl der Fälle auf eine einmalige Zu¬
fuhr von Hühnereiweiß mit derartigen Reizsymptomen antwortet,
um wie viel weniger eignet sich dieses daher beim akut emährungs-
gestörten Kind zu therapeutischen Zwecken, gar noch in einem
Stadium, das zur Fernhaltung jeglicher, auch einer normaliter an¬
standslos tolerierten Nahrung auSordert. Autoreferat
Was kann der praktische Arzt zur Verhütung und Be¬
handlung von Ohrerkrankungen tun? Von Claus.
(Rudolf Virchow-Krankenhaus. — Die Therapie der Gegen¬
wart, 1914, Nr. 1.)
In vielen Fällen kann besonders der Kinderarzt frühzeitig
Schädigungen am Gehörorgan entdecken und für sachgemäße Be¬
handlung sorgen. Jede Herabsetzung des Gehörs muß zu genauer
Untersuchung veranlassen. Die Katarrhe der oberen Luftwege, be¬
sonders die der Nase und des Nasenrachenraumes müssen energisch
behandelt werden. Beim Kinde ist nur die krankhaft veränderte
Rachenmandel zu entfernen. Die Fortnahme ist in diesem Falle
eine wichtige Vorbeugungsmaßregel. Die Adhäsivprozesse des
Mittelohrs und die Tubenstenose, die das Endstadium von nicht
oder nicht genügend behandelten sekretorischen Mittelohrkatarrhen
bilden, wären durch Beseitigung derselben und daran anschließende
Luftdusche in kurzer Zeit geheilt worden. Andere für das Ohr
schädliche Zustände sind Bewegungsstörungen der Gaumenmuskulatur,
Infiltrationen oder Lähmungen, die die notwendige Ventilation der
Paukenhöhle durch die Tuben beeinträchtigen, ferner Tumoren und
Ulzerationen im Nasenrachenraum. Während die Diagnose der
akuten Mittelohreiterung * bei Erwachsenen, die Schmerzen äußern
und sie lokalisieren, leicht ist, ist sie bei Säuglingen schwieriger.
Die exakte Untersuchung des Säuglingsohrs mit Reflektor und Ohr¬
trichter kl für den Geübten möglich, wenn nicht eine krankhafte
Verengerüng des Gehörgangs vorliegt. Die Reinigung des
trockenen Gehörgangs von Schuppen und Zerumen mit einem stumpfen
Häkchen muß vorangehen; der auf einem Tisch liegende Säugling
muß dabei fixiert werden. Verletzungen des Gehörgangs müssen
vermieden werden. Frühzeitige Parazentese ist notwendig, wenn Fieber,
Schmerz oder Schlaflosigkeit besteht oder am Trommelfell eine Vor¬
wölbung sichtbar ist, bei älteren Kindern auch bei erheblicher
Herabsetzung des Hörvermögens durch starken Druck auf die
Labyrinthfenster. Weitere Behandlung ist Bettruhe, Einfettung der
Ohrmuschel bei starker Sekretion, Einlage eines sterilen Gaze¬
streifens, trockene warme Leinsamenmehlsäckchen. Im letzten
Stadium ist mit der Luftdusche zu beginnen.
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Bei Säuglingen und Kindern fällt die hohe kontinuierliche
Temperatur nicht immer nach erfolgreicher Parazentese ab; ein
Wiederansteigen oder vorübergehende Remissionen deuten auf eine
Komplikation hin, zu beachten ist dabei, ob Erbrechen, Kopf¬
schmerzen, Schwindel, Nystagmus, Nackensteifigkeit, Kernigsches
Symptom auftritt.
Besondere Aufmerksamkeit erheischen die akuten Infektions¬
krankheiten; es ist unbedingt nötig, die Ohren zu kontrollieren,
auch wenn keine Klagen vorgebracht werden. Prophylaktisch kann
man Vj Proz. Argent-nitrik.-Lösung in die Nase träufeln. Früh¬
zeige Parazentese ist angezeigt, der eine ausgiebige Drainage
folgen muß.
Treten Labyrinthsymptome auf, ist Aufmeißelung des Warzen¬
fortsatzes angezeigt. Viele chronische Otorrhöen verdanken ihr
Entstehen den akuten •Infektionskrankheiten.
Seit Anwendung des Serums scheint die Otitis diphtherika
milder zu verlaufen. Bei Mumps ist Neurolabyrinthitis nicht
selten. Bei Influenza führt Mittelohreiterung schnell zu Mastoiditis.
Auch bei Typhus ist sorgfältige Behandlung im frühsten
Stadium der Otitis anzuraten.
Von den chronischen Infektionskrankheiten sind für das Ohr am
wichtigsten die Lues und Tuberkulose.
Bei Fremdkörpern im Gehörgang ist die Pinzette verpönt;
gelingt die Entfernung nicht leicht, überweise man den Patienten
dem Spezialisten.
Bei Verletzungen nur Okklusivverband dann spezialistischen
Rat einholen. Schlichting (Kassel).
Operative Behandlung des Hydrozephalus internus bei
Kindern. Von Pussep-St Petersburg. (Archiv f. Kinder¬
heilkunde, Bd. 59, H. 3/4.)
Die einfache Ventrikelpunktion genügt auch bei häufiger
Wiederholung nicht, weil sich die Flüssigkeit immer' von neuem
ansammelt. Die von Keen empfohlene offene Ventrikeldrainage
öffnet nicht bloß der Flüssigkeit, sondern auch der Infektion die
Türe, aber auch die geschlossene, wie sie zuerst von Mikulicz
und später besonders von Krause geübt wurde, läßt unberück¬
sichtigt, daß sich der Wasserkopf wahrscheinlich deshalb entwickelt,
weil durch den Verschluß der Öffnungen die Verbindung zwischen
Himhöhlen und Hirnoberfläche aufgehoben ist. Der Balkenstich
Bramanns stellt diese Verbindung allerdings wieder her, aber
dieser Operation fehlt wieder die Ableitung der Flüssigkeit unter
die Haut und damit die Herabsetzung des intrakraniellen Druckes,
angeblich soll sie auch schwieriger auszuführen sein. Beiden In¬
dikationen will Verf. durch eine Abänderung der Krause’schen
Operation genügen, die er in folgender Weise ausführt. Er legt
über einem Ohr eine Trepanationsöffnung von 3 cm Durchmesser
an, bildet im Bereiche derselben einen etwas schmäleren Duralappen,
den er der Länge nach in zwei Hälften teilt, und punktiert nun
den Ventrikel mit einer silbernen Nadel von 3 mm Durchmesser.
Diese Nadel läßt sich in 3 cm lange Röhrchen zerlegen. Sobald
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Flüssigkeit kommt, wird der überstehende Teil abgeschraubt, und
anscheinend wie bei der Kraus e’schen Operation, der äußere Rand
des steckenden Röhrchens der Länge nach aufgesschnitten, beide
Enden rechtwinklig abgebogen, unter jedes eine Hälfte des Dura¬
lappens gebracht und an ihm festgenäht, die Hautwunde darüber
geschlossen. „Das Röhrchen liegt somit auf dem freien Lappen der
Dura mater“ und „auf diese Weise wird eine Kommunikation
zwischen der aus dem Röhrchen abfließenden Flüssigkeit sowohl
mit dem submeningealen Raume durch die Inzision der Dura-
mater als auch den Hautdecken des Schädels durch die Öffnung
im Knochen erzielt.“ Die Vorwölbung der Hautdecken, die sich nach
der Operation ausbildet, wird nach Bedarf punktiert; verschwindet
sie schnell, so kann das Röhrchen schon nach 2—4 Wochen ent¬
fernt werden, besteht sie länger, so bleibt es 2—4 Monate liegen.
Dann hat sich ein stabiler Kanal gebildet •
Nach diesem Verfahren hat Verf. 20 Fälle behandelt Von 14
— Kindern im Alter von 2 4 /ia—n Jahren — legt er Krankenge¬
schichten vor. Mit am günstigsten war der Ausgang bei einem
akuten Hydrozephalus. Die vorher häufigen Krämpfe verschwanden,
das Bewußtsein kehrte wieder und allmählich stellte sich auch die
Beweglichkeit der Glieder wieder ein, während das Sehvermögen
nicht zurückkehrte. Bei 3 Fällen von Hirntumoren gelang es
wenigstens in 2, den Kindern durch die Herabsetzung des intra¬
kraniellen Druckes ihren Zustand zu erleichtern, in einem der
beiden auch den Sitz der Geschwulst zu bestimmen. Bei 10 Fällen
von chronischem Hydrozephalus waren die Erfolge im allgemeinen
sehr bescheiden und die Kürze der Beobachtungsdauer läßt sie noch
zweifelhafter erscheinen. Immerhin waren doch unter diesen 10
Fällen 2, die auffallend günstig beeinflußt worden. Das würde
genügen, um den Eingriff zu empfehlen, wenn nur aus der Arbeit
hervorginge, daß er mehr leistet wie die Krause’sche Operation.
Hohlfeld (Leipzig).
über Bananen und Bananenmehl. Von C. von Noorden-
Frankfurt a. M. (Med. Klinik, 1913, Nr. 49.)
Frühzeitig hat Verf. den hohen Wert der Bananen als Volks¬
mittel für den Gesunden und für viele Kranke erkannt Ihr Nähr¬
wert steht höher als der fast aller anderen Früchte, er ist auf durch¬
schnittlich 78—82 Kalorien pro 100 g einzuschätzen.
Es gibt jetzt deutsches Bananenmehl, das in Mannheim in 2
Qualitäten geliefert wird.
Zu therapeutischen Zwecken wurden Bananen und Bananenmehl
gebraucht beim Diabetes mellitus. Bananenmehl wurde erheblich
besser verwertet als Weizenmehl. Oftmals wurden Bananen- oder
Bananenmehltage an Stelle von Hafertagen verordnet. Bei Gicht¬
kranken und in allen Fällen, wo eine purinarme Diät angezeigt
ist, bilden die Bananen eine wertvolle Ergänzung der lakto-vegetabil-
ischen Diät.
Bei Nierenkranken ist es zweckmäßig einige Tage hindurch die
Eiweißkörper ganz auszuschalten. Auch hier bewährten sich
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Bananen als brauchbare Ergänzung, da ihr Fleisch äußerst koch¬
salzarm ist Breie aus 30—40 g hergestellt mit dicker Porridge-
artiger Konsistenz werden mit Fruchtsäften und Sirup gern ge¬
nommen. Bei dysenterieartigen Erkrankungen gab Verf. mehrere Tage
hindurch als alleinige Nahrung dicke Suppen aus Bananenmehl.
Der Erfolg war durchaus gut.
Bei Entfettungskuren gibt Verf. statt der Milchtage (1—2 mal
die Woche) Obsttage. Die Patienten können Äpfel oder
Bananen essen soviel sie wollen. Uber 1000 g kam keiner hinaus,
das entspricht 800 Kalorien. Uber Hunger wurde an solchen Tagen
nie geklagt, sie befriedigen das unmittelbare Nahrungsbedürfnis
viel besser als alle andern Früchte und auch besser als Milch.
Schlichting (Kassel).
Uber klinische Erfahrungen mit Digipan. Von Kurt Weiß-
Tübingen. (Münchner med. Wochenschr., 1913, Nr. 45.)
Als Assistenzarzt der Tübinger medizinischen Nervenklinik hat
Verf. eingehende Untersuchungen angestellt über das von der
Stuttgarter Firma Burk hergestellte Digitalispräparat Digipan
Dr. Haas.
Das Mittel wurde per os als Tropfen oder Tabletten, ferner
intravenös und intramuskulär gegeben. Erhebliche Nebenerschein¬
ungen durch kumulative Wirkung sind nicht beobächtet Die
Tabletten wirken kräftiger als die Tropfen. Die intravenösen und
intramuskulären Injektionen bewirkten stets eine rasche Blutdruck¬
steigerung und ein rasches Einsetzen der Diurese. Von der sub¬
kutanen Injektion mußte Abstand genommen werden wegen
Schwellung und Schmerzen an der Injektionsstelle. In Fällen, bei
denen die andern Herzmittel versagt hatten, trat Diurese ein.
Auch bei Kindern hatten Dosen von 3 mal 0,05 Digipan in
Tropfen oder Tabletten gute Erfolge ohne störende Nebenwirkungen.
Verf. urteilt, daß das Digipan ein recht brauchbares Präparat
darstellt. Die am Krankenbett erwünschten Effekte, namentlich die
Steigerung des Blutdrucks, die Verminderung der Pulsfrequenz und
die Vermehrung der Diurese setzen schon bei relativ geringen
Dosen und in kurzer Zeit ein; auch halten sie nach Absetzung des
Mittels in der Regel an. Bei intravenöser Darreichung ist die
Wirkung fast sofort. Bei innerer Applikation der Tabletten wurde
bereits nach wenigen Stunden eine Blutdrucksteigerung nachweis¬
bar. Hämolytische Reaktionen wurden nicht beobachtet.
Schlichting (Kassel).
Referate aus dem Gebiete der Schulhygiene.
Uber Ziele und Erfolge der Schulzahnkliniken. Von
Paul Ritter-Berlin. (Med. Klinik, 1913, Nr. 49 und 50.)
In Berlin sind z. Zt. vier Schulzahnkliniken in städtischen Ge¬
bäuden vorhanden. Außerdem haben Charlottenburg, Schöneberg
und Wilmersdorf je eine eigene Schulzahnklinik. Ritter bespricht
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besonders die einschlägigen Verhältnisse in Groß-Berlin, sowie die
Tätigkeit des Berliner Lokalkomitees.
Die Ziele der Schulzahnkliniken richten sich in erster Linie
darauf, die breiten Volksmassen, insbesondere die Volksschulkinder
der arbeitenden Klassen, an eine geordnete Zahn- und Mundpflege
zu gewöhnen. So erweisen sie sich als ein bedeutsames Glied der
allgemeinen Hygiene. Die Tatsache, daß der kariöse Zerstörungs¬
prozeß nicht nur an sich das betreffende Individuum gesundheitlich
schädigt, sondern auch der Gesundheit der in demselben Raume
befindlichen Kinder durch die Wirksamkeit der in den hohlen
Zähnen sich ansiedelnden Fäulnisprodukte Eintrag tut, läßt an sich
schon die Schulzahnpflege als ein wichtiges Heilmittel der allge¬
meinen Gesundheit erscheinen. Dementsprechend sind die weiteren
Ziele der Schulzahnkliniken auf die Beseitigung kranker Zähne und
Zahnwurzeln im Munde, sowie auf die Füllung noch erhaltungs¬
fähiger Zähne gerichtet. Aber nicht nur die bleibenden Zähne
sollen in den Schulzahnkliniken gesund erhalten werden, sondern
auch die Milchzähne für die Dauer ihres von der Natur bezweckten
Bestehens. Ritter verbreitet sich über die Wichtigkeit des ge¬
sunden Milchgebisses und bespricht die von kranken Zähnen aus¬
gehenden Erkrankungen der Nachbar-Organe. Ferner die Sanier¬
ung der Mundhöhle als ein Mittel zur Bekämpfung der Infektions¬
krankheiten. Insbesondere geht er auf den Zusammenhang zwischen
Schulzahnpflege und Nervenkrankheiten ein und bezeichnet als ein
weiteres Ziel der Schulzahnkliniken die wissenschaftliche Forschung
und Förderung an der Hand statistischen Materials.
Die Erfolge in den Schulzahnkliniken sind, wie es sich erwarten
ließ, außerordentlich gute. Das Interesse, welches die Berliner
Schulärzte und die Lehrerschaft der neuen Einrichtung entgegen¬
bringen, beweist am besten, daß sie von deren Notwendigkeit über¬
zeugt sind. Und dies ist außerordentlich wichtig, da ein Vorteil
für die allgemeine Gesundheit sich nur mit Hilfe der Schulärzte
erreichen läßt, deren Mitwirkung für die Instandsetzung der Mund¬
höhle schon bei der Untersuchung der Schulrekruten beginnt.
Während früher befürchtet wurde, daß durch die Schulzahn¬
kliniken die Eltern eines Teils der ihnen obliegenden Fürsorge für
die Kinder enthoben würden, beweisen die Einnahmen in den
Schulzahnkliniken, daß, wenn es die pekuniären Verhältnisse ge¬
statten, die Eltern gern einen Teil zu den Kosten beitragen. Mit
dieser Verbreitung der Zahnpflege in den Volksmassen ist zweifel¬
los eine große Förderung der Schulhygiene verknüpft, welche in
den künftigen Berichten der Schulärzte auch zum Ausdruck kommen
dürfte. Schon die schulärztlichen Berichte der letzten drei Jahre
lauten günstiger, wenngleich die Beschaffenheit der Zähne unter
den Schulkindern, entsprechend der Verbreitung der Rachitis, der
Skrofulöse und Tuberkulose, und mit Rücksicht auf den häufig
ungünstigen Ernährungszustand noch viel zu wünschen übrig läßt
Wie das Lokalkomitee in Groß-Berlin, so hat das Deutsche
Zentralkomitee im ganzen Reiche große Erfolge zu verzeichnen.
Uber 80 deutsche Städte und Dörfer besitzen heute ihre Schulzahn-
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43
pflegestellen und in etwa 40 andern Orten ist die Einrichtung von
Schulzahnkliniken in Aussicht genommen, so daß Deutschland zu¬
vörderst demnächst 120 Schulzahnpflegestellen besitzen wird.
Autoreferat.
Die Diphtheriebekämpfung in den Schulen. Von Schul¬
arzt Gettkant -Berlin-Schöneberg. (Deutsche med. Wochen-
schr., 1913, Nr. 51).
Die Zunahme der Diphtherie-Erkrankungen in Groß-Berlin seit
Herbst 1911, alljährlich während der Monate Oktober bis Februar,
machte besondere Maßnahmen gegen die Verbreitung der Seuche
durch die Schulen erforderlich. Für Berlin-Schöneberg wurde der
Plan der Diphtheriebekämpfung gelegentlich einer Sitzung der Ge¬
sundheitskommission am 16. Dez. 1911 festgelegt und erstreckte
sich auf folgende Punkte:
1. Jede Klasse, in der auch nur ein Fall von Diphtherie vor¬
kommt, wird auf die Dauer von zwei Tagen zu Desinfektionszwecken
geschlossen. — Da dieses Mittel zum vollen Erfolg, zur Sanierung
infizierter Klassen nicht führte, ist diese Maßnahme jetzt derart ein¬
geschränkt worden, daß nur noch bei Vorkommen mehrfacher
Diphtherieerkrankungen in einer Klasse und bei ausgesprochenen
Klassenepidemien desinfiziert wird.
2. Den praktischen Ärzten wurde Diphtherieheilserum zu Be¬
handlungszwecken und zu Zwecken der prophylaktischen Spritzung
auf Kosten der Stadt zur Verfügung gestellt, sobald sie die Bedürftig¬
keit der betreffenden Familie annahmen. — Da nur sehr wenige
Ärzte hiervon Gebrauch machten, auch befürchtet werden mußte,
daß hierdurch das wirksamste Mittel gegen die Diphtherie, nämlich
die Isolierung Erkrankter im Krankenhause, eine Einbuße erleiden
würde, wurde die Einrichtung wieder aufgehoben, nachdem sie mehr
als ein Jahr zu Recht bestanden hatte.
3. Verteilung von Merkblättern an die Eltern sämtlicher Schul¬
kinder, sowohl der Gemeindeschulen als auch der höheren Lehran¬
stalten, folgenden Inhalts: Jedes Kind, das eine Halsentzündung
zeigt, soll einem Arzte vorgestellt werden und jenes sowohl
wie seine Geschwister der Schule fern bleiben; Diphtheriekranke
sind von der Umgebung streng abzusondern.
4. Der Nachdruck bei der Bekämpfung der Seuche wird auf
eine möglichst schnelle Ausscheidung der Bazillenträger gelegt.
Bei Vorkommen eines Falles von Diphtherie in einer Klasse werden
die dem Kranken zunächst sitzenden Kinder abgeimpft; sind zwei
oder mehrere Fälle in einer Klasse vorgekommen, so wird
Rachenschleim von sämtlichen Kindern und vom Klassenlehrer ent¬
nommen. Die Abstriche werden am nächsten Tage wiederholt. —
Ob außerdem eine Desinfektion des Klassenzimmers zu erfolgen hat,
entscheidet der Schularzt von Fall zu Fall.
5. Um schneller als auf dem dienstlichen Wege von einer
Diphtherieerkrankung in der Schule Kenntnis zu erhalten, geht die
Schulschwester an jedem Vonnittag nach dem Polizeipräsidium,
stellt aus den Meldungen der praktischen Ärzte die an Diphtherie
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44
erkrankten Schulkinder fest und teilt diese sofort dem betreffenden
Schularzt mit. Die Entnahme von Rachenschleim erfolgt dann so¬
fort an demselben Tage.
6. Beim Auftreten von Diphtherie in einer Klasse ist in dieser
das Herauf- und Heruntersetzen der Kinder während des Unter¬
richts bis auf weiteres einzustellen.
7. Die Schulzahnklinik wird für alle Kinder einer Klasse, in
der auch nur ein Fall von Diphtherie vorgekommen ist, so lange
gesperrt, bis der Schularzt die Wiederzulassung gestattet.
8. Uber sämtliche an Diphtherie Erkrankten, deren Geschwister
und ev. Flurnachbarn, sowie über die gesunden Bazillenträger wird
die Schulsperre so lange verhängt, bis zwei vom Schularzt ent¬
nommene Proben von Rachen- oder Nasenschleim nacheinander ein
negatives Resultat gehabt haben. Die Schulsperre wird auch auf
diejenigen Kinder ausgedehnt, die beim Auftreten einer Diphtherie¬
erkrankung in einer Klasse wegen Mandelentzündung gefehlt haben.
Autoreferat.
Bücherbesprechungen.
Leitfaden der Säuglingskrankheiten. Für Studierende und
Ärzte. Von Privatdozent Dr. Walther Birk-Kiel. gr. 8°,
VIII u. 256 S. Mit 25 Abbildungen im Text. Bonn 1914.
A. Marcus u. E. Webers Verlag. Preis br. 4,80, geb. 5,80 Mk.
Das kleine Buch verfolgt rein praktische Zwecke: es soll dem
Studenten für das Studium und dem praktischen Arzt für die Be¬
handlung der Säuglingskrankheiten als Leitfaden dienen. Die
Theorie ist daher nur kurz, Symptomatik und Therapie
dagegen ausführlich behandelt worden. Der Zweck, der dem Verf.
vorschwebte, ist vollständig erreicht worden und kann das Büchel¬
chen den Studierenden und dem praktischen Arzte angelegentlichst
empfohlen werden. S.
Der Geburtenrückgang in Deutschland. Seine Bewertung
und Bekämpfung. Von Reg.- und Med.-Rat Dr. J. Born-
traeger-Düsseldorf, gr. 8°, VIII u. 276 S. Würzburg 1913.
Verlag von Curt Kabitzsch. Preis 4,— Mk.
Das Werk stellt einen erweiterten Abdruck aus Heft 13 der
,,Veröffentlichungen aus dem Gebiete der Medizinalverwaltüng“ dar
und behandelt die wichtige Frage des Geburtenrückgangs in
Deutschland, insbesondere seine Bekämpfung, eingehend auf Grund
amtlichen und außeramtlichen Materials mit großer Sachkenntnis.
S.
Säuglings-Sterblichkeit und Geburtenzifffer. Von Prof.
Dr. Hans Koppe-Gießen, ärztl. Direktor der großherzogl.
Zentrale für Mütter- und Säuglingsfürsorge in Hessen, gr.
8° u. 74 S. Wien 1913. Verl, von Alfred Holder. Preis 2 Mk.
Die Säuglings-Sterblichkeit ist keinesfalls etwas zweckmäßiges,
sie stellt auch kein Sicherheitsventil dar, durch welches Ubervölker-
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üng und Degeneration verhindert wird. Verf. sucht dann den Ein¬
wand zu widerlegen, daß die Säuglings-Sterblichkeit allein von der
Geburtenziffer abhänge, und daß beide sich regulieren, dafür bringt
er großes Material bei und hat auch in diesem Sinne eigene Unter¬
suchungen angestellt. Eine kurze historische Einleitung führt zur
Statistik; über den Ausdruck „Geburtsnummer“ hält Verf. für glück¬
licher zur Bezeichnung der Geburtenfolge als „Geburtenziffer“.
Zwischen Säuglings-Sterblichkeit und Geburtenzahl besteht im allge¬
meinen ein ziemlich weitgehender Zusammenhang, dieser besteht
aber auch ebenso gut zwischen Geburtenzahl und allgemeiner Sterb¬
lichkeit, weil diese in hohem Grade von der Säuglings-Sterblichkeit
beeinflußt wird. Wenn die Mortalität das Primäre ist, dann müssen
wir mit allen Kräften dahin streben, alles am Leben zu erhalten,
was geboren ist, und das bedeutet den Kampf gegen die Säuglings¬
sterblichkeit Der Schwerpunkt des Werkes ruht auf dem Ab¬
schnitt: Säuglings-Mortalität und Kinderzahl der Familie. Nach
Köppes Untersuchungen trifft für Familien mit 5—6 Kindern eine
größere Gefährdung der Säuglinge nicht zu, und keinesfalls kann
aus diesen Zahlen eine Berechtigung der künstlichen Beschränkung
der Kinderzahl hergeleitet werden, die eben doch auf eine Be¬
schränkung auf zwei oder weniger Kinder hinausläuft. Die erhöhte
Sterblichkeit macht sich aber bei noch kinderreicheren Familien
wieder bemerklich, eine Erfahrung, die ich nach meinen Beobach¬
tungen in Lägerdorf in kinderreichen Arbeiter-Familien bestätigen
kann, ich verstehe darunter solche Familien, in denen sich 8 und
noch mehr Kinder befinden oder richtiger befanden. Bei der Be¬
wertung des Sinkens der Geburtenziffer steht Verf. nicht auf seiten
der Pessimisten, weil die Bevölkerungszunahme nicht allein von der
Geburtenzahl abhängig ist Bei Besprechung der Ideen des Neo¬
malthusianismus zeigt der Verf. sich als entschiedener Gegner
dieses Gedankens und erklärt, daß man nur mit Ekel von diesen Ver¬
hältnissen sprechen kann. Entwickelungsgeschichtliche Betrachtungen
bilden den Schluß des Werkes: „So haben wir auch in der Säuglings¬
fürsorge die günstigen Bedingungen zu ermitteln, unter denen das
Ziel, höchster Geburtenüberschuß und höchste Widerstandsfähigkeit
der Geborenen, zu erreichen ist“. P. Hanssen (Kiel).
Schwer erziehbare Kinder. Ein Ratgeber für alle, die es an¬
geht Von Gustav Maj or-Berlin, gr. 8°, VII u. 142 S.
Halle 1913. Carl Marhold’s Verlag. Preis 2,50 Mk.
Nachdem der Verf. im allgemeinen das Ziel und die Wege der
Erziehung bei normaler und anormaler Entwicklung vorgezeichnet
hat, behandelt er im einzelnen zuerst das körperlich schwer erzieh¬
bare Kind, die Entwicklungssteigerungen und Krankheiten der
frühesten Jugend, die Krämpfe, Wachstumskrankheiten, Infektions¬
krankheiten, die Erkrankungen des Blutes, der Atmungsorgane, der
Verdauung und der Sinnesorgane.
Die geistig und sittlich schwer erziehbaren Kinder teilt er
glücklich in normale und anormale. Zu den Normalen rechnet er
das übermüdete, nervöse, träge und verwahrloste Kind, also Indi-
%
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4 6
viduen ohne eine offenbare körperliche Krankheit, zur zweiten
Gruppe die mit wirklichen Geistes- oder Nervenkrankheiten be¬
hafteten.
Aus der ganzen Darstellung gewinnt man den Eindruck, daß
der Verf. zu den wenigen Berufenen gehört, die Kinder nicht nur
erziehen, sondern mit Liebe erziehen können. Spiegel (Kiel).
Kurze Notizen aus der Praxis und Wissenschaft
Die Jodbehandlun g des Rachens zur Beseitigung
von Diphtheriebazillen. Von S. Abel-Bergen.
Gelegentlich der von Strauch empfohlenen dreitägigen
Pinselung der Tonsillen mit Jodtinktur zur Beseitigung der
Diphtheriebazillen erwähnt Abel die von ihm benutzte Behandlungs¬
weise: das Einblasen in den Pharynx und des ganzen Nasenrachen¬
raumes von Jod in Dampfform, in statu naszendi. Weil die
Bazillen nicht bloß an den Tonsillen haften, muß man, um r a t i o n e 11
vorzugehen, ein Antiseptikum in einer Weise anwenden, die zu der¬
selben Zeit überall ihre Wirkung entfalten lassen kann. Die
Methode Abels ist einfach und nicht besonders unangenehm und
seine Resultate sehr befriedigend. Von den 8 mit dampfförmigem
Jod Behandelten, die ihre Bazillen mindestens drei Wochen beher¬
bergten, wurden 47 Proz. nach einer Tour — d. h. nach dreitägiger
Behandlung, — 31,5 Proz. nach zwei und 20 Proz. nach drei Touren
bazillenfrei. In zwei Fällen war die Behandlung resultatlos.
(Therapie d. Gegenwart 1913.) Autoreferat
Eine seltene Kombination von drei angeborenen
Anomalien — Urachusf istel, Nabelstrangbruch und
Kryptorchismus — bei einem Kind. Von Lebedew-Moskau.
Alle drei Anomalien werden (in einem fürchterlichen Deutsch!)
mit einer Entwickelungshemmung erklärt Das Kind war 12 Monate
alt Mit gutem Erfolge wurde derUrachus samt der Nabelgeschwulst,
auf der er ausmündete, und des stielartig in ihm ausgezogenen Teils
der Harnblase entfernt
(Arch. f. Kdhlkd., Bd. 59, H. 3/4.) Hohlfeld (Leipzig).
Die Leukozyten verschiedener Altersstufen. Unter¬
suchungen über die Leukozyten gesunder Kinder. Von
Dina Rabinowitsch-Bern.
Im Gegensatz zu früheren Mitteilungen, die namentlich für das
erste Lebensjahr beträchtlich höhere Zahlen angeben, fand Verf.
— es wurden 150 Kinder im Alter von 1—16 Jahren untersucht —,
daß die Gesamtzahl der Leukozyten bei Kindern wie bei Erwachsenen
6—7000 im Kubikmillimeter beträgt. Das Verhältnis von neu¬
trophilen Leukozyten und Lymphozyten ist das bekannte. Die
Lymphozyten nehmen in den ersten Lebensjahren an Zahl die Stelle
ein, welche die neutrophilen Leukozyten beim Erwachsenen besetzen.
Durch allmähliche Zunahme der Neutrophilen und entsprechende
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Abnahme der Lymphozyten ändert sich dies Verhältnis. Im 6.
Lebensjahre sind in der Regel schon die Neutrophilen zahlreicher,
im 15.—16. Jahre wird das definitive Verhältnis erreicht: neutrophile
Leukozyten ca. 70 Proz., Lymphozyten ca. 30 Proz. aller weißen
Blutkörperchen. Die Zahl der Eosinophilen, der Ubergangsformen,
Hartzellen und großen Mononukleären zeigt solche Unterschiede
nicht, die der Eosinophilen schwankt beträchtlich.
(Arch. f. Kdhlkd., Bd 59, H. 3/4.) Hohlfeld (Leipzig).
Beiträge zur Frage derWärmeregulierung des Organis¬
mus unter besonderer Berücksichtigung der durch Ge-
hirn-Ventrikelreizung erzeugten sogenannten Wärme¬
stichhyperthermie:
1. DieWirkung derNitrite auf die Körpertemperatu r
des normalen und des durch Gehirnreizung hyperther¬
misch gemachten Kaninchens. Von E. Kraus.
Verf. stellt fest, daß die Nitrite auf die Körper der Antipyrin-
gruppe, sowie des Morphin als Narkotika des Wärmezentrums
wirken, und zwar tritt ein Temperaturabfall bei kleineren und
mittleren Gaben von Nitriten auf, beim normalen wie auch beim
Wärmestichtier. Bei letzteren verläuft die Erscheinung protahierter.
Die Wirkung am hyperthermischen Kaninchen ist deutlicher bei
gleichzeitiger Inhalation von Amylnitrit.
2. Ein weiterer Beitrag zur Wirkung der Nitrite auf
die Körpe rtemperatur des Kaninchens. Vonjacoby.
Verf. erweiterte die Untersuchungen von Kraus, indem er
ganz genau dosierte Mengen von Nitriten anwendete. Es fand sich,
daß die Wirkung bei hyperthermischen Tieren größer ist als bei
normalen Tieren, daß sie abnimmt mit der Größe der Dosis und
erst bei ganz großen Dosen regelmäßig stärkere Temperatursen¬
kungen hervorruft. Die unregelmäßige Wirkung bei mittleren Dosen
ist zu erklären aus dem zufälligen Zustand des Gefäßtonus.
3. EinBeitrag zur Klarstellung des Mechanismus der
Wärmeregulation beim normalen und dem durch Ge-
hirnreizug (Wärmestich) hyperthermisch gemachten
Kaninchen. Von Jacoby.
Die Ursache der Temperatursteigerung nach Wärmestich ist
zurückzuführen auf eine Verminderung der Wärmeabgabe infolge
von Kontraktion der Hautgefäße, nicht auf eine Vermehrung der
Wärmeproduktion. Beim Kaninchen spielt die Wärmeabgabe durch
die Lungen eine sehr geringe Rolle. Wesentlich ist bei dem Ver¬
such das Vorhandensein des Haarkleides. Frisch geborene Kanin¬
chen zeigen stark kontrahierte Hautgefäße, deshalb tritt bei ihnen
nach dem Wärmestich keine Temperaturerhöhung auf. Die Hyper¬
thermie nach Wärmestich wird bedingt durch eine Steigerung des
Tonus der Hautgefäße. Külbs (Berlin).
(Aus d. pharmak. Instit. d. Univers. Tübingen. —
Arch. f. exper. Path. u. Pharmak., Bd. 72, S. 97.)
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48
U n g e w 6 h n liehe Komplikationen von Infektions¬
krankheiten bei Kindern. Von A. Stern.
2 Fälle von Mumps bei Geschwistern; in einem Fall kompli¬
zierende Pankreatitis und Augenmuskellähmung, im anderen
Meningitis serosa und akute Labyrintitis mit Exsudation und völlige
Ertaubung des einen Ohres; bei diesem Falle bestand hochgradige
Bradykardie. In einem Fall von Keuchhusten und schwerer Pneu¬
monie eine Komplikation seitens des Abdomens, die Stern als
zirkumskripte Pneumokokkenperitonitis mit Durchbruch in den
Darm deutet; unter heftigen Schmerzen trat schnell ein Tumor in
der Nabelgegend auf, der mit plötzlich einsetzenden Erscheinungen
eines schweren Darmkatarrhs schwand. Bauer (Wien).
(Arch. f. Kdhlkd., 1913, H. 2.)
Normal and abnormal dental arches. Von A. Zentier.
Die abnorme Zahnstellung der Kinder, erkennbar an falschem
Schluß der Zähne, beruht auf Skelettbesonderheiten. Sie ist stets
zu finden bei adenoiden Wucherungen. Diese sollen bei Kindern
möglichst früh entfernt werden. Genügt diese Operation nicht, die
habituelle Atmung durch den offenen Mund zu beseitigen, so wird
man als Ursache falsche Zahnstellung feststellen können. Diese
soll schon vom Alter von 3—4 Jahren an durch orthodontische Be¬
handlung beseitigt werden. Das wird erreicht durch Vergrößerung
des oberen Zahnbogens, indem das Gewölbe des Oberkiefers durch
Apparate erweitert wird. Bauer (Wien).
(Arch. of ped., 1913, H. 1.)
Kleine Mitteilungen.
Donnerstag, den 5. Juni 1914 findet die VI. Versammlung
der Schulärzte Deutschlands in Stuttgart statt. Zur Behand¬
lung kommen:
1. Der Schularzt an der Fortbildungsschule.
2. Der schulärztliche Dienst an höheren Knaben- und Mädchen¬
schulen. —
Die Abteilung VI (für Säuglingsfürsorge) des Badischen
Frauenvereins hat einen Abreißkalender 1914 „Für Mutter
und Kind u herausgegeben. Jeder Tag des Kalenders bringt eine
praktische Anleitung und Lehre aus dem Gebiete der Säuglings¬
pflege oder einen sinnreichen Spruch namhafter Dichter über
Kinderleben und Kindererziehung. Dazwischen finden sich zahl¬
reiche, den Werken des Meisters Ludwig Richter entnommene
Illustrationen. Der Kalender ist bei der Verlagsfirma von Moritz
Schauenburg in Lahr erschienen und kann den Familien zur
Anschaffung empfohlen werden. Einzelpreis 50 Pfg.
Verlag von Benno Konegen, Leipzig. — Druck von A. Pabst, Königsbrück.
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Der Kinder-Arzt.
Zeitsühniff für fCinderheilKunde
unter Mitwirkung hervorragender Fachärzte
herausgegeben
von
Sanitätsrat Dr. Sonnenberger in Worms.
Erscheint am ersten Freitag eines jeden Monats. — Vorauszubezahlender Preis für das ganze
Jahr 6 Mk., direkt unter Kreuzband für Deutschland und Österreich-Ungarn 6 Mk. 50 Pf., 7 Mk.
fürs Ausland. Mit Frauenarzt zusammen bezogen statt 24 Mk. nur 20 Mk. Einzelne Hefte 1 Mk.
— Bestellungen nimmt jede Buchhandlung und Postanstalt sowie auch die Verlagsbuchhandlung
jederzeit gern entgegen.
XXV. Jahrfl. März 1914. No. 3. (29l.)~
Inhalt: Originalien: Waohsner. Orthopädische Jugendfürsorge. 49. — Kurze Original¬
mitteilungen aus der Praxis: Thymobronchin. 54. — Sohllchting Die Jodbehandlun? des
Rachens zur Beseitigung von Diphtheriebazillen. 55. — Referate: Freund, Yatren purissimum
zur Unterstützung der Diphtheriebehandlung. 56. — Moos, Serumtherapie des Scharlachs. 56. —
Wadnner, Physikalische Behandlung der chirurgischen Tuberkulose. 57. — Engel, Die Skrofulöse
und ihre Behandlung. 58. — Uifenheimer, Heine-Medin’sohe Krankheit in Bayern. 58. — Pfleiderer,
Beiträge zur Kenntnis der englischen Krankheit. 69. — Reudnitz, Anzeigen der Nährbehandlung
bei Säuglingen. 60. — Beck, Kaselnkalziummüch bei Ernährungsstörungen der Säuglinge. 61. —
Raeoke, Geistesstörung und Kriminalität iin Kindesalter. 62. — WolfT. Zur Technik der Duodenal¬
sondierung. 62. — Straflmann, Kindersterblichkeit in gerichtlich-medizinischer Beziehung- 68. —
Wolf. Die Säuglingssterblichkeit in der Tübinger medizinischen Poliklinik 1911 und 1912. 65. —
Curaus, Die Abnahme der Geburtenziffern im Regierungsbezirk Magdeburg. 65. — Bücherbe¬
sprechungen: Kreist, Die Fortschritte der Hygiene 1888—1918. 67. — Blanke, Orthopädische
Sonderturnkurse. 67. — Ide, Die Nordseeluftkur. 68. — Ruland, Das Findelhaus. 68. — Oberwarth,
Mutterbriefe. 2. Aufl. 68. — Bertholeth. Die Wirkungen des chronischen Alkoholismus auf die
Organe des Menschen, insbesondere auf die Geschlechtsdrüsen (übersetzt von Pfleiderer). 69. —
Hirsch, Fruchtabtreibung und Präventivverkehr im Zusammenhang mit dem Geburtenrückgang.
70. — Kurze N otizen ans der Praxis und Wissenschaft. 70.—
Originalien.
Aus der orthopädischen Heilanstalt von Dr. Wachsner in Berlin.
Orthopädische Jugendfürsorge.
Von Dr: Fritz Wachsner, Spezialarzt f. Orthopädie u. Kinderchirurgie.
Die erst kürzlich von dem Herausgeber dieser Zeitschrift ins Leben
gerufene*) Gesellschaft für Jugendfürsorge legt ein beredtes Zeugnis
davon ab, welches Interesse diesem Zweige der sozialen Medizin von
einem großen Teil der Ärzte entgegengebracht wird. Und in der
Tat, während der Staat für seine im beruflichen Leben stehenden
Mitglieder in der umfassendsten Weise sorgt, eine Fürsorge, die ja
durch die eben erst in Kraft getretene Reichs Versicherungsordnung
in mehr oder minder glücklicher Weise ihren vorläufigen Abschluß
gefunden hat, war es um die jugendlichen Staatsbürger bis vor
noch nicht langer Zeit übel bestellt Es ist das Verdienst der
Kommunen, hierin Wandel geschaffen zu haben. Sie erkannten, wie
notwendig es ist,, wenn man eine körperlich tüchtige Nachkommen-
*) Soweit bekannt, ist diese Gesellschaft erst geplant, aber noch nicht
gegründet; der Herausgeber dieser Zeitschrift hat das Projekt nicht ins Leben
f erufen, sondern durch seine langjährigen unausgesetzten Bestrebungen auf
em Gebiete der Jugendfürsorge una speziell durch sein gemeinschaftlich mit Dr.
A. Lewandowsk i-Berlin auf der vorjährigen Herbst-Tagung der „Deutschen
Zentrale für Jugendfürsorge“ zu Darmstatt erstattete Referat über „die sozial-
hygienischen Aufgaben der Ärzte im Zusammenhang mit der gesamten Jugend¬
fürsorge“ mit veranlaßt. Red.
Kinder-Arzt XXV. Jahrg. 1914. 4
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5 °
schaft heranzüchten will, der Jugend seinen Schutz zu teil werden
zu lassen, immer eingedenk des Hauptmaximes der ganzen medi¬
zinischen Wissenschaft: es ist leichter, Krankheiten zu verhüten als
zu heilen. Aus diesem Sinne heraus sind die Säuglingsfürsorge¬
stellen entstanden, sind die Krippen ins Leben gerufen worden, hat
man die segensreiche Einrichtung des Schularztes geschaffen. Den
Hauptwert bei allen diesen Institutionen legte man jedoch auf die
Verhütung bezw. Heilung interner Erkrankung, während die
rein körperliche Erziehung, die Gesunderhaltung und Gesundung
des rein statischen Teiles der jugendlichen Organismen erst in aller¬
jüngster Zeit die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich lenkte.
Die neu ins Leben getretene Krüppelfürsorge, die statistischen Er¬
hebungen über die große Zahl der vorhandenen körperlichen Ge¬
brechen zeigten, welch großes Nationalvermögen auf diese Weise
dem Staate verloren geht. Hand in Hand mit diesen Erhebungen
gingen die Untersuchungen und unsere bedeutend erweiterten Kennt¬
nisse über die Ätiologie und den Entstehungsmechanismus der ver¬
schiedenen Deformitäten, so daß in den beteiligten Kreisen mit
Macht der Gedanke angeregt wurde, diesem Übel nach Möglichkeit
durch eine auf Sachkenntnis aufgebaute Prophylaxe zu steuern. Und
als praktische Verwirklichung dieser Erwägungen sind jetzt allent¬
halben in den verschiedenen Städten orthopädische Turnkurse ein¬
geführt worden, über deren zweckmäßigste Form sich heute ein
definitives Urteil noch nicht geben läßt. Das eine aber läßt sich
schon heute mit ziemlicher Sicherheit Voraussagen, daß mit dieser
Institution allein es wohl schwerlich gelingen wird, die Zahl der
körperlichen Gebrechen erheblich zu reduzieren. Das, was uns bitter
not tut, was allein Aussicht auf einigen Erfolg verspricht, sind
or th opä di sehe Für sorges teil eil,dieden entweder schon bestehenden
Säuglingsfürsorgestellen angegliedert, oder vielleicht noch besser als
selbständige Einrichtungen geschaffen werden müßten. Denn, und
das haben uns die Untersuchungen und Entdeckungen der letzten
Jahre gezeigt, es gibt kaum eine schwerere Deformität, deren Ur¬
sprung nicht bis in das früheste Kindes-, zum mindesten aber in das
vorschulpflichtige Alter zurückreicht.
Die moderne Orthopädie hat die Schule zum größten Teil von
ihrem Schuldkonto bezüglich der Entstehungsursache vieler Deformi¬
täten entlastet. Wohl ist es richtig, daß schon vorhandene Deformi¬
täten während der Schulzeit fast ausnahmslos unbehandelt eine
deutliche Verschlimmerung erfahren, eine Tatsache, die allein schon
aus diesem Grunde eine sorgfältige orthopädische Kontrolle aller
Schulkinder von seiten der Schule erfordert. Eine Schuldeformität
jedoch in dem Sinne, daß sie bei einem sonst gesunden Kind durch
dauernde schlechte Schreibhaltung, durch Überlastung oder sonstwie
in der Schule sich entwickelt, besteht ganz gewiß nicht
Die Schulskoliose, der bisherige Schrecken aller pädagogischen
Kreise, ist heute tief im Kurse gefallen, seitdem uns die besten
Kenner der Skoliose, Schultheß, Spitzy, Böhm u. a., gezeigt
haben, daß fast ausnahmslos alle schwereren seitlichen Verbieg¬
ungen der Wirbelsäule im vorschulpflichtigen Alter, in den meisten
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5*
Fällen sogar während der Säuglingsperiode auf angeborener oder
rachitischer Grundlage entstanden sind. Hier heißt es also Hand
anlegen, wenn man das Übel an seiner Wurzel ausrotten will. Und
was von der Skoliose gilt, gilt zum grano salis auch von den
anderen Deformitäten. Dieses in großen Umrissen zu zeigen, soll
die Aufgabe der nächsten Zeilen sein, wobei ich im großen Ganzen
den Anschauungen der Spitzy’schen Schule folge, der erst vor
kurzem seine wohl größten Erfahrungen auf diesem Gebiete in
seinem Buche „Die körperliche Erziehung des Kindes“*) zu¬
sammengestellt hat, ein Werk dessen Studium jedem auf dem Ge¬
biete der Jugendfürsorge tätigen Arzte nur auf das Angelegent¬
lichste empfohlen werden kann.
Die Symptomatologie, Klinik und Pathologie der orthopädischen
Erkrankungen ist bis in die jüngste Zeit hinein beherrscht gewesen
von der Lehre von den Belastungsdeformitäten. Abgesehen von den
primär oder sekundär kongenitalen Mißbildungen wurden alle
anderen Verbildungen des jugendlichen Körpers als ein Mißverhält¬
nis zwischen Belastung und Widerstand leistender Kraft des Skelett¬
systems auf gefaßt Nur wurde damit leider nie die Tatsache erklärt,
daß von den vielen den gleichen statischen Schädlichkeiten ausge¬
setzten Kindern immer nur ein minimaler Prozentsatz an Skoliose,
Plattfuß, Genu valgum, Koxa yara usw. erkrankte. Der größte Teil
der modernen Orthopäden steht heute auf dem Standpunkte, daß
bei einem völlig gesunden Kind auch durch die größte „Über¬
lastung“ niemals eine stärkere Deformierung entsteht. Zum Zu¬
standekommen einer solchen sind vielmehr, abgesehen von den
relativ wenigen angeborenen Mißbildungen, unter allen Umständen
gewisse Konstitutionsanomalien von seiten des Kindes erforderlich.
Störungen von seiten der Drüsen mit innerer Sekretion, die Rachitis
und die exsudativ-lymphatische Diathese sind es, letztere nicht nur
im Sinne der „Krankheitsbereitschaft“, sondern schon im Sinne eines
klinischen Krankheitsbildes aufgefaßt, die wie ein roter Faden sich
durch die gesamte Lehre von der Ätiologie der Deformitäten hin¬
ziehen. Diesen beiden Erkrankungen, den „häufigsten Kinderkrank¬
heiten“ muß also der Kampf gelten, und hier müssen sich, wenn
wir wirksame Prophylaxe treiben wollen, Pädiatrie und Orthopädie
in die Hände arbeiten. Dazu ist auf der einen Seite die interne
diätetisch-physikalische und medikamentöse Therapie berufen in
Verbindung mit einer eingehenden Belehrung über die Vermeidung
äußerer Schädlichkeiten, von der anderen Seite muß alles getan
werden, um speziell bei diesen prädisponierten Kindern die geringsten
Abweichungen des Skelettsystems zu erkennen und sachgemäß zu
behandeln.
Es gehört zu den Grundprinzipien der ganzen orthopädischen
Wissenschaft, jede Mißbildung, jede Deformität so früh therapeutisch
in Angriff zu nehmen wie möglich, da ja nur die Frühbehandlung
ein vollkommenes Zurückführen zur Norm garantiert Auch mit
der Skoliose soll man heute nicht warten, bis das Kind in die Schule
*) Vid. Nr. i 1914 dsr. Ztsehr.
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52
kommt, sondern schon im vorschulpflichtigen Älter soll nian mit der
Behandlung beginnen. Da wir heute annehmen, daß jede Skoliose
zweiten bis dritten Grades schon in die Schule mitgebracht wird,
bezw. der Keim dazu schon im vorschulpflichtigen Alter gelegt wird,
handelt man nur logisch, auch in dieses Alter die Behandlung zu
verlegen* Nur so kann man hoffen, dieser Deformität, die bisher all
unseren Methoden trotzte, Herr zu werden. Die Skoliose entsteht
nach modernen Anschauungen auf der Höhe der Rachitis, nach
meinen persönlichen Erfahrungen zwischen dem ersten und zweiten
Lebensjahr. Das klinische Bild ist meistens folgendes: Es besteht
ein leichter linksseitiger Rippenbuckel mit einer geringen Abweichung
der Wirbelsäule nach links im lumbodorsalen Teil. Die Skoliose
ist fast immer eine totale, ohne Gegenkrümmungen. Die Verände¬
rungen erscheinen ziemlich harmlos. Macht man jedoch ein Röntgen¬
bild, dann sieht man, wie die Linie der Darmfortsätze getäuscht hat
wie stark bereits der Bogen der Wirbelsäule gekrümmt ist Und
hier muß unsere Therapie einsetzen. Nur zu dieser Zeit, wo die
abnorme Stellung der Wirbelkörper und Rippen noch keine schwereren
klinischen Folgeerscheinungen gezeitigt hat, wo eine bindegewebige
oder knöcherne Fixierung noch nicht eingetreten ist, nur dann ver¬
spricht eine Behandlung Erfolg, die analog der Behandlung anderer
Deformitäten immer in der Erzielung einer Uberkorrektor und längeren
Fixierung der Wirbelsäule in dieser Stellung bestehen muß. Ich
glaube, allein die Frühbehandlung dieser Art von Skoliose wäre der
Einrichtung orthopädischer Fürsorgestellen wert Dazu ist aber
unbedingt die Mitarbeit der internen Kinderärzte nötig, die derartige
geringe Niveaudifferenzen der Rückenhälften nicht als harmlose
Dinge ansehen dürfen, die mit Einreibungen oder höchstens Flach¬
liegenlassen auf harter Matratze geheilt werden können. Auch von
dem beliebten Gipsbett möchte ich abraten, da in diesem die ständige
Fixierung der Wirbelsäule in Uberkorrektur im Elternhaus undurch¬
führbar ist Als die beste Frühskoliosentherapie der Gegenwart
möchte ich das forzierte Redressement nach Böhm empfehlen, der
die in kyphotischer Stellung überkorrigierte Wirbelsäule in Anlehnung
an das Äbbott’sche Verfahren für eine längere Zeit eingipst
Während die Skoliosen meistens erst jenseits des Säuglingsalters
vielleicht nicht entstehen, aber doch klinisch wahrnehmbar werden,
dominieren im Säuglingssalter selbst von erworbenen Deformitäten
die sagittalen Abweichungen der Wirbelsäule. Im Säuglingsalter
entsteht die rachitische Sitzkyphose, die nur zu häufig für die nächsten
Jahre eine Abflachung der Lendenlordose zur Folge hat und somit
einerseits zum Rundrücken, anderseits zum flachen Rücken führen
kann, der seinerseits wieder zum Entstehen der Skoliose prädisponiert
Alle diese Haltungsanomalien sind nicht etwa nur Schönheitsfehler,
sondern beeinträchtigen auch die inneren Organe, Herz, Lunge,
Nieren; es sei nur an die Wechselwirkung zwischen Tuberkulose
und Thorax, an die orthotische oder besser lordotische Albuminurie
erinnert usw., Grund genug, mit aller Entschiedenheit diese rachi¬
tischen Verbiegungen zu bekämpfen oder noch besser sie zu ver¬
hüten. Hier müssen Säuglings- und orthopädische Fürsorgestellen
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Hand in Hand gehen, prophylaktisch wirken können nur dieersteren
Es kann nicht dringend genug vor einer frühen passiven Körper¬
aufrichtung der Kinder gewarnt werden. Der kindliche Organismus
ist nicht imstande in der ersten Zeit, sich mittels eigener Muskel¬
kraft aufzurichten. Der natürliche Hemmschuh gegen das Zusammen¬
sinken der Wirbelsäule fehlt also. Die Wirbelsäule stellt sich daher
bei passiver Aufrichtung in einen konvexen Bogen ein, dessen
Krümmungsscheitel um so tiefer zu liegen kommt, je nachgiebiger
die Bänder und Knochen, je jünger die Kinder sind. Wird die
Wirbelsäule häufig und noch dazu längere Zeit in diese abnormen
Krümmungsverhältnisse gebracht, so passen sich die Bänder, Muskeln
und auch die nachgiebigen weichen Wirbelkörper der neuen Stellung
an, und es kommt sehr leicht zu einer Fixierung dieser Krümmung:
es entsteht das klinische Bild der fixierten rachitischen Kyphose
mit all ihren Folgeerscheinungen. Jede passive Aufrichtung des
kindlichen Körpers ist daher streng zu vermeiden, das Kind soll im
Gegenteil so oft wie möglich in Bauchlage gebracht werden und in
dieser Lage seine Muskeln spielen lassen. Sobald es sich stark genug
fühlt, wird es von selbst Anstalten treffen, sich zu erheben, niemals
soll es in diesem Bestreben von seiten der Eltern oder Erzieher
unterstützt werden. Eine wie einfache Methode, und wie schwere
Veränderungen lassen sich dadurch verhüten! Was von dem pas¬
siven Aufrichten gilt, gilt ebenso von dem vielen Aufnehmen und
Herumtragen des Kindes. Auch hier ist ja die Wirbelsäule immer
ungestützt; dazu kommt noch die schiefe Einstellung des Beckens
bei dem Tragen auf dem Arm, was bei dazu prädisponierten Kindern
auch noch zu seitlichen Verbiegungen führen kann. Wenn auch
ein gesundes Kind sich viel erlauben kann, so ist, um es immer
und immer wieder zu betonen, bei den dazu prädisponierten Kindern,
bei den mit Rachitis, mit exsudativer Diathese behafteten die größte
Vorsicht am Platze.
Eine weitere Reihe orthopädischer Erkrankungen fällt mit ihrem
Beginn in die Zeit des aufrechten Standes und Ganges. Diese Epoche
stellt die größten Anforderungen an die Tragkraft des statischen
Apparates, und so ist es erklärlich, warum so viele Deformitäten von
diesem Wachstumsabschnitt aus ihren Ursprung nehmen. In dieser
Zeit wird der Grund gelegt für die aus den leicht beeinflußbaren
Knickfüßen sich später entwickelnden schmerzhaften Plattfüße, in
ihr entstehen das Genu valgum, die Koxa vara, ohne schon jetzt
klinische Erscheinungen zu machen, in ihr entwickelt sich aus der
spielend zu heilenden kongenitalen luxatio koxae suprakotyloidea
die luxatio iliaka mit Antetorsion, deren Einrenkung schon er¬
heblich schwieriger sich gestaltet. Während das Genu valgum der
späteren Kindheit fast nie ohne Osteotomie zu heilen ist, genügen
in den früh erkannten und behandelten Fällen meist Schuheinlagen,
die den Fuß in Supination umstellen, und Stiefel mit an der Innen¬
seite erhöhten Sohlen, um die Deformität auszugleichen. Es
kann also nicht dringend genug davor gewarnt werden, alle diese
Dinge auf die leichte Achsel zu nehmen, in der Hoffnung, daß sich
diese Deformitäten mit der Zeit von selbst „verwachsen“ werden.
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Nur eine Deformität wächst sich von selbst aus, und das ist das
Genu varum leichteren Grades. Hier kann man also etwas melir
der Natur vertrauen, wer aber bei den anderen orthopädischen Er¬
krankungen seine Hoffnung auf die Natur setzt, wird allzuoft
arg enttäuscht werden.
So drängt also alles zu einer möglichst frühen Erkennung und
frühen Behandlung der verschiedenen Deformitäten. Wir bedürfen
daher in unserer Jugendfürsorge dringend etwas mehr der „ortho¬
pädischen Atmosphäre“; der rein körperlichen Erziehung, Entwick¬
lung und Gesundung unserer Jugend muß in weit höherem Grade
Rechnung getragen werden als bisher. Es ist unbedingt notwendig,
diese Lücke in unserer sozialen Fürsorgebestrebung auszufüllen durch die
Schaffung „orthopädischer Fürsorgestellen“ für das Säuglings- und vor¬
schulpflichtige Alter, da sowohl während dieser Wachstumsepoche
der Keim zu fast allen Deformitäten gelegt wird, anderseits aber
auch noch alle Deformitäten relativ leicht therapeutisch beeinflu߬
bar sind. Nur so wird es möglich sein, eine körperlich und damit
auch geistig tüchtige neue Generation heranzubilden.
Kurze Originalmitteilungen aus der Praxis.
Thymobronchin.
Den Krankheiten der Respirationsorgane sind zwei Symptome
gemeinsam: Der mit mehr oder weniger Auswurf verbundene Husten
und die Reizbarkeit der Atennvege. Von einem guten Expektorans
kanndaherdieBeseitigungdieser Schädlichkeiten er wartet werden. Es hat
also die in den Luftwegen stagnierenden und zum Auswurf bestimmten
Massen hinaus zu befördern. Wo aber der Hustenreiz lästig und
zwecklos erscheint, ist seine Beseitigung resp. Dämpfung ohne
Frage erlaubt. Die Ruhigstellung der entzündeten Stimmbänder,
der Schutz der erkrankten Organe vor unnützen Erschütterungen
sind wesentliche Vorteile, die nur aus der Beseitigung des Husten¬
reizes resultieren können. Nach diesen beiden Richtungen hin
wirken neben den Ammoniakpräparaten, den alkalischen Salzen und
Schw'efelmitteln Arzneisubstanzen vegetabilischer Natur, wie Rad.
Seneg., R. Äth., Flor. Rhokados und die Sedativa Brom und Opium.
In dem Mittel des Apothekers Dohnal zu Leipzig ist ein weiteres
Moment bei der Bekämpfung entzündlicher Vorgänge in den Luft¬
wegen hinzugefügt werden. Sem. Ajow^an, aus dem der Phenolkörper
Thymol gewonnen wird, soll hier in dem Sinn einer Entwicklungs¬
hemmung entzündungserregender Bakterien wirksam sein. Das
Medikament Thymobronchin hat nach Angabe des Verfertigers
folgende Zusammensetzung:
Infus. Spec. expectorant. Ajowan (30 Proz.), 5040 Proz.
Extr. „ „ „ spirit 4,00
Kal. bromat.0,60
Saccharin.45,00
Seine vielfache Anw'endungsmöglichkeit bei Pneumonie, Pertussis,
Bronchitis, Bronchoblennorrhoe, Phthisis, Asthma bronchiale und
anderen Affektionen der Respirationsorgane wird durch meine Er-
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55
fahrungen sicher gestellt. Es hat den Vorteil unschädlich zu sein,
die.Schleimhaut des Magendarmtraktus nicht zu reizen und die
Nieren unbehelligt zu lassen. Seine Resorptions- und Ausscheidungs¬
verhältnisse müssen günstig sein, tvenn es gestattet ist, die Ursache
nach der prompten und intensiven Wirkung zu beurteilen. Sein
klares, appetitliches Aussehen, seine Haltbarkeit, Wohlgeschmack
und Bekömmlichkeit sind Momente, die hervorgehoben zu werden
verdienen. Das Präparat dürfte, wenn man noch einen praktischen
Gesichtspunkt hinzufügen will, nämlich seinen niedrigen
Preis von 2,35 Mk. für die Orginalflasche (Inhalt ca. 330°) und
1,— Mk. für die Flasche in Kassen-Packung (Inhalt ca. 160 °) ge¬
eignet sein, das Interesse der Therapeuten in Anspruch zu nehmen.
E.
Die Jodbehandlung des Rachens zur Beseitigung von
Diphtheriebazillen.
Von Dr. R. Schlichting-Kassel.
Nach dem Referat mit gleicher Überschrift auf Seite 46 dies.
Jahrgangs des „Kinder-Arzt“ wird von S. Abel-Bergen die Ein¬
blasung von Jod in den Pharynx und den Nasenrachenraum
empfohlen und die von Strauch empfohlene Pinselung der Ton¬
sillen an 3 Tagen erwähnt
Vor dieser allgemeinen Anwendung von Jodtinktur im Hals be¬
sonders bei Kindern möchte ich auf Grund meiner Erfahrungen
warnen. 1909 sah ich nach einmaliger Rachenpinselung mit Jod¬
tinktur ein schweres ödem mit starker Behinderung der Atmung,
bei dem die Tracheotomie schon in Aussicht genommen wurde.
Nach Eisumschlägen und Schlucken von Eisstückchen ging der
ängstliche Zustand nach einigen Stunden zurück. Es handelte sich .
um Idiosynkrasie gegen Jod.
Diese Idiosynkrasie ist aber nicht so selten. Ich sah in den
letzten Jahren noch weitere Fälle; bei einem Herrn kam es nach
Anwendung eines Stückchens Jodoformgaze von 3>/ 2 cm 2 auf eine
kleine Rißwunde am Finger zu einer starken ödematösen Schwellung
der ganzen Körperhaut, besonders des Gesichts, mit Fieber, so daß
die aufs äußerste erschreckten Angehörigen noch in der Nacht ihn
ins Krankenhaus brachten.
Ein Jodexanthem mit Fieber nach Auswischen der Vagina mit
Jodtinktur vor einer Scheidenplastik erlebte ich vor 4 Wochen.
Ich würde, da es sich bei der Jodbehandlung des Rachens nicht
um einen eiligen Eingriff handelt, empfehlen, durch eine Pinselung
eines kleinen Bezirks am Körper, z. B. eines Fingergliedes, festzu¬
stellen, ob Jod vertragen wird, und erst am nächsten Tage den
Rachen zu pinseln. Auf jeden Fall müssen die Angehörigen die
strenge Weisung erhalten, bei beginnendem Glottisödem sofort ärzt¬
liche Hülfe zuzuziehen.
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Referate.
Erfahrungen mit Yatren purisslmum zur Unterstützung
der Diphtheriebehandlung. Von F. J. Freund-Berlin-
Schöneberg. (D. m. W., 1913, Nr. 48.)
Zusammenfassend glaubt Verf., daß, da das Serum nur gegen
die Toxine der Bazillen wirkt, dem Yatren insofern eine direkte
Heilwirkung zukommt, als es infolge seiner Tiefenwirkung die
Bazillen am Ort ihrer Ansiedlung, auch in den tiefen Nischen und
Buchten der Mandeln, vernichtet und so durch Eliminierung der¬
selben die Quelle weiterer Toxine aufhebt.
F.’s Ansicht nach müßte in allen Fällen von Diphtherieerkran¬
kung neben sofortiger Serumspritze gleichzeitig die Yatrenbehandlung
Anwendung finden, um eine weitere Zufuhr von neuen Toxinen
möglichst zu hindern, und zwar lokal und intern zugleich:
1. in allen Fällen von Diphtherieerkrankungen neben sofortiger
Seruminjektion,
2. ganz besonders dann, wenn aus irgendwelchen Gründen das
Serum verweigert wird,
3. prophylaktisch bei der Umgebung Diphtheriekranker,
4. bei Streptokokken-Anginen etc. Hier dürfte das Yatren
ebenfalls eine Beschleunigung des Heilungsprozes'ses zur Folge
haben.
6. Die Yatrenbehandlung in den ersten beiden Punkten dürfte
zur Vermeidung von Nierenreizungen besonders angezeigt erscheinen.
Die interne Darreichung ist von Fall zu Fall zu dosieren, von
0,2 - 0,5 zwei- bis dreimal pro die. In Fällen allzu starker, reich¬
licher Darmentleerung ist gegebenen Falles zeitweise die interne
Medikation zu unterbrechen. S.
Beitrag zur Serumtherapie des Scharlachs. Von
Moog. (Aus der Med. Klinik des Städtischen Krankenhauses
zu Frankfurt a. M. — Ther. Monatsh., 1914, H. 1.)
Es wurden 25 mittelschwere bis schwere Scharlachfälle mit
Menschen-Normalserum behandelt. Die Verabreichung erfolgte aus¬
schließlich intravenös in Dosen von 80—100 ccm bei Kindern, und
100—180 ccm bei Erwachsenen. Ein therapeutischer Erfolg ist nur
dann zu erwarten, wenn die angegebenen Mengen innerhalb der
ersten 3 Krankheitstage gegeben werden. Am geeignetsten und am
deutlichsten von Heilwirkung begleitet waren die toxischen Schar¬
lacherkrankungen, während die septischen Formen, bei denen schwere
nekrotische Angina, Lymphadenitis kolli etc. im Vordergrund
standen, weniger günstig beeinflußt wurden. Patienten, die be¬
nommen, mit schlechtem Puls und hohem Fieber in Behandlung
kamen, waren in etwa 12—16 Stunden vollkommen wohl und
fieberfrei. Der Scharlach war sozusagen mit einem Schlag beseitigt
Von den 25 Fällen zeigten 7 diesen Idealverlauf. Bei 13 anderen
trat der kritische Abfall von Puls und Temperatur auch ein, war
aber nicht konstant, 1 sondern es erfolgte am 2. oder 3.
Tag nach der Infusion ein erneuter Fieberanstieg, der allerdings
die alte Höhe nicht wieder erreichte. — Sodann fiel die Temperatur-
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kurve meist lytisch ab. Die Besserung des Allgemeinbefindens war
auch bei diesen Fällen Unverkennbar und geradezu in die Augen
springend. Die 5 weiteren Erkrankungen waren auszuschalten,
weil teils zu spät, teils zu wenig infundiert wurde oder Kompli¬
kationen Vorlagen, die höchstwahrscheinlich eine sichtbare Wirkung
verdeckten. Unter den 25 Erkrankten war 1 Todesfall. Weitere
Untersuchungen sind in Aussicht gestellt. Autoreferat
Uber die phvsikalische Behandlung der chirurgischen
Tuberkulose. Von Fritz W a c h s n e r - Berlin. (A. d. chirurg.-
orthop. Abt. der Univ.-Kinderklinik Graz. Ehern. Leiter:
Prof. Dr. Spitzy. — M. K., 1913.)
Bei der früher viel diskutierten Frage, ob die chirurgische
Tuberkulose des Kindesalters operativ oder konservativ zu behan¬
deln sei, darf nach Ansicht des Verf. die Fragestellung nicht lauten,
mit welcher Methode kommt man rascher zum Ziel, sondern auf
welche Weise gelingt es am besten, die Funktion zu erhalten und
in der Nachbehandlung das Kind von orthopädischen Apparaten zu
befreien. Niemals darf die Zeitfrage in den Vordergrund des In¬
teresses gestellt werden, da ja bei den im Schulalter befindlichen
Patienten die Zeit nicht die Rolle spielt wie bei Erwachsenen. Die
beste Funktion und die geringste Verstümmelung liefert nun
zweifellos die konservative Behandlung. Konnten darüber früher
nun Zweifel bestehen, so haben die glänzenden — auch in funk¬
tioneller Hinsicht — Erfolge Rolliers alle Zweifel behoben.
Gegenstand der Diskussion kann also heute nur noch sein, wie
lassen sich die physikalischen Momente, die der Rolli er’schen
Therapie zu Grunde liegen, auch in der Tiefebene durchführen, da
die meisten der Patienten mit chirurgischer Tuberkulose sich einen
längeren Aufenthalt im Hochgebirge nicht leisten können. Nach
Ansicht des Verf. spielen die langwelligen, die „Wärme u strahlen,
abgesehen von den allgemeinen klimatischen Faktoren, mit die
Hauptrolle bei der Heliotherapie, indem ja auch Rolli er annimmt
daß das Hautpigment die kurzwelligen, chemischen Strahlen in
langwellige, d. h. Wärmestrahlen umwandelt, die als solche in die
Tiefe dringen und wirken. Verf. empfiehlt daher auf Grund einer
mehrjährigen Erfahrung an über 300 Fällen auf das angelegent¬
lichste die konstante Anwendung mittlerer Wärme bei allen
Formen von chirurgischer Tuberkulose, mittlere Wärme in irgend
einer Form, die dem Kindesalter angepaßt ist, also z. B. von
chemischen oder elektrischen Thermophosen usw. Den Hauptwert
legt Verf. auf die mittlere Wärme, da hohe Temperaturen schaden.
Auch die Sonne wirkt auf das Gelenk mit mittleren Temperaturen
ein. Nächst der Wärme empfiehlt der Verf. die Anwendung der
Quarzlampe und harter Röntgenstrahlen. Auch die Diathermie
hat eine große Zukunft, ist vorläufig aber noch zu teuer und zu
wenig erprobt Alle diese physikalischen Heilverfahren, deren
Kombination sich sehr bewährt, machen aber eine orthopädische
Behandlung nach wie vor notwendig, sonst entstehen Kontraktur¬
stellungen. Auf die extreme Fixation in starren Gipsverbänden
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hat Verf. in den letzten Jahren verzichtet, statt dessen wendet er
gefensterte, abnehmbare Verbände aus Gips oder Zelluloid und
Schienen im Sinne der alten T h o m a s schienen an, die entlasten,
aber doch Ankylosierung der Gelenke bei leichter Extension ver¬
meiden lassen. Auch das Dazwischenschalten von Liegekuren mit
Dauerextension und permanenter Wärme zwischen die einzelnen
Verbandperioden hat sich dem Verf. gut bewährt. Auf diese Weise
gelingt es in den meisten Fälllen, nicht nur eine Ausheilung, sondern
auch eine ganz leidliche Funktion zu erzielen. Autoreferat.
Die Skrofulöse und ihre Behandlung. Von Stefan Engel-
Berlin. (M. Kl., 1913, Nr. 51.)
In dem Fortbildungsvortrage werden die Möglichkeiten für die
Auffassung der Skrofulöse besprochen, welche sich aus den modernen
Forschungen über die Diathesen und die Immunität bei Infektionen
ergeben. Die Hauptfrage, welche beantwortet werden mußte, war
die, welche Beziehungen zwischen exsudativer Diathese, Tuberkulose
und Skrofulöse bestehen. Es werden ja nach dieser Hinsicht ver¬
schiedene Meinungen vertreten. Während die einen der Ansicht
sind, daß die Skrofulöse eine einfache Summation von Diathese
und Infektion sei, glauben andere, daß es sich um eine enge Wechsel¬
wirkung beider handele. Der Vortragende kommt im großen und
ganzen zu der Auffassung, daß sich die Tuberkulose von der Skro¬
fulöse nicht trennen läßt, daß sie für die Entstehung des Krank¬
heitsbildes nicht ganz unerläßlich, aber doch in den meisten Fällen
von der größten Wichtigkeit sei. Die Skrofulöse erwachse auf
dem Boden der exsudativen Diathese und werde meistenteils durch
den von der Tuberkulose ausgehenden andauernden und spezifischen
Reiz erzeugt und unterhalten. Die besondere mit der exsudativen
Diathese verbundene Empfindlichkeit der Haut und der Schleim¬
haut werde noch weiter durch die Tuberkulose gesteigert. Dem¬
gemäß müßte die Therapie darauf bedacht sein, die Uberempfind¬
lichkeit zu beseitigen, ein Ziel, das sich auf diätetischem Wege und
auch durch die Behandlung mit Tuberkulin erreichen lasse. Daneben
spielt natürlich die Behandlung mit Lebertran event. auch mit Jod
und vor allen Dingen auch die klimatische Beeinflussung eine Rolle.
Bezüglich des letzteren Punktes wird darauf hingewiesen, daß große
kostspielige Reisen an die See oder ins Hochgebirge sich meist ver¬
meiden lassen, weil schließlich jede Freiluftbehandlung von günsti¬
gem Einfluß ist. Autoreferat.
Der Stand der Heine~Medin’sehen Krankheit (epide~
mischen Kinderlähmung) in Bayern. Auf Grund der
von der Münchener Gesellschaft für Kinderheilkunde veran¬
stalteten Sammelforschung. Von Albert U f f e 11 h e i m e r -
München. (M. m. W., 1913, Nr. 5.)
Im Februar 1913 ging an sämtliche Ärzte des Landes ein Frage¬
bogen hinaus, um den derzeitigen Stand der Heine -Medin -Epidemie
festzustellen, welche (wenigstens nach den in München gemachten
Erfahrungen) etwa im Mai/Juni 1912 begonnen hatte. Von ausge¬
sandten rund 3200 Fragebogen wurden 990 beantwortet: hiervon
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waren 841 Fehlanzeigen: 54 Ärzte berichten über Erfahrungen aus
früheren Jahren und nur 95 über positive Beobach tungen aus
der Berichtzeit Insgesamt wurden für diese 248 Fälle ange¬
meldet; nach Vornahme der notwendigen Reduktion für die doppelt
gemeldeten Fälle (consultative, Krankenhausbeobachtungen) ergaben
sich als Mindestzahl noch 197 Krankheitsfälle. Deutlich ließen
sich gewisse Zentren der Erkrankung wahrnehmen. Am schwersten
betroffen war die schwäbisch-bayerische Hochebene; in
Oberbayern gruppierten sich die Fälle vorwiegend um die Haupt¬
stadt, in Schwaben waren sie besonders gehäuft im Bezirksamt
Mindelheim. Merkwürdigerweise lokalisierte sich die Krankheit vor¬
wiegend in denS tädten; nur der KreisSch waben bildete eineAusnahme von
dieser Regel. Die Verfolgung des Ganges der Epidemie der Jahre
1912/13 zeigt, daß auch vorher schon deren Vorboten zu bemerken
w ? aren. Besonders die Sommer- (aber auch die Herbst-) Monate
waren ihrer Weiterverbreitung günstig. — Meist handelte es sich
um Extremitätenlähmungen. In 17 Fällen trat die Krankheit ohne
wahrnehmbare Lähmungen auf, 23 mal wurden Gehirnlähmungen
und 36 mal Gehimnervenlähmungen beobachtet. Gestorben sind 20
Kranke (unter ihnen allerdings zweifelhafte Fälle bei Erwachsenen).
Unter geeigneten Bedingungen ließ sich die Infektiosität und
K011 tagiosität der Erkrankung mit aller Deutlichkeit nachweisen.
Geschw'ister-Erkrankungen, mehrfache Erkrankungen im gleichen
Hause, Übertragungen von einem Zentrum aus wurden mehrfach
gemeldet, sogar Spitalsinfektion wmrde beobachtet. Gleichzeitige
anginöse, katarrhalische, fieberhafte Erkrankungen wurden von 13
Ärzten gemeldet, auch ein Postponieren oder Anteponieren solcher
Erscheinungen wurde vermerkt. Die Möglichkeit der Infektion
durch die Tierwelt wird mehrfach ventiliert. Eine Erkrankung
soll sich beispielsweise an den Besuch eines zoologischen Gartens
angeschlossen haben. Die Disposition zur Akquisition des
„H e i n e - M e d i n“ wird in mehreren Antworten behandelt. I111 wesent¬
lichen werden vorausgehende Infekte angeführt, ein paar Mal auch
konstitutionelle Erkrankungen. Schließlich wird noch Einiges über
den Weg der Krankheit lind die Ursachen ihrer Verbreitung, über
Form und Verlauf der Erkrankungen, über Differentialdiagnose und
Therapie berichtet.
Die beamteten Ärzte, die ihrer Beteiligung an der Sammel¬
forschung nach offenbar ein hohes Interesse an derselben nahmen,
waren nicht selten über die in ihrer nächsten Umgebung
vorgekommenen Erkrankungen an „Heine-Medin“ gar
nicht unterrichtet. „Will man aber aktiv die Verbreitung der
Epidemie verhindern, so ist es durchaus nörtig, daß der Am^rzt.
der ja in diesem Falle die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen hat,
sofort vom Ausbruch einer solchen Krankheit unterrichtet w r ird
— es ist also die Anzeigepflicht des „Heine-Medin“
durchaus notwendig. u Autoreferat.
Beiträge zur Kenntnis der englischen Krankheit. Von
Pfleiderer-Ulm. (Ärztl. Rdsch., 1914, Nr. 1.)
Das „primum oriens et ultimum moriens u der Rachitis ist fol-
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gendes Erscheinungsbündel: dicker Bauch, grüne Stühle, grüner
Harn, Gichter (= Konvulsionen). — Pf. vermutet eine Mikrobenart, die
im Darm lebt und mit dem Bazillus indigenus, wie auch dem
Pneumobazillus Friedländer verwandt ist, und die aus der Milch
der Nahrung, besonders aus artfremder Milchsäure und einen grau¬
blauen Farbstoff hervorbringt, den ich noch nie im Harn Rachitischer ver¬
mißt habe, den ich aber sonst sehr selten finde. — Die Milchsäure
entkalkt die Knochenenden (Epiphysenlinien) und zwar zuerst die
der Rippen, dann die der übrigen Rumpfknochen, danach die der
Beine und Arme, zuletzt die der Knochen. Manchmal ist diese
Reihenfolge eine andere, manchmal wird fast nur das eine Knochen¬
system ohne wesentliche Mitbeteiligung der anderen betroffen. —
Wer nur da Rachitis diagnostiziert, wo a 11 e diese Erscheinungen vor¬
liegen, der diagnostiziert sie zu selten. — Den Farbstoff weise ich
durch die von Pf. modifizierte Indikationsprobe nach: glei¬
che Teile Harn und rohe Salzsäure werden mit einander gekocht
Autoreferat
Die Anzeigen der Nährbehandlung bei Säuglingen. Von
R. W. Raudnitz. (Prag. med. Wochenschr., 1914, Nr. 2.)
Unter dieser Überschrift will R. hervorheben, daß Mißerfolge
und der modeartige Versuch der Nährbehandlung auf Ungenügen
der Indikationsstellung beruhen. Diese ist aber ohne genaue
Diagnose nicht möglich. Deshalb geht er die Symptome durch,
welche zur Nährbehandlung Veranlassung geben. Erbrechen:
Bei Neugeborenen am häufigsten durch Zersetzung verschluck¬
ten Fruchtwassers im Magen. Beispiel, wo durch Schwefel¬
wasserstoffbildung schwere Vergiftungserscheinungen hervorgerufen
wurden, welche nach Magenausspülung verschwanden. Die ge¬
wöhnlichste Ursache des schon in den ersten Tagen einsetzenden
und lange dauernden Magenkatarrhs. Deshalb Magenausspülung
des verschluckten Fruchtwassers vor der ersten Nahrungsaufnahme.
Bei Gelbsucht der Neugeborenen in den Tee, später, wenn
nicht genügend Muttermilch vorhanden, in die hausgemachte
Mandelmilch doppeltkohlensaures Natron — 2 g auf 200 Flüssigkeit
Erbrechen bei Hirnblutungen des Neugeborenen mit Fieber.
Uberfütterungserbrechen: 2 Proz. des Körpergewichtes bis
7,3 Proz. bei 5 Mahlzeiten. Letztere bei über 3 Kilo schweren,
erstere bei schwächeren und bei Kindern aus Familien mit Magen¬
geschwüren. Infolge der Art der Frauenmilch: rässe (salzig
schmeckende), sehr fettarme, während der Menses, nach häufigem
Geschlechtsverkehr, bei fieberhaften oder Magendarmerkrankungen
der Mutter. Hier probeweise eine Mahlzeit anderer Art z. B. Mandel¬
milch. Folge von Luftschlucken. Bei Kuhmilchnahrung:
Ausspeien oder Erbrechen einer nach gesäuertem Mais oder Rüben¬
schnitzeln riechenden Milch. Er verwendet für gewöhnlich ^Proz.
Fett enthaltenden Rahmes oder ^3 bis V2 Milch oder */ 3 Strippmilch
(die letztgemolkene ungefähr 6 Proz. Fett enthaltende). Im Falle
des Erbrechens verdünnte Milch, Mehlschleimmilch, Pegninmilch,
Mandelmilch, Bei gleichzeitigem Fieber und Durchfall: Magen-
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ausspülung, Wasserdiät i—5 Tage. Dauern die Erscheinungen an,
so handelt es sich entweder um schwere Intoxikation (Nephritis
als Symptom) oder um Infektion mit Typhus oder Paratyphus. In
letzterem Falle sehr bald Mehlsuppen mit steigender Milchzugabe.
In ersterem Falle meist gesüßten Tee, dann von Mahlzeit zu Mahl¬
zeit steigender Zusatz von Milch, falls dieser nicht vertragen wird,
von Mandelmilch, welche mit Eichelkaffee, Mehlabkochungen, mit
Kuhmilch gemischt wurde. Bei chronischem Magenkatarrh aber
alkalinisierte Buttermilch oder Eiweißmilch. Theoretisch sucht
R. die Giftigkeit der Molke nicht in den Salzen, sondern in Bakterien¬
giften. Autoreferat
KaseTnkalziummllch bei Ernährungsstörungen der Säug~
linge. Von Carl Beck-Frankfurt a. M. (Aus dem Kinder¬
heim in Frankfurt a M. — M. Kl., 1914, Nr. 4.)
B. hat im vergangenen Jahr das vonStoeltzner als Ersatz für
Eiweißmilch angegebene Larosan, das um beinahe die Hälfte billiger
als jene ist, bei 50 Kindern angewandt.
Die Stoeltznersehe Vorschrift zur Herstellung eines Liters
Larosanmilch hat B. dahin vereinfacht, daß man drei Eßlöffel
(= 20 g) Larosan mit etwas kalter Milch verrührt, zu */a 1 kochender
Milch gießt, das Ganze noch einigemal aufwallen läßt und dann J / 2 1
Verdünnungsflüssigkeit zusetzt. Das Pulver löst sich bei gutem Ver¬
quirlen, auch bei Verwendung größerer Mengen, sehr leicht auf.
Das lange Kochen und das Seihen durch ein Haarsieb sind unnötig.
Bei schweren Erkrankungen gab B. zunächst nur ein Drittel Milch¬
mischung, nicht selten in Verbindung mit Frauenmilch, und erhöhte
zuweilen den Larosangehalt nach Gutdünken.
Als Verdünnungsflüssigkeit wählte er je nach Lage des Falles
abgekochtes Wasser, Schleim oder Mehlsuppe. Ausnahmslos fügte
er schon am zweiten Tag 1 Proz. Nährzucker hinzu und.stieg mit
diesem jeden Tag bis zu mindestens 5 Proz., in manchen Fällen
bis zu 10 Proz.
Gewöhnlich verordnete B. sofort Kasei'nkalziummilch, nur hier
und da zu Beginn der Behandlung erst einige Teemahlzeiten. Er
ließ die Nahrung in drei- bis vierstündigen Pausen und in kleinen
Portionen reichen.
Genau wie bei der Behandlung mit Eiweißmilch traten bald
trockene, übelriechende Seifenstühle auf. Nach Kohlehydratzusatz
sistierte der Gewichtsabfall rasch, und es folgte ein meist gleich¬
mäßiger Gewichtsanstieg.
Nach 8 oder 14 Tagen oder auch erst nach mehreren Wochen
ging B. dann zu anderer Nahrung über, zunächst stets zu 1 / a Milch,
mit dem entsprechenden Nährzuckerzusatze, dann zu 2 / 3 Milch und,
wenn angängig, zu gemischter Kost.
Schwere Fälle von Intoxikation wurden in dem letzten günstigen
Sommer nur ganz vereinzelt beobachtet. B. konnte im Kinderhospital
vier solche Kranke behandeln und hat den Eindruck gehabt, daß
es hierbei nicht so günstig wie die Eiweißmilch wirkt. Aber bei dem
kleinen Versuchsmaterial möchte er darüber kein abschließendes
Urteil abgeben.
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Nach B.’s Versuchen wirkt die Kasei'nkalziummilch auf akute
und subakute Dyspepsien und Enterokolitiden der Säuglinge und
Kinder genau so wie die Eiweißmilch überaus günstig ein und
führt auch bei geeigneten Fällen von Dekomposition zu Gewichts¬
anstieg. Sie ist, abgesehen von der Billigkeit, wegen ihrer außer¬
ordentlich leichten und bequemen Herstellung besonders für die
Privatpraxis zu empfehlen. Autoreferat.
Geistesstörung und Kriminalität im Kindesalter. Von
J. Ra ecke-Frankfurt a. M. (M. Kl., 1914, Nr. 2.)
Unter 371 begutachteten Fürsorgezöglingen waren 292 Kinder
bis zu 16 Jahren kriminell geworden. Von ihnen hatten 3 / ö Eigen-
tumsvergeheif verübt, fast l / b sexuelle Delikte, der Rest Schul¬
schwänzen mit Umhertreiben und Roheitsdelikte einschließlich Tier¬
quälerei und Sachbeschädigung.
Nur in einem knappen Viertel der Fälle war nichts Patholo¬
gisches nachweisbar. In der Hälfte der Fälle bestand Schwachsinn
verschiedenen Grades. Epilepsie wurde 22 mal beobachtet, sichere
Hysterie 16 mal, im Übrigen Erscheinungen von Psychopathie in 58
Fällen. 8mal ließ sich der Verdacht auf Hebephrenie begründen;
davon hat der Verlauf bisher in 4 Fällen die Diagnose bestätigt.
Die ersten Anzeichen eines einsetzenden Jugendirreseins, die
sich unter Umständen weit in die Kindheit zurückverfolgen lassen,
erfahren eine eingehendere Besprechung.
Hinsichtlich der sexuellen Delikte fiel auf, daß bei den geistig
gesunden Kindern Verführung die weit überwiegende Ursache der
sittlichen Verfehlung bildete, während von den Psychopathen die
Hälfte eigenen perversen Antrieben folgte, die Hysterischen sämt¬
lich und von den Schwachsinnigen die überwiegende Majorität.
Instruktive Beispiele von der Gefährdung anderer Kinder durch
geistig minderwertige mit sexuellen Triebneigungen werden mitgeteilt
sowie Fälle, in denen Erwachsene fälschlich von Mädchen unsitt¬
licher Attentate beschuldigt wurden.
Derartige gefährliche Elemente gehören nicht in die gewöhnlichen
Erziehungsanstalten, wo sie nur zu leicht Gelegenheit haben, auf
ihre Kameraden moralisch vergiftend einzuwirken. Autoreferat.
Zur Technik der Duodenalsondierung. Von Siegfried W o 1 f f.
(Aus der Kinderabteilung des Städt. Krankenhauses zu Wies¬
baden. — Therap. Monatsh., 1913, Dezember.)
Verf. tritt in dieser Arbeit warm für die Fütterung mittels
Duodenalsonde als Behandlung der Pylorusstenosen im Säuglings¬
alter ein, die unstreitig einen großen Fortschritt in die Therapie
dieser schweren Erkrankung bedeutet, zumal sie, wenn auch zeit¬
raubend, doch auch im Privathause durchführbar ist. W. hat sich
bemüht, 2 technische Schwierigkeiten zu beseitigen, die der Methode
bisher anhafteten: 1. Die Frage zu lösen, wann man wirklich im
Duodenum ist, 2. das übermäßig starke Würgen zu vermeiden, das
leicht zu einem Zurückgleiten der Sonde führen kann. Ad. 1: W.
läßt, wenn er glaubt, im Duodenum zu sein, etwas Nahrung einlaufen
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und reizt dann die Kinder zum Würgen. Kommt dabei die eben
eingelaufene Nahrung wieder heraus, so ist die Sonde im Magen
aufgerollt, andernfalls ist sie sicher im Duodenum. Ad. 2: Das über¬
mäßige Würgen wird vermieden, indem man den Kindern vor Ein¬
führung der Sonde entweder 1 Teelöffel 3 proz. Anästhesinemulsion,
besser noch 1 kleine Messerspitze Anästhesin und Saccharum äa oder
einen Teelöffel einer 1 proz. Subkutinlösung gibt. Dadurch wird die
hintere Rachenwand für schwache Reize unempfindlich, das Würgen
fällt fort, und die Sonde gleitet spielend ein. Schließlich kann
man noch, um einen evtl. Spasmus, der sich ja auch bei typischen,
organischen Stenosen findet, zu beseitigen, 10 Minuten vor Ein¬
führung der Sonde subkutan Atropin geben, das auch jüngere Säug¬
linge in Dosen von 0,05 4 ng viermal täglich vertragen.
Autoreferat
Aus dem Gebiete der Säuglingsfürsorge.
Kindersterblichkeit ln gerichtlich - medizinischer Be¬
ziehung. Von F. Straßmann. (Vierteljahrsschr. f. ger.
Med. u. öffentl. Sanitätsw., 1914, H. 1.)
Verf. bietet in seinem Aufsatz den Inhalt seines auf dem Inter¬
nationalen Medizinischen Kongreß von London erstatteten Referats.
Zwei Wege bieten sich, der Abnahme der Bevölkerungszahl zu
steuern, die Erhöhung der Geburtenzahl und die Verminderung
der Sterblichkeit da, wo sie nicht den natürlichen Bedingungen
des Lebens entspricht, im Kindesalter und zumal im Säuglingsalter.
Wieweit sind die gerichtlichen Mediziner, die ärztlichen Berater
der Strafrechtspflege, berufen und befähigt, der übermäßigen Kinder¬
sterblichkeit entgegen zu arbeiten?
Große soziale Ubelstände müssen in der Hauptsache auf anderem
Wege bekämpft werden, als auf dem der kriminellen Repression:
auf dem Wege <jer Belehrung, der Fürsorge.
Unter den kriminalistisch wichtigen Todesarten, die nur oder
wenigstens ganz überwiegend bei Kindern und nicht bei Erwachsenen
Vorkommen, sind im wesentlichen 2: Die Erstickung im Bett, sei
es durch das Bett selbst, das in unvorsichtiger Weise so auf das
Kind gelegt wurde, daß die Atemöffnungen verschlossen werden,
sei es dadurch, daß die im selben Bett schlafende erwachsene
Person im Schlaf sich auf das Kind wälzt und die Atembewegungen
durch Druck auf den Thorax unmöglich macht.
In zweiter Linie die fehlende oder mangelhafte Ernährung der
Säuglinge, die speziell für uneheliche Pflegekinder in Frage kommt,
und wenn sie absichtlich betrieben wird, bei uns mit dem populären
Namen „Engelmacherei“ belegt wird.
In seiner Zusammenstellung aus den Jahren 1906—10 hat Verf.
keinen Fall, in dem die Leichenöffnung die volle Gesundheit des
Kindes oder eine Verletzung (Rippenbrüche) ergeben hat, auch wenn
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die vSektion unter dem ausdrücklichen Verdacht fahrlässiger Er¬
stickung vorgenommen ist.
Wichtig ist die Frage nach der Bedeutung der vergrößerten
Thymusdrüse in solchen plötzlichen Todesfällen.
Vermag die vergrößerte Thymusdrüse durch mechanischen
Druck auf die Luftröhre oder andere lebenswichtige im Brustkorb
gelegene Organe einen plötzlichen Tod zu bewirken?
Gibt es einen Status thymikus oder thymiko-lymphatikus, der
mit chronischen Schädigungen, besonders des Herzens einhergeht
und dadurch zu plötzlichen Todesfällen disponiert?
Nach Verf. soll man die Möglichkeit eines plötzlichen Thymus¬
todes nicht bestreiten, aber als Todesursache kommt ihr eine er¬
hebliche Bedeutung beim plötzlichen Tode der Kinder nicht zu.
Vor 20 Jahren hat Verf. einen solchen Fall mitgeteilt, seitdem nie
wieder einen solchen beobachtet
Es erscheint geboten, gegenüber der Diagnose des Status
thymikus größere Zurückhaltung und Vorsicht zu üben, als es
manchmal geschieht Bei plötzlichen Todesfällen junger Kinder
war Verf. nie genötigt, auf diese Ursache zurückzugreifen, sondern
konnte immer noch andere Befunde erheben, die den Tod ander¬
weitig erklärten, insbesondere Bronchial- und Enterobronchial-
katarrhe, die eine wesentliche Rolle spielen beim schnellen Tode
kleiner Kinder.
Von 240 — sämtliche in Berlin von 1906—10 vorgekommenen
gerichtlichen Sektionen an Kindern der 2 ersten Lebensjahre, die
angeblich plötzlich ohne erkennbare Ursache gestorben waren —
Gutachten lautet die Todesursache: 17mal Bronchialkatarrh, 43
Bronchialkatarrh mit beginnender Lungenentzündung, 7 Darmkatarrh,
5 .Magenkatarrh, 1 Bronchial- und Magenkatarrh, 1 Bronchitis und
Bronchopneumonie mit Magenkatarrh, 23 mit Darmkatarrh, 17 mit
Magendarmkatarrh; bei 16 Fällen ist erheblich Rachitis erwähnt, 3
Herzerweiterung, 1 ungewöhnlich große Thymus, 5 erhebliche Ab¬
zehrung, 9 mal trat der Tod unter Krämpfen auf, 2 mal war der Ver¬
dacht auf Erstickung durch weiche Bedeckung ausgesprochen.
Eine abnorme Größe der Thymus mit oder ohne gleichzeitige
Vergrößerung der lymphatischen Apparate stellt einen Befund dar,
der wahrscheinlich eine abnorme, wenig widerstandsfähige Konsti¬
tution beweist, die sonst gleichgültige Schädlichkeiten abnorm stark
wirken läßt und somit als Ursache plötzlichen Todes wohl zu be¬
rücksichtigen ist.
Bei dem Verdacht, die Kinder durch ungenügende oder
fehlende Nahrung beseitigt zu haben, hat der Obduktionsbefund nur
Wert als unterstützendes Moment. Den größten Wert der Ma߬
regel, daß in Preußen alle ohne ärztliche Behandlung gestorbenen
Pflegekinder gerichtsärztlich untersucht werden, erblickt Verf. darin,
daß die Furcht der Entdeckung Verbrechen an den Kindern von
vornherein verhütet.
Neben der absichtlichen Beseitigung der Kinder durch mangel¬
hafte Ernährung kommt sicher viel häufiger eine fahrlässige Tötung
durch unzweckmäßige Ernährung vor. Auch hier ist der Nach¬
weis aus der Sektion sehr schwer.
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65
Die Hilfe des Strafrichters anzurufen gegen Unterlassungen
der natürlichen Ernährung durch Muttermilch, erscheint Verf. be¬
denklich, schon weil der Erfolg zweifelhaft ist.
Schlichting (Kassel).
Die Säuglingssterblichkeit ln der TUbinger Poliklinik ln
den Jahren 1911 und 1912. Von Marga Wolf. (Aus
der Medizinischen Poliklinik zu Tübingen. Vorstand: Prof.
Otfried Müller.)
Die Säuglingsfürsorge liegt in Tübingen in den Händen der
Universitätspoliklinik. Sie besteht in einer ambulatorischen Be¬
ratungsstelle für Säuglinge, die keine materiellen Vörteile gewährt,
und in armenärztlicher Bezirkstätigkeit in den Wohnungen der. Be¬
völkerung, im Bedarfsfälle verbunden mit regelmäßiger Lieferung
der Kindemahrung. Die Inanspruchnahme dieser Einrichtung steigt
von Jahr zu Jahr: in den Jahren 1911 und 1912 standen j /ö—*/ 4
sämtlicher Säuglinge unter distriktärztlicher Aufsicht. Durch einen
Vergleich mit den Mortalitätsziffern anderer, benachbarter Orte, die
gleiche soziale und klimatische Verhältnisse aufweisen, die wohl von
der Säuglingsberatungsstelle Gebrauch machen können, aber die
bezirksärztliche Fürsorge entbehren, wird der Einfluß dieser letzteren
Einrichtung gezeigt. Es wird darauf hingewiesen, daß eben dieser
Fürsorgetätigkeit in den Wohnungen nicht nur die niedere Mortali-
täts-, sondern vor allem die niedere Morbiditätsziffer, speziell an Er¬
nährungsstörungen, zu danken ist; denn in Tübingen erzieht der
Distriktsarzt die Bevölkerung zu vernünftiger Säuglingspflege und
Säuglingsernährung. Autoreferat
Die Abnahme der Geburtenziffern im Reglerungsbe*
Zirk Magdeburg. Von Curtius. (Vierteljahrsschr. f. ger.
u. öffentl. Sanitätsw., 1914, H. 1.)
Bei der Beurteilung der Gründe aller hier in Betracht kom¬
menden Fragen muß viel mehr ins Einzelne gegangen werden, weil
die Verhältnisse in den einzelnen Provinzen, Kreisen, Städten,
Dörfern grundverschieden sind, und sich diese Unterschiede
umsomehr verwischen, je größere Gruppierungen vorgenommen
werden.
Ein Minimum von Geburten findet sich in den Städten mit
vorwiegend wohlhabender und stark mit Beamten und Pensionären
durchsetzter Bevölkerung. (Potsdam, Schöneberg, Wilmersdorf,
Wiesbaden).
Magdeburg mit einer Geburtenziffer von 26,0 und einem Ge¬
burtenüberschuß von 9,3 reiht sich, trotzdem es mehr zu den In¬
dustriestädten gehört, direkt an diese Städtegruppe mit der
geringsten Geburtenziffer und dem niedrigsten Uberschuß an.
Ohne die ständige Auffrischung der städtischen Bevölkerung
durch den Zuzug vom Lande würden die Verhältnisse noch viel
ungünstiger liegen.
Körperliche Degeneration der Männer kommt als Ursache nicht
in Frage, wohl aber ist bei vielen Frauen ein dauernder oder vor¬
übergehender Nachlaß der Fortpflanzungsfähigkeit infolge von Er¬
krankungen der Gebärmutter nach anhaltender Fabrikarbeit, nach
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66
dem Gebrauch antikonzeptioneller Mittel, nach provozierten Fehl¬
geburten eingetreten.
Das Heiratsalter spielt bei der Fruchtbarkeit der Ehen eine
wesentliche Rolle, weil die Fruchtbarkeit der Frauen ungefähr bis
zum Alter von 25 Jahren steigt und dann allmählich sinkt.
Das Beispiel kinderarmer Familien wirkt mit, die unteren
Klassen ahmen nach. Die zunehmende Fabrikarbeit der Frauen ist
auch mit schuld; das gleiche gilt von anderen ehehemmenden weib¬
lichen Berufen.
Verf. berichtet über die weite Verbreitung der antikonzeptio¬
nellen Mittel, die überall in Friseurläden, Konfektionsgeschäften
etc. vertrieben werden, für die in sozialdemokratischen Volks¬
kalendern Propaganda gemacht wird.
Von den meisten der vorgeschlagenen Maßnahmen zur Bekämpfung
des Geburtenrückgangs verspricht sich Verf. keinen Erfolg, auch
nicht von der Aufklärung der Bevölkerung.
Mehr kann man von der Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit
erwarten. Eine strengere Milchüberwachung könnte viel bewirken,
desgl. Belehrung der Mütter durch Merkblätter in den warmen
Monaten, Besserung der Wochenbettpflege, Einrichtung von Mutter¬
schaftskassen, Wohnungshygiene.
Verf. erwähnt eine ganze Reihe von Beispielen, wie man gegen
das Anpreisen antikonzeptioneller Mittel auf Grund der bestehenden
Gesetze Vorgehen kann. Auch die Ärzte sind häufig in der Em¬
pfehlung derartiger Mittel zu weitherzig.
Die Vergünstigung kinderreicher Familien muß ausgebaut
werden.
Verf. kommt zu folgenden Schlüssen:
Im Regierungsbezirk Magdeburg setzt der Geburtenrückgang
früher als im Staat ein und sind die Geburtenziffern in den Stadt¬
gemeinden im Durchschnitt berechnet früher höher als in den Land¬
gemeinden gewesen, aber schneller und tiefer gesunken.
Die einzelnen Kreise zeigen je nach der Zusammensetzung der
Bevölkerung und je nach lokalen Verhältnissen erhebliche Unter¬
schiede im Geburtenrückgang. In der Regel ist der Rückgang
umso größer, je höher früher die Geburtenziffern waren. Der Rück¬
gang ist am geringsten in den Kreisen, die eine relativ zahlreiche
Landwirtschaft treibende Bevölkerung besitzen, am höchsten in den
Kreisen, die entweder in der Nähe von größeren Städten liegen
oder industriereich sind.
Der Rückgang beruht hauptsächlich auf einer beabsichtigten Be¬
schränkung der Kinderzahl und macht sich in den letzten Jahren
mehr ziffernmäßig bemerkbar als früher, weil jetzt auch in den Ehen
der großen Masse die Anwendung antikonzeptioneller Mittel Ein¬
gang gefunden hat, die durch Broschüren allgemein angepriesen,
massenhaft in vielen Geschäften feilgehalten und durch Hausierer
vertrieben werden.
Die Bekämpfung des Rückgangs ist ziemlich aussichtslos, da¬
gegen der Ausgleich durch eine Verringerung der Sterblichkeit
durch die bisher bewährten hygienischen Maßnahmen auch weiter
erfolgversprechend.
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6 7
Außerdem empfiehlt sich eine energische Handhabung der be¬
stehenden Gesetze und Verordnungen über den ungesetzlichen
Handel und Anpreisung von empfängnisverhindernden Mitteln.
Ein Ausbau der Begünstigung kinderreicher Familien auf allen
Gebieten durch staatliche und kommunale Behörden und die In¬
dustrie, z. B. durch Bereitstellung von größeren Arbeiterwohnungen
in Staats- und Privatbetrieben, erhöhten Wohnungsgeldzuschuß bei Be¬
amten, Steuerprivilegien, Freistellen und Ermäßigungen in Er-
ziehungs-, Erholungs-, Kranken- und ähnlichen Anstalten, Bevor¬
zugung bei Anstellung und Versetzung.
Die Verringerung der Quantität ist durch eine Verbesserung
der Qualität auszugleichen, zumal die schlechten Rassenelemente
dem Staat ungeheure Summen kosten.
Verf. bietet eine Reihe sehr instruktiver Tafeln.
Schlichting (Kassel).
Bücherbesprechungen.
Fortschritte der Hygiene 1888—1913. Unter Mitwirkung
von Prof. Dr. Gröber, Prof. Dr. A. Keller, Prof. Dr.
Kemsies, Prof. Dr. Nietner, Prof. Dr. Sommerfeld.
Herausgegeben von Dr. med. S. Kr eiss-Berlin. Im Selbst¬
verlag des Herausgebers. 1914. 8°, 304 S. Preis 4,— Mk.
Das Werk enthält auf wissenschaftlicher Grundlage in leicht
verständlicher Darstellung eine umfassende Übersicht über das Ge¬
biet der öffentlichen Gesundheitspflege und sozialen Hygiene. Es
will nicht nur dem Fachmann, sondern auch weiteren Kreisen ein
brauchbarer Führer sein, der über die Fortschritte der Hygiene auf
den verschiedensten Gebieten und deren Nutzbarmachung im In¬
teresse unserer Volkswohlfahrt unterrichtet
Diesem Zwecke entsprechend sind in dem Werke die ver¬
schiedenen Gebiete der Hygiene: Die Hygiene der ersten Lebens¬
jahre, die Fortschritte der Schul-Gesundheitspflege, die Gewerbe¬
hygiene, das Krankenhauswesen sowie das wichtige Gebiet der
Tuberkulose und ihrer Bekämpfung von anerkannten Autoritäten in
ausführlicher, dabei auch dem Laien leicht verständlicher Weise
nach dem gegenwärtigen Stand von Gesetzgebung und .Wissen¬
schaft dargestellt. Das Buch verdient die weiteste Verbreitung. S.
Orth opädi sehe Sonderturnkurse. Entstehungsgeschichte
der Kurse, ihre zweckmäßige Einrichtung und ihr Wert bei
der Behandlung der Wirbelsäulenverkrümmung. Von Dr. A.
Blenke, Spezialarzt für orthopädische Chirurgie in Magde¬
burg und Leiter der Magdeburger Sonderturnkurse. Lex. 8°
u. 260 S. mit 160 Textabb. Stuttgart 1913. Verlag von F.
Enke. Preis 8,— Mk.
Nachdem Schularzt und Turnlehrer in vorauf gegangenen Werken
$ich zur Sache geäußert hatten, ergreift hier der Fachorthopäde
<Jas Wort. Er tritt auf als Warner vor dem allzu großen Optimis¬
mus, der noch in vielen Fällen über die Wirksamkeit der Skoliosen¬
behandlung durch Sonderturnkurse herrscht und kritisiert mit
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Google
68
ernster Sachkenntnis die bisherigen und zu erwartenden Leistungen.
Vor allem aber gibt er allen, die solche Kurse einrichten müssen,
Aufklärung und Anregung. Die ernste kritische Arbeit kann allen,
die sich mit dem Thema beschäftigen müssen, nur empfohlen werden.
F. Cordes (Dresden).
Die Nordseeluftkur, ihre Grundlagen, Wirkungen, Metho¬
dik und Indikationen. Von Sanitätsrat Dr. Ide, Nordsee¬
insel Amrum. 8°, 92 S. Berlin 1914. Allgemeine medizinische
Verlagsanstalt G. m. b. H. Preis 2,— Mk.
Häufig sehen wir uns in der Lage, über Seeluftkuren in der
Sprechstunde Aufschluß geben zu müssen. In dieser schwierigen
Aufgabe, auf einem Gebiet zu raten, dessen klimatologische und
physiologische Grundlagen, sowie dessen Angriffspunkte auf die
notorisch günstig beeinflußten Krankheiten noch nicht vollkommen
geklärt sind, kommt uns vorliegendes Werkchen zu Hilfe, das sich
auf fünfzehnjährige seebadärztliche Erfahrungen und Studien eines
gewiegten Praktikers stützt. F. Cordes (Dresden).
Das Findelhaus, seine geschichtliche Entwicklung und
sittliche Bewertung. Von Divisionspfarrer und Priv.-
Doz. Dr. Ludwig R u 1 a n d - Münster. (Veröffentlichungen des
Vereins für Säuglingsfürsorge im Reg.-Bez. Düsseldorf, H. 9
u. 10.) gr. 8, IV u. 11 S. Berlin 1913. Carl Heymanns Ver¬
lag. Preis 2,— Mk.
Das Buch wird durch eine geschichtliche Besprechung eröffnet,
hier werden nach einer sehr eingehenden Würdigung der Literatur
die ersten Anfänge des Findelhauses in allen Kulturländern be¬
handelt, besonders eingehend wird dann in Deuschland diese Ent¬
wickelung verfolgt in den verschiedenen Städten, im Mittelalter und
in der Neuzeit. In Frankreich war der heilige Vinzenz von Pau
der Begründer der Kinderfürsorge und des Findelwesens. Im zweiten
kritischen Teil wird dann die Frage erörtert: sind die Findelhäuser
sittlich gut oder schlecht? Dann wird zum Schluß das Findelwesen
in Verbindung mit der Säuglingspflege, dem Geburtenrückgang und
der Rassenhygiene gebracht.
Das Büchlein wird wegen seiner umfassenden Literatur, seiner
Gründlichkeit und Vielseitigkeit für immer ein grundlegendes für
die Frage des Findelhauses bleiben. Hanssen (Kiel.)
Mutterbriefe. Leitfaden zur Pflege und Ernährung des Säug¬
lings von Lillie Oberwartli- Berlin - Wilmersdorf. Mit
einem Vorwort von Prof. Dr. med. H. Neu mann-Berlin.
8° u. 85 S. mit 4 Taf. 2. Aufl. Leipzig 1913. Verlag von
Th. Grieben (L. Fernau). Preis 1,20 Mk., geb. 1,50 Mk.
Die Vorträge sind als Briefe an eine junge Mutter geschrieben,
die ihrer Entbindung entgegen sieht. Was diese Vorträge aus¬
zeichnet, das ist ihre große Wärme wie eben nur eine Frau an eine
Frau schreiben kann. Dann berührt wohltuend die Einfachheit
der Sprache mit Vermeidung aller Fremdwörter. Auf Sparsamkeit
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69
in Verbindung mit Zweckmäßigkeit in Kleidung und Einrichtung
wird großer Wert gelegt
Lager, Kleidung und Bad des Kindes werden in den ver¬
schiedenen Abschnitten behandelt. Dann die Erziehung sowie die
Ernährung im allgemeinen. Weiterhin die Ernährung an der
Mutterbrust und an der Flasche, den Schluß bildet ein Abschnitt
über Krankheiten des Säuglings, hier wird großer Wert auf recht¬
zeitiges Holen des Arztes gelegt. Einige sehr gute Abbildungen
zieren das Buch, leider nur 4, in andern Büchern findet man der¬
gleichen mehr. Nach dem Vorgänge von v. Esmarch bei der Sama¬
riterlehre halte ich eine große Zahl von Abbildungen bei derartigen
Werken für durchaus angebracht, weil man dadurch viele Worte
beim Belehren sparen kann 'und ein Bild im Gedächtnis leichter
haftet als ein langer Satz mit vielen Erklärungen.
Hanssen (Kiel).
Die Wirkung des chronischen Alkoholismus auf die
Organe des Menschen, insbesondere auf die Ge¬
schlechtsdrüsen. Von ehern. Priv.-Doz. Dr. med. Eduard
Bertholet - Lausanne. Autorisierte Übersetzung mit Er¬
gänzungen von Dr. med. Alfred Pfleiderer - Ulm. Mit
einem Vorwort von Prof. Dr. August Forel-Yorne.
8 °, 101 S. mit 33 Abb. und 6 Zahlentabellen. Stutt¬
gart 1913. Mimir-Verlag für deutsche Kultur und soziale
Hygiene, G. m. b. H. Preis 3,— Mk.
Der chronische Alkoholismus übt bekanntlich eine verderbliche
Wirkung auf die verschiedenen Organe unseres Körpers, ganz be¬
sonders auf die Keimzellen aus. Das zeigt Verf. durch seine
experimentellen Untersuchungen an 163 Trinkern und 100 Nicht¬
trinkern, welch’ letztere er zum Vergleich heranzieht, wobei jeder
einzelne Fall der Gegenstand einer gründlichen, sowohl
makroskopischen wie mikroskopischen Untersuchung war.
. Auf Grund dieser außerordentlich sorgfältigen und wissenschaft¬
lich wohl einwandsfreien Untersuchungen der pathologisch-ana¬
tomischen Veränderungen der Organe durch den Alkoholismus zeigt
sich, daß derselbe direkt entartend auf das Hodengewebe
wirkt, so daß vollständiger Schwund derselben mit Verschwinden
der Samenfäden in mehr als der Hälfte der Fälle bei der Obduktion
sich vorfand. Dies macht auch die ungeheuer große Zahl der Fälle
von Azoospermie erklärlich, die wir bisher ohne jeden Grund (vide m.
Werk „Die Funktionsstörungen der Zeugung beim Manne“ Bd. III
m. „Zeugungsmonographien“) an den Leichen fanden. Die
Hoden der Alkoholiker zeigten in 86 Proz. (!) Entartungserscheinungen.
Dieselben treten sehr früh ein und führen außerordentlich schnell
zum vollständigen Schwund des Hodens mit Azoospermie. Die
Eierstöcke unterliegen den gleichen Gewebsveränderungen.
Ich kann meinen Kollegen die Lektüre des kleinen Bertholet-
Pfleiderer’schen Werkchens, das schlagend die Keimverderbnis, die
Blastophthoria d. h. die degenerierende Wirkung des Alkohols
auf die menschlichen Keimdrüsen beweist, nicht dringend genug
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empfehlen. Sie werden dann bezüglich ihrer Stellung zum Alkohol
mit zwingender Notwendigkeit zu einer solchen „kontra“ gelangen
müssen. Rohleder (Leipzig).
Fruchtabtreibung und Präventivverkehr imZusammen-
han^ mit dem Geburtenrückgang. Eine medizinische
juristische und sozialpolitische Betrachtung von Dr. Max
Hirsch, Frauenarzt in Berlin-Schöneberg. Lex. 8°, VIII u.
267 S. Wiirzburg 1914. Verlag von Kurt Kabitzsch. Preis
5 - Mk.
So reizvoll es wäre, auf den ganzen Inhalt des Buches einzu¬
gehen, das für den Arzt und Sozialpolitiker im allgemeinen ge¬
schrieben ist, so muß ich mir diese Besprechung doch an dieser
Stelle versagen und kann über den Inhalt nur einige kurze An¬
gaben machen: Die Fruchtabtreibung wird ihrem Umfang, ihrer Zu¬
nahme und Gefahr nach eingehend behandelt. Dann folgen ebenso
ausführlich die Motive dieses Verfahrens. Ebenfalls der Geburten¬
rückgang findet eine ausführliche Würdigung. Die Mittel gegen
den Geburtenrückgang werden in Verbindung mit denen gegen die
Fruchtabtreibung gebracht. Einige Kapitel wie die Zunahme der
unehelichen Geburten interessieren auch den Kinderarzt Besonders
aber das neunte Kapitel über die eugenische Indikation in Ge¬
burtshilfe und Gynäkologie bietet manche reizvollen Ausblicke für
Kinderärzte, die ihren Gesichtskreis etwas weiter fassen. Ver¬
erbungslehre, künstliche Auslese, besonders aber die Frage der
Tuberkulose und des Infantilismus sind Fragen, die auch uns an-
gehen. Ebenso bietet der Abschnitt über die Besserung der Gebär¬
fähigkeit manche Punkte, die auch für das Kindesalter schon wichtig
sind, namentlich die Bekämpfung der Rachitis und Skrofulöse
sind solche Punkte. Nicht unwichtig ist auch weibliche Berufs¬
arbeit, Wöchnerinnenfürsorge und Wöcherinnenschutz für die mehr
oder minder hohe Sterblichkeit des Säuglings und später für seine
Entwicklung. Auch die Schlußkapitel über wirtschaftliche Ent¬
lastungen und soziale Refonnen sowie das Sinken des Frauenüber¬
schusses spielen in vieler Beziehung in das Leben des Kindes schon
vor seiner Geburt und in sein späteres Leben hinein.
Hanssen (Kiel).
Kurze Notizen aus der Praxis und Wissenschaft.
Zur Frage der Hypophysentherapie bei Rachitis.
Von Kurt Weiß-Tübingen.
Der Verf. hat an der medizinischen Poliklinik in Tübingen an einer
Reihe von Kindern, die in den denkbar schlechtesten Verhäl tnissen in licht¬
armen, feuchten Wohnungen aufwachsen, mit der Hypophysochrom-
therapie Versuche gemacht. Dabei wurde weder in der Ernährung
noch im Milieu der ambulant behandelten Kinder eine Änderung
vörgenommen.
Kinder unter 1 Jahr bekamen täglich 3—4, Kinder über 1 Jahr
4—5, Kinder über i 1 ^ Jahr 6 Tabletten Hypophysochrom (Dr. La-
boschin-Berlin). Verf. hat den Eindruck, daß die Darreichung von
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7*
tlypophysochrom bei Rachitis von Nützen ist. Schädliche Wirkungen
sind nicht beobachtet. Schlichting (Kassel).
(Ther. Monatsh., 1913, Nr. 7.)
Uber die Behandlung der Lungentuberkulose mit
Röntgenstrahlen. Von de la Camp u. Küpf erle-Freiburg.
Die Verff. berichten über Tierversuche und die Bestrahlung von
15 tuberkulösen Menschen. Sie kommen zu folgendem Ergebnis:
Das Tierexperiment lehrt, daß die Röntgenstrahlen, qualitativ und
quantitativ richtig angewandt, bei der experimentell erzeugten Tuber¬
kulose Heilungsvorgänge anbahnen und fördern, die einer natürlichen
Heilung entsprechen.
Die menschliche Lungentuberkulose ist durch Röntgenstrahlen
in demselben Sinne günstig zu beeinflussen, und zwar in allen Sta¬
dien; ein ausgesprochener Heilerfolg konnte bisher bei Fällen des
I. und II. Stadiums erreicht werden; der Erfolg ist abhängig von
der im Einzelfalle nach Verlaufsform und Reaktionsmodus einzu¬
richtenden Bestrahlungstechnik. Schlichting (Kassel).
(M. Kl., 1913, Nr. 49-)
Einiges zumThema von denUrsachen derSäuglings-
sommersterblichkei t mit statistischem Bei trag über die
Wohnung als ätiologischen Faktor. Von Eichelberg-M.-
Gladbach.
E. verglich in M.-Gladbach die Säuglingssterblichkeit vom 1. Juli
bis 1. Oktober 1911 in hygienisch besonders gut gebauten Straßen
(Doppelhäuser im Cottagesystem) mit der in einer Anzahl engge¬
bauten Straßen des Arbeiterviertels. In den 492 Häusern der ersteren
starben von 172 Säuglingen 11 = 6,4 Proz., in 214 der letzteren von
142 Säuglingen 18 = 12,7 Proz. Der Steuersatz der Bewohner war
ungefähr gleich. Immerhin sind es, wie Eichelberg mit Recht
hervorhebt, schon ethisch höher stehende und hygienisch weiter
denkende Menschen, welche in die Häuser gemeinnütziger Bauge¬
sellschaften ziehen, besonders wenn diese wie in M.-Gladbach mit
Vorkaufsrecht vermietet und später von den Mietern käuflich er¬
worben werden. Es kommt also nicht bloß auf die Wohnung an,
sondern auch darauf, von wem und wie sie benutzt wird.
(Arch. f. Kdhlkde., Bd. 59, H. 1/2.) Hohlfeld (Leipzig).
Uber Stillprämien und ihre Erfolge. Von Risel u.
S c h m i t s -Leipzig.
Die Zahlung der Stillprämien ist in Leipzig an den Besuch der
städtischen Mütterberatungsstellen gebunden. An einer derselben
haben die Verff. ihre Erfahrungen gesammelt. Es ist nach ihrer
Ansicht nicht leicht, die Mütter zu vernünftigen Anschauungen über
die Ernährung ihrer Säuglinge zu erziehen, doch gelang es ihnen,
die Stilldauer der vorgestellten Kinder — an der ihrer Geschwister
gemessen — zu verlängern und damit einen günstigen Einfluß auf
die weitere Entwickelung der Kinder auszuüben und ihre Sterblich¬
keit herabzusetzen. Hohlfeld (Leipzig).
(Arch. f. Kdhlkde., Bd. 59, H. 1/2.)
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7 2
Die Behandlung des Kinderekzems. Von Max Joseph-
Berlin.
Der erfahrene Dermatologe rät bei dem Kinderekzem, d. h.
den Manifestationen der exsudativen Diathese auf der Haut neben
der allgemeinen diätetischen Behandlung, die an erster Stelle steht,
die Lokalbehandlung nicht zu vernachlässigen. Spiegel (Kiel).
(Zbl. f. Kdhlk., 1913, Nr. 7.)
Die Häufigkeit der Gaumen- und Rachenmandel-
hyperplasie nach Untersuchungen an 500 Knaben einer
Besserungsanstalt. Von Max Toeplitz-New York.
Die von einem Richterder Besserungsanstalt überwiesenen Knaben
wurden vom Verf. vor ihrer Aufnahme in die Anstalt in der Nase,
dem Halse und den Ohren untersucht. Unter 500 Untersuchungen fanden
sich im Ganzen 311 = 6273 Proz. Hyperplasien, d. h. 105 Mandel¬
hypertrophien, 89 Adenoide und 116 Kombinationen beider, und von
diesen erheischten 292 = S 7 2 U Proz. die Operation; es erfuhren
74 = 2673 Proz. eine radikale Operation.
Im Jahre 1910 ließ sich bei 40 Proz., im Jahre 1911 nur bei
18 Proz. aller in resp. 112 vom Anstaltsarzte behandelten Fälle
der Ursprung der Erkrankung auf den Hals und die Nase zurück¬
führen.
Untersuchungen der Nase und des Halses in irgend einer An¬
stalt sind nutzlos, wenn sie nicht systematisch und das Material
vollständig erschöpfend ausgeführt werden und die Operation
der Erkrankung sich nicht daran anschließt Die Entfernung
krankhafter Zustände der Nase und des Halses stellt nicht
nur die Anstalt auf eine gesündere Grundlage, sondern schützt auch
die Insassen gegen das Auftreten mancher anderen Erkrankung.
Die Besserung des gesammten Gesundheitszustandes der vom Verf.
so behandelten Anstalt fiel am Ende das Jahres 1912 ganz beson¬
ders auf. Autoreferat
(Arch. f. Laryng. u. Rliinolog., Bd. 28, H. 1).
Uber einen durch intralumbale und intraventriku-
lare Äthylhy drocuprein-Injektionen geheilten Fall von
Pneumokokkenmeningitis. Von Siegfried Wo 1 ff und Walter
Lehmann.
Kurze, vorläufige Mitteilung eines schweren Falles von Pneumo¬
kokkenmeningitis bei einem 8 Monate alten Säugling. Da kein
Mittel half, wurde das Spezifikum gegen Pneumokokken „Äthyl-
hydrocuprein“ gegeben und zwar intralumbal und intraventrikulär,
da es natürlich am besten bei direkter Berührung mit den Krank¬
heitserregern wirken kann. Im ganzen erhielt das Kind 0,07 intra¬
ventrikulär, 0,06 intralumbal und außerdem 1,12 subkutan. Der
Ausgang der meist letal endenden Krankheit in Heilung recht¬
fertigt die Empfehlung dieser neuen Therapie umsomehr, als keine
Schädigung beobachtet wurde. Bezüglich Einzelheiten wird auf die
ausführliche Publikation hingewiesen. Autoreferat
(Aus der Kinderabteilung des städt Krankenhauses in Wies¬
baden. — D. m. W., 1914, Nr. 51).
Verlag von Benno Konegen, Leipzig. — Druck von A. Pabst, Königsbrück.
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Der Kinder-Arzt.
Zeitschrift fQp jfindertieitade
unter Mitwirkung hervorragender Fachärzte
herausgegeben
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Sanitätsrat Dr. Sonnenberger m Worms.
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Jahr 6 Mk., direkt unter Kreuzband für Deutschland und Österreich-Ungarn 6 Mk. 50 Pf., 7 Mk.
fürs Ausland. Mit Frauenarzt zusammen bezogen statt 24 Mk. nur 20 Mk. Einzelne Hefte 1 Mk.
— Bestellungen nimmt jede Buchhandlung und Postanstalt sowie auch die Verlagsbuchhandlung
jederzeit gern entgegen.
XXV. Jahrg. April 1914. No. 4. ( 292 .)
INHALT: Originalien: Dutolt, Uber Aristolöl in der Augenheil¬
kunde. 73. — Ubersichtsreferate: Noviform. 78. — Referate: Broca
u. Maltas, Die Radiotherapie bei lokalen Tuberkulosen. 81. — Alsberg, Here¬
ditäre Syphilis. 82. — Klsslfng, v. Behrings Diphtherie-Vakzin. 82. — Bagins-
k Y* Kinderkrankheiten während des Schullebens. 84. — Müller u. Schloß, Die
wichtigsten Nahrungsmischungen für den Säugling. 84. — Salömon, Diabetes
innoeens der Jugendlichen. 86. — Erlbeck, Hygienische Milch Versorgung
der Städte. 88. — Stettiner, Aus dem Gebiete der Säuglingschirurgie. 90. —
Erlacher, Subluxatio radii perannulare. 91. — Gettkant, Schulärztliche
Untersuchung an Fortbildungsschulen. 92. — Peters, Beeinflussung der
Schulleistungen unserer Volksschulkinder durch körperliche Störungen. 93.—
Bücherbesprechungen: Michaelis, Das Impfgesetz für das Deutsche
Reich vom 8. April 1874. Einleitung und Erläuterungen. 93. — Wolf, Öffent¬
liche und persönliche Gesundheitspflege in ihrer Bedeutung für den Einzelnen.
94. — Dlppe, Die wichtigsten angeborenen Krankheitsanlagen, ihre Bedeutung
und Bekämpfung. 94. — Rosln, Das Blut und seine Bedeutung für Gesund¬
heit und Krankheit. 94. — Strauß u. Ramberger, Die Stoffwechselkrankheiten:
Fettsucht, Zuckerkrankheit, Gicht und ihre Verhütung. 94. — Walkhoff, Zahn-
und Mundpflege. 94. — Bergeli, Chemische Probleme in der Gesundheits¬
pflege. 94. — Kurze Notizen aus der Praxis und Wissenschaft.
94. — Kleine Mitteilungen. 96.
Originalien.
Über Aristolöl in der Augenheilkunde.
Von Dr. A. Dutoit in Montreux (Schweiz).
Daxenberger verdanken wir die Einführung des Aristols in
die Augenheilkunde, und zwar, bemerkenswerter Weise, in Form
eines „öligen“ Kollyriums. Wir wissen nicht, in wie weit
diese erste „Lösung“ unseren heutigen technischen Vervollkomm¬
nungen entspricht, aber wir glauben, gestützt auf unsere eigenen
Beobachtungen, welche wir später vorführen möchten, daß es jeden¬
falls keine bessere Axt und Weise gibt, das Aristol in der Augen¬
heilkunde zu gebrauchen.
Den Grund hierfür suchen und finden wir einzig in der
öligen Lösung
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74
Nachdem wir an anderer Stelle und in anderem Zusammen¬
hänge*) die hervorragenden Eigenschaften der öligen Kollyrien
ganz allgemein dargestellt haben, erlauben wir uns, auf diese Mit¬
teilung hinzuweisen und bedauern zugleich, daß den öligen
Kollyrien heute noch Vorurteile im Wege stehen, welche in Wahr¬
heit, nur aus den verschiedenen Mängeln der seinerzeit zubereiteten
öligen Lösungen sich erklären lassen.
Daxenberger sagt in einer wesentlich späteren, zweiten
Arbeit über Aristolöl: „Ich ließ vor etwa 8 Jahren ioproz.
Lösungen von Aristol in Olivenöl in Apotheken anfertigen; es
konnten mich aber diese Präparate keineswegs befriedigen; die
Lösungen waren nicht egal, nicht haltbar, wurden bald trübe,
schmierig und ließen das Aristol als gelben Bodensatz vielfach aus¬
fallend
Daxenberger wendet sich infolgedessen an die Firma Farben¬
fabriken vorm. Bayer &Cie. in Leverkusen und erhält von dort das Aristolöl
in einer tadellosen und haltbaren Verfassung, welche ihn zu neuen
Versuchen ermuntert und, gemäß seinen Angaben, in jeder Beziehung
befriedigt.
Hinsichtlich der Sterilisationsmethode, wie sie Bayer
für das Aristolöl übt, erlauben wir uns nochmals, gleich
Daxenberger’s eigene Worte hinzusetzen: „Die Sterilisations¬
methode von Aristolöl beruht auf einer möglichst aseptischen Zube¬
reitung des Präparates mit sterilem Olivenöl. Diese erfolgt in der
Weise, daß Aristol zunächst durch Äther nochmals gereinigt wird,
indem die entsprechende Menge Aristol in einer hinreichenden Menge
Äther gelöst und die so erhaltene Lösung filtriert wird. Nach dem
Abdunsten des Äthers auf dem Wasserbade wird das Aristol in bei
150 0 sterilisiertem Olivenöl durch anhaltendes Schütteln gelöst,
diese Lösung nach sechs bis ac^it Tagen durch ein steriles Filter
im Brutschrank bei 40 0 filtriert und in sterile dunkle Gläser ab¬
gefüllt. 41
Angesichts dieser peinlichen Sorgfalt, welche der Zubereitung
des Aristolöls zu Grunde liegt, verdient das Präparat uneinge¬
schränktes Zutrauen und weiteste Verbreitung.
Spätere Mitteilungen, so von Fischer, von Binder, bestätigten
die guten Erfahrungen Daxenbergers in allen Punkten. Sonst
aber gilt von dem Aristolöl wohl das Gleiche, was wir an der ein¬
gangs erwähnten Stelle von den öligen Kollyrien im allgemeinen
gesagt haben: Vorurteile verhindern die allgemeine Anwendung, im
besonderen in der Augenheilkunde, ein ganz ungerechtfertigter Zu¬
stand, welchem wir mit diesen Zeilen Abbruch tun möchten.
In der bezeichneten, zweiten Mitteilung von Daxenberger
finden wir eine für die damalige Zeit zusammenfassende Zusammen¬
stellung aller klinischen Indikationen des Aristolöls, wie sie von
zahlreichen Autoren auf den Gebieten der Chirurgie, der
Dermatologie, der Gynäkologie, der Rhino- und Otologie
hinreichend geprüft wurden.
*) Ztsckr. f. Augenhlkde., 1913, Bd. 30, S. 132.
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75
Wir enthalten uns hier genauerer Hinweise, verzichten auch
auf weitere Bemerkungen über die chemisch-physikalischen und
pharmakologischen Eigentümlichkeiten des Aristolöls und werfen
noch einen kurzen Blick auf die bezüglichen Erfahrungen von
Daxenberger, welche uns als Vorlage zu unseren eigenen Ver¬
suchen gedient haben.
In der Augenheilkunde also räumt Daxenberger, gleich¬
wie übrigens später Binder, ebenso Fischer, die lymphatisch¬
skrofulösen Erkrankungen in ihren mannigfaltigsten Formen
der Anwendung des Aristolöls in erster Linie ein. Wie wir glauben
und wie unsere Beobachtungen zeigen werden, mit. vollem Recht.
Denn das Aristol an sich spaltet leicht Jod ab und entfaltet auch
in öliger Lösung eine dementsprechende Wirkung, welche, wenn
auch nicht experimentell bewiesen, so doch gewiß aus den klinischen
Tatsachen hinlänglich klar hervorgeht.
Ohne auf die Beinflussung der Skrofulöse durch Jod hier
näher einzutreten, ohne im besonderen breiter zu erörtern, ob eine
solche auch durch den örtlichen Gebrauch eines jodhaltigen und
jodabgebenden Präparates in genügendem Maße zustande kommt,
rufen wir doch in Erinnerung, daß die Verordnung von Jod bei
Skrofulöse jetzt in hohem Ansehen steht und denken, daß selbst
kleinste Mengen, gerade in engster Berührung mit dem Erkran¬
kungsherd — wie es bei der Einträufelung von Aristolöl ja der
Fall ist — in diesem Sinne eine günstige Wirkung entfalten.
Hinsichtlich der lymphatisch-skrofulösen Erkrankungen be¬
ziehen sich die Beobachtungen von Daxenberger — neben den
Blepharitiden — im besonderen auf die Konjunktivitis und Kera¬
titis phlyctaenulosa, „auch im Stadium der Reizung, wo Kalomel
und gelbe Salbe noch nicht angezeigt sind.“
Sehr bemerkenswert lautet in diesem Zusammenhang das
Urteil von Binder über das Aristolöl: „Das Aristolöl hat die Er¬
wartungen weit übertroffen bei jeder Form der Ekzeme“. — —
„Vor dem bisher am meisten gebrauchten Mittel, Kalomel, hat es
große Vorteile voraus“.
Daxenberger, ferner Binder, ebenso Fischer, rühmen
einstimmig die deutlich anästhesierende Wirkung des Aristolöls,
welche auch den Blepharospasmus und die Epiphora lindert.
Diese Hinweise, obwohl sie die Anwendung und den Nutzen des
Aristolöls im Gebiet der lymphatisch-skrofulösen Augenleiden
noch keineswegs erschöpfen, bezwecken, im Grunde, ebensosehr die
Überleitung zu unseren eignen hierhergehörigen Beobachtungen wie
die Einstellung der Aufmerksamkeit auf die Schriften von Daxen¬
berger, Binder, Fischer, Schriften, welche in etwas abseits ge¬
legenen Journalen schon vor etlicher Zeit erschienen und damit
— ganz mit Unrecht — sozusagen in Vergessenheit geraten sind.
Andere Veröffentlichungen über Aristolöl gibt es unseres
Wissens nicht
Wir halten darum mit unseren eigenen Erfahrungen an dieser
Stelle nicht länger zurück und bringen im Anschluß an das Gesagte
zunächst einmal die Ergebnisse mit Aristolöl bei lymplia-
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7 $
tisch-skrofulösen Erkrankungen der Lider, der Binde-
und Hornhaut vor — Ergebnisse, welche wir. im Gegensatz zu
denjenigen anderer später zu erwähnender Fälle, teilweise aus¬
führlicher mitteilen.
Einschaltend bemerken wir, daß wir seit etwa sechs Monaten
beinahe täglich — schätzungsweise in vielleicht 200 Fällen der
verschiedensten Augenleiden und leichterer Verletzungen jeglicher
Art der Binde- und Hornhaut — ausschließlich das von Bayer
zubereitete Aristolöl gebrauchen, und zwar in der von Binder
zumal für ophthalmologische Zwecke empfohlenen Fassung,
welche in einem nur 5,0 g haltenden Fläschchen aus braunem
Glase mit sorgfältigst eingeschliffenem Glasstöpsel besteht Der
Stöpsel geht in einen Glasstab über, welcher schraubenförmig ge¬
wunden und an seinem freien Ende löffelartig verbreitert erscheint
(Die Viktoria-Apotheke, Berlin SW. 48, hält diese Fläschchen stets
zum Bezug bereit)
Bei der Behandlung lymphatisch-skrofulöser Augenleiden im
allgemeinen gilt es in erster Linie immer daran zu denken, daß es
sich dabei um örtliche Äußerungen einer über den ganzen Körper
verbreiteten Störung im Saftaustausch bestimmter Zellgebiete
handelt, daß also ein derartiger Zustand — wenn wir nur einen
einigermaßen befriedigenden Erfolg auf die Dauer erzielen wollen
— gerade auch eine Beeinflussung mit innerlichen Mitteln
erfordert Wir denken hier nicht an opotherapeutische Versuche,
sondern an das, was uns die Erfahrung stets von neuem lehrt und
bestätigt, nämlich, daß die Skrofulöse auf die Einführung bald
des Eisens, bald des Jods hin zumeist bedeutend sich bessert
Allerdings heißt es hier wiederum sich davor zu hüten, Eisen¬
oder Jodpräparate wahllos zu verordnen. Wir erinnern nur der
Vollständigkeit halber an die Gefahr der Jodeinnahme bei örtlicher
Anwendung von Kalomel.
Abgesehen davon bleibt es aber eine bekannte Tatsache, daß
viele Skrofulöse trotz Eisen oder Jod ihr Verhalten nicht oder
nur vorübergehend ändern. Bald handelt es sich dabei um die ein¬
fache Verfehlung, daß statt Eisen Jod — oder umgekehrt —
verschrieben wird, bald aber um den viel näher liegenden Fall, daß
sowohl das gewählte Jod- als auch das Eisenpräparat wirkungslos
bleibt, weil es entweder ohne physiologische Kenntnisse zubereitet
ist oder dem Einzelnen überhaupt nicht zusagt.
Solange wir bezüglich des Eisen- und Jodstoffwechsels noch
im Dunkeln tappen und nur auf die tägliche Erfahrung ab¬
stellen müssen, solange ermüden wir doch nicht, die Frage der
Jod- und Eisenbehandlung der Skrofulöse wenigstens praktisch
zu fördern, indem wir jedes neu aufkommende und einigermaßen
Vertrauen erweckende Jod- oder Eisenpräparat in den Kreis unserer
Versuche ziehen.
Da wir von der Beeinflussung der Skrofulöse durch innerliche
Joddarreichung in einem anderen Zusammenhang zu sprechen ge¬
denken, so beschränken wir uns in den folgenden Zeilen ausschließ-
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77
lieh auf die Mitteilung der Erfahrungen, welche wir in letzter Zeit
mit einem„F e r r es k a s a n“ *) genannten Eisenpräparat gemacht haben.
Dieses Präparat hat uns in Verbindung mit der örtlichen An¬
wendung des Aristolöls bei der Behandlung lymphatisch-skrofu¬
löser Augenleiden bemerkenswerte Dienste geleistet, wie nun die
folgenden Fälle gleich zeigen mögen.
1. Blepharitis sieca-squamosa bei einem 9jährigen Mädchen mit
geschwollenen Halsdrüsen. Hämoglobin 60 Proz.
Tägliche Bestreichung der Lidränder mitAristolöl unter Benützung eines
steifen Haarpinsels. Dauer der Behandlung 25 Tage. Gleichzeitig Ferreska¬
san, dreimal täglich ein Eßlöffel voll.
Unmittelbares Ergebnis: Lidränder frei von Schuppen und Krusten,
ohne Spur von Rötung. Allgemeinzustand befriedigend. Appetit vorzüglich.
Hämoglobin 80 Proz. Drüsenschwellungen am Hals zurückgegangen. Ferreska¬
san wie bisher.
Kontrolle nach vier Wochen: Lidränder gesund. Hämoglobin jetzt 90
Proz. Entlassen.
2. Blepharitis ulzero-squamosa, schwere einseitige Erkrankung
bei einem 17jährigen Mädchen. Allgemeiner Schwächezustand. Hämoglobin
40 Proz. Von anderer Seite schon längere Zeit mit weißer Präzipitatsalbe
und Pil. Blaudii ganz erfolglos behandelt.
Aristolöl wie bei Fall 1. Ferner je abends Verband der Lider mit
Aristolöl. Ferreskasan, dreimal täglich ein Eßlöffel voll.
40 Tage später: Lidränder frei von Krusten und Pusteln, ohne Rötung.
Befinden im ganzen gekräftigt. Hämoglobin 70 Proz.
Kontrolle nach vier Wochen: örtlich und allgemein alles in bester Ord¬
nung. Hämoglobin 90 Proz.
3. Konjunktivitis skrofulösa. Bds. mehrere Randphlyktänen
mit Blepharospasmus und ziliarer Reizung. 7jähriges Mädchen mit ge¬
schwollenen Halsdrüsen. Hämoglobin 60 Proz. Kein Appetit. Aristolöl zu
Einträufelungen mehrmals täglich, in der Sprechstunde jeden zweiten Tag
Massage mit Aristolöl. Ferreskasan, dreimal täglich ein Eßlöffel voll.
Ergebnis nach 20 Tagen: Beide Augen völlig reizfrei, Hornhaut klar
und glänzend. Allgemeinbefinden günstig. Appetit nie versagend. Hämo¬
globin 80 Proz. Ferreskasan wie bisher.
Kontrolle nach sechs Wochen: Beide Augen dauernd gesund. Hämo¬
globin 90 Proz. Entlassen.
4. Blepharokonj unkti vitis skrophulosa. Bds. Lidränder mit
kleinen Pusteln besetzt, Randphlyktänen, Blepharospasmus, ziliare Reizung.
Zehnjähriger Knabe durch vorangegangene Masernerkrankung sehr geschwächt.
Hämoglobin 50 Proz.
Behandlung mit Aristolöl wie bei Fall 3. Ferreskasan, dreimal täglich
ein Eßlöffel voll.
40 Tage später: Bds. Lidränder frei von Pusteln und Krusten, Augen
reizfrei, Hornhaut klar und glänzend. Allgemeinzustand sehr gekräftigt.
Hämoglobin 80 Proz.
*) Ferreskasan besitzt einen Gehalt von 0,36 Proz. metallischen Eisens
in Form einer neutralen Eiseusaccharatlösung, dargestellt aus stets
frischen Fällungen vou Eisenoxyd, um die weitgehendste Resorption zu ge¬
währleisten, in Verbindung mit Salzen der Glj'zerophosphorsäure und in ge¬
ringen Mengen der Kakodylsäure. Die übrigen Bestandteile sind Saccharose,
Aromatika und Alkohol (ca. 1 Proz.).
Die Firma Scheller & Cie., A.-G., Zürich, welche Ferreskasan zubereitet
und in den Handel bringt, legt einen ganz besonderen Wert darauf, daß die
Fällungen von Eisenoxyd stets frisch sind. Es wird davon nur soviel
gefällt als sofort aufgearbeitet werden muß für den täglichen Bedarf ; denn
bekanntlich sind überhaupt nur die frisch gefällten Eisenverbindungen gut
resorptionsfähig, während mit der Zeit diese Eigenschaft bald gänzlich
schwindet. Jedem Arzt begegnet es, daß z. B. frisch zubereitete Pil. Blaudii
günstig wirken, während alte Ware augenscheinlich ijn Stich läßt.
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Kontrolle nach vier Wochen: örtlich und allgemein dauernd gesund.
Hämoglobin 90 Proz.
5. Keratokonjunktivitis skrofulösa. Einseitige schwere pustu-
löse Entzündung der Binde- und Hornhaut mit beginnender Pannusbildung.
Achtjähriger, sehr abgemagerter Knabe. Hämoglobin 60 Proz.
Aristolöl wie bei Fall 3. Ferreskasan, dreimal täglich ein Eßlöffel voll.
38 Tage später: Auge reizfrei, Hornhaut, abgesehen von einer um¬
schriebenen, zarten, oberflächlichen Trübung im inneren Quadranten, jetzt
klar und glänzend. Hat 2 kg an Körpergewicht zugenommen. Hämoglobin
80 Proz.
Kontrolle nach sechs Wochen: Auge dauernd gesund. Allgemeinzustand
befriedigend. Appetit vorzüglich. Gewicht 25 kg. Hämoglobin 100 Proz.
6. Keratokonjunktivitis skrofulosa. Ähnlich wie Fall 5.
12 jähriges Mädchen mit Otitis media purulenta bds. nach Scharlach. Körper¬
gewicht 26 kg. Hämoglobin 50 Proz.
Behandlung mit Aristolöl wie bei Fall 3. Außerdem täglich ein in
Aristolöl getauchter Gazedocht in jeden äußeren Gehörgang. Ferreskasan,
dreimal täglich ein Eßlöffel voll.
40 Tage später: Auge reizfrei, Hornhaut klar und glänzend, keine
Makula. Beide Ohren trocken. Körpergewicht 29 kg. Hämoglobin 80 Proz.
Kontrolle nach vier Wochen: Auge dauernd gesund. Kein Ohrausfluß
mehr. Körpergewicht 32 kg. Hämoglobin 90 Proz.
* *
*
Wir begnügen uns mit dieser kleinen Zusammenstellung und
fügen ferner bei, daß wir Aristolöl ständig bei traumatischen
Erosionen der Hornhaut und zur Nachbehandlung bei
Fremdkörperauskratzungen, bei Konjunktivitis angu¬
laris, bei Konjunktivitis neonatorum nongonorrhoika,
bei Keratokonjunktivitis katarrhalis anwenden und ver¬
ordnen, und daß das Präparat wegen seiner raschen, milden und
sicheren Wirkung uneingeschränktes Vertrauen und weiteste Ver¬
breitung verdient.
Mit dieser Schlußfolgerung, welche sich zur Zeit wie oben er¬
wähnt, auf annähernd 200 eigene Beobachtungen stützt, finden wir
uns zudem in angenehmster Übereinstimmung mit Daxenber ger,
Binder und Fischer.
Wir verweisen endlich noch darauf, daß Binder im besonderen
das Aristolöl auch zur Nachbehandlung bei „kleineren
Bulbusoperationen 44 angelegentlich empfiehlt und hoffen, ge¬
rade auf diesem Gebiet bei nächster Gelegenheit einige bemerkens¬
werte Erfahrungen mitteilen zu können.
Literatur.
Daxenberger, Wschr. f. Tlier. u. Hyg. d. Auges, 1903, Nr. 15. — Die
Heilkunde, 1908, Nr. 2.
Binder, d. Ther. d. Gegenw., 1906, Nr. 6.
Fischer, Gyögyaszat, 1905, Nr. 45. (Auszug aus der „Allgem. W. m.
Ztg.“, 1908, Nr. 35.)
Übersichtsreferate.
Noviform.
Unsere gebräuchlichen Antiseptika sind für die lebenden Zellen
des menschlichen Organismus stärkere Gifte als für die Bakterien.
Eine Desinfektion des lebenden Gewebes durch diese Mittel ist also
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ohne Schädigung des Gewebes selbst nicht möglich, und diese Er¬
kenntnis hat seinerzeit v. Behring an der Möglichkeit einer arznei¬
lichen Therapie der Infektionskrankheiten überhaupt verzweifeln
lassen. Wir müssen uns also darüber klar sein, daß eine Behandlung
von Wunden mit rein bakteriziden Substanzen nichts weiter leisten
kann als eine Abtötung oder Entwicklungshemmung der an der
Oberfläche der Wunde sitzenden Infektionserreger. Gegen Keime,
die schon ins Gewebe eingedrungen sind, sind wir mit solchen Sub¬
stanzen machtlos, wir riskieren vielmehr bei ihrer Anwendung, durch
Schädigung der Vitalität der Gewebe den eingedrungenen Keimen
in dem geschädigten Gewebe einen vorzüglichen Nährboden zu schaffen.
Wenn wir aber auch beim Kampf gegen die ins Gewebe ein¬
gedrungenen Keime auf die Schutzkräfte des Organismus und auf
Mittel zu deren Verstärkung angewiesen sind, so können wir doch
durch eine entsprechende Wundbehandlung die an der Oberfläche
der Wunde sitzenden und durch mechanische Verunreinigung usw.
dorthin gelangten Bakterien an ihrer Weiterentwicklung hindern
und dadurch die Möglichkeit ihrer Invasion ins lebende Gewebe
verhüten. Wir können dies durch Austrocknen der Wunde.
Da das von der Wunde gebildete Sekret einen ausgezeichneten Nähr¬
boden für Bakterienwachstum darstellt, und da auch der durch den
Wundverband gewährte Schutz der Wunde vor Wärmeverlust die
für eine reichliche Vermehrung der Bakterien günstigsten Tempera¬
turverhältnisse schafft, so muß eine rationelle Wundbehandlung be¬
dacht sein auf i. die Ableitung des gebildeten Sekrets,
2. möglichste Verminderung der Sekretbildung.
Das erste Postulat, die Ableitung und Aufsaugung des Sekrets,
verlangt zu seiner Erfüllung neben der Anwendung aufsaugender
Verbandstoffe, mit der sich viele Chirurgen begnügen, die Verwen¬
dung eines Pulvers von entsprechender Feinheit und Aufsaugefähig¬
keit, das leicht in alle Buchten der Wunde dringt, das Sekret auf¬
saugt, zum Eintrocknen bringt und auch an die Verbandstoffe weiter¬
gibt Auf dieser Grundlage ruht ja auch die moderne Bolustherapie
von Wunden und infizierten Schleimhäuten.
Für die Erfüllung des zweiten Postulats, nämlich die Vermin¬
derung der Sekretbildung, ist eine besondere pharmakologische
Wirkung des betreffenden Mittels nötig. Wir wissen, daß den Wis¬
mutverbindungen ganz allgemein sekretvermindernde, austrocknende
Eigenschaften zukommen, und die Pharmakologie führt diese Wirkung
auf die Bildung unlöslicher, fester Wismutalbuminate zurück. Wegen
der Möglichkeit einer resorptiven Wismutvergiftung sind lösliche
Wismutpräparate von der Verwendung als Mittel zur Wundbehand¬
lung ausgeschlossen.
Wir kommen auf diese Weise zu der Forderung einer unlös¬
lichen, pulverförmigen, aufsaugefähigen Wismutverbindung. Mit
Rücksicht auf die Patienten darf auch verlangt werden, daß ein
Wundantiseptikum völlig geruchlos ist. Eine weitere selbstverständ¬
liche Voraussetzung ist die Reizlosigkeit eines solchen Präparates,
da ja jede Reizwirkung durch Vermehrung des Sekrets oder im
ungünstigsten Falle durch Erzeugung eines nässenden Ekzems in
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der Umgebung der Wunde die Möglichkeit von Sekundärinfektionen
wieder vermehren müßte.
Eine antiseptische Wirkung eines solchen unlöslichen Mittels,
das nicht durch Resorption in die Gewebe gelangen und dort eine
schädliche Wirkung ausüben kann, ist aus dem Grunde erwünscht,
weil sie die Möglichkeit einer Zersetzung des mit dem Sekret voll¬
gesaugten Pulvers noch mehr herabsetzt. Nach dieser Richtung hin
ist besonders das in manchen Fällen schwer ersetzliche Jodoform
noch sehr verbesserungsbedürftig. Doch darf man sich von einer
derartigen antiseptischen Wirkung nicht zu viel versprechen.
Ein solches Mittel, das auf Grund unserer modernen Anschauung
über Wundantisepsis allen angeführten Forderungen gerecht wird,
ist das Noviform.
Die Wundbehandlung mit Noviform steht ganz auf
dem Boden der modernen Chirurgie und kommt den An¬
schauungen der Anhänger der reinen Asepsis in weitestem
Maße entgegen.
Noviform leitet das Sekret in die Verbandstoffe ab und bringt
es zum Eintrocknen, vermindert die Sekretbildung durch die ihm
eigentümliche Einwirkung auf sezemierende Wunden und Schleim¬
häute, vermindert dadurch die Gefahren einer Wundinfektion, des¬
odorisiert Wunden und Geschwüre, da es die zu dem schlechten
Geruch führende faulende Zersetzung von Wundsekretionen beseitigt,
ist für die Wunde und überhaupt für lebendes Gewebe reizlos, für
den Körper ungiftig, ist geruchlos, sparsam im Gebrauch, ist steri¬
lisierbar und ermöglicht daher die Vermeidung einer Infektion durch
mechanische, dem Streupulver anhängende Keime.
Die Zusammensetzung des Noviforms entspricht der Formel:
Bi (C 6 Br 4 0 2 ) OH.
Noviform ist ein gelbes, völlig geruchloses und geschmackloses
Pulver von sehr feiner Konsistenz, unlöslich in Wasser, in organi¬
schen Lösungsmitteln (Alkohol, Äther, Azeton) etwas löslich. Es
enthält ca. 32 Proz. Wismutoxyd. Noviform läßt sich ohne Zersetzung
auf 110 0 C (aber nicht höher!) erhitzen und daher im strömenden
Wasserdampf sterilisieren.
Die sekretionsvermindernde und austrocknende Wirkung der
Wismutkomponente des Noviforms ist bekannt Das Tetrabrombrenz¬
katechin ist ein aromatisches Antiseptikum, dessen desinfizierende
Kraft durch die Einführung des Broms in das Brenzkatechinmolekül
gegenüber dem Brenzkatechin wesentlich erhöht ist. Es ist nicht
ausgeschlossen, daß die schmerzstillende und juckreizstillende Wirkung
des Noviforms, die namentlich bei Brandwunden und bei Ekzemen
beobachtet worden ist, vielleicht auch zum Teil diesem Bromgehalt
zuzuschreiben ist, wenn dafür natürlich auch keine Beweise vorhanden
sind. Ähnliche Wirkungen besitzt ja bekanntlich auch das Xeroform,
das eine dem Noviform sehr ähnliche Zusammensetzung hat und
ebenfalls eine Verbindung von Wismutoxyd mit einem bromsubsti¬
tuierten aromatischen Antiseptikum darstellt. Noviform ist als un¬
lösliches Pulver ganz ungiftig. Bei innerlicher Darreichung, auch
hoher Dosen bei Hunden, hat es nie irgendwelche Vergiftungser-
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scheinungen hervorgerufen. Ebensowenig sind bisher beim Menschen
irgendwelche Vergiftungserscheinungen beobachtet worden.
Dr. Bayer hat im bakteriologischen Universitätsinstitut Innsbruck
vergleichende Versuche mit Jodoform und Noviform angestellt und
dabei folgendes festgestellt:
Noviform vermag in dünner Schicht das Wachstum dicht aus¬
gesäter Staphylokokkenkulturen auf Agar-Agar vollständig zu unter¬
drücken, während Jodoform dazu nicht imstande war. Noch frappanter
wurde der Unterschied zugunsten des Noviforms, wenn jeweils die
eine Hälfte der Platte mit Noviform, die andere Hälfte mit Jodoform
bestreut wurde. Noviform vermag noch in einer Entfernung von
3 cm eine entwicklungshemmende Fernwirkung auszuüben. Die
wachstumshindernde Tiefenwirkung des Noviforms erstreckte sich
bis 1,5 cm unterhalb der Oberfläche.
Noviform ist indiziert zur Behandlung aseptischer und infizierter
Wunden, Brandwunden, Geschwüre und Schleimhautinfektionen jeder
Lokalisation. Seine Anwendung ist besonders dann wertvoll, wenn
es sich um die Bekämpfung übermäßiger Sekretion und um die
Schaffung normaler Wund Verhältnisse handelt.
Die Anwendung des Noviforms findet statt als Pulver, ioproz.Gaze,
3—2oproz. Salbe, Stäbchen (besonders zur Fistelbehandlung), Vaginal¬
kugeln undSuppositorien, Schmelzbougies, Pasten fürZahnwurzelfüllung.
Referate.
Die Radiotherapie bei lokalen Tuberkulosen. Von A.
Broca und V. Mahas. (Fortschr. a. d. Gebiete d. Rönt-
genstr., 1913, H. 4.)
Die Verf. haben seit 1912 in mehr wie 200 Fällen lokaler Tuber¬
kulose im Kinderhospital in Paris Radiotherapie angewendet und
berichten auf dem 17. Internationalen Kongreß für Medizin 1913
über ihre Erfahrungen.
Die behandelten Fälle teilen sie in 4 Gruppen ein:
1. Hauttuberkulosen,
2. Tuberkulosen der Sehnenscheiden,
3. Tuberkulöse Drüsenerkrankungen,
4. Knochen- und Gelenktuberkulosen.
Die Resultate sind: Gruppe 1, 26 Fälle, 18 vollkommene
Heilungen, 8 sehr wesentliche Besserungen; Gruppe 2 mit 7 Fällen,
6 Heilungen, 1 Besserung; Gruppe 3 mit 79 Fällen, 36 vollständige
Heilungen, 24 wesentliche, 19 deutliche Besserungen; Gruppe 4 mit
21 Fällen von Spina ventosa und lokalisierten Knochenherden,
7 vollständige Heilungen, 11 sehr erhebliche Besserungen, 3 Versager,
mit 14 Fällen von Tumor albus 5 Heilungen, 8 Besserungen,
1 Versager.
Die eben kurz besprochenen Erfolge sind in ihrer Gesamtheit
außerordentlich interessant und dies umso mehr, als sie bei Patien¬
ten der armen Bevölkerung erzielt wurden, bei Patienten, bei denen
Hygiene und Ernährung viel zu wünschen übrig ließen, die meist
Kinder-Ar*t XXV. Jahrp. 1914. 6
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82
tuberkulös und oft syphilitisch hereditär belastet waren. Die Zu¬
kunft der Röntgentherapie bei lokalen Tuberkulosen berechtigt zu
schönen Hoffnungen.
Frei von Gefahren, kann die schmerzlose Bestrahlung in der
Mehrzahl der Fälle von lokalen Oberflächen-Tuberkulosen, von tuber¬
kulösen Erkrankungen der Drüsen und Sehnenscheiden mit sehr
schönen Narben zur Heilung führen. Zugleich mit den Punktionen,
der breiten Inzision der kalten Abszesse, der Auskratzung der
fungösen Granulation, der Entfernung der Knochensequester ange¬
wandt, wird sie in allen noch so schweren Fällen eine wertvolle
Unterstützung der chirurgischen Behandlung sein.
Schlichting (Kassel).
Beitrag zur hereditären Spätsyphiliserkrankung. Von
Alsberg-Kassel. (Arch. f. Kdhlkde., Bd. 60 u. 61.)
Vierjähriges Kind, leichenblaß, dürftig entwickelt, Exophthalmos
rechts, in Stirn- und Scheitelbein derselben Seite Defekte bis Zwei¬
markstückgröße mit wallartigen Rändern, vernarbte Rhagaden an
den Lippen, Infiltration des rechten Oberlappens der Lunge (erst
während der kurzen Beobachtung aufgetreten!), Leber und Milz
vergrößert.
Aus diesem Befunde und der Anamnese — die Mutter hatte
vor dem Kinde 2 Fehlgeburten und vor diesen einen Hautausschlag,
das Kind litt nach der Geburt an Schnupfen, seine Lippen haben
oft und leicht geblutet — schließt A. auf Lues hereditaria tarda,
d. h. nicht eine nach jahrelanger Latenz auftretende Spätsyphilis,
sondern eine gummöse Form überstandener kongenitaler Frühsyphilis.
Er führt die Schädelveränderungen auf gummöse Prozesse zurück,
und da das Röntgenbild die Wandungen der Orbita besonders ver¬
ändert erscheinen ließ, glaubt er, daß die Verwölbung des Bulbus
durch den Knochenprozeß bedingt wurde. Die Wassermann’sche
Reaktion konnte weder bei den Eltern noch beim Kinde angestellt
werden, Pirquet negativ. Quecksilber und Jod wirkten günstig.
H oli 1 f e 1 d (Leipzig).
Fünfte Mitteilung über vonB ehrin g s Diphtherie-Vakzin.
Von K. Kißling. (A. d. dermat. Abtlg. d. Allg. Kranken¬
hauses Hamburg-Eppendorf. — D. m. W., 1913, Nr. 51.)
Schlußsätze. 1. Von 310 der Diphtheriegefahr besonders
stark ausgesetzten Kranken, welche während einer Zeitdauer von
fünf Monaten mit Behrings Diphtherie-Vakzin geimpft worden
sind, erkrankten an Diphtherie
von m zweimalig geimpften Fällen = o
„ 199 einmalig „ „ = 8
Darunter innerhalb der ersten 9 Tage nach der Impfung 3.
Mit klinisch zweifelhaften Symptomen 3. Kompliziert durch Schar¬
lach und anderweitig akzidentelle Erkrankungen 3.
2. Von den klinisch bezw. bakteriologisch diagnostizierten
Diphtherieerkrankungen ließen 5, die sämtlich Scharlachrekonvales¬
zenten betrafen, einen so auffallend leichten Krankheitsverlauf er-
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kennen, daß mit großer Wahrscheinlichkeit ein günstiger Einfluß
der Impfung angenommen werden muß.
3. a) Im Gegensatz zu Kleinschmidt und Viereck ist nach
unseren Erfahrungen die Interskapularregion als Impfstelle zweck¬
mäßiger als der Oberarm.
b) In Übereinstimmung mit den genannten Autoren scheint
die intrakutane Injektion des Vakzins der subkutanen vorzuziehen
zu sein. Eine besondere probatorische Injektion ist dabei nicht
erforderlich.
c) Auch in unseren Fällen hat sich der Vakzin als vollkommen
unschädlich erwiesen.
d) Für die Massenimpfung in der Vakzinationspraxis können
Blutuntersuchungen auf Antitoxingehalt entbehrt werden, sie be¬
halten aber, wo sie ausführbar sind, einen großen wissenschaft¬
lichen Wert.
e) Ähnlich zu beurteilen ist die Durchführung von Temperatur¬
messungen.
4. a) Auch in unseren Hamburger Fällen ist oft schon nach
einmaliger Impfung eine bedeutende Antitoxinproduktion nachweis¬
bar gewesen. (Bis zu 20 fach normalem Blut.)
b) Die Annahme von Kleinschmidt und Viereck, daß bei
einem 1 j 2 o fach normalen Blut Diphtherieerkrankungen kaum Vor¬
kommen werden, wird durch unsere Beobachtung bestätigt oder
wenigstens nicht widerlegt
c) Zur Erreichung des für einen ausreichenden Diphtherieschutz
erforderlichen Blutantitoxingehaltes scheint eine zweimalige Imp¬
fung empfehlenswert, aber auch in der Regel ausreichend zu sein,
wenn danach eine deutlich wahrnehmbare Lokalreaktion einge¬
treten ist.
5. Wenn einerseits während der ersten Tage nach der erst¬
maligen Impfung ein genügender Diphtherieschutz nicht in Aus¬
sicht gestellt werden kann, so haben wir andererseits auch keine
Anhaltspunkte dafür gewonnen, daß infolge der Impfung zunächst
eine verstärkte Diphtherieempfänglichkeit (sogenannte engative
Phase) eintritt; es scheint im Gegenteil, wenn keine sonstigen Kom¬
plikationen vorliegen, eine nach der Impfung erfolgende Diphtherie¬
infektion einen außerordentlich leichten Verlauf zu nehmen. Danach
wäre bei besonders diphtheriegefährdeten Individuen die Impfung
durchaus nicht kontraindiziert.
6. Anderweitige Erkrankungen, auch solche mit fieberhaftem
Verlauf, sind keine Kontraindikation für die Impfung.
7. Während des Zeitraums zwischen der Impfung und einer
Diphtherieinfektion auftretende, fieberhafte Erkrankungen scheinen
den Vakzinationserfolg (vermutlich wegen gesteigerten Antitoxin¬
verbrauchs) zu beeinträchtigen.
8. Entsprechend der starken Infektionsgelegenheit bei der schweren
Diphtherieepidemie, in der wir stehen, beobachteten wir eine be¬
trächtliche Zahl von Diphtherieerkrankungen bei jungen Ärzten und
beim Pflegepersonal. Die Disposition zur Erkrankung schwindet
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aber nach längerem Arbeiten auf der Diphtheriestation infolge einer
insensiblen Immunisierung mit antitoxinproduzierendem Erfolg.
9. Es wird bestätigt, daß im Säuglingsalter die Empfindlichkeit
gegen den Vakzin in der Regel erheblich geringer gefunden wird
als im späteren Kindesalter und daß die stärkste Empfindlichkeit
bei Erwachsenen beobachtet wird.
Kinderkrankheiten während des Schullebens. Von A. B a g i n s-
ky-Berlin. (Arch. f. Kdhlkde., Bd. 59, H. 5 u. 6.)
B. kommt zu folgenden Schlußsätzen:
1. Wenn man gleich nicht von Schulkrankheiten in dem Sinne
sprechen kann, wie man von Berufskrankheiten spricht, so muß
doch zugegeben werden, daß unter dem Einfluß des Schullebens
bei Kindern eine Reihe von Krankheitsvorgängen Vorkommen, die
beachtenswert sind.
2. Es gibt einen Symptoinenkomplex, welcher als Übermüdung
oder Überarbeitung (overwork) bezeichnet werden muß und unter
dem Einfluß der Schulleistungen entsteht, und es ist nicht richtig,
alles, was in diesem Symptomenkomplex zur Beobachtung gelangt,
lediglich auf kongenitale oder anderweitig erworbene Neurasthenie
oder Psychopathie der Kinder zurückführen zu wollen.
3. Die Myopie, welche sich im Schulleben der Kinder entwickelt,
ist keine bösartige Form der Augenanomalie, sie ist aber doch recht
beachtenswert und kann durch gute Schuleinrichtungen wie auch
durch gute Gestaltung des Schulunterrichts auf einen geringen Grad
des Vorkommens reduziert werden.
4. Die Wirbelsäulenverkrümmungen, welche sich im Schulalter
entwickeln, sind lediglich die Folge zu vieler Sitzarbeit und insbe¬
sondere der zu ausgedehnten Schreibarbeit der Kinder. Die Ver¬
besserung der Methoden des Unterrichts und der Schulpläne kann
dazu beitragen, der Erkrankung vorzubeugen.
5. Es ist ungerechtfertigt, eine große Anzahl von Krankheiten,
die sonst im kindlichen Alter zur Beobachtung kommen, mit dem
Schulleben in kausale Beziehung zu bringen.
6. Gegen die Infektionskrankheiten, auch gegen die Tuberkulose,
vermag eine sorgsame hygienische Überwachung der Schule durch
Schulärzte und hygienisch ausgebildete Schulinspektoren einen
relativen Schutz zu schaffen; notwendige Ergänzung hierzu ist über¬
dies die Verbreitung hygienischer Kenntnisse im Volke selbst.
Hohlfeld - Leipzig.
Anleitung zur Herstellung der wichtigsten Nahrungs-*
mischungen für den Säugling im Privathause. Von
Erich Müller und Ernst Schloß. (Aus dem Großen Friedrichs-
Waisenhaus der Stadt Berlin in Rummelsburg. — M. Kl., 14,
Nr - /•)
Für die künstliche Ernährung gesunder und kranker Säuglinge
kommen folgende Nährgemische in Betracht: 1. die einfachen Milch¬
verdünnungen mit Kohlehydratzusatz, 2. die fettreichen, molkenarmen
Gemische, 3. die Ke 11 ersehe Malzsuppe, 4. die Buttermilch, 5. die
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Eiweißmilch. Die einfache Milchverdünnung mit Kohlehydratzusatz
ist nicht mehr die hauptsächlich in Anwendung zu bringende Nahrung.
Vielmehr ist eine fettreiche, molkenarme Nahrung, wie sie im Waisen¬
haus Rummelsburg seit Jahren gegeben wird, zu empfehlen. Diese
molkenadaptierte Milch kommt der Muttermilch am nächsten. Sie
wird in drei verschiedenen Mischungen je nach dem Alter des Kindes
gegeben. Zur Herstellung der Mischung I gießt man in ein gra¬
duiertes Mischgefäß die rohe Milch bis zu Marke 200, dazu 125 g
= 1 / 8 Liter Sahne von genau 2oproz. Fettgehalt. Dazu setzt man
eine Abkochung von 15 g Mondamin in a / 3 Liter Wasser, die 10
Minuten lang gekocht hat. Dabei kocht die Flüssigkeitsmenge auf
weniger als »/* Liter ein. Dann werden 35 g Zucker hinzu gefügt
und das Ganze unter gutem Umrühren auf 1 Liter (bis zur Marke
1000) mit Leitungswasser aufgefüllt. Nun wird die Mischung auf
die bestimmte Anzahl Flaschen verteilt und 2 bis 3 Minuten (am
besten im Soxhletapparat) gekocht, schnell abgekühlt und kalt auf¬
bewahrt. Anstelle von Rohrzucker kann man S o x h 1 e t s Nährzucker
oder Löflunds Nährmaltose zusetzen, diese evtl, in entsprechenden
Mengen auch als einziges Kohlehydrat. Milchzucker verursacht
leicht Gärungen. Bei Neigung zu Verstopfungen ist er aber direkt
indiziert. Hier kann auch Löf lunds Malzsuppenextrakt verabfolgt
werden. Bei Mischung II und III werden an Stelle der 200 g Milch
300 resp. 400 g Milch genommen. Bei den älteren Kindern können
an Stelle der 35 g Zucker bei Bedarf 40 bis 70 g Zucker genommen
werden. Je nach dem Alter des Kindes werden von dieser auf 1 Liter
berechneten Menge 600 bis 700 bis 1000 g am besten auf fünf Mahl¬
zeiten verfüttert. Bisweilen gedeihen bei dieser Normalernährung
nicht alle Kinder. In diesen Fällen ist die Anwendung derKeller-
schen Malzsuppe von Vorteil. Sie wird folgendermaßen hergestellt:
Das Milchgefäß wird bis zur Marke 330 mit roher Milch angefüllt.
Vorher sind 50 g Weizenmehl mit 8 / 4 Liter Wasser 20 Minuten auf¬
gekocht worden, diese Mehlabkochung wird gleichfalls ungemessen
in das Gefäß gegossen, 100 g Löflunds Malzsuppenextrakt zuge¬
fügt und das Ganze bis auf 1 Liter mit Lei tun gs wasser aufgefüllt.
Diese Mischung wird auf fünf Flaschen verteilt und im So xhletapparat
zwei bis drei Minuten gekocht. Oft empfiehlt es sich, besonders
bei jüngeren Kindern, mit 50 g Malzzucker und 25 g Mehl zu be-
ginnnen. Man kann auch zu der angegebenen Mischung I statt des
Nährzuckers die entsprechende Menge Malzextrakt geben, sodaß dann
eine Sahnenmalzsuppe entsteht. Zweckmäßiger geht man so vor:
Verträgt das Kind die gewöhnliche Malzsuppe gut, so kann man
allmählich den Fettgehalt der Nahrung steigern, am bequemsten in
der Weise,*daß man anfänglich 50 g Milch durch 50 g Sahne ersetzt, also
etwa 280 g Milch + 50 g Sahne mischt; diese Menge kann man dann
stufenweise steigern, bis man die gleiche Milch- resp. Sahnenmenge
benutztwie bei Mischung I. Treten stärkere Darmgärungen auf, so genügt
es oft, der Tagesmenge der Mischung I, II oder III 15 bis 20 g
Plasmon hinzuzusetzen. In allen schweren Fällen soll man dem
Kind gleich oder nach kurzer Teediät Fi n k e 1 s t e i n’sche Eiweißmilch
geben, die sich nach Angabe der Verff. folgendermaßen leicht her-
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stellen läßt: i Liter Buttermilch wird mit i Liter Leitungswasser
(zwei bis drei Minuten) aufgekocht; dann wird diese Mischung ruhig
im Zimmer stehen gelassen; nach etwa einer halben Stunde hat
sich der Käse zu Boden gesenkt und über demselben steht eine
ziemlich klare Molke; nun werden etwa zwei Drittel der gesamten
Flüssigkeit vorsichtig abgegossen, der Rest gut umgerührt, in das
Mischgefäß von i Liter gegossen und 125 g = */a Liter Sahne, die
vorher aber kurz aufgekocht sein muß, hinzugefügt. Jetzt werden
30 bis 50 g Nährzucker dazugetan und das Ganze unter Umrühren
mit einem Teil der vorher abgegossenen Molke auf 1 Liter aufge¬
füllt. Die Menge des Zuckerzusatzes hängt von dem Grade der
vorhandenen Gärungen ab. In weitaus den meisten Fällen kann
man ruhig mit 3 Proz. Zusatz eines der genannten Maltosepräparate
(Nährzucker, Nährmaltose) beginnen und schon nach wenigen Tagen
auf 5 Proz. steigern. Herstellung der Buttermilch: 1 Liter Buttermilch
wird mit 70 g Nährzucker versetzt und unter eifrigem Rühren langsam
innerhalb von 20Minuten zum Kochen gebracht, dann in die S o xh 1 e t-
flasche gefüllt und zwei Minuten gekocht oder direkt im Topfe dreimal
auf dem Herde zum Aufwallen gebracht An Stelle des Nährzuckers
kann auch 15 g Weizenmehl und 50 g Kochzucker benutzt werden.
Ihr Hauptanwendungsgebiet findet die Buttermilchsuppe als Bei¬
nahrung zur Mutterbrust, wenn diese nicht ausreicht Man soll aber
höchstens soviel Buttermilch geben, als natürliche Nahrung vor¬
handen ist. Weiter leistet sie bei Dyspepsien besonders älterer Säug¬
linge oft recht gute Dienste.
über den Diabetes innocens der Jugendlichen, zugleich
ein Beitrag zur Frage des renalen Diabetes. Von
H. Salomon-Wien. (Aus der 1. Med. Klinik der Universität
in Wien. Vorst Prof. v. Noorden. — D. m. W., 1914, Nr. 5.
Das Krankheitsbild, das sich hinreichend scharf von dem eigent¬
lichen Diabetes abhebt, ist zusammenfassend folgendes:
Vielfach ist harmlose früh entstandene Zuckerausscheidung in
der Aszendenz oder bei Geschwistern nachweisbar. Beginn meist
im jugendlichen, auch schon im Kindesalter. Ausgesprochen nervöse
Veranlagung ist bei den Befallenen meist nachweisbar. Die Zucker¬
ausscheidung bietet gewöhnlich Prozentzahlen unterhalb eines Prozents,
abgesehen von einzelnen Tagen oder einzelnen Harnportionen,
bei denen unter dem Einfluß von Erregungen Werte von einigen
Prozenten erscheinen können. Man fühlt sich im ganzen oft an die
Konzentrationsunfähigkeit der Niere erinnert wie beim Diabetes
insipidus.
Bis zu gewissem Grade bietet schon diese niedrige prozentuale
Ausscheidung ein abgrenzendes Moment gegenüber dem echten
juvenilen Diabetes, der meist mit prozentual hoher Zuckerausscheidung
hereinbricht. Die Gesamtausscheidung bei gemischter Kost über¬
schreitet gewöhnlich nicht 12 g pro Tag, die Ausscheidung zeigt
eine weitgehende, wenn auch nicht vollkommene Unabhängigkeit
von der Kost derart, daß der Unterschied zwischen den Harn¬
zuckermengen an Tagen strenger Diät^ und bei völlig gemischter
Kost 8—10 g nicht übersteigt, oft weit darunter liegt.
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Von einer Zulage von 100 g Traubenzucker werden nicht über
io Proz., meist nur i—3—7 Proz. ausgeschieden.
Wenn auch der Blutzucker au! eine derartige Traubenzucker¬
gabe nur um 1—3 cg ansteigt, so fällt das in hohem Grade für
den Diabetes innocens in die Wage, ein Mehranstieg kann einst¬
weilen noch nicht gegen diese Annahme verwertet werden.
Meist aber, ist der Blutzucker auch bei vorhandener Glykosurie
normal, und ein solches Verhalten spricht sehr für die Einreihung
des Krankheitsfalles in die besprochene Kategorie.
Es kann aber ein erhöhter Blutzuckerwert nicht gegen die An¬
nahme eines Diabetes innocens (oder wenn man will Diabetes rena-
lis) in Feld geführt werden.
Die diabetische Erkrankung hat trotz der Jugend der Kranken
keine Tendenz zur Progression.
Bei kohlehydratfreier Kost kann aber je nach der Individualität
der Kranken eine ganz erhebliche Azetonausscheidung vorhanden
sein, bei kohlehydratartiger Kost rasch schwindend, welche die Dia¬
gnose, wenn sich sonst der Krankheitsfall entsprechend verhält, nicht
zu beirren braucht
Die Kranken verhalten sich, von der nervösen Komponente ab¬
gesehen, wie völlig Gesunde und werden von den Beschwerden, welche
die Hyperglykämie beim Diabetes mit sich zu bringen pflegt, nicht
mehr heimgesucht als Gesunde resp. Nervöse (Potenzstörungen, Furun¬
kulose, Neuritiden etc.). Das gilt nach Verf.’s bisherigen Erfahrun¬
gen auch für die Fälle von Diabetes innocens mit Hyperglykämie.
Natürlich kann der Zuckergehalt des Harns belästigen, z. B.
Ekzeme hervorrufen.
Was die Behandlung betrifft, so können wir wohl sicher sein,
daß typischen Fällen eine Ernährung mit völlig gemischter Kost
nicht schaden wird. Dennoch wird man diesen Vorschlag nicht
machen. Denn einmal ist irren menschlich, und wir könnten doch
einen Fall von echtem Diabetes verkennen. Ferner kann einer
unserer Kranken mit innozenter Glykosurie so gut einen Diabetes
bekommen wie ein gesunder Mensch — es würde dann etwa ein
Zustand sich einstellen, wie ihn H. Stern „Diplomelliturie“ nennt
— und würde das Faktum dann seinem Arzte zur Last legen,
wenn er diätetisch zu liberal behandelt worden ist. Man wird aus
diesen Rücksichten zunächst etwa zu einer kohlehydratfreien Kost
mit Zulagen im Äquivalent werte von 100—200 g Weißbrot raten,
ein Quantum an Mehlstoffen, mit dem man leicht auskommt Wenn
dann durch Jahre hindurch der Zustand stationär bleibt, wird die
Diätetik des Kranken sich ganz von selbst weitere Konzessionen
machen.
Die Kenntnis des geschilderten Krankheitsbildes ist, zumal es
ein nicht seltenes ist, für den Arzt von großer Bedeutung. Den von
S. beobachteten Kranken hatte man größtenteils — besonders dem
Kinde — die traurigste Prognose gestellt, hatte sie namentlich vor
der Heirat auf das eindringlichste gewarnt
Freilich ist nicht allzu viel Unglück passiert, denn auch nicht
einer der Heiratskandidaten hatte seinem Arzte gefolgt. Aber meist
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erfolgte die Ehe unter dem Widerspruch der Angehörigen, und es
hatten doch noch viele Jahre die Schatten kommenden Unheils über
der Verbindung gelegen.
Namentlich werden aber auch die Lebensversicherungsanstalten
damit rechnen müssen, daß es chronische Zuckerausscheidungen gibt,
die selbst junge, damit behaftete Leute um nichts minderwertiger
gegenüber dem Gesunden erscheinen lassen. Autoreferat.
Wer leistet die sicherste Gewähr für eine hygienische
Milchversorgung der Städte? Ein Beitrag zur Errich¬
tung kommunaler Milchzentralen. Von Alfred R. Erlbeck-
Oetzsch b. Leipzig. (D. Krankenpfl.-Ztg., 1913, Nr. 23.
Die Versorgung der Städte mit Milch hat vermöge der großen
Wichtigkeit, welche diese Frage für die Gesundheit und Lebens-
mitttelbescliaffung der städtischen Bevölkerung besitzt, in den letzten
Jahren einen Hauptgegenstand des Studiums der sich mit kommu¬
nalen Angelegenheiten befassenden Kreise gebildet, und ist so zu
einer der brennendsten geworden. Ihre allgemeine und besonders
sozi ale Wichtigkeit ist deshalb so groß, weil die Milch als Nahrungs¬
mittel nicht nur in Teuerungszeiten, sondern durchweg immer breiter
sich einbiirgert und heute schätzt man den Milchgenuß rein gesund¬
heitlich in seinem Nährwert für jedes Lebensalter. Allerdings soll
man die Milch rein und einwandfrei genießen. Sie soll also
unverfälscht und ungeschädigt bleiben auf dem Wege von
der Gewinnung im Kuhstall, ihrer Produktionsstätte bis zum Kochtopf
oder Mund der Verbraucher. Man möchte sie möglichst gut
dem Konsum überliefert sehen, wohl wissend, daß der Weg sich
meist lang erstreckt und voller Gefahren für die Milch bleibt Da
nun aber die städtische Bevölkerung die Erfahrung machen mußte,
daß die Durchführung einer hygienisch einwandfreien Milchversorgung
infolge der heutigen ungeregelten Verhältnisse ohne weiteres nicht
möglich ist, erweckte die Milchfrage allgemeines Interesse. Man ist
nun dabei, Mittel und Wege zu finden, um eine der akutesten Fragen
zu lösen.
Wohl findet man heute schon verschiedene Ansätze — Errich¬
tung eines Instituts für milchwirtschaftliche Forschung, Schaffung
eines Reichsmilchamts und Reichsmilchgesetzes und dergl. mehr —,
die für eine einwandsfreie Versorgung der Städte mit Milch mehr
oder' weniger Bedeutung haben, und an sich sehr berechtigt sind,
im wesentlichen aber werden sie die Milchversorgung doch im alten
Zustand belassen, was auch der jüngste administr. Erlaß in Preußen vom
26. Juli 1912 bewiesen hat. Auf dieFrage, wer heute die sicherste Gewähr
für eine hygienische Milchversorgung leistet, sei zunächst festgestellt,
daß es der Kleinhändler, der bei der heutigen Milchversorgung
der Stadtbevölkerung im allgemeinen die Hauptrolle spielt, niemals
sein kann. Vor allem ist die Zahl der Milchhändler im Laufe der
Zeit eine ungewöhnlich große geworden, so daß das Absatzquantum
für viele ein recht geringes geworden ist. Solche Händler sehen
sich gezwungen, es mit dem Grundsatz zu halten: Kleiner Umsatz,
großer Nutzen. Vielfach sind es keine Fachleute, sondern Leute,
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die ohne die nötige Vorbildung das Geschäft vielmehr als Gelegen¬
heitsberuf betreiben. Chemie und Hygiene sind ihnen böhmische
Dörfer. Es fehlt ihnen an dem nötigen Kapital, selten verfügen sie
über einwandfreie Einrichtungen zur Aufbewahrung, Reinigung und
Kühlung der Milch. Manche Milch verdirbt ihnen dafür, und die
Verluste erhöhen naturgemäß die Geschäftspesen. Die regellose
Verteilung der Milch trägt sehr zur Verteuerung bei. Die Klein¬
milchhändler vertreiben ihre Milch nach den verschiedensten Rich¬
tungen, ohne jede Einteilung und Abgrenzung der Bezirke.
Besser als bei den Kleinmilchhändlern liegen die Verhältnisse
bei den Großmilchhändlern bezw.beider Versorgung der Städte mit
Milch durch den Milchproduzenten. Beiden sagt man nach, daß
sie den Bedürfnissen der Käufer besser Rechnung tragen können.
Diese Betriebe besitzen meist bessere Anlagen für die Milchbehand-
lung sowie die Möglichkeit, Nebenbetriebe einzurichten, wodurch
bei wechselndem Bedarf Angebot und Nachfrage im Gleichgewicht
erhalten werden kann. Auch der genossenschaftliche Zusammen¬
schluß der Milchproduzenten zum Zwecke des gemeinsamen Milch¬
verkaufs ist vom hygienischen wie finanziellen Standpunkte und im
allgemeinen günstig zu beurteilen. Was den größeren Betrieb auch
für die Zukunft auszeichnen dürfte, wäre neben einer geordneten
Betriebskontrolle auch der ausschließliche Verkauf von Milch in
Glasflaschen.
Vereinzelt haben diese Bemühungen zu einer Besserung beige¬
tragen; damit ist aber noch nicht ein Idealzustand geschaffen.
Eine sichere Gewähr für hygienische Milchversorgung dürfte nur
durch die sogenannten Milchzentralen in kommunaler Ver¬
waltung geleistet werden. Der Zweck kommunaler Milchzentralen
ist in erster Linie, die städtische Bevölkerung mit garantiert reiner
und guter Milch zu angemessenen Preisen zu versorgen, sowie dem
Produzenten ein sicheres Absatzgebiet seines Produktes zu ver¬
schaffen. Leider vermißt man bei der Errichtung kommunaler Milch¬
zentralen die Mitwirkung der Landwirte. Die möglichste Aus¬
schaltung des Klein- bezw. Zwischenhandels muß von der Land¬
wirtschaft und den Stadtverwaltungen gemeinsam angestrebt werden.
,.Ein jeder, der dieser Bewegung unbefangen gegenübersteht, wird
erkennen, daß sie geeignet ist, Produzenten und Konsumenten, sowie
Stadt und Land wieder näher zu bringen und damit auch das Ver¬
ständnis und das Interesse für das geeignete Wohlergehn sowohl der
Produzenten als auch der Konsumenten zu erleichtern.“
Aufgabe der Kommunalverwaltungen wäre es, die Wege zu
ebnen, indem sie ähnlich wie beim Arbeitsnachweis dahin Sorge
tragen müßten, daß Bezugsquellen wie Abnehmer in weiten Kreisen
genügend bekannt wären. Aufgabe der Produzenten und Molkereien
wäre es, das Quantum der vorhandenen Milch täglich durch Fern¬
sprecher der städtischen Verwaltung mitzuteilen. Dadurch würde
die Stadtverwaltung rechtzeitig in der Lage sein, Angebot und Nach¬
frage zu regeln. Für den Produzenten wäre das von großem Vorteil,
da er des Kummers enthoben ist, wie er in Zeiten des Milch-
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mangels seine Kundschaft durch Lieferung einwandfreier Milch sich
erhalten kann. Aber auch der Verfälschung seitens der Produzenten
dürfte durch Vorhandensein von derartigen Zentralen vorgebeugt
werden. Letztere sind auch dazu angetan, auf den gesamten Milch¬
markt preisregulierend einzuwirken. Zudem kann die Untersuchung
der Milch an einer Zentralstelle billiger und vollkommener erfolgen,
als wenn sie an hunderten von Stellen in Verkehr gebracht wird.
Der Gang der Milch wäre etwa folgender: Von den Milchquellen
an den Hauptbahnlinien kommen die Kannen zu den Zentralen,
von denen je eine an der Hauptlinie liegt Dort wird jede Kanne
sofort auf Säuregrad und Schmutzgehalt von dem Verwalter unter¬
sucht. Die Milch wird filtriert. Üngeignete wird sofort dem Pro¬
duzenten wieder zugestellt. Nach dem Kühlen gelangt die Milch in
Flaschen (der Kannenausschank muß völlig abgeschafft werden) oder
noch besser durch den Küchler’schen Hygienischen Milchaus¬
schankwagen auf schnellem Wege nach der Stadt zum Verkauf. Das
täglich überbleibende Quantum von Milch wird in der Zentrale zu
Butter oder Käse verarbeitet. Die Küch ler-Gesellschaft für
hygienische Milchversorgung (München, Marsstraße 25) hat heute
in etwa 40 Städten ihre hygienischen Patent-Küch ler-Wagen und
Kühlschränke in Betrieb.
Zweifellos sind die kommunalen Milchzentralen dazu
angetan, für die Versorgung der Städte mit hygienisch
wie gehaltlich ein wandsfreier Milch die sicherste Ge¬
währ zu leisten. Jede einsichtige Stadtverwaltung sollte
dieser wichtigen Frage nähertreten. Autoreferat.
Einiges aus dem Gebiete der Säuglingschirurgie. Von
Hugo Stettiner. (Aus der cliirurg. Abteilung des Gemeinde-
Säuglingskrankenhauses in Berlin-Weißensee. D. m. W., 1914,
, Nr - 7 -) .
Die Indikationsstellung zu operativen Eingriffen, die Art der Vorbe¬
reitung zu denselben, die Nachbehandlung nach Operationen sind ini
Säuglingsalter anders als bei Erwachsenen. Im Wesentlichen gelten die
vonSpitzy aufgestellten Prinzipien, falls keine Indikatio vitalis vor¬
liegt, nur Kinder von normalem Körpergewicht, ohne absteigende Ge¬
wichtskurve oder sonstige krankhaften Erscheinungen zu operieren.
Uber die Indikationsstellung zu operativen Eingriffen bei einer Reihe
akuter Krankheiten bestehen zwischen Pädiatern und Chirurgen noch
Meinungsverschiedenheiten.
Zu diesen gehört die Behandlung des Empyems der Pleura im
Säuglingsalter. Verf. hat seinen Standpunkt in dieser Frage zu¬
sammen mit Buttermilch auf der Versammlung der Deutschen
Naturforscher und Ärzte präzisiert, der von dem u. a. von Zybell
eingenommenen, nach dem die Rippenresektion im Säuglingsalter
völlig zu verwerfen sei, abweicht. Er zeigt an einigen Röntgeno¬
grammen, wie bei den mit Rippenresektion behandelten Fällen von
Empyem allmählich eine völlige Regeneration der Rippe stattfindet
Auch in der Bauchchirurgie bestehen weitgehende Meinungsver¬
schiedenheiten. Verf. betont, daß die Appendizitis schon in sehr
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jugendlichem Alter auftreten kann (Sektionsbefund bei einem vier
Wochen alten Kinde), wenn auch in erster Linie bei den in der
Regio coecoiliaka sich abspielenden Prozessen an Invaginationen
zu denken sei. Sowohl dieAppendizitis,wie dielnvagination erheischt
ein frühzeitiges Eingreifen auch im Säuglingsalter.
Einen höchst wichtigen Teil der Säuglingschirurgie bildet
die operative Behandlung der Mißbildungen. Verf. bespricht vier
Beobachtungen vonAtresia ani, welche sämtlich kompliziert waren.
Der eine der Fälle, welcher letal verlief, zeigte weiter höher noch
weitere Darmatresien. In dem zweiten Falle, welcher am Tage
nach der Geburt, operiert wurde, handelte es sich um eine Atresia
ani urethralis. Der Knabe, welcher jetzt 9 Jahre alt ist, hat sich
gut entwickelt; jedoch waren noch einige Nachoperationen behufs
Erzielung eines Sphinkterschlusses, der überhaupt bei den Mast-
darmatresien eine Crux bildet, notwendig. Im dritten Falle handelte
es sich um eine Atresia ani vestibularis,* in dem die Operation
gut gelungen ist. Im vierten Falle lag eine Atresia ani cum fistula
perineali vor, in welchem zunächst von einer Operation Abstand
genommen wurde, da eine geeignete Bandage den Darmschluß viel¬
leicht sicherer garantieren würde, als ein operativer Eingriff.
Ferner berichtet Verf. über einige Fälle von Hy pospadie unter
Hinweis auf seine Arbeit in den Ergebnissen für Orthopädie und
Chirurgie (Bd. 5). In den leichteren Graden kommt man gut mit
der Operation nach Beck, v. Hacker aus, die sich gut im Säug¬
lingsalter ausführen läßt, wie Verf. an einzelnen Beispielen zeigt.
Schwieriger wird die operative Beseitigung der Mißbildung in den
komplizierten Fällen. So berichtet Verf. über einen Fall von Hypo-
spadia skrotalis mit völliger Verwachsung des Penis mit der Skrotal-
haut Hier war erst der erste Akt der Operation vorgenommen,
die Trennung des Penis von dem Skrotum nach Art der Trennung
der Finger bei Syndaktylie. Als zweiter Akt hat dann die Gerade¬
richtung des Penis zu erfolgen. Erst später kann dann am besten
nach Anlegung einer präliminären perinealen Harnfistel die Bildung
der penilen Harnröhre erfolgen. Dies kann nach der vom Verf.
zuerst ausgeführten Methode durch freie Transplantation der Vena
saphena oder durch Ureterentransplantation nach Schmieden oder
durch Einpflanzung des Prozessus vermiformis nach Lexer-Streiß-
ler erfolgen oder durch Anwendung einer der älteren oder neueren
plastischen Methoden. Autoreferat.
Subluxatio radii perannulare. Von Ph. Erl ach er. (Aus der
chirurg.-orthop. Abteilung der Univ.-Kinderklinik Graz. —
D. Ztschr. f. Chir., Bd. 126, H. 3 u. 4.)
Unter diesem Namen beschreibt der Autor ausführlich ein nicht
gerade sehr häufiges und wenig bekanntes Krankheitsbild, das
hauptsächlich bei kleineren Kindern bis zum Alter von 3—4 Jahren
zur Beobachtung kommt, und worüber sich in der Literatur nur
einige kurze Bemerkungen finden.
Das typische Bild des Leidens ist folgendes: Der Arm wird
proniert und im Ellbogengelenk leicht gebeugt gehalten (Mittel-
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Stellung), dabei hängt das Händchen schlaff herab und ist leicht
ulnarwärts abduziert; in frischen Fällen keine Schwellung, Aussehen
der Haut normal. Vor aktiven Bewegungen zeigt das Kind große
Angst; sie sind im Ellbogengelenk im Sinne der Beugung und
Streckung, sowie der Pronation nur in geringem Maße möglich, die
Supination ist dagegen ganz aufgehoben. Im gesunden Arm erscheint
der Übergang vom Epikondylus lateralis humeri zum Radiusköpfchen
(durch das Lig. kollaterale radii) überbrückt, während wir an der
kranken Seite zwischen Epikondylus und Kapitulum radii eine
scharfe Einschnürung tasten können. Es handelt sich, wie durch
Untersuchungen an der Leiche festgestellt wurde, nach Ansicht des
Verf. um ein Herausschlüpfen des Radiusköpfchens aus dem Ligam.
annulare radii, ohne daß dabei die Gelenkkapsel eine sichtbare
Verletzung erfahren hätte. Die anatomischen Verhältnisse werden
dabei eingehend geschildert. In der Anamnese ist immer ein Zerren
an der Hand oder am Daumen festzustellen. Die Reposition ge¬
schieht durch leichte Beugung im Ellbogengelenk und Supination
des Armes. Ein Verband ist nicht notwendig. Autoreferat
Referate aus dem Gebiete der Schulhygiene.
Bedeutung und Wert der schulärztlichen Untersuchung
an Fortbildungsschulen. Von Gettkant -Berlin-Schöne-
berg. (Zschr. f. Schulgesdhtspfl., 1913, Nr. 5.)
Der Verf. hat die Pflichtfortbildungsschüler der städtischen Fort¬
bildungsschule in Berlin-Schöneberg in den Jahren 1911 und 1912
untersucht, er gibt das Resultat von 1320 Schülern.
Nach dem allgemeinen Körperzustand teilt er ein in I = kräftig,
II = mittelkräftig und III = schwächlich. Von den Untersuchten
kam auf Gruppe I 547=41,44 Proz., Gruppe II 531 = 40,23 Proz.,
Gruppe III 222 = 18,33 Proz. Einige Listen und ein Diagramm
lassen die einzelnen Berufsstände übersichtlich erkennen.
Frei von jeglichen Leiden und Gebrechen waren bei der ersten
Untersuchung von 783 Schülern: 213 = 27,2 Proz.; bei der zweiten
Untersuchung von 249 Schülern 72 = 28,9 Proz., bei der dritten
Untersuchung von 288 Schülern 133 = 46,1 Proz.
In der Morbiditätstabelle steht Tuberkulose und Verdacht darauf
mit 51 Fällen, Herzstörungen mit 69 Fällen, Leistenbruch mit 24
Fallen, Wirbelsäulenverkrümmung mit 176 Fällen.
Die Wahl eines andern Berufes wurde in 46 Fällen angeraten.
Verf. hat 1911 die Einführung des obligatorischen Turnunterrichts
für die Fortbildungsschule angeregt und diese Anregung hat Erfolg
gehabt. Er empfiehlt Bajonettieren und Stabfechten in den Turn¬
unterricht aufzunehmen, zwei Übungen, die besonders zur Gewandt¬
heit und zu Mut erziehen.
Die Fortbildungsschule braucht einen eigenen Schularzt, der
sich auch an der hygienischen Aufklärung und Belehrung beteiligen
muß. Die Gesundheitssclieine aus den Gemeindeschulen müssen
den Fortbildungsschüler begleiten, später können sie der Militär¬
behörde von großem Wert sein.
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93
Auf den sehr interessanten Aufsatz mochte Ref. besonders auf¬
merksam machen. Sclilichting (Kassel.)
Beeinflussung der Schulleistungen unserer Volksschul*
Kinder durch körperliche Störungen. Von Peters-
Halle a. S. (M. Kl., 1914, Nr. 6.)
An einem Kindermaterial von 9504 Volksschulkindern (der Hälfte
aller Halle’schen Volksschüler) bearbeitete Verf. eingehend statistisch
die körperlichen Befunde der Gesamtheit und verglich diese mit den
betr. Befunden bei 1262 schlechtlernenden Kindern, sowie anderer¬
seits mit den Befunden bei 1595 gutlemenden. Die Ergebnisse,
welche sich nicht nur auf die allgemeine (gute oder schlechte)
Körperbeschaffenheit, sondern auch auf Blutarmut, Rückgratkrüm¬
mungen, Refraktionsstörungen, Ohrenleiden, Wucherungen, schlechte
Gebisse und Drüsenschwellungen beziehen, waren derartig, daß sich
zwar nicht gerade erdrückende Differenzen zeigten, daß aber, wo
überhaupt verwertbare Differenzen auftraten, dies zu ungunsten der
Schlechtlernenden und vielfach auch andererseits zu Gunsten der
Gutlernenden der Fall war.
Ersteres war besonders auffällig bei den körperlich Kräftigen,
den Leiden der Sinnesorgane, der Blutarmut. Für die körperlich
schlechten waren die absoluten Zahlen zu gering, um aus dem sonst
auffälligen Fehlen jeder Differenz sichere Schlüsse ziehen zu können.
Verf. schildert die verschiedenen Gruppen ausführlicher und kommt
zum Schluß zu dem Ergebnis, daß in mehreren wichtigen Krank¬
heitsgruppen sich zweifellos ein derartiger Unterschied in der
Häufigkeit der Fehler zeigt, daß sich mit einer gewissen Wahrschein¬
lichkeit der Schluß rechtfertigen läßt, daß durch diese Leiden die
geistige Aufnahmefähigkeit und somit die Schulleistungen herab¬
gesetzt werden. Andererseits ist dieser Unterschied aber nicht so
erheblich, daß man hoffen könnte, etwa durch Beseitigung aller
dieser Übel die durchschnittlichen Schulleistungen wesentlich zu
erhöhen. Trotzdem müßten natürlich nach wie vor alle diese Leiden
ernstlich bekämpft werden, denn das letzte Ziel schulärztlicher Be¬
strebungen sei nicht die Besserung der Schulleistungen, sondern die
Ertüchtigung der Kinder für den Kampf des Lebens. In diesem
Kampf könnten sich leicht diese Leiden sehr viel störender für das
einzelne Individuum bemerkbar machen, als ein etwa in der Schule
auftretender Mangel an Schulwissen. Autoreferat
Bücherbesprechungen.
Das Impf^esetz für das Deutsche Reich vom 8. April 1874.
Einleitung und Erläuterungen herausgegeben von Dr. Paul
Michaelis. (ReclamsUniversalbibliothek Nr.5648.) kl. 80,65S.
Leipzig. Phil. Reclam jun. Verlag. In Leinen geb. 60 Pf.
Verf. gibt in diesem Werkchen eine gemeinverständliche Er¬
läuterung des Reichsimpfgesetzes. Als Einleitung finden wir eine
gute geschichtliche Darstellung der verheerenden Wirkung der Pocken
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94
in früheren Zeiten und der verschiedenen Versuche zu ihrer Be¬
kämpfung, zum Schluß ein ausführliches Sachregister. Man kann
dem Werkclien namentlich in Hinsicht auf die gemeingefährlichen
impfgegnerischen Agitationen die weiteste Verbreitung wünschen. S.
öffentliche und persönliche Gesundheitspflege in ihrer
Bedeutung für den Einzelnen. Von Prof. Dr. Kurt Wolf.
Die wichtigsten angeborenen Krankheitsanlagen, ihre
Bedeutung undBekämpfung. VonSan.-RatDr.H.Dippe.
.DasBlut und seineBedeutungfürGesundheitundKrank-
heit. Von Prof. Dr. Heinrich Rosin.
Die Stoffwechselkrankheiten: Fettsucht, Zuckerkrank¬
heit, Gi c h t und i h r e V e r h ii t u n g. Von Prof. Dr. Strauß
und Dr. Ram berger.
Zahn- und Mundpflege. Von Hofrat Prof. Dr. O. Walkhoff.
Chemische Probleme in der Gesundheitspflege. Von Prof.
Peter Bergeil. (Max Hesses Bücherei des modernen Wissens,
Abt. A: Hausbücher zur Erhaltung der Gesundheit, hrsg. im
Aufträge des Verbandes der Ärzte Deutschlands von San.-Rat
Dr. Beerwald und H. Di ppe.) 90—100 Seiten. Leipzig.
M. Hesses Verlag. Preis geb. 1,35 Mk.
Die mir vorliegenden Nummern 1, 3, 10, 11, 15 und 17 der
Bücherei des modernen Wissens haben ihr Ziel, „eine Frage aus dem
großen Gebiet der Gesundheitspflege in für sich abgeschlossener,
allgemein-verständlicher Art zu behandeln, aber so daß es doch
wiederum nur ein Glied des Ganzen ist 44 , wohl erreicht. Man darf
es mit Freuden begrüßen, daß das Bestreben, dem Volk hygienische
Kenntnisse zu vermitteln auch in Ärztekreisen mehr und mehr An¬
erkennung findet. Noch immer stehen weite Kreise abseits und
überlassen es unsern Gegnern aus dem Lager der Naturapostel, das
Volk in ihrer Art zu belehren.
Es ist nicht jedem Arzt gegeben, selbst vor weiteren Kreisen
als Lehrer der Hygiene aufzutreten, aber jeder sollte die Verbreitung
guter Bücher wie die vorliegenden und Zeitschriften (z. B. Blätter
für Volksgesundheitspflege) durch gelegentliche Empfehlung, für die
die Klientel sehr dankbar ist, fördern.
Der Inhalt der Bücher ist für den gebildeten Laien bestimmt,
einige haben eine Reihe guter Abbildungen, die Ausstattung ist gut,
der Preis gering. Schlichting (Kassel).
Kurze Notizen aus der Praxis und Wissenschaft.
Hygiene of city infants and babies. Von A. Baginsky-
Berlin.
Armut und Unwissenheit schädigen das Leben des Kindes und
seine Gesundheit in erster Linie. Mutterschafts Versicherung, Still¬
prämien, Unterricht in der Kinderpflege, am besten in den Fort-
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95
bildungsschulen, Berufsvormundschaft und dauernde Überwachung
der Kost- und Haltekinder, Kinder- und Säuglingsasyle, Fürsorge¬
stellen, Milchküchen, Krippen, zentrale Wohlfahrtsämter sind geeignet,
den schädlichen Folgen entgegen zu wirken. Verbesserung der
Wohnungsbedingungen, eine verständige Schulhygiene, die Einrich¬
tung von Badeanstalten, Walderholungsstätten, Ferienkolonien, Über¬
wachung der Infektionskrankheiten, Verbot und Regelung der Kinder¬
arbeit werden den schädlichen Einfluß des städtischen Milieus mildern.
(Arch. f. Kdhlkde., Bd. 59, H. 5/6.) Hohlfeld (Leipzig).
Studien über Tuberkulin. Von Aronson-Berlin.
Die Wirkung, welche das Tuberkulin auf den tuberkulösen
Organismus ausübt, wird von den einen als eine primär-toxische
angesehen, während die andern erst eine Bildung des Giftes im tuber¬
kulösen Organismus unter Mitwirkung eines Antikörpers annehmen.
Nach den Untersuchungen des Verf.’s ist das letztere nicht richtig.
Die Allgemeinwirkung ist zum größeren Teil überhaupt nicht spezi¬
fisch; auch andere Bakterienextrakte wirkten ebenso. Spezifisch ist
dagegen die starke Hautreaktion, sie beruht auf eigentümlichen, nur
im Tuberkelbazillus enthaltenen Körpern. Der therapeutische Effekt
wird nicht durch eine Immunisierung erreicht, sondern wahrschein¬
lich durch eine anregende Wirkung, die das Tuberkulin in kleinen
Dosen auf die weißen Blutkörperchen ausübt.
(Arch. f. Kdhlkde., Bd. 60 u. 61.) Hohlfeld (Leipzig).
Ein Fall abnormer physischer und geschlechtlicher
Entwicklung bei einem Kind von 2 Jahren, vielleicht
verursacht durch eine Geschwulst der Zirbeldrüse. Von
J. L. Morse.
Die körperliche Entwicklung entsprach dem Alter von 4 Jahren,
die der Knochen nach dem Röntgenbild dem Alter von 5—7 Jahren,
noch weiter war die sexuelle Entwicklung (Penis 7 cm lang, Scham-
und Achselhaare) vorgeschritten. Mit Zitierung 5 schon beschriebener
Fälle von Tumoren der Zirbeldrüse wird die Diagnose erörtert, die
bei Mangel von Hirndrucksymptomen hier nur vermutungsweise
gegen den noch in betracht zu ziehenden Tumor der Nebenniere
gestellt werden kann. Bauer (Wien).
(Arch. of ped., 1913, Bd. XXX.)
Die Wirkung mäßiger Hitze auf das Kind. Von J. H.
M. Knox.
Bei mäßiger Hitze können auch Proletarierkinder gedeihen, wenn
ihnen Brustnahrung oder sterilisierte Kuhmilch guter Qualität und
fachmännisch beaufsichtigte Pflege geboten w r ird.
(Arch. of ped., 1913, Bd. XXX.) Bauer (Wien).
Zur Kasuistik des angeborenen totalen Rippende¬
fektes. Von F. Götzky und F. Weihe.
Aus der Kinderklinik des städt Krankenhauses Frankfurt a. M.
berichten die Verff. über ein 7 Monate altes Kind, dessen Mutter
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4 Monate nach der Geburt entdeckte, daß es schief sei. Vom 2. Brust¬
wirbel an beginnt eine links konvexe Skoliose, die ihren Scheitel¬
punkt im 7.—8. Brustwirbel hat und mit dem 11. Brustwirbel wieder
in die Vertikale einmündet Geringere rechts konvexe Skoliose der
Lendenwirbelsäule. Die 5. rechte Rippe verbreitert, von der Mitte
ab in zwei gleich dicke Spangen gespaltet. Der 6. Brustwirbel zeigt
ein abgesprengtes Stück. Die 7. Rippe beginnt mit 2 Spangen, die
bald, ein herzförmiges Loch zwischen sich lassend, zusammenfließen.
Die 8. Rippe ergänzt sich zu einer dünnen Spange. Die n. und
12. Rippe fehlen. Links sind die Verhältnisse ähnlich. Den miß-
bildeten Rippen entsprechen stets mißbildete Wirbelkörper.
(Fortschr. d. Röntgenstr., 1913, H. 4.) Schlichting (Kassel).
Kondensier te Milch wird von den Ärzten in geeigneten Fällen
vielfach unter der Bezeichnung „Schweizermilch 11 empfohlen. Diese
Bezeichnung ist geeignet, das Publikum irrezuführen. Sie war richtig,
solange der Artikel nur in der Schweiz fabriziert wurde. Heute
wird er jedoch auch von zahlreichen deutschen Fabriken hergestellt
„Schweizermilch 11 , d. h. in der Schweiz hergestellte, gezuckerte, kon¬
densierte Milch ist in Deutschland überhaupt nicht im Handel er¬
hältlich, da der Artikel sich wegen des darauf lastenden hohen Zolles
viel zu teuer stellen würde. Die schweizer Fabriken haben infolge¬
dessen in Deutschland Filialen für die Herstellung von gezuckerter,
kondensierter Milch errichtet. Empfiehlt der Arzt seinen Patienten
nun „Schweizermilch“ so macht er damit eine meist wohl garniclit
beabsichtigte Reklame für ausländische Firmen. Seitdem der Artikel
bei billigeren Preisen in gleicher Güte von deutschen Firmen ge¬
liefert wird, ist eine Bevorzugung der Erzeugnisse ausländischer
Firmen nicht mehr berechtigt, und es können mithin unbedenklich
an deren Stelle die erprobten deutschen Marken empfohlen werden.
Kleine Mitteilungen.
Der 31. Kongreß für innere Medizin findet unter dem
Vorsitz von Prof. v. Romberg-München vom 20.—23. April d. J.
in Wiesbaden statt. Aus dem vorläufigen Programm, auf dem eine
Reihe von Vorträgen aus dem Gebiete der inneren Medizin ver¬
zeichnet sind, heben wir die Hauptreferate heraus. Es sind dies:
1.Wesen undBehandlung derSchlaflosigkeit Referenten:
Herren G a u p p -Tübingen, Goldscheider -Berlin, Faust -Würzburg.
2.StrahlenbehandlungderNeubildungen innererOrgane.
Referent: Herr Werner-Heidelberg. 3. Wesen und Behandlung
der Sepsis. Referent: Herr Schottmüller-Hamburg.
Berichtigu ngen.
In Heft 3 des „Der Kinder-Arzt“ sind folgende Berichtigungen vorzunehmen:
Pag. 49 (Fußnote), Zeile 3 v. u. anstatt Darmstatt erstattete: „Darmstadt erstattetem“.
Pag. 54, Zeile 15 v. u. anstatt R. Äth.: „Rad. Alth.“.
Pag. 54, Zeile 15 v. u. anstatt Rhokados: ..Rhoeados“.
Der Verfasser der kurzen Originalmitteilun^ „Thymobronchin“ ist irrtümlicherweise Pag. 56
mit E. bezeichnet anstatt: Dr. Vorschulze (Leipzig).
Verlag von Benno Konegen, Leipzig. — Druck von A. Pabst, Königsbrück.
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Der Kinder-Arzt.
Msohrif) für Kinderheilkunde
unter Mitwirkung hervorragender Fachärzte
herausgegeben
von
Sanitätsrat Dr. Sonnenberger in Worms.
Erscheint am ersten Freitag eines jeden Monats. — Vorauszubezahlender Preis für das ganze
Jahr 6 Mk., direkt unter Kreuzband für Deutschland und Österreich-Ungarn 6 Mk. 60 Pf., 7 Mk.
fürs Ansland. Mit Frauenarzt zusammen bezogen statt 24 Mk. nur 20 Mk. Einzelne Hefte 1 Mk.
— Bestellungen nimmt jede Buchhandlung und Postanstalt sowie auch die Verlagsbuchhandlung
jederzeit gern entgegen.
XXV, Jahrg. Mai 1914. No, 5, (293.)~
INHALT: Originalien: Sonnenberger, Die sozialhygienischenAuf¬
gaben der Ärzte im Zusammenhang mit der gesamten Jugendfürsorge. 97. —
Armbrnater, Beobachtungen über Pemphigus neonatorum. 101. — Ver¬
sammlungsberichte: 21. Versammlung der Vereinigung südwestdeutscher
Kinderärzte am 14. Dezember 1913: Fischer, Pathologisch-anatomische Demon¬
strationen. 101. — Raecke, Geistesstörung u. Kriminalität im Kindesalter. 102.
— Last, zur Ätiologie der Polyomyelitis. 102. — Wolff, Uber Pneumokokken-
erkrankung. 107. — Moro, Uber rezidivierende Nabelkoliken bei älteren Kindern.
107. — Beck, Larosan oder Eiweißmilch. 108. — Großer, Zur Ernährung bei
Gallengangverschluß. 109. — Cuno, Uber Anaphylaxie bei wiederholter Diph¬
therieheilseruminjektion. 109. —Weihe, Uber die Ruhr kleiner Kinder. 110. —
Beck, Weitere Erfahrungen mit Rosenbach’schem Tuberkulin bei der kind¬
lichen Tuberkulose, in. — Götzky, Demonstration von Röntgenbildern bei
einer Dysthyreosis. in. — Referate: Reiche u. Liede, Mitteilungen aus der
Diphtheriestation (des Allg. Krankenhauses Hamburg-Eppendorf). 112. —
Reiche, 2000 weitere mit Behring’schem Serum behandelte Diphtheriefälle. —
Weitere Mitteilungen zur Bewertung der Wirksamkeit des Behiing’schen Heil¬
serums bei Diphtherie. — Uber Rezidive bei Diphtherie. — Diphtherie und
soziale Lage. — Uber Herpes fazialis bei Diphtherie. — Reinfektionen mit
Diphtherie. — Erkrankungen des Appendix nach Diphtherie. 112. — Ruppel,
Die Wandlungen der spezifischen Bekämpfung der Diphtherie. 113. — Schreiber,
Uber den jetzigen Stand der aktiven Diphtherieimmunisierung nach v. Behring.
115. — Soreei, Haemorrhagie conditions in children. 116. — Bücherbe¬
sprechungen: Reyher, Das Röntgenverfahren in der Kinderheilkunde. 117.
— Fürst, Jahrbuch der Schulgesundheitspflege. 117. — Kauffmann, Kritik der
fanatischen Alkohol-Abstinenz-Bewegung. 118. — Kataster der Anstalten und
Einrichtungen für Kinderschutz und Jugendfürsorge in Österreich. 119. —
Kurze Notizen aus der Praxis und Wissenschaft. 119. — Kleine
Mitteilungen. 120.
Originalien.
Die sozialhygienischen Aufgaben der Ärzte im Zu¬
sammenhang mit der gesamten Jugendfürsorge.*)
Von San.-Rat Dr. Sonnenberger-Worms.
Die Jugendfürsorge, d. h. die Gesunderhaltung der Jugend in
körperlicher, geistiger und sittlicher Beziehung, ist ohne Zweifel
*) Nach einem auf der Darmstädter Tagung der deutschen Zentrale für
Jugendfürsorge 1913 erstatteten Referat.
Klnder-Arzt XXV. Jahrg. 1914. 7
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98
einer der wichtigsten Zweige der gesamten sozialen Fürsorgebe¬
streblingen. „In der Jugend erblicken wir den zukünftigen Träger
des Staatsgedankens und der Kultur“ (Rabnow). Wie W. Zimmer¬
mann in dem von F. Duensing im Auftrag der Deutschen Zentrale
für Jugendfürsorge herausgegebenen „Handbuch der Jugendpflege“
ausführt, bildet die Jugend im Bevölkerungsaufbau der Nationen den
breiten Fuß der Alterspyramide. Naturgemäß müssen die jugend¬
lichen Altersklassen am dichtesten besetzt sein, wenn für die älteren
und leitenden Klassen der Nation bei der harten Auslese, die die
Natur im Bunde mit der Unkultur am Menschenmaterial vollzieht,
genügender Nachwuchs (genügend sowohl in qualitativem als auch
quantitativem Sinne) vorhanden bleiben soll. Die Jugend verkörpert
nicht bloß ein großes Stück Gegenwartsleben der Nation, gleich den
anderen Altersgruppen, sondern auf der Jugend beruht ja auch die
ganze Zukunft des Volksdaseins.
Mehr denn je ist es bei dem gegenwärtigen Kulturzustande mit
seinen zwar vielfachen Licht- aber auch grell hervortretenden
Schattenseiten Pflicht der Allgemeinheit, Maßnahmen zu treffen,
damit ihre Anforderungen an die Jugend nicht zur Degeneration
führen.
Jugendschutz und Jugendfürsorge im vollsten Umfange sind ja
auch die Probleme, welche zu lösen sich die Deutsche Zentrale für
Jugendfürsorge zur Aufgabe gestellt hat
Den Hauptinhalt meiner heutigen Darlegung wird nach einigen
allgemeinen historischen und orientierenden Bemerkungen über die
Stellung des Arztes in der Frage der Jugendfürsorge speziell die
Säuglingsfürsorge und die Behandlung einer Reihe von in sozial¬
hygienischer Beziehung wichtigen Erkrankungen der Schulkinder
bilden.
Zunächst möchte ich einleitend bemerken, daß es ein durchaus
richtiger Gedanke war, hier die gesam te Jugendfürsorge, anfangend
bei der Säuglingsfürsorge, übergehend zu der Kleinkinderfürsorge,
Schulfürsorge, Fürsorge für die schulentlassene Jugend, im Zusammen¬
hang zu behandeln, denn die sozial - hygienische Jugendfürsorge
darf keine sprunghafte, sondern sie muß eine kontinuierliche
und alle Altersklassen mit gleicher Liebe und gleicher Sorgfalt um¬
fassende sein. Säuglingsalter, frühes Kindesalter, Schulalter, jugend¬
liches Alter — sie bilden eine Kette von Gliedern, die eng ineinander
greifen. Schädigungen, welche die eine Altersklasse treffen, machen
sich oft bis in die höheren Altersklassen hinein in der empfind¬
lichsten Weise bemerkbar. Es ist Ihnen ja wohl bekannt, daß — wenn
wir ganz unten anfangen — Schädigungen, die das Säuglingsalter
treffen, ganz außerordentlich auf die Rekrutierungsziffern einwirken.
Es ist eine Tatsache, daß dort, wo eine hohe Säuglingssterblichkeit
stattfindet, auch hohe Untauglichkeitsziffern bei der Rekrutierungs¬
statistik herauskommen, denn es sind die gleichen Ursachen, auf
denen die beiden Erscheinungen beruhen. Beide Ziffern sind nament¬
lich in einigen bayerischen Bezirken ganz außerordentlich ungünstig.
Schlesinger-Straßburg weist darauf hin, daß der jugendliche
Schwachsinn in vielen Fällen auf schwere Ernährungsstörungen zu-
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rückzuführen ist, die im Säuglingsalter stattgefunden haben. Hygie¬
nische Schädigungen im weitesten Sinne des Wortes im Säuglings¬
und Kindesalter wirken also ungünstig auf die späteren Altersklassen ein.
Auch müssen die verschiedenen Arten der Jugendfürsorge, so
die Säuglings-, Tuberkulose-, Krüppel-, Schulfürsorge usw. in engem
Konnex miteinander stehen, und ebenso müssen die verschiedenen
Aufgaben und Zweige der ärztlichen, pädagogischen, juristischen
und fürsorgerischen Tätigkeit zusammengefaßt werden, und es ist
entschieden zweckmäßig, wenn wir sie im Zusammenhang betrachten.
Es ist vielleicht gerade das der Hauptwert, den unsere Referate
haben werden, daß wir eben diese Dinge im Zusammenhang be¬
trachten und ihnen nach weisen können, wie eins vom andern abhängt.
Wir befinden uns ja unzweifelhaft in einer Aufschwungsperiode,
in einem Blütealter der Jugendfürsorge. Die Zeit reicht nicht aus,
um darauf näher einzugehen, daß wir schon einmal — vor etwa
150 Jahren — eine erste Blütezeit unserer Jugendfürsorge gehabt
haben. Es war jene Zeit, die von dem Engländer Locke aus¬
gehend über Rousseau hinaus — mit seinem bekannten „Zurück zur
Natur!“, das er allerdings übertrieben hat— bis zu Basedow, Salz¬
mann, Pestalozzi, Froebel usw. reichte. Es war eine Blüte¬
periode, die 70 bis 80 Jahre gedauert hat Diese Blüteperiode
konnte deshalb damals keine guten Früchte bringen, weil es sich dabei
um den sogenannten Philanthropinismus handelte, weil den vielen
Worten nicht die entsprechende Tat folgte, und weil ja auch nicht
die Tat folgen konnte; denn es ist ja von den verschiedensten
Seiten, auch von juristischer und verwaltungstechnischer, ent¬
schieden immer wieder darauf hingewiesen worden, daß alle
wirklichen Schritte der Jugendfürsorge in allererster Linie auf dem
ärztlich-wissenschaftlichen Fortschritt beruhen müssen. Aufs engste
sind ja die Kinderheilkunde und die Hygiene des Kindesalters mit¬
einander verknüpft, viel mehr als dies bei der Medizin der Er¬
wachsenen und der Hygiene der Erwachsenen der Fall ist, was sich
schon dadurch kundgibt, daß in den letzten zwei bis drei Jahr¬
zehnten, in denen die Pädiatrie wie wenige andere Gebiete der
Medizin eine erhebliche Um- und Ausgestaltung und Erweiterung
gefunden hat, wohl kein bedeutender Kinderarzt zu nennen ist, der
sich nicht zugleich die kindliche Hygiene als Spezialforschung zu
eigen gemacht hat. Vielfach herrschte früher die Ansicht, die auch
jetzt noch manchmal besteht, daß die Pathologie des kindlichen
Organismus sich im wesentlichen mit der des Erwachsenenorganis-
mus deckt und nur bei dem Kinde alles nach Maß, Gewicht, Dosie¬
rung der Arzneimittel usw. reduziert werden müsse. Das ist eine
durchaus irrtümliche und oft verhängnisvolle Ansicht Auf Schritt
und Tritt zeigt der kindliche Organismus anatomische, physiologische
und psychologische Eigentümlichkeiten, und selbst im jugendlichen
Alter bestehen hier noch wesentliche Differenzen -gegenüber den
Erwachsenen. Mühsame Forschungen der letzten Dezennien haben
uns nach der Richtung hin ganz kolossal vorwärts gebracht, und
die Ansicht, daß die Kinderheilkunde keine eigentliche Speziali¬
tät sei, muß auf das Allerentschiedenste bestritten werden. Die
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Kinderheilkunde ist eine Spezialität, aber eine solche, die eine ganz
besondere Stellung einnimmt Es sollte ja jeder Arzt Kinderarzt
sein, denn das ist die breite Basis, auf die sich fast jede Praxis
gründet Aber leider liegen die Verhältnisse bis jetzt nicht so, daß
die Ärzte in der Kinderheilkunde so ausgebildet sind, daß sie die
Stellungen, von denen ja Herr Dr. Lewandowskiin seinem Referat
verschiedene erwähnt hat, wissenschaftlich genug vorgebildet überneh¬
men können. Professor Langstein hat auf dem Kongreß für Säug¬
lingsfürsorge, der vor 14 Tagen in Breslau getagt hat, unumwunden
ausgesprochen: „Die Stellungen in der Säuglingsfürsorge usw., die
ein besonderes Studium der Physiologie, der Pathologie und der
Psychologie der Kinder erfordern, müssen von Kinderärzten besetzt
werden.“ Ich spreche nicht bloß pro domo, denn wir Kinderärzte
streben mit aller Macht dahin, daß jeder Arzt in der Kinderheilkunde
ausgebildet werden soll. Es ist erfreulich, daß die hessische Zentrale
für Säuglings- und Mutterschutz, die schon so Verdienstvolles er¬
reicht hat, es dahin gebracht hat, daß in Gießen jetzt ein außer¬
ordentlicher Lehrstuhl für Kinderheilkunde errichtet ist
Also alle Ärzte sollen in der Kinderheilkunde ausgebildet werden;
die Kinderheilkunde soll Examensfach werden. Ich selbst arbeite
seit ca. 25 Jahren durch Herausgabe einer Zeitschrift, welche dem
praktischen Arzt die Fortschritte der Kinderheilkunde vorführt, da¬
ran, denselben mit der Kinderheilkunde vertraut zu machen. Aber
wie die Sache heute liegt, so sind die Ärzte noch nicht genügend
in der Kinderheilkunde aus- und vorgebildet, um Stellungen, die ein
wesentliches Verständnis nach dieser Richtung hin verlangen, einzu¬
nehmen. Ich weiß, daß ich da an einen wunden Punkt rühre, aber
es war mir doch Bedürfnis, mich auch hierüber auszusprechen.
Die Fortschritte, die wir in der Pädiatrie gemacht haben, sind
der Kinderhygiene außerordentlich zugute gekommen, und die Auf¬
schwungperiode, in der wir uns jetzt befinden, die zweite Blüte¬
periode der Jugendfürsorge, ist hauptsächlich auf die Fortschritte
der Kinderheilkunde begründet. Ich kann das leider im einzelnen
nicht näher darlegen. Es wäre eine ganz interessante, Sache, diesen
Dingen nachzugehen. Klose, ein ganz bedeutender Forscher, sagt:
„Will man einen weiten Blick für alle Aufgaben der Kinderfürsorge
haben, so ist eine genaue Kenntnis der Anatomie und Physiologie
des Kindes unerläßlich.“ Auf grund dieser müßte der kindliche
Körper gleichsam Schritt für Schritt analysiert werden.
Die Deutsche Zentrale für J ugendfürsorge will Ihnen heute
zeigen, in welchem Maße die hygienische Wissenschaft und Praxis
das wichtige Gebiet des Jugendschutzes und der Jugendfürsorge zu
durchdringen haben, und wie die Mitwirkung des Arztes bei der
Lösung dieser Frage auf Schritt und Tritt als unentbehrlich er¬
scheint. Wie Hanauer in seinem sehr empfehlenswerten Buche „Die
soziale Hygiene des Jugend alters“ richtig bemerkt, hat es an einem
wünschenswerten Zusammenwirken von Laien und Ärzten auf dem
Gebiete der Kinderfürsorge zum Schaden unserer Jugend bisher
leider noch vielfach gefehlt. Einerseits muß man offen aussprechen:
es sind viele Ärzte sich noch zu wenig bewußt, daß sie ihrer Auf-
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IOI
gäbe, in der Höherzüchtiing der Menschheit die Leitung zu über¬
nehmen, in der Gegenwart nur dadurch gerecht werden können,
daß sie die so überaus drängenden sozialhygienischen Aufgaben
aufgreifen. Andererseits wird aber auch betont werden müssen,
daß die ärztliche hygienische Arbeit in sozial-politischen Kreisen
viel zu wenig gewürdigt und gesucht wird. Bedauernd muß
man aussprechen, daß es bis jetzt noch nicht gelungen ist, dem
Arzt den Einfluß, den er eigentlich in der Jugendfürsorge haben
sollte, zu verschaffen. Wir wollen hoffen, daß durch die Mitwirkung
der verschiedensten Kreise, wie sie heute bei uns so zahlreich ver¬
sammelt sind und die sich hier einander nähertreten, Klarheit in eine
Reihe von sich fortwährend aufwerfenden Problemen der Jugend¬
fürsorge gebracht oder sie doch wenigstens der Lösung näher geführt
werden. Es ist vieles auf diesem Gebiete noch ungeklärt, unent¬
schieden, noch im Fluß. (Schluß folgt.)
Kurze Originalmitteilungen aus der Praxis.
Beobachtungen über Pemphigus neonatorum.
Von Dr. A rmbruster-Schweinheim.
Vor mehreren Jahren hatte Verf. am Mittelrhein einen neuge¬
borenen Knaben mit luetischem Pemphigus in Behandlung, wobei
der Vater zugab schon syphilitisch affiziert worden zu sein. Die
Hebamme hatte eine leichte Schürfwunde an der rechten Hand und
steckte beim sogenannten Wickeln zwei oder gar drei weitere Kinder
an. Diese bekamen jedoch durchschnittlich größere Blasen wie der
primäre Fall. Verf. kam damals und auch später zur Ansicht, daß
jede Form von Pemphigus der Neugeborenen auf luetischer Basis
beruhe, wobei — vielleicht mit durch die Nabelwunde — eine In¬
kubationszeit nahezu vermieden ist. Kleinere Blasen deuten nach
seiner Ansicht auf luetische Aszendenten hin, während ausschließlich
größere und spärlichere auf Ansteckung zurückgeführt werden müssen,
indem sich hier die syphilitischen Erreger sehr schnell dem kind¬
lichen, seither gesunden Organismus adaptieren. Bei rasch eintre¬
tenden, zumeist ausgedehnten Hautdefekten ohne ausgesprochene
Blasenbildung ist stets Ansteckung vorhanden.
Versammlungsberichte.
21. Versammlung der Vereinigung südwestdeutscher
Kinderärzte am 14. Dezember 1913 in der Kinderklinik
des städtischen Krankenhauses zu Frankfurt a. M.
Vorsitzender: Herr Cahen-Brach - Frankfurt a. M.
Der Vorsitzende weist auf das iojährige Bestehen der Vereini¬
gung hin und dankt allen, die an deren Arbeit teilgenommen haben.
i. Herr B. Fi sch er-Frankfurt a. M.: Pathologisch-anatomische
Demonstrationen.
a) Nieren Verlagerung bei einem Säugling.
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102
b) Gangränöse Kopfschwarte bei einem i3tägigen
Säugling infolge von Lues.
c) Ausgedehnte weiße Pneumonie bei einem gwochigen
Säugling.
d) Gummiknoten in der Lunge einer Frühgeburt
e) Ausgedehnte Diphtherie des Rachens und der
Luftrohre bei einem 9 Jahre alten Knaben, nicht be¬
handelt
f) Phthise bei einem Säugling. (Kaverne im linken Unter¬
lappen, Tuberkulose des Duktus thorazikus. Miliartuberkulose.)
g) Ösophagus-Atresie bei einem Neugeborenen.
h) Sehr großes Spindelzellensarkom der Orbita auf
das Gehirn über greifend.
Diskussion.
Herr Sonnenberger-Worms, Herr Cahen-Brach, Herr
B. Fischer.
2. Herr Raecke-Frankfurt a. M.: Geistesstörung und
Kriminalität im Kindesalter.
Vortr. hat im Aufträge des Landeshauptmanns von Nassau in
den beiden letzten Jahren 371 Kinder und Jugendliche psychiatrisch
untersucht Unter 292 kriminell gewordenen Kindern hatten 8 / 6 Eigen¬
tumsvergehen begangen, */ö sexuelle Delikte. Der Rest war wegen
Schulschwänzens und Rohheitsdelikten angezeigt worden.
Nur in einem knappen Viertel aller Fälle war nichts Patholo¬
gisches nachweisbar. Bei fast der Hälfte bestand Schwachsinn ver¬
schieden hohen Grades. 58 waren Psychopathen. Verhältnismäßig
selten fand sich eigentliche Geisteskrankheit in Form beginnender
Hebephrenie: 8 mal. Vortr. geht auf die betreffenden Symptome
näher ein und betont die Schwierigkeit der Frühdiagnose. Unrichtig
sei die Behauptung, daß Wahnbildung bei Kindern nicht vorkomme.
Sexuelle Delikte kamen auffallend häufig auch bei gesunden
Kindern vor, doch ließ sich hier fast stets direkte Verführung fest¬
stellen. Dagegen handelte es sich bei den Schwachsinnigen in
erster Linie um ein krankhaft gesteigertes Triebleben, das zu un¬
sittlichen Handlungen Veranlassung gab. Perversitäten wurden vor
allem bei Psychopathen konstatiert Vortr. gibt charakteristische
Beispiele und warnt davor, solche hochgefährlichen Elemente in die
gewöhnlichen Erziehungsanstalten zu bringen, wo sie moralisch ver¬
giftend auf die übrigen Zöglinge einwirken können.
Besonders erwähnt wird endlich die Möglichkeit falscher An¬
schuldigung und die Unzuverlässigkeit von Kinderaussagen vor Gericht
3. Herr Lust-Heidelberg: Zur Ätiologie der Polio¬
myelitis.
Verl weist zunächst auf die Widersprüche hin, die die tägliche
Erfahrung der Wickmann’sehen Lehre von der Kontagiosität der
Poliomyelitis, von ihrer Übertragbarkeit teils durch den Kranken,
teils durch Abortivfälle oder auch gesunde Virusträger entgegen¬
zuhalten vermag: die relative Seltenheit von größeren Epidemien
in Städten, von Geschwistererkrankungen, Spitalinfektionen etc.
Auch bei dem diesjährigen Material von 71 an der Heidelberger
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io3
Kinderklinik beobachteten Fällen, die sich zum größten Teil aus kleinen
Ortschaften des nördlichen Baden, Hessen und der Pfalz rekrutierten,
waren trotz eindringlichsten Befragens vielfach keine Anhaltspunkte
weder für einen stattgehabten direkten noch indirekten Kontakt zu eru¬
ieren. In einer Reihe von kleinen Ortschaften kam überhaupt nur ein
einziger Erkrankungsfall zur Kenntnis.
In Anbetracht solcher Umstimmigkeiten verdient daher jede
Beobachtung Interesse, die der epidemiologischen Forschung eine
andere Richtung weist Trotz des bisherigen absprechenden Urteils
siichte sich Verf. gemeinsam mit Dr. Rosenberg darüber zu orien¬
tieren, ob die von Bruno wieder neuerdings konstatierte Beobach¬
tung vom Auftreten lähmungsartiger Zustände bei Haustieren, spez.
beim Geflügel, in Poliomyelitisgegenden zur Annahme eines ätio¬
logischen Zusammenhanges zwischen der tierischen und menschlichen
Erkrankung zwingt. Auf Grund eingehender Nachforschungen
kommt Verf. ebenfalls zu dem Resultat, daß an dem Vorkommen
solcher Lähmungserkrankungen bei Haustieren, speziell beim Ge¬
flügel, in der Epidemiegegend nicht zu zweifeln ist. Diese Lähmungen
beruhen, wie angestellte histologische Untersuchungen bewiesen
haben, zum größten Teil auf schweren Veränderungen teils im
peripheren, teils im zentralen Nervensystem. Der anatomisch-histo¬
logische Befund kann ein sehr verschiedenartiger sein: z. B. fanden
sich bei einem Huhn ausgedehnte Blutungen im Rückenmark (aber
ohne entzündliche Veränderungen), bei einem anderen war das
Rückenmark ganz frei, dagegen wiesen das Gehirn, die Pia und die
peripheren Nerven disseminierte entzündliche Infiltrate auf. Ein
der Poliomyelitis anatomisch ähnlicher Prozeß fand sich in diesen
Fällen nicht- Da die histologische Untersuchung allein aber zur
Ablehnung der Identifizierung der tierischen und menschlichen Er¬
krankung sicher nicht genügen kann, wurden Ubertragungsversuche
vorgenommen. Weder gelang der Nachweis, daß die Hühnererkran¬
kung sicher infektiöser Natur ist, noch war es möglich — nicht
unter natürlichen und nicht unter künstlichen Infektionsbedingungen —,
irgendwelche Krankheitserscheinungen durch die Verimpfung von
Poliomyelitisvirus bei Hühnern hervorzuruf tn. Daher muß ein ätio¬
logischer Zusammenhang zwischen beiden Erkrankungen abgelehnt
werden, wenn auch verwandtschaftliche Beziehungen nicht von der
Hand zu weisen sind.
Diskussion.
Herr Hoffmann-Heidelberg hat unter 16 Fällen der Privat¬
praxis während des epidemischen Auftretens der Poliomyelitis im
Sommer 1913 zwei geschlossene Ketten der Übertragung durch ge¬
sunde Zwischenträger verfolgen können. In der einen Reihe von
3 Fällen kamen die gesunden Geschwister und dann wieder erwach¬
sene Verwandte der Erkrankten in Frage, in der anderen Reihe von
3 Fällen erfolgte mit größter Wahrscheinlichkeit die Übertragung
durch eine Putzfrau, die in einem Poliomyelitishause arbeitete. Das
infizierte Kind war das Kind einer Familie, wo sie tagsüber ihr
Kind zur Pflege untergebracht hatte. Das Eigentümliche an dieser
Ubertragungsweise erscheint weniger in der Möglichkeit der Über¬
tragung selbst als in der gleichen Infektionsgefahr befindlich, doch
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nicht erkanken. Es scheinen hier noch Verhältnisse eine Rolle zu
spielen, welche wir zurzeit noch nicht kennen und nicht erklären
können.
Die erste Beobachtung über mit Lähmung einhergehender Er¬
krankung bei Hühnern wurde am 13. VIII. in einem Landorte der
Rheinebene erhoben, wo das an Poliomyelitis erkrankte Kind bis
4 Tage vor seiner Erkrankung mit einem derart kranken Tiere
gespielt hatte, das eben wegen seiner Erkrankung ins Haus ge¬
nommen worden war. Das Tier war eingegangen und verscharrt
worden, so daß eine Untersuchung nicht mehr möglich war. Eine
weitere Beobachtung, die sich auf eine größere Anzahl erkrankter
Tiere in der Umgebung eines Falles von Poliomyelitis erstreckte,
wurde Anfang September in einem Landorte in der Umgebung von
Heidelberg erhoben. Dort waren im Laufe weniger Wochen in einem
Umkreise von 200 m in den Höfen um das Haus eines Poliomye¬
litisfalles 17 Hühner unter Lähmungserscheinungen erkrankt, zum
Teil gestorben, andere wieder nach einiger Zeit genesen. Im übrigen
Orte konnte auch bei Inspektion der Hühnerhöfe nichts gefunden
werden, nur in einem ganz, entgegengesetzt liegenden Hofe fand
sich ein gelähmtes Huhn. Auffallenderweise waren die Besitzer Ver¬
wandte des kranken Kindes und unterhielten dorthin regen Verkehr!
8 gelähmte Hühner konnten noch lebend untersucht werden und
boten das Bild einer schlaffen mit Atrophie einhergehenden Lähmung
des Unterschenkels mit Verlust oder Herabsetzung der Sehnenreflexe,
so daß die auch vom Tierarzt gestellte Diagnose auf Polyneuritis
oder Myelitis lautete. 7 dieser Hühner wurden zur Untersuchung
in das pathologische Institut nach Heidelberg gebracht und dort
gemeinsam mit Herrn Privatdozenten Dr. Groß zu Versuchen ver¬
wandt und von diesem histologisch untersucht. Versuche der Über¬
tragung durch Zusammenleben mit gesunden Hühnern verschiedenen
Alters, durch intraperitoneale Injektion der Rückenmark-, Nerven-
und Hirnemulsion führten zu keinem Ergebnisse, desgleichen Injek¬
tionen der genannten Emulsion subdural auf Affen. Die Affen
konnten später durch Poliomyelitisgift noch krank gemacht werden.
Kulturverfahren nach Noguchi waren ergebnislos. Die histolo¬
gische Untersuchung von Gehirn, Rückenmark und Nieren ergab
nicht das Bild einer Myelitis oder Neuritis. Wir müssen aber
sagen, daß zunächst der Nachweis eines Zusammenhanges der Tier¬
erkrankungen mit Poliomyelitis nicht erbracht ist Aber es ist auch
noch nicht die eigentliche Natur dieser Tiererkrankungen klar er¬
sichtlich. Es erscheint also die Möglichkeit eines Schlusses aus den
vorliegenden zunächst negativen Ergebnissen noch nicht einwand¬
frei gegeben und die Frage noch nicht völlig spruchreif, da die An¬
nahme einer rein zufälligen Kongruenz dieser auffälligen Lähmungs-
erkrankungen bei den Haustieren auch zunächst nicht ganz befrie¬
digen kann.
Herr Bruno-Heidelberg berichtet über seine eigenen Unter¬
suchungen, die er seit seiner ersten Veröffentlichung in den letzten
4 Monaten angestellt und die er zum Teil auf dem Wiener Kongreß
mitgeteilt hat. Er befindet sich in voller Übereinstimmung mit
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Lust über die Kriterien, welche an die Nachprüfung der von ihm auf¬
geworfenen Frage des Zusammenhanges von menschlicher Polio¬
myelitis mit dem gleichzeitigen Auftreten von Tierlähmungen bei
Haustieren anzulegen sind. Bewiesen werden kann der Zusammen¬
hang nur durch den Nachweis einer Lähmung bei den Tieren in
vivo, histopathologische Untersuchung des Nervensystems, eventuell
bakteriologische Untersuchung, Übertragung (experimentelle) auf die
gleiche Tierspezies bezw. auf das empfindlichste Versuchstier, den
Affen. Das Resultat seiner Untersuchungen faßt er dahin zu¬
sammen:
1. Das Zusammentreffen von Poliomyelitis mit Lähmungen bei
Haustieren ist häufiger als bisher bekannt. Bruno konnte es bis
jetzt 32 mal konstatieren. 8 mal waren es einige Beobachtungen an
lebenden Tieren (2 Enten, 2 Gänse, 3 Hühner, 1 Hund), 24 mal
Mitteilungen von Kollegen. Im ganzen waren es 14 Hühner, 4 Enten,
4 Gänse, 6 Ziegen, 2 Rinder, 1 Taube, 1 Kaninchen, die gleichzeitig
mit Kindern von Lähmungen befallen wurden.
2. Ubertragungsversuche mit Rückenmark-Gehirn-Nervenemulsion
der 8 von Bruno beobachteten Tiere auf Affen (Makakus rhesus)
ergaben negative Resultate — ebensp die Übertragung auf die
gleiche Tierspezies. Allerdings wurden diese Ubertragungsversuche
meist zu spät vorgenommen.
3. Infektionsversuche mit voll virulentem Poliovirus, das von
Prof. Flexner-New York stammte, und das für Affen sofort posi¬
tive Resultate gab, ergab zum Teil negative Resultate bei Kaninchen,
Hühnern, Meerschweinchen, Katzen, zum Teil nicht eindeutige Er-
gebnissse; die Tiere (4) gingen nach mehrmaliger Injektion ein.
Histologischer Befund steht noch aus.
4. Die gesamte histologische Untersuchung hat Bruno Dr.
Ranke in Heidelberg übertragen, da die richtige Deutung der Ver¬
änderungen am Zentralnervensystem und den peripheren Nerven
bei Tieren äußerst schwierig ist. Das Untersuchungsergebnis steht
noch aus. Der einzige bisher untersuchte Fall zeigte schwere ent¬
zündliche Veränderungen der Spinalganglien.
5. Bruno hat zu seiner Orientierung eingehende Nachforschungen
nach dem Auftreten von sonstigen Tierlähmungen, die mit Polio¬
myelitis im Zusammenhang stehen, angestellt und dabei ein ziemlich
großes Tiermaterial erhalten. Daraus ergibt sich, daß sowohl bei
Menschen wie bei Tieren seuchenhafte Erkrankungen existieren,
die wie die Heine-Med in sehe Krankheit eine ganze Reihe von
Formen aufweisen: a) rein spinale Form; b) bulbäre; c) enzephali-
tische; d) meningitische; e) polyneuritische Form. — Die Ursache
dieser Tiererkrankungen ist völlig ungeklärt und wird auch noch
geraume Zeit bis zu ihrer definitiven Klärung in Anspruch nehmen.
Zu diesem Zweck hat sich Bruno mit einer Anzahl von Tierärzten,
die an dem gleichen Problem arbeiten, in Verbindung gesetzt. Im
Zusammenarbeiten von humaner und veterinärer Medizin und durch
die sorgfältigen, aber zeitraubenden histologischen Untersuchungen,
die von Dr. Ranke in einwandsfreier Weise vorgenommen werden,
wird hoffentlich Licht in diese dunkle Sache kommen. Bruno hält
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also — trotz der bisherigen negativen Resultate von Lust und
seiner eigenen zum Teil negativen Befunde — die Angelegenheit
noch für durchaus ungeklärt und hält weitere Untersuchungen für
notwendig.
Im Anschluß an seine Ausführungen demonstriert Bruno
die Originalpräparate von Prof. Fl ex n er-New York, welche die
Flexner-Noguchischen Mikroorganismen der Poliomyelitis in
der Kultur und im Schnitt im Rückenmark und Spinalganglion
zeigen.
Diskussion.
Herr Gernsheim-Worms: Aus dem Kreise Worms ist zum
erstenmal in unserer diesjährigen Poliomyelitis-Epidemie die amt¬
liche Mitteilung des Auftretens der Krankheit gekommen, und
zwar am Anfang Juli. In der Zeit von Mitte Mai bis August —
seitdem sind keine neuen Fälle vorgekommen — wurden 34 gemeldet,
und von diesen 26 sofort nach Einführung der Meldepflicht —
Meine ziemlich genau angestellten Nachforschungen haben ergeben,
daß die Krankheit ihren Ausgangspunkt in Heidelberg oder dessen
Umgebung hatte und von Arbeitern, die in Mannheimer Fabriken
arbeiten, entweder direkt oder durch die Kleider (Kleiderschränke)
ihrer Arbeitsgenossen nach dem einige Kilometer entfernten rechts¬
rheinischen Ort Lampertheim, wo mehr als 10 Fälle beobachtet
wurden, verschleppt wurde. Von da kam sie bei dem engen Bevöl¬
kerungskontakt zuerst nach dem südlich von Worms gelegenen
Horchheim und weiterhin nördlich gelegene Ortschaften.
Ich verfüge über 8 eigene Beobachtungen, von denen in 4 der
Ubertragungsmodus durch 3 Personen einwandsfrei festgestellt
werden konnte. Ein Fall — nicht selbst beobachtet — ist höchst
bemerkenswert: Der Vater eines in Horchheim an Poliomyelitis ge¬
storbenen und sezierten Kindes arbeitet in der Fabrik neben einem
Mann aus Heppenheim i. W. Dessen Kind erkrankt etwa 4 Wochen
nach dem Tode des anderen Kindes an Poliomyelitis, nachdem der
Vater schon 8 Tage vorher von einer typischen Serratuslähmung be¬
fallen worden war.
Herr Moro-Heidelberg hält Kontrolluntersuchungen über das
Auftreten von Geflügellähmung in poliomyelitisfreien Zeiten und
Gegenden für erforderlich.
Herr Lugenbühl-Wiesbaden vermißt das gleiche. Zu leicht
wird doch beim Vorkommen dieser Erkrankung beim Menschen
rückläufig auf alles Mögliche in der Umgebung gefahndet; die
Häufung von Tiererkrankungen gleichzeitig oder vorhergehend
mit menschlichen Erkrankungen scheint mir nur in einigen der
angeführten Fälle (Hoffmann) genügend nachgewiesen.
Herr Lust: In den Ergebnissen befinde ich mich in erfreulicher
Übereinstimmung mit Herrn Bruno und Hoffmann. Ihre Ver¬
suche sind sogar eine willkommene Ergänzung zu den unsrigen,
da sie auch bei der Übertragung des Rückenmarks gelähmter Tiere
auf Affen zu negativen Ergebnissen kamen. Bemerkenswert ist,
daß sicher auch in poliomyelitis fr eien Gegenden Epidemien von
mit Lähmungserscheinungen einhergehenden Hühnererkrankungen
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beobachtet wurden. Man muß daher verlangen, daß nur Tiere ver¬
wertet werden, bei denen es möglich ist, der Inspektion in vivo
eine histologisch-anatomische Untersuchung anzugliedem, und die
zu einer Rasse gehören, die als empfindlich für das Poliomyelitis¬
virus erkannt wurden. Sowohl die histologische Untersuchung als
der Ubertragungsversuch sind bisher negativ ausgefallen, und damit
sind weitere ätiologische Schlüsse nicht angängig. — Die Kontakt¬
infektion wird nicht abgelehnt, wir haben selbst ja derartige Fälle
mitgeteilt, nur an ihrer überwiegenden Bedeutung möchte ich zweifeln.
Die einzigen Geschwister, die in der diesjährigen Epidemie bekannt
wurden, erkrankten am gleichen (!) Tag.
4. Herr S. Wolff-Wiesbaden: Uber Pneumokokkenerkran¬
kung. Besprechung von 3 Fällen von Pneumokokkenerkrankung,
die eine Steigerung therapeutischer Versuche zeigten. Der erste
Fall, eine schwere Pneumokokkensepsis, heilte nach einer Chinin¬
intoxikation. Hier hatte man das Chinin nach allen möglichen
vorhergegangenen therapeutischen Versuchen lediglich als Fieber¬
mittel gegeben. Es hatte aber die chemotherapeutische Komponente
gewirkt Doch war erst so hohe Dosis nötig, daß Intoxikation ein¬
trat. Deshalb ist für ähnliche Fälle wirksamer Stoff nötig. Dies
ist das Optochin, ein sehr wirksames Chinoalkaloid. Dies bei einem
Fall von Pneumokokkenmeningitis neben anderen Mitteln per os
erfolglos gegeben, wahrscheinlich weil es nicht in genügender Kon¬
zentration an die Pneumokokken herankam. Deshalb bei dem
nächsten Fall das Optochin intralumbal und intraventrikulär ange¬
wandt, und in diesem Fall sichtlich Erfolg. Die Meningitis heilte
und blieb geheilt, da die Autopsie des nach einiger Zeit an einer
schweren Grippe Verstorbenen Meningitis ergab. Deshalb sollte
bei der sehr schlechten Prognose der Pneumokokkenmeningitiden das
Optochin versucht werden, wenn nichts anderes hilft, dann aber
sogleich intralumbal oder intraventrikulär, da diese Anwendung
theoretisch am meisten begründet ist Ausführliche Publikationen
a. a. O.
Diskussion.
Herr Benario-Frankfurt a. M. Herr Wolff.
5. Herr Moro-Heidelberg: Uber rezidivierende Nabel¬
koliken bei älteren Kindern. Wiederholte Anfälle von Leib¬
schmerzen bei neuropathischeri Kindern, die mit großer Regelmäßig¬
keit in die Nabelgegend lokalisiert, häufig mit Appendizitis ver¬
wechselt werden und jeder Suggestivtherapie ausgezeichnet zugänglich
sind. (Ausführliche Publikation in der M. m. W.)
Diskussion.
Herr Gernsheim-Worms fragt, ob Herr Moro Gelegenheit ge¬
habt hat, den Magensaft zu prüfen. Ich frage deshalb, weil ich in
mehreren diesbezüglichen Fällen Hyperazidität, in einem Falle der
letzten Zeit vollständige Anazidität feststellen konnte.
Herr Barten st ein-Kreuznach bestätigt durch eigene zahl¬
reiche Beobachtungen die Mitteilungen von Moro. Als Ursache
kommt immer neuropathische Konstitution in Frage. Außerdem auch
Obstipation,
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B. fragt an, wie die leichteren Fälle von Nabelschmerzen zu
erklären sind, wo rezidivierende Schmerzen ohne Kolicharakter auf¬
traten.
Herr v. Met ten heim er-Frankfurt a. M. weist darauf hin, daß
derartige Kinder häufig zu große Mengen M i 1 c h bekommen. Nach
Regelung der Diät, vor allem Beschränkung der Milch Aufhören
der Obstipation und Schmerzen.
Herr Gelhaar-Frankfurt a. M. fragt an, ob in den Fällen,
die mit periodischem Erbrechen einhergingen, Azeton gefunden
wurde. Ich habe einen Fall, bei dem bereits die Appendixoperation
erwogen wurde, der sich als Azetonurie erwies.
Herr Georg Koch-Wiesbaden wundert sich über, die Prompt¬
heit der Wirkung einerseits der suggestiblen (faradischer Pinsel,
Nabelpflasterverband) Mittel, die Herr Moro anwendet, andererseits
der diätetischen (Weglassen von Milch) des Herrn v. Metten¬
heim er bei so schwerneuropathischen Kindern. Solche suggestiblen
Maßnahmen führen nach eigener Beobachtung doch häufig nicht
zum Ziele.
Herr Hoffmann ist der Ansicht, daß der Erfolg jeder Be¬
handlung bei dieser Erkrankung, als einer Erscheinungsform der
Neuropathie, auf einer Suggestivtherapie beruhe. Da ist es Pflicht,
zu verhindern, daß solche Patienten als körperlich Kranke von einem
Arzt zum andern wandern, da sie dabei nur kränker werden. Es
kommt dabei auf den autoritativen Einfluß des Arztes durch seine
Person mehr an als auf die Wahl der Mittel, von denen jedes, ob
Diätregelung, Faradisation, Pflasterkleben, Massage oder irgendeine
gleichgültige Arzneimedikation, zum Ziele führen, vorausgesetzt, daß
die Person, die sie anwendet, die richtige ist. (Die Richtigkeit der
M.’schen Anschauungen, welche in diesem Vortrag niedergelegt sind,
ist von Küttner-Breslau in mehreren Publikationen neuerdings
bestritten worden, da dieser behauptet, die meisten derartigen Fälle
seien Appendiziten. Red.)
6. Herr B e c k - Frankfurt a. M.: Larosan oderEiweiß milch.
B. berichtet über 50 mit Kaseinkalziummilch behandelte Säuglinge
im Alter von 2 Wochen bis zu 1 Jahr, die an akuter und subakuter
Dyspepsie, Enterokolitis und Dekomposition litten. Die positiven
Erfolge waren die gleichen wie bei der Eiweißmilch. B. empfiehlt
das Larosan wegen der Billigkeit und der bequemeren Herstellung
der Milch besonders für die Privatpraxis. (Die Arbeit erscheint in
der M. Kl.)
Diskussion.
Herr Lu st-Heidelberg: Die Erfolge mit Larosan waren recht
ungleichmäßige. Wochenlang, speziell in kühleren Jahreszeiten,
waren sie leidlich befriedigend, dann kamen aber auch Zeiten, wo
die Resultate uns zwangen, schleunigst wieder zur bewährten Eiwei߬
milch zurückzukehren. Von einem vollwertigem Ersatz kann nach
unseren Resultaten keine Rede sein.
Herr Moro.
Herr Hoffmann hat ebenfalls gelegentlich der Anwendung
von Larosan Mißerfolge gesehen, die dann bei Gabe von Eiwei߬
milch sich besserten. Die Verabfolgung von Larosanmilch wurde
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log
daher auf ältere Säuglinge und weniger schwere Fälle beschränkt,
während für jüngere Säuglinge und schwere Dekompositionen zunächst
Eiweißmilch gereicht wurde. In dieser Indikationsstellung waren
die Erfolge durchweg günstige, sogar glänzende.
Herr v. Mettenheimer.
Herr S. Wolff hat gar keine günstigen Erfolge zu verzeichnen.
Herr Gross er-Frankfurt a. M. hat bei leichten Fällen günstige
Erfahrungen mit Larosan gemacht, bei schweren ersetzt es nicht
Eiweißmilch.
7. Herr Grosser: Zur Ernährung bei Gallengangver¬
schluß. Bei einem 7 wöchigen, klinisch von Dr. Weihe behan¬
delten Falle von kongenitalem (Sektion) Gallenausführungsgang-Ver-
schluß wurde der N-, CaO- und P 2 0 6 - Stoffwechsel untersucht. Die
N-Ausnützung war gut, ließ sich durch Kaseinzulage sogar steigern,
PjOß und CaO-Ausnutzung dagegen schlecht. Besonders auffallend
war die dauernde beträchtliche Kalkunterbilanz, die sich
aber von der rachitischen dadurch unterschied, daß im Gegensatz
zu ihr der Urin nicht kalkfrei war, sondern normalen Kalkgehalt
aufwdes. — Die Fettausnutzung war bei reichlichem Angebot in
der Nahrung gut, entsprechend den Angaben anderer Autoren.
8. Herr C u n o - Frankfurt a. M.: Uber Anaphylaxie bei
wiederholter Diphtherieheilseruminjektion.
Auf der Diphtherie-Abteilung des Dr. Christsehen Kinder¬
hospitals in Frankfurt a. M. wurden seit Oktober 1894 ca. 3500
Kinder mit Diphtherieheilserum behandelt. 2 mal injiziert wurden
204 Kinder, es betrug das Intervall 10 Tage bis 114 Monate.
3 mal bekamen Heilserum 11 Kinder mit Intervallen von 2 und
I Monat bis zu 84 und 19 Monaten.
4mal wurde 1 Kind injiziert, die Intervalle betragen 21, 52 und
II Monate. Nur bei einem von diesen 204 reinjizierten Kindern
wurde bei der zweiten Injektion eine schnell vorübergehende leichte
Anaphylaxie beobachtet.
Als Ursache der bei seinen Kindern so selten aufgetretenen Ana¬
phylaxie nimmt C. den Umstand an, daß bis 1910 nur subkutan,
seit dieser Zeit nur intramuskulär und nur selten intravenös stets
Höchster Diphtherieheilserum injiziert wurde und eine große Anzahl
der Kinder die erste Injektion in den ersten Lebensjahren erhielt.
Zur Vermeidung der bei Reinjektion stets bestehenden Gefahr
der Anaphylaxie empfiehlt C. bei wiederholter Injektion nur subku¬
tan und ganz langsam zu injizieren und bei an anderen Heu¬
schnupfen leidenden Patienten eine Wiederholung der Injektion nach
Möglichkeit überhaupt zu unterlassen.
Diskussion.
Herr Moro meint, daß die Ansicht über anaphylaktische Ge¬
fahren nach wiederholter Injektion davon abhängig ist, was man
persönlich in dieser Richtung gesehen und erlebt hat Bei prophy¬
laktischer Immunisierung in Anstalten empfiehlt er zunächst die
probatorische Toxinimpfung nach Schick vorzunehmen.
Herr Benario.
Herr Sonnenberger möchte im Anschluß an die Bemer¬
kungen des Herrn Benario über die Behandlung schwerer Diph-
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HO
therie mitYatren (in Verbindung mit Heilserum) auf die Pyozyanase,
ein Bazillenprodukt des Baz. Pyozyaneus, hinweisen (näheres hier¬
über in Würzburger Abhandlungen, 1913, H. 12). Dessen lokale
Anwendung in Verbindung mit Heilserum scheint schwere Diph¬
theriefälle recht günstig zu beeinflussen, ebenso wirkt es bei einer
Anzahl anderer Infektionskrankheiten im Kindesalter (z. B. Keuch¬
husten) günstig. Namentlich sollte man es bei sogenannten Bazillen¬
trägern zur Anwendung bringen.
Herr Moro bestreitet den Wert der Pyozyanase.
Herr Bardorff-Frankfurt a. M. kann, wenn er seine sojähr.
Erfahrungen über Diphtheriebehandlung überdenkt, unter voller
Anerkennung des Heilserums eine wesentliche Besserung der Sterb¬
lichkeit nicht zugeben.
Herren Lugenbühl, Cahen-Brach, Hoffmann.
Herr Neu haus-Heidelberg: Hinweis auf dieStatistik Axenows,
der doch relativ zahlreiche Fälle von schweren anaphylaktischen
Erscheinungen bei seinen mit Moserschem Serum gespritzten
Kindern beobachtet hat. CaClj und Busrudkasehe Methode haben
vollständig versagt
Herr Deut sch-Frankfurt a. M.
Herr Beck: In der früheren Heubnersehen Klinik wurden
sämtliche aufgenommenen Kinder, einerlei an welcher Krankheit sie
litten, prophylaktisch alle 3 Wochen mit Diphtherie-Heilserum ge¬
spritzt Es ist mir kein Fall von Anaphylaxie bekannt geworden.
9. Herr Weihe (Kinderklinik des städtischen Krankenhauses,
Frankfurt a. M.): Uber die Ruhr der kleinen Kinder. Im
Laufe des Sommers 1913 wurden in der Kinderklinik 22 Fälle von
Ruhr beobachtet, darunter 11 Primärerkrankungen. 18 mal fanden
sich Pseudodysenteriebazillen im Stuhl, 3 weitere Fälle standen
im engsten epidemiologischen Zusammenhang zu bakteriologisch
sichergestellten Ruhrerkrankungen. Der bakteriologische Nachweis
ist nur bei Verarbeitung ganz frischer Stuhlgänge möglich. Bei
51 Kindern, die an Dyspepsie oder anderen alimentär oder paren¬
teral bedingten Darmstörungen litten, wurden niemals Pseudodysen¬
teriebazillen gefunden. Der Verlauf der Krankheit war ein schwerer.
5 Kinder starben, teilweise unter toxischen Erscheinungen.
Diskussion.
Herr Schürer-Frankfurt a. M.: Im hygienischen Institut in
Frankfurt wurden im Laufe des letzten halben Jahres bei 38 Säug¬
lingen und kleinen Kindern Pseudodysenteriebazillen im Stuhlgang
nachgewiesen. Die Tatsache, daß bei Dyspepsien nie Ruhrbazillen ge¬
funden wurden, spricht nicht mit Sicherheit dagegen, daß die Ruhr bei
Säuglingen auch unter den Erscheinungen einer einfachen Dyspepsie
verlaufen kann, nur ist die Isolierung der Krankheitserreger bei
leichteren Dysenterieerkrankungen wohl besonders schwierig. Bei
einer zweifellos von einer einzigen Infektionsquelle ausgehenden
Ruhrendemie wurde eine größere Zahl von Pseudodysenteriekulturen
gewonnen, die nach ihrem Verhalten gegenüber Maltose zum Teil
zum Typus Flexner, zum Teil zum Typus Y hätten gerechnet
werden müssen. Diese beiden Unterarten können daher nicht als
konstant gelten.
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III
Herr Keuper-Frankfurt a. M.: In der medizinischen Klinik zu
Frankfurt a. M. wurde in einer Keuchhustenbaracke durch ein Kind,
das vorher mit Dysenteriekranken in Berührung gekommen war, eine
Pseudodysenterie-Endemie verursacht, die sehr schwer verlief und
einen Beweis für die enorme Infektiosität der Erkrankung gibt
Trotz strenger Isolierung erkrankten 20 von 23 Kindern. In 18 unter¬
suchten Fällen fanden sich 17 mit positivem bazillärem Befund. Es
war in der Mehrzahl der Fälle eine Inkubationszeit von 5—6 Tagen
bei dem gruppenweisen Erkranken auszurechnen. Diese Zeit kommt
vielleicht als häufigste Inkubationszeit in Betracht
6 von 20 Kindern starben, 4 in den ersten Tagen der Ruhr,
2 an Nachkrankheiten. Bei allen fand sich trotz schwerer klinischer
Erscheinungen nur eine Enteritis follikularis. Wir verordneten Uzara¬
tabletten und Emetin subkutan, sahen wohl einen stopfenden, aber
keinen spezifischen Erfolg.
4 Kinder hatten noch nach 2 Monaten in festen Stühlen Pseudo-
dysenteriebazillen.
Herren Cahen-Brach, v. Mettenheimer, Schürer.
10. Herr Beck-Frankfurt a. M.: Weitere Erfahrungen mit
Rosenbach’schem Tuberkuli n bei der kindlichen Tuber¬
kulose.
B. hat im vergangenen Jahre weitere 45 Säuglinge und Kinder
mit TR behandelt und berichtet über seine günstigen Erfolge. (Die
Arbeit erscheint in extenso in der Zeitschrift für Kinderheilkunde.)
Diskussion.
Herr v. Mettenheimer hat an der Kinderklinik in über 30
Fällen von Lungen- und Herzmuskeltuberkulose keinen sichtbaren
Erfolg von der Tuberkulin -R o s e n b a c h - Kur nachweisen können.
Herr Georg Koch-Wiesbaden betont, daß es doch sehr nahe
liegt, die Mißerfolge des Hern v. Mettenheimer gegenüber Herrn
Beck auf das Material zurückzuführen, und da möchte ich an¬
knüpfen an eine Bemerkung des Herrn Beck. Herr B. hat betont,
daß sich zur Behandlung mit T. R. Fälle von „beginnender ganz
leichter Bronchialdrüsen tuberkulöse“ eignen. Ich muß fragen: wie
diagnostiziert Herr B e c k diese „leichte“ Bronchialdrüsentuberkulose?
Aus der ausführlichen eingehenden Arbeit von Engel geht hervor,
wie außerordentlich schwierig die Diagnostik der Bronchialdrüsen¬
tuberkulose ist Herr Beck muß daher diese Frage genau beant¬
worten, wenn er auf die Erfolge einer spezifischen Behandlung dieser
Fälle mit T. R. hinweisen will.
11. Herr Götzky: Demonstration von Röntgenbildern von
einem 4jährigen Knaben mit hypothyreotischer Konstitution, bei dem
eine klinisch intermittierende Dysthyreosis röntgenologisch durch
zahlreiche lamellöse Querschatten in der Gegend der endochondralen
Ossifikationszone nachgewiesen werden kann.
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112
Referate.
Mitteilungen aus der Diphtheriestation. Vou P. Reiche
und W. H. Liede. (Aus dem Allgem. Krankenhause Ham¬
burg-Eppendorf. Mitteilungen a. d. Hamburger Staatskranken¬
anstalten, XIII, 13.)
Zweitausend weitere mit Behring’schem Serum behan¬
delte Diphtheriefälle. Von F. Reiche. Ibidem, XIV, 4.
Weitere Mitteilungen zur Bewertung der Wirksamkeit des
Behring’schen Heilserums bei Diphtherie. VonF.
Reiche. Ibidem, XIV, 9.
über Rezidive bei Diphtherie. Von F. Reiche. Ibidem,
XIV, 3.
Diphtherie und soziale Lage. Von F. Reiche. (Med. Kl.,
1913, Nr. 33.)
über Herpes fazialis bei Diphtherie. Von F. Reiche.
Ibidem, 1913, Nr. 35.
Reinfektionen mit Diphtherie. Von F. Reiche. Ibidem,
1913, Nr. 41.
Erkrankungen des Appendix (in einem Fall mit an¬
schließender Pylephlebitis) nach Diphtherie. Von
F. Reiche. (Mitteilungen a. d. Grenzgeb. d. Med. u.
Chir., XXVII, 2.)
In diesen Arbeiten ist eine Fülle wichtigen Beobachtungs¬
materials aus der seit mehreren Jahren in Hamburg grassierenden
Diphtherieepidemie zusammengetragen. Eine theoretisch zu er¬
wartende Begünstigung der Ausbreitung der Krankheit durch die
sozialen Faktoren der Armut und ihre Hemmung durch die Wohl¬
habenheit wurde dabei nach den aus dem Hamburger Stadtgebiet
1909—1911 gemeldeten 13015 Krankheitsfällen nicht beobachtet
Die klinischen Befunde an den dem Krankenhaus überwiesenen 7015
Patienten sind, fast immer unter Trennung der verschiedenen Alters¬
klassen, besonders hinsichtlich der Komplikationen, des Krankheits¬
ablaufs, des Effekts der Serumbehandlung, der Mengen der ver¬
wandten Immunitätseinheiten und der bakteriologischen Unter¬
suchung des Leichenbluts mitgeteilt; in ihm wurden unter 768 in
den ersten drei Wochen ihrer Krankheit Verstorbenen in 26 Fällen
Diphtheriebazillen, 10 mal zusammen mit hämolytischen Strepto¬
kokken, nachgewiesen, steril war es in 302. 6000 Kranke erhielten
Seruminjektionen. 866 von obiger Gesamtzahl starben, = 12,3 Proz.,
799 von den nach Behring Behandelten. Es erlagen der Krank¬
heit — um nur einige prominenteste Daten zu geben — von denen,
die am 1. Krankheitstage Serum bekommen hatten, unter im Ganzen
790 Patienten 36, am 2. Tage von 2451 schon 170. Serum wurde
in schweren Verlaufsformen zum Teil sehr reichlich zugeführt, Mengen
von 9000 bis 12000 Einheiten gehörten nicht zu den Seltenheiten,
die größten Gaben waren 18000 und 19500. — Von Interesse sind
die relativ häufigen echt-diphtherischen Komplikationen an den
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Augenbindehäuten, der Zunge, der Lippen. Tracheötomiert wurden
487 mit 277 Todesfällen. Herpes fazialis wurde unter 4830 Kranken
bei 336 = 6,7 Proz. und bei Frauen etwas häufiger als beim männ¬
lichen Geschlecht gesehen, keinmal bei den 99 unter 1 Jahr zählen¬
den und den 16 oberhalb des 50. Lebensjahres stehenden Patienten,
unter den übrigen in steigender Frequenz der einzelnen Altersklassen
bei den Kranken vom 2.—5. Jahr zu 1,4 Proz., vom 26.—50. zu
124 Proz. Im Ganzen traten im Verlauf der Krankenhausbehand¬
lung während der Höhe des Leidens und in der Rekonvaleszenz
19 Appendizitiden — in der Gesamtheit zu 0,27 Proz. — auf, darunter
5 ausgesprochen schwere, von denen 1 weiterhin mit einer Pylephle-
bitis suppurativa sich komplizierte. 130 Rezidive der Diphtherie
finden gesonderte Betrachtung, sie kamen zu 2,8 Proz. zur Kennt¬
nis, am häufigsten in der Altersklasse zwischen 15 und 25 Jahren;
durchschnittlich stellten sie sich zwischen dem 20. und 29. Krankheitstag
ein, desto später im Mittel der Zahlen, je schwerer die primäre
Diphtherie verlief und zwar im Ganzen öfter nach leichten als nach
mittelschweren und schweren Bildern. Der Rückfall war in fast
Vs der Beobachtungen ein leichter, in l /ß ein schwerer. Die Frage
nach der durch das Uberstehen der Krankheit gewonnenen Immuni¬
tät wird hierbei und bei dem Kapitel der Reinfektionen weiter ge¬
prüft und damit Stellung genommen zu dem neuen Gesichtspunkt,
unter den v. Behring die Diphtheriebehandlung gerückt hat Die
gegebene Übersicht enthält 394 Patienten mit der anamnestischen
Angabe einer früheren durch gemachten Diphtherie und 47 Wieder¬
erkrankungen, bei denen die sicher recht diphtherische Natur sowohl
der 1. wie der 2. Attacke zweifellos feststand; auch hier läßt sich
das Bestehen aktiv immunisierender Kräfte von der früheren Diph¬
therie her nicht mit der zu fordernden Sicherheit herleiten, kein
zeitlicher Schutz gegen neues Erkranken, keine verbesserte Abwehr¬
fähigkeit gegen die erneut in den Körper einbrechende Infektion.
Von 77 bei der ersten Diphtherie und bei der Reinfektion Einge¬
spritzten bekamen 33 oder 42,9 Proz. ein Serumexanthem, das unter
sämtlichen 6000 Injizierten bei 418, das ist bei 7 Proz. festgestellt
wurde. Autoreferat.
Die Wandlungen der spezifischen Bekämpfung der
Diphtherie. Von W. G. Ruppel-Höchst a. M. (D. m. W.,
1914, Nr. 11 und 12.)
Bald nach der Entdeckung des Diphtheriebazillus durch Loeffler
stellte E. v. Behring die Forderung auf, jede klinische Diagnose
auf Diphtherie durch bakteriologische Untersuchung sicherzustellen
und als Diphtherie nur solche Krankheitsprozesse zu bezeichnen,,
bei denen der L off ler’sehe Diphtheriebazillus nachgewiesen
worden war.
Behring stellte den Klinikern ein Heilmittel der Diphtherie
in Gestalt seines antitoxischen Diphtherieserums zur Verfügung,
dessen allgemeine Einführung sicherlich nicht so schnell durchge¬
führt gewesen wäre, wenn nicht von bakteriologischer Seite, nämlich
vom Institut für Infektionskrankheiten in Berlin und vom Pasteur-
Kiadar-Arst XXV. Jahrg. 1914. 8
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Institut in Paris Beweise für die Wirksamkeit des neuen Heil¬
mittels durch die Behandlung einer großen Anzahl von Kranken
erbracht worden wären.
Die ersten Diphtheriesera stammten von Hunden. Ziegen, haupt¬
sächlich aber von Schafen. Hinsichtlich ihres Antitoxingehaltes
waren sie sehr minderwertig. Sie enthielten meistens nur 60 Anti¬
toxineinheiten in i ccm. Schon in der ersten Serumperiode wurde
das Auftreten von Serumexanthemen, und zwar namentlich häufig
bei Verwendung von Hammelserum beobachtet.
Als Höchstdosis wurden von der ersten, den Präparaten der
Höchster Farbwerke beigegebenen Gebrauchsanweisung 1500 Anti¬
toxineinheiten bei subkutaner Injektion vorgeschrieben, die in 25 ccm
enthalten waren. Das Bedürfnis, größere Antitoxinmengen zu inji¬
zieren, veranlaßte es, zur Herstellung des Serums Pferde zu ver¬
wenden. Es gelang bald hochwertige Sera zu erhalten und Dank
der obligatorischen staatlichen Prüfung zur alleinigen Anwendung
zu bringen.
Damit mehrten sich die Heilerfolge des Serums, jedoch wurde
von den Serumgegnern immer von neuem geltend gemacht, daß die
Anwendung des Diphtherieserums mit Nachteilen und Schädigungen
für die Patienten verbunden sei, die einerseits in dem Auftreten
von Serumexanthemen und oft direkt bedrohlichen Zuständen be¬
ständen, und andererseits die Mehrung von Schädigungen der Nieren,
von postdiphtherischen Lähmungen und von Fällen plötzlichen
postdiphtherischen Herztodes zur Folge hätte.
Dagegen wurde mit Recht geltend gemacht, daß die störenden
Nebenerscheinungen mit dem Gehalt des Serums an Diphtherie-
Antitoxin nichts zu tun haben, und daß die scheinbare Zunahme
ernster, postdiphtherischer Störungen nur dadurch verursacht wurde,
daß viele Diphtheriefälle allerschwerster Form durch die Serum¬
behandlung definitiv oder vorübergehend geheilt wurden, die ohne
Serum rettungslos verloren gewesen wären.
Das Serumexanthem wird hervorgerufen durch einen in jedem
tierischen Blutserum vorhandenen Stoff, der infolge seiner Labilität
beim Lagern oder beim Erhitzen des Serums auf 56—60 0 ver¬
schwindet Der Antitoxingehalt eines Diphtherieserums erleidet
eine Abnahme nur in der allerersten Zeit nach der Entnahme des
Blutes aus dem Tierkörper, um dann vollkommen konstant zu bleiben.
Es werden infolgedessen nur noch alte abgelagerte, also konstant
wirksame und unschädliche Sera abgegeben. Die Forderung nach
frischen Serumpräparaten ist unberechtigt und geht von falscher
Voraussetzung aus. Seit Anwendung der abgelagerten Sera sind
die Fälle von Serumexanthem auf ein Minimum beschränkt.
Vom Serumexanthem scharf zu trennen ist die Anaphylaxie
oder Allergie, ein durch die Einspritzung von tierischem Serum her¬
vorgerufener Zustand von Uberempfindlichkeit gegen artfremdes
Eiweiß, welche bei Reinjektion desselben Serums zur Auslösung des
anaphylaktischen Shoks führen kann. Der letztere kann mit
Sicherheit vermieden werden, wenn man 5—6 Stunden vor der Rein¬
jektion der Hauptmenge des Serums die Einspritzung einer geringen
Menge (0,5 ccm) subkutan vornimmt
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Eine Reindarstellung des Diphtherie-Antitoxins ist bisher nicht
gelungen. In einzelnen Fällen hat man antitoxinfreie oder wenig¬
stens antitoxinarme Eiweißkörper aus dem Serum abscheiden können
und hat auf diesem Wege Diphtheriesera von erhöhtem* Antitoxin-
gehalt bei gleichem oder vermindertem Eiweißgehalt gegenüber dem
Ausgangsmaterial gewonnen. Der Antitoxingehalt derartiger „ge¬
störter“ Sera aber ist labil, überdies gibt es keine Methode von all¬
gemeiner Gültigkeit für die künstliche Konzentrierung des Anti¬
toxingehaltes im Diphtherieserum. Man mußte deshalb auf die
praktische Verwertung dieser Methoden verzichten. Dagegen hat
man in der Immunisierung der Serumlieferanten so große technische
Fortschritte gemacht, daß man jetzt jederzeit Sera mit 500, 750,
1000 und selbst mehr Antitoxineinheiten zur Verfügung hat und zwar
nicht nur flüssige Sera, sondern auch Trockenpräparate, frei von jedem
Konservierungsmittel.
Die vielfach übertriebene Furcht vor der Anaphylaxie hat
namentlich die Anwendung des Diphtherieserums als Schutzmittel
nachteilig beeinflußt, und man hat wiederholt den Wunsch ausge¬
sprochen, neben dem von Pferden gewonnenen Diphtherieserum das
Serum einer anderen Tierart für prophylaktische Zwecke zur Ver¬
fügung zu haben. Ein solches Serum ist in dem Diphtherie-Rinder¬
serum der Höchster Farbwerke vorhanden.
Das Diphtherie-Rinderserum, welches durch Immunisierung von
absolut tuberkulosefreien ..Rindern gewonnen wird, ist vollkommen
unschädlich, da es durch langes Ablagern oder durch Erwärmen
auf 56 0 C. seiner primären Toxizität beraubt ist Es wird an
Tieren gewissenhaft geprüft und unterliegt der staatlichen Kontrolle.
Der passive Schutz durch ein Diphtherieserum ist nur von kurzer
Dauer. Ein neues Verfahren von Behring bezweckt eine Schutz¬
impfung von dauerhafterer Wirkung. Das Verfahren besteht in der
intrakutanen Einverleibung genau dosierter Gemische von Toxin
und Antitoxin. Von dem neuen Verfahren ist zu hoffen, daß es,
im Verein mit den Bestrebungen zur Entkeimung der Diphtherie¬
bazillenträger die vollkommene Ausrottung der Diphtherie ermög¬
lichen wird. Autoreferat.
Uber den Jetzigen Stand der aktiven Diphtherieimmuni~
sierung nach V. Behring. Von E. Schreiber-Magde¬
burg. (Ther. d. Gegenw., März 1914.)
Vier Gründe sprechen dafür, daß Menschen mit einem genügen¬
den Diphtherieantikörpergehalt im Blute gegen Diphtherie geschützt
sind. Nämlich 1. die Tatsache, daß sich bei frisch an Diphtherie
erkrankten Menschen im Blute keine Diphtherieantikörper finden,
2. die Schutzwirkung der prophylaktischen Seruminjektton, 3. die
hinreichend bekannte Beobachtung, daß Ärzte und Pflegerinnen, je
länger sie auf Diphtheriestationen arbeiten, umso weniger leicht
an Diphtherie erkranken, und endlich 4. auch die, daß Bazillenträger
äußerst selten wieder an Diphtherie erkranken. Und zwar wird ein
Antikörpergehalt von V 10 bis Vö Einheiten in 1 ccm höchstwahr¬
scheinlich ausreichen, um gegen eine nicht allzu virulente Infektion
zu schützen. Während bei der prophylaktischen Seruminjektion
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ii6
dieser Antikörpergehalt zugeführt wird (passive Immunisierung),
geht das neueste Bestreben vonBehring’s dahin, diese Antikörper¬
bildung aktiv zu erzielen, durch Einimpfung eines Gemisches von
Antitoxin und Toxin, das vollkommen abgesättigt ist. Die aus den
verschiedenen Kliniken vorliegenden Mitteilungen zeigen, daß durch
ein oder mehrere Einspritzungen ein hinreichender Antikörpergehalt
erzeugt werden kann. Es wird aber noch des weiteren Studiums be¬
dürfen, mit welcher Impftechnik man den höchsten Antikörperge¬
halt erreicht Darauf ist besonderer Wert zu legen, nicht nur des¬
wegen, weil er den sicheren Schutz gewährt, sondern vor allem aus
dem Grunde, weil der Antikörpergehalt im Laufe der Monate wieder
sinkt, um sich dann auf eine bestimmte Höhe einzustellen, die nun
längere Zeit anhalten wird. Der Impfschutz tritt bei der aktiven
Immunisierung allerdings erst nach etwa io Tagen ein, will man
die Kinder in dieser Zeit schützen, so könnte man daran denken,
gleichzeitig eine Seruminjektion vorzunehmen, die keinerlei Einfluß
auf die Antikörperbildung ausübt. Irgend welche Schädigungen
durch die Impfung sind bisher nicht beobachtet worden, insbesondere
besteht keine Gefahr der Anaphylaxie. Die auf die Injektion folgende
Reaktion übertrifft an Stärke die nach einer positiven Tuberkulin¬
probe nicht Diese aktive Immunisierung ist bereits in der Um¬
gebung Magdeburgs bei Endemien in den verschiedenen Ortschaften
auf ihren praktischen Wert geprüft, dabei hat sich die erfreuliche
Tatsache ergeben, daß nach dem io. Tage keins der 700 geimpften
Kinder erkrankte, erst nach Ablauf von einigen Monaten erkrankten
12. Da in allen diesen Ortschaften die Diphtherie andauerte, zum
Teil auch heute noch nicht erloschen ist, so darf man daraus den
Schluß ziehen, daß diese Kinder zweifellos einen Schutz gegen
Diphtherie besessen haben, der aber nicht genügend groß war, so
daß er im Laufe der Monate wieder verloren ging. Auch diese Be¬
obachtung legt den Wunsch nahe, den Antikörpergehalt möglichst
hoch zu treiben. Ferner ist beachtenswert, daß bei den 12 Impf¬
lingen die Diphtherie verhältnismäßig leicht verlief, was sich da¬
durch erklärt, daß die einmal angeregte Antikörperbildung, selbst
wenn der Schutz erheblich gesunken ist, bei einer Erkrankung wieder
ansteigt Vor allen Dingen bilden sich dann auch die Antikörper
sehr schnell wieder, selbst wenn sie vollkommen verloren gegangen
sein sollten. Auf jeden Fall bedeutet diese aktive Immunisierung,
deren Technik nicht allzu schwierig zu erlernen ist, zweifellos einen
Fortschritt Autoreferat
Haemorrhagie conditions in children«patholögY~etiology~
treatmenL Von A. L. Soresi-New York. (Arch. of ped.,
xxx , 4.)
Es gibt zweierlei hämorrhagische Zustände: bei Hämophilie sind
die Gefäßwände intakt, die Gerinnungsfähigkeit des Blutes ist herab¬
gesetzt; erst nach einer Verletzung wird der abnorme Zustand offen¬
bar. Bei den hämorrhagischen Erkrankungen dagegen, bei denen
es ohne oder nach unverhältnismäßig geringer Veranlassung zu
Blutaustritten kommt, besteht eine Schädigung der Blutgefäßwände
und zwar im Kapillargebiet Die besonders zarten Gefäße des Neu-
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U7
geborenen können leichter geschädigt werden, daher die relativ
häufigen hämorrhagischen Erkrankungen des Neugeborenen. Außer¬
dem muß bei dauernder Blutung auch eine herabgesetzte Gerinnungs¬
fähigkeit des Blutes bestehen; es entsteht kein oder ein nicht ge¬
nügendes Koagul um. Zur Therapie der abnormen Blutbeschaffen¬
heit empfiehlt S. Pferde- oder Menschenserum; diese nützen nur
manchmal: immer aber nach S. die Bluttransfusion, für deren Aus¬
führung direkt von einem Menschen zum anderen er ein besonderes,
kleines Instrument angibt, welche eine Armvene des Spenders mit
der Vena jugularis externa des Empfängers vereinigt.
Bauer (Wien.
Bücherbesprechungen.
Das Röntgen verfahren in der Kinderheilkunde. Von Prof.
Dr. Paul Rey her-Berlin. Mit 148 Fig. auf 12 Taf. und
59 Fig. im Text Bd. 4. 8°, 231 S. (Bibliothek der physikal.-
mediz. Techniken hrsg. von Heinz Bauer.) Berlin 1912.
Verlag Hermann Meußer. Pr. geb. 16,— Mk.
Aus seiner reichen Erfahrung durch 7jährige röntgenologisch¬
pädiatrische Tätigkeit an der Universitätskinderklinik Berlin hatVerf.
eine ausgezeichnete Darstellung des von den Fachärzten der Kinder¬
heilkunde bisher viel zu wenig beachteten Gebietes gegeben. Er
bespricht in der Einleitung die besonderen biologischen Wirkungen
der Röntgenstrahlen auf wachsende Organismen, die Technik bei
Kindern, unsere Kenntnisse von den bei röntgenologischer Betrachtung
sich darbietenden anatomischen und physiologischen Verhältnissen
des Kindesalters.
Dann werden eingehend abgehandelt: Die Anomalien des Knochen¬
systems und die Erkrankungen der inneren Organe. Die Röntgen¬
therapie bei Erkrankungen des Kindesalters und eine Zusammen¬
stellung der Literatur, so weit sie auf die Pädiatrie Bezug nimmt,
und ein Sachregister bilden den Schluß.
Das Buch kann warm empfohlen werden auch allen den Kinder¬
ärzten, die selbst wenig vom Röntgen verfahren verstehen; es gibt
eine gut verständliche Einführung in ein Gebiet, dessen Bedeutung
von Jahr zu Jahr wachsen wird. Die Ausstattung ist wie bei den
anderen Büchern dieser Sammlung glänzend.
Schlich ting (Kassel).
Jahrbuch der Schulgesundheitspflege 1914. Hrsg, von
Dr. Moritz Fürst, Schularzt in Hamburg, kl. 8°, IV u. 192 S.
mit Beiheft: Schulhygien. Notizkalender, kl. 8°, IV u. 124 S.
Jena 1914. Gustav Fischer. Pr. 3,—, geb. 4,— Mk.
Das sehr handliche und reichhaltige Buch des bekannten Verf.s
wird in zwei Teilen herausgegeben, der schulhygienische Notiz¬
kalender wird jedem Schularzt erwünscht sein, da er leere Blätter
zur Eintragung von Sprechstunden in den verschiedenen Schulen
und für zur Speisung und zum Ferienaufenthalt vorgemerkte Kinder
enthält. Außerdem für die ganze Tätigkeit des Schularztes wichtige
Notizen wie Infektionskrankheiten, Atteste und Gutachten, gericbt-
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liehe Termine und Sitzungen. Weiterhin ist Platz für Adressen der
Fürsorgestellen, Fernsprecher und Armenbehörden. Ein Verzeichnis
wichtiger Angaben wie Körpergröße und Gewicht des Menschen,
Körperlänge, Brustumfang und Kopfmaße der Kinder schließt sich an.
Das Jahrbuch enthält neben Originalarbeiten verschiedene für
den Schularzt wichtige Neuerscheinungen des Jahres in ausführ¬
lichen Referaten.
Sa mosch äußert sich in seiner Arbeit über regelmäßige Schul-
kinder-Messungen und -Wägungen: Sie sollen in erster Linie der
Gesundheitskontrolle des Schulkindes dienen und das Resultat soll
in den Gesundheitschein eines jeden Kindes für die ganze Schulzeit
eingetragen werden. Sparbier spricht über die Freiheit im Turn¬
unterricht und fordert von dem Lehrer, ein Mindestmaß von vor¬
geschriebenen Übungen einzuüben und die Fähigkeit, möglichst vielen
Begeisterung und Trieb zu körperlichen Übungen einzupflanzen. Der
Herausgeber schließt sich dann mit einem Aufsatz über primitive
und qualifizierte Schulhygiene an, er stellt einen Fortschritt in der
Schulhygiene fest In der qualifizierten Schulärzte-Organisation mit
hauptamtlicher Stellung liegt in Mittel- und Großstädten allein das
Heil der Zukunft, nebenamtlich angestellte Ärzte sind nur ein Not¬
behelf. Vorschriften über Kinderarbeit hat Gewerbeinspektor Bender
zusammengestellt In dem Artikel „Fortschritte des Schulbadewesens“
wird mit Genugtuung festgestellt, daß der Schwimmunterricht an
sehr vielen Stellen zu einem mehr oder minder wahlfreien Unter¬
richtsgegenstand der Volksschule zu werden beginnt. Nach N i e t n e r
werden dann die Fortschritte der Tuberkulosebekämpfung, besonders
im Kindesalter dargestellt, ein wichtiger Anteil an dieser Bekämpfung
fällt den Schulärzten durch ihre Arbeit an der Verhütung der Tuber¬
kulose in der Schule zu. Nach der Entlassung aus der Schule soll
die Fürsorge für die schulentlassene Jugend einsetzen. Eine Reihe
von Arbeiten über Berufskrankheiten der Lehrer und den Schutz
des Lehrers vor ansteckenden Krankheiten folgt. Ein Verzeichnis
der Waldschulen und Heilanstalten und Bäder für kranke Kinder
schließt sich an. Zum Schluß ein Aufsatz von Kemsies über
Schulbanklehnen und ein ausführliches Verzeichnis der Schulärzte
in Deutschland. Hanssen (Kiel).
Kritik der fanatischen Al ko hol-Abstinenz-Bewegung.
Von Dr. M. Kauffmann, Nervenarzt in Halle a. S. 8°, 8oS.
Leipzig 1913. Verlag Benno Konegen. Pr. 1,20 Mk.
Verf. setzt sich die Aufgabe, wie er sagt, der Scheinwissenschaft
der Abstinenten entgegenzutreten. Er sieht von der fanatischen
Alkoholbekämpfung keinen Vorteil, hält vielmehr die übertriebene
Abstinentenbewegung, da an Stelle des Alkohols andere Gifte treten,
für gefährlich.
Inwieweit man seine Ausführungen ablehnen oder anerkennen
muß, ist im kurzen Referat nicht möglich zu erörtern. Das anregend
geschriebene Werkchen wird darüber Aufschluß geben.
Cordes (Dresden).
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Kataster der Anstalten und Einrichtungen für Kinder¬
schutz und Jugendfürsorge in Wien, Niederöster¬
reich, Oberösterreich, Salzburg und Steiermark.
Hrsg, von d. K. K. Zentralkommission in Wien. gr. 8 o, 323 S.
Wien 1913. In Kommission bei Karl Gerold’s Sohn. Pr. 5 Kr.
Der Zweck des Katasters besteht darin, ein möglichst genaues
Bild über alle jene Faktoren zu bieten, die auf dem Gebiete der
Jugendfürsorge in irgend einer Art, auf wohltätiger Basis, tätig sind,
und zugleich auch diese ihre Tätigkeit in knapper, erschöpfender
Form zu erfassen. Spiegel (Kiel).
Kurze Notizen aus der Praxis und Wissenschaft.
Zur Diagnostik von Wirbelsäulenerkrankungen. Von
A. Schanz-Dresden.
Das Stützbedürfnis, welches jeder Patient mit einer ernsten Er¬
krankung der Wirbelsäule den Kundigen so leicht erkennen läßt,
die charakteristische gebückte Haltung des Rumpfes, die an Skoliose
erinnernden Schiefstellungen der Wirbelsäule, der Klopfschmerz in
der Dornfortsatzlinie, die Druckempfindlichkeit der Lendenwirbel¬
körper und anderes geben in ihrer Kombination stets ein nicht zu
verkennendes Bild.
Eine Erscheinung findet sich häufig, die von niemand vorge¬
tauscht werden kann, eine krampfartige Kontraktur der langen
Rückenmuskeln besonders im Bereich des Lendenteils. Man sieht
beiderseits der Dornfortsatzlinie zwei reliefartig vorspringende Wülste,
und fühlt man auf diese Wülste, so erkennt man, daß dieselben
krampfhaft kontrahierte Muskeln sind. Beobachtet man diese Fälle,
so sieht man die Kontraktur bei einer Besserung weicher werden,
schließlich verschwiuden. Bei Verschlechterung und Rezidiven treten
sie prompt wieder auf. Schlichting (Kassel).
(Ztrlbl. f. Chir., 1914, Nr. 5.)
Chronic infectiveEndocarditis. Von E. Can1 1 ey-London.
Kasuistischer Bericht über zwei Fälle von chronischer Endo¬
karditis bei 8jähr. Mädchen an den Pulmonalklappen, bei i8jähr.
jungen Mann an Trikuspidal- und Aortenklappen. In beiden Fällen
relativ gutartiger langsamer Verlauf mit mäßigem, intermittierendem
Fieber; in beiden Fällen Lungeninfarkte. Exitus durch Komplika¬
tionen: Pulmonalthrombose resp. Bronchopneumonie. Eine Kultur
der Erreger aus dem Blut gelang nicht im ersten Fall, erst in später
Zeit bei dem zweiten, so daß die ursächliche Bedeutung der ge¬
fundenen Streptokokken bezweifelt wird. Bauer (Wien).
(Arch. of ped., Bd. 30, Nr. 5.)
Versuche mitEiweißmilch. DieGefahren derZucker-
entziehung für denSäugling. VonNobecourt u.Schreiber.
Von 2i Kindern ergaben 2 zufriedenstellendes, 5 nicht zufrieden¬
stellendes, 14 schlechtes Resultat Die Verff. widersprechen auf Grund
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120
ihrer Erfahrungen der Finkelstein’sclien Theorie von der Schäd¬
lichkeit des Zuckers. Spiegel (Kiel).
(Bull, de la soc. de ped. de Paris, 1913, Nr. 7.)
Behandlung der Teleangiektasien. Von Albert-Weil.
Während der Verf. früher tiefe Angiome durch harte Röntgen¬
strahlung zur fast narbenlosen Heilung bringen konnte, versagte
diese Methode bei den oberflächlichen Teleangiektasien und gab
schlechte kosmetische Resultate.
Seitdem er nun weiche Strahlung benutzt, wie sie die Linde¬
rn an n’schen Röntgenröhren liefern, hat er den Weg gefunden, diese
entstellenden, flächenhaften Angiome mit gutem kosmetischen Erfolg
zu behandeln. Wie in vielen anderen Fällen (Myom, Thymus) ist
die Radiologie bei der Behandlung des Angioms die Methode der
Wahl geworden. Spiegel (Kiel).
(Bull, de la soc. de ped. de Paris, 1913, Nr. 7.)
Kleine Mitteilungen.
Auf Anregung des Vereins praktischer Ärzte in Breslau veran¬
staltet ein aus Ärzten, Verwaltungsbeamten, Schulmännern und
Förderern der Kinderpflege und Fürsorge gebildeter Ausschuß eine
große Ausstellung „Das Kind“ vom Mai bis Juli 1915 im
historischen Ausstellungsgebäude des Scheitniger-Parks in Breslau.
Weit über 100 Mitarbeiter, große medizinische und soziale Organi¬
sationen, Behörden und wissenschaftliche Institute werden in fast
20 Abteilungen in großzügiger, populär-wissenschaftlicher Darstellung
den Nachweis zu führen suchen, daß die gesunde Entwickelung des
Kindes und die Heranziehung einer an Seele und Leib gesunden
Jugend eine Aufgabe von nationaler Bedeutung ist Körper und
Seele des gesunden und kranken Kindes, Pflege und Ernährung,
Spiel und körperliche Ertüchtigung in den verschiedensten Alters¬
stufen, Säuglings- und soziale Fürsorge, Schulhygiene, Sanatorien
und Heilstätten, das Kind in der Kulturgeschichte, Kunst und Lite¬
ratur usw. werden eine fast lückenlose Darstellung finden. Die
Leitung der Ausstellung liegt in den Händen eines geschäftsführen¬
den Ausschusses, dem der wissenschaftliche und der Verkehrsaus¬
schuß zur Seite steht Für die Ausstellung macht sich ein lebhaftes
Interesse geltend. Die Vorarbeiten sind so weit gefördert, daß in
kurzer Zeit das ausführliche Programm erscheinen kann. Etwaige
Auskünfte werden vom Vorsitzenden des geschäftsführenden Aus¬
schusses Professor Dr. Tobler, Direktor der Kgl. Universitäts-
Kinderklinik, erteilt
Ein Verzeichnis der an allen großen öffentlichen
Bibliotheken Deutschlands vorhandenen Zeitschriften,
das etwa 16000 Titel umfassen soll, wird von der Auskunftsstelle
der deutschen Bibliothek in Berlin herausgegeben. Es kann von der
Kgl. Bibliothek zu Berlin zum Preise von 10 Mk. bezogen werden.
Verlag von Benno Konegen. Leipzig. — Druck von A. Pabst, Königsbrück.
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Der Kinder-Arzt.
Zeitschrift für fCinderheilKunde
unter Mitwirkung hervorragender Fachärzte
herausgegeben
von
Sanitätsrat Dr. Sonnenberger in Worms.
Erscheint am ersten Freitag eines jeden Monats. — Vorausznbezahlender Preis für das ganze
Jahr 6 Mk,,' direkt unter Kreuzband für Deutschland und Österreich-Ungarn 6 Mk. 50 Pf., 7 Mk.
fürs Ausland. Mit Frauenarzt zusammen bezogen statt 24 Mk. nur 20 Mk. Einzelne Hefte 1 Mk.
— Bestellungen nimmt jede Buchhandlung und Postanstalt sowie auch die Verlagsbuchhandlung
jederzeit gern entgegen.
XXV. Jahrg. Juni 1914. No. 6. ( 294 .)
INHALT: Originalien: Sonnenberger, Die sozialbygienischen Auf¬
gaben der Ärzte im Zusammenhang mit der gesamten Jugendfürsorge. (Schluß.)
121. — Versammlungsberichte: Deutsche Orthopädische Gesellschaft,
T3. u. 14. April 1914. 129. — Referate: Vollmer, Die Tuberkulose im schul¬
pflichtigen Alter. 132. — Rach, Radiologisch erkennbare anatomische Typen
an kindlicher Lungentuberkulose. 134. — Lledtke u. VOlckel, Befunde von
Diphtheriebazillen in den Organen bei tödlich verlaufener Diphtherie. 136. —
Rieb old, Infektiosität der Diphtheriebazillenträger für ihre Umgebung. 136.
— Deist, Bazillenträger bei Diphtherie. 137. — Mannu af Heurlln, Eine ein¬
fache Methode zur Unterscheidung der Diphtheriebazillen von Pseudodiphtherie¬
bazillen. 139. — Bauer, Eine Prophylaxe der Diphtherie nach v. Behring.
139. — Kobrak, Durch den Diphtheriebazillus hervorgerufene blennorrhoische
Prozesse. 139. — Bubarew, Urotropin bei Masern. 140. — Bücherbe¬
sprechungen: Vossius, Die Angiomatose der Retina (von Hippel’sche
Krankheit). 141. — Rott, IV. Deutscher Kongreß für Säuglingsschutz. 141. —
Rott, II. Preußische Landeskonferenz für Säuglingsschutz. 142. — Kurze
Notizen aus der Praxis und Wissenschaft 143.
Originalien.
Die sozialhygienischen Aufgaben der Ärzte im Zu¬
sammenhang mit der gesamten Jugendfürsorge.*)
Von San.-Rat Dr. Sonnenberger-Worms.
(Schluß.)
Wenn ich mich jetzt den einzelnen Bestrebungen auf dem Ge¬
biete der Jugendfürsorge, welche der erste Herr Referent mir über¬
lassen hat, zuwende, so komme ich zunächst zur Säuglingsfürsorge.
Wir stehen hier auf einem klassischen Boden der Säuglingsfürsorge.
Das Großherzogtum Hessen hat vor mehreren Jahren durch die
*) Nach einem auf der Darmstädter Tagung der deutschen Zentrale für
Jugendfürsorge 1913 erstatteten Referat.
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Initiative Ihrer Königlichen Hoheiten des Großherzogs und der
Großherzogin eine Zentrale für Säuglingsfürsorge gegründet Wir
dürfen also mit Stolz sagen, daß Hessen in dieser Beziehung
vorängegangen ist, und daß so ziemlich jede Frage, die in dieses
Gebiet hineingehört, durch die Zentrale der Lösung näher gebracht
ist oder näher gebracht werden soll.
In der Säuglingsfürsorge, die ja jetzt die modernste Hygiene
geworden ist — „modern“ im günstigen Sinne, — unterscheiden wir
eine geschlossene und eine offene Fürsorge. Die offene Säuglingsfürsorge
hat hauptsächlich die Säuglingsfürsorgestellen und die Mütterberatungs¬
stellen im Auge. Die Säuglingsfürsorgestellen haben eine sehr
große hygienische Bedeutung, doch muß ihre Organisation, nament¬
lich in hygienischer Beziehung, noch sehr vervollkommnet werden!
Die Säuglingsfürsorgestellen sind vorläufig bloß Auskunftsstellen
über die Art und Weise, wie Krankheiten der Säuglinge verhütet
werden sollen. Das ist ja ganz entschieden ihr Hauptzweck. Der
erste Herr Referent hat sich auf den Standpunkt gestellt, es soll
auch hier behandelt werden. Diese Frage ist sehr schwierig zu
entscheiden. Sie kann mit ein paar Worten nicht abgemacht werden.
Sicher ist es ja wohl, daß man vielleicht die erste Behandlung an
die Beratung ohne Schwierigkeiten anschließen kann. Wie es aber
mit der Weiterbehandlung stehen soll, darüber bin ich mit dem
Herrn Referenten nicht ganz einig. Das muß der zukünftigen
Durchberatung überlassen werden.
Die Säuglingsfürsorgestellen sollen vor allen Dingen das neu-
f eborene Kind schützen, das dringend des Schutzes bedarf, denn
as neugeborene Kind hängt direkt ab von der Pflege und Ernäh¬
rung, die ihm zuteil wird. Es kann sich nicht selbst helfen. Also
müssen die Eltern oder die Pfleger ihm helfen. Sie müssen in diesen
Säuglingsfürsorgestellen darüber belehrt werden: Was hat man zu tun,
um seine Kinder gesund zu erhalten? Nun muß ich gestehen: Es sind
hier große Mängel und Lücken vorhanden. Die Säuglingsfürsorge¬
stellen, wie sie jetzt bestehen, belehren ja gewöhnlich nur über die
Ernährungsfrage. Diese Frage ist ohne Zweifel ungeheuer wichtig.
Das brauche ich nicht zu entwickeln, denn Sie sind ja fast alle tief
in diese Sache eingedrungen. Im Vordergründe steht die natürliche
Ernährung, daneben die künstliche, für die richtig geleitete Milch¬
küchen von großer Bedeutung sind.
Wir haben aber nicht bloß die Säuglingssterblichkeit zu be¬
kämpfen; viel wichtiger ist es, worauf schon von verschiedenen
Seiten hingewiesen worden ist, das Menschenmaterial, welches wir
besitzen, tauglich, tüchtig zu erhalten, tüchtig für den Lebenskampf,
tüchtig, wenn es sich um die Wehrkraft handelt, tüchtig, wenn es
sich darum handelt, daß die Mutter ihr Kind rationell pflegen und
erziehen soll. Wir streifen hier die Frage der Eugenik, die uns
zeigen will, wie wir tüchtige Geschlechter heranzüchten können.
Es kann sich darum handeln, daß wir Heiratsverbote erlassen, wenn
Leute, die in den Ehestand treten wollen, schwer krank sind. Die
vorbeugenden Maßregeln werden von den Anhängern der Eugenik
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sehr weit getrieben; so wird z. B. gefordert die Entmannung der
geistig Minderwertigen, der Verbrecher usw., wie dies auch in Amerika
praktisch schon durchgeführt worden ist
Neben den Bestrebungen der Eugenik kommt die Frage in Be¬
tracht: Wie können wir bewirken, daß der Geburtenrückgang nicht
fortwährend zunimmt? Diese Fragen sind mehr theoretischer Art
Es kann da aber manches erreicht werden. Was wir erreichen
sollen, das ist die Erhaltung eines tüchtigen Geschlechts. Die
gesamten Jugendfürsorgebestrebungen müssen also dahin gehen,
nicht bloß die hohe Sterblichkeit zu verhindern — allerdings
auch ein Ziel des Schweißes der Edlen wert —, sondern die
Hauptsache ist, daß wir die künftige Generation lebenstüchtig er¬
halten. Die Situation ist ja so gelagert, daß, wo die Sterblickeit
hoch ist -r- das habe ich vorhin schon berührt, — auch das nach¬
kommende Geschlecht geschwächt ist, und wo die Sterblichkeit
niedrig ist, ist das nachkommende Geschlecht kräftig. In den
Säuglingsfürsorgestellen muß also gelehrt werden: Wie verhüten wir
die Sterblichkeit, und wie erhalten wir die Kinder gesund? Ich
möchte ganz kurz einige hierher gehörige Fragen streifen. Nicht
bloß die Ernährungsfrage soll dort erörtert werden. Es muß zuge¬
geben werden: Heute wird leider die Sache etwas auf die leichte
Schulter genommen. Das Kind wird geboren. Man sieht, ob die
richtige Zunahme vorhanden ist Man bekommt gesagt, wie man
die Milchmischungen herstellen soll. Aber eine ganze Anzahl hoch¬
wichtiger Fragen wird nicht erörtert Ich bin vollständig der An¬
sicht des i. Herrn Referenten, daß diese Säuglingsfürsorgestellen eine
Basis sind, die sich sehr gut zu Jugendfürsorgestellen auswachsen kann.
Ganz besonders wichtig ist die Tuberkulosefrage. Sie ist
für das Kind so wichtig wie die Ernährungsfrage, das kann man
ruhig behaupten, denn wir stehen heute auf dem Standpunkt: die
Tuberkulose ist eine ausgesprochene Kinderkrankheit. Vor kurzem
sagte man noch, daß sie für das Kind keine große Bedeutung habe,
wenn auch hier und da einmal schwere Formen im Kindesalter Vor¬
kommen. Aber Sie wissen alle, welche eminenten Fortschritte man
auf dem Gebiete der Tuberkuloseerforschung in den letzten
Jahren gemacht hat Die Tuberkuloseansteckung ist ungeheuer
verbreitet Die Tuberkulose — wenn ich ein paar Haupt¬
sätze herausgreifen darf — wird in der überwiegenden Mehrzahl der
Fälle übertragen, sie wird sehr selten ererbt. Es scheidet bei
der Tuberkulose als Volkskrankheit die Vererbungsfrage vollständig
aus. Die Vererbung kommt nur in einzelnen Fällen in Betracht.
Die Tuberkulose wird auch sehr selten durch die Milch perlsüchtiger
Kühe übertragen. Auch dabei handelt es sich nur um vereinzelte
Fälle. Sie wird hauptsächlich in den Familien übertragen. Es
finden da schwere Ansteckungen statt, und zwar durch direkte
Übertragung des Tuberkelbazillus von Mensch zu Mensch. Es
gibt eine Unmasse Tuberkulose-Ansteckungen im Kindesalter. Die
Pirquefsche Tubetkulinimpfung hat gelehrt, daß 70, ja 80 Proz.
der Kinder als tuberkulös infiziert zu betrachten sind.
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124
Wie schnell die Tuberkuloseubertragung manchmal erfolgt, will
ich Ihnen an einem Beispiel zeigen. Vor einiger Zeit wurde in meine
Sprechstunde ein sechsmonatiges krankes Kind gebracht, dessen
Eltern und beide Geschwister tadellos gesund waren und blühend
aussahen. Das Kind hatte Tuberkulose im höchsten Grade. Die
Eltern wußten, daß Tuberkulose in diesem Alter eine sehr unheil¬
volle Bedeutung hat, und konnten es sich nicht erklären, woher
das Kind die Tuberkulose bekommen hatte, es sei doch in ihrer
ganzen Familie niemand tuberkulös. Bei näherer Nachforschung ergab
sich, daß das Kind vor einiger Zeit von einer hochgradig tuber¬
kulösen Tante, die zwei Wochen in der Familie zu Besuch war,
gehätschelt und öfters geküßt worden war. Nun, wir sagen heute:
wo ausgesprochene Tuberkulose im Kindesalter auftritt, soll man
nach der Ursache nachforschen, es ist ganz sicher jemand in der Um¬
gebung tuberkulös. Wenn es nicht die Eltern sind, so ist es ein Ver¬
wandter, irgend ein Nachbar usw., der mit dem Kind innig verkehrt
und das Kind geküßt hat usw. Die Infektion geht, wie erwähnt,
mitunter sehr schnell vor sich. Oft wird ein Kind in einigen Tagen
hochgradig tuberkulös infiziert. Hamburger behauptet sogar, die
Infektion könne innerhalb einiger Stunden stattfinden. Die Tuber¬
kulose wird also sehr leicht übertragen, namentlich im Kindesalter.
Sie kann also auch verhältnismäßig leicht vermieden werden. Das
muß die Säuglingsfürsorgestelle den Müttern beibringen.
Sehr wichtig ist auch die Al ko hol frage. Sie werden sagen:
Ja, was hat der Alkohol mit dem Säugling zu tun? Ich habe eins
in der gestrigen interessanten Debatte über die Trinkerfrage
vermißt: Wir müssen die schweren Alkoholiker dadurch auszuschalten
suchen, daß wir schon in der Kindheit jeden Alkoholgenuß fern-
halten.
Man kann über die Frage der Abstinenz und Mäßigkeit im Er¬
wachsenenalter streiten. Die Kindheit aber muß entschieden ab¬
stinent gehalten werden. Abgesehen davon, daß der Alkohol für
das Kind selbstverständlich in hohem Maße schädlich ist, erreichen
wir dadurch, daß wir die Jugend abstinent erziehen, ihre spätere
Alkoholfreiheit oder Mäßigkeit.
Ein Hauptkernpunkt, den wir auch im Auge behalten müssen,
sind die Belehrungen und der Unterricht in der Schule
über Ernährung, Tuberkulose, Alkohol u. a.
Hier möchte ich auch kurz die so wichtige Impffrage be¬
rühren. Als ich gestern durch die Straßen ging, fiel mir an einem
Plakatanschlag ein großer Zettel auf. Wir tagen hier zu Zwecken
der hygienischen Volksaufklärung, die Zentrale gibt sich die kolossalste
Mühe. Wir sitzen hier und hören alles an und sind überzeugt von
der Wichtigkeit dessen, was wir hier verhandeln. Wir schaffen für
das Volk, und dort steht groß angeschrieben: „Impfgegner, erhebt
Euch!“ oder so ähnlich. „Die Schäden der Impfung, die Wahrung
der persönlichen Freiheit“ und ähnliche Dinge. Das ist eine Ange¬
legenheit von der größten Tragweite. Es ist davon gesprochen
worden, wir müßten das soziale Gewissen schärfen. In jenen Ver¬
sammlungen sind hunderte von Leuten, die derartige Äußerungen
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gläubigen Gemüts anhören, wie: „Die Impfung ist ein Schaden für
Euch, die Impfung ruiniert das deutsche Volk!“ Man wirft uns
Ärzten ja vor: „Warum geht ihr nicht hin und klärt die Leute auf?“
Solches Beginnen ist für uns sehr gefährlich. Gewöhnlich kommen
wir blamiert heraus. Also es wird sich nicht so leicht ein Arzt
unterstehen, etwas dagegen zu reden. Die Naturheilkundigen und
die Impfgegner fangen das Volk. Es ist demgegenüber eine dringende
Aufgabe für die Säuglingsfürsorgestellen und im weiteren Sinne,
worauf ich nachher noch komme, für die Deutsche Zentrale für
Jugendfürsorge, das Volk in solchen Fragen aufzuklären. Belehrung
für das Volk ist dringend nötig. Es ist nicht so, daß man meinen
könnte, das Volk lasse sich nicht belehren. Das Interesse des Volkes
für hygienische Fragen ist bedeutend größer geworden, als es vor
drei bis vier Jahrzehnten war. Die Säuglingsfürsorgestellen müßten
in Bezug auf hygienische Volksaufklärung eine größere Wirksam¬
keit als bisher entfalten. —
Es kommen noch die Kinderkrippen in Betracht, die auch
der ärztlichen Beaufsichtigung ganz dringend bedürfen, ebenso die
Kinderheilanstalten. Ich kann auf diese Fragen wegen Zeitmangel
nicht näher eingehen. Nur möchte ich hier noch einige Bemerkungen über
die Jugendfürsorgearbeit im all gemeine neinschalten. Diejugend-
fürsorge hat nicht bloß das Gefährliche an sich, daß sie zu wenig,
sondern auch daß sie minderwertig betrieben werden kann. Das
müssen wir sagen: wenn sie qualitativ schlecht betrieben wird, wenn
nicht alle Organisationen Zusammenwirken, wenn sie nur mit halben
Maßregeln betrieben wird, ist das Geld dafür hinausgeworfen. Man
soll lieber ganz aufhören als halbe Maßnahmen treffen. Sozial¬
hygienische Maßregeln in richtigem Umfang betrieben kosten zwar
viel Geld, aber entweder ganz oder garnicht!
Es kann aber nicht nur, wie es vielfach der Fall ist, zu wenig
und minderwertige Jugendfürsorge getrieben werden, man kann
auch zu viel Jugendfürsorge treiben. Es wird sehr oft Jugendfür¬
sorge in wohlhabende Kreise getragen, denen damit eine Last ab¬
genommen wird, und die sehr froh sind, wenn sie z. B. ihre Milch
in der Fürsorgestelle herausschwindeln, wenn sie umsonst Rat be¬
kommen, oder die Kinder in ein Erholungsheim schicken dürfen,
um selbst vier Wochen spazieren gehen zu können und die Last
los zu sein. HerrBürgermeisterMüller hat hierüber auf dem vorjäh¬
rigen Kongreß für Säuglingsfürsorge sehr richtig gesagt: „Die
Familie ist der natürliche Boden für den Schutz und die Erziehung
des Kindes. Die Jugendfürsorge darf diesen Boden daher nicht be¬
treten, wo er gut ist“
Erst da, wo sich das als unmöglich erwiesen hat, soll die fremde
Hilfe ergänzend und ersetzend tätig werden, ersetzend dort, wo die
Hilfe ganz fehlt, z. B. bei vielen unehelichen Kindern, ergänzend
dort, wo sie zum Teil fehlt, wie -bei vielen minder bemittelten
Familien. Aber ja nicht zu viel Jugendfürsorge treiben! Nicht
den Leuten die Last abnehmen, die für ihre Jugend selbst sorgen
können.
Nun kommt noch ein sehr wichtiger Punkt, den ich leider nur
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ganz kurz streifen kann, das ist die Versorgung der unehelichen
Kinder. Ein Name darf hier nicht vergessen werden: Mein hoch¬
verehrter Freund Taube in Leipzig war der erste, der das jetzt
allgemein angenommene System der Pflegekinderversorgung durch die
Berufsvormundschaft, den Pflegekinderarzt und die besoldete Pflegerin
vorgeschlagen hat. Das ist ein schöner Erfolg, den Leipzig erzielt
hat, und überall wo man dieses Verfahren angewandt oder in modi¬
fizierter Form eingeführt hat, wie z. B. in Straßburg, hat man
gleichfalls die schönsten Erfolge erzielt Die Gerechtigkeit erfordert
das zu sagen.
Ich kann hier auf die geschlossene Säuglingsfürsorge — Säug¬
lingsheime, Kinderkrankenanstalten u. a. — nicht näher eingehen,
übergehe die Kleinkinderfürsorge, die mein Herr Mitreferent be¬
handelt hat, und komme dann zur Schulfürsorge. Darüber hat
Ihnen ja Herr Dr. Lewandowski auch schon manches vorgebracht
Die Schule der Neuzeit faßt die Jugendfürsorge ganz anders auf,
als dies früher geschah. Einst war die Schule nur dazu da, das
Können und Wissen zu heben. In den letzten Jahrzehnten ist sich
aber die Schule der vollen Verantwortung bewußt geworden, daß
sie auch die Organisation der Gesundung der Kinder zu übernehmen
hat Es ist ganz gleichgültig, um was für Krankheiten es sich hier
handelt, ob die eigentlichen Schulkrankheiten, wie Schwächlichkeit,
Kränklichkeit, Blutarmut u. a., die durch die Schule direkt erzeugt
wurden, oder Krankheiten, die anderen Faktoren als der Schule zur
Last fallen, in Frage kommen. In der Schule ist die beste Ge¬
legenheit, um die Gesundung der Kinder zu organisieren. Lehrer
und Ärzte müssen hier einträchtig Hand in Hand arbeiten, und
nach mancherlei Schwierigkeiten ist das auch an vielen Plätzen
gelungen.
Ich übergehe die für die Schule wichtigen ansteckenden Krank¬
heiten, ferner solche, die auch vom sozial-hygienischen Standpunkt
wichtig sind, wie Zahn-, Ohren-, Augenkrankheiten, Erkrankungen
der Wirbelsäule, Stottern. Alle diese Übel können durch eine ge¬
eignete ärztliche Organisation bekämpft werden. Ich glaube, auch
die Kommunen sehen allmählich ein, daß sie nicht zögern dürfen,
möglichst viele Mittel zweckentsprechend hier aufzuwenden.
Ich möchte eingehender hier nur drei Formen von Schulkinder¬
erkrankungen besprechen, nämlich die schwächlichen und kränk¬
lichen Kinder, dann die tuberkulösen Kinder und endlich die neuro-
pathischen Kinder. Die schwächlichen, kränklichen, blut¬
armen und leicht skrofulösen Kinder (die schwer skrofu¬
lösen sind als tuberkulös aufzufassen) sind in den Schulen in sehr
großer Zahl vertreten. Nach den Berichten der Schulärzte beträgt
ihre Zahl bis zu io Proz. Das sind die schwersten Formen, und zu
dieser Durchschnittszahl ist auch Dr. Lewandowski gelangt
Seine Zahlen stimmen mit den ineinigen überein. Die schwächlichen
Kinder sind oft diejenigen, die im Kampfe um die Lebensexi¬
stenz unterliegen und das Material für schwere Tuberkulose des
späteren Lebensalters abgeben. Diese schwächlichen, blutarmen
Kinder, vielleicht auch die leicht tuberkulösen usw. unterzubringen,
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127
ist eine ungeheuer dankenswerte Aufgabe für uns. Ich will in diesem
Zusammenhang nicht auf die historische Entwicklung der Ferienkolonien
usw. eingehen, so interessant es wäre. Diese Ferienkolonien sind
ja vielfach auf meinen Vorschlag in den letzten Jahren in Erholungs¬
heime umgewandelt worden, wo die Kinder nicht bloß während der
Ferien, sondern das ganze Jahr hindurch in abwechselndem Turnus
aufgenommen werden, und die Erfolge sind ganz ausgezeichnete. Aber
es muß betont werden; die meisten Städte schicken nicht genügend
Kinder fort In meiner Heimatstadt Worms werden io Proz. fort¬
geschickt Das ist vielleicht die höchste Zahl, die in Deutschland
erreicht wird. Der Verein für Erholungspflege in Worms hat ein
jährliches Budget von ca. 32000 Mark. Das ist sehr viel für eine
Stadt von der Größe wie Worms. Aber es ließe sich noch viel
mehr herausschlagen, wenn die Sache hygienisch besser organisiert
wäre, wie überhaupt die hygienische Überwachung auf diesem Ge¬
biete vielerorts noch sehr mangelhaft ist. Die Erholungsheime haben
ganz hervorragende Erfolge aufzuweisen und bilden sicher u. a. eine
der wichtigsten Waffen im Kampf gegen die Tuberkulose. Die
Tuberkulose der Erwachsenen ist nach neueren Forschungen eine
Fortsetzung der schweren kindlichen Tuberkulose. Verhindern wir
die letztere — natürlich noch durch eine Reihe anderer Maßnahmen
—, so wird die Tuberkulose der Erwachsenen in vielen Fällen
nicht zum Ausbruch kommen, wenn nicht eine neue Ansteckung
hinzu tritt
Herrn Dr. Lewandowski gegenüber möchte ich bemerken,
daß für die Jugendwanderungen eine andere Kategorie von Kindern
in Betracht kommt, wie für die Erholungsheime. Die Frage der
Versorgung der ausgesprochen tuberkulösen Kinder ist eine unge¬
heuer wichtige, die nicht so kurz behandelt werden kann. Was
fangen wir mit den tuberkulösen Kindern an? Sie müssen, wenn
sie ausgesprochen tuberkulös sind, aus der Schule heraus, denn
Kinder und Lehrer mit offener Tuberkulose bilden eine große Ge¬
fahr für die gesunden Schüler. Die nötigen Mittel zur Versorgung
tuberkulöser Kinder müssen beschafft werden. Das Bundesamt für
Heimatwesen hat sich dahin ausgesprochen, daß die Gemeinden
herangezogen werden müssen, wenn es nicht anders geht Die
Kinder müssen in Tuberkuloseheilstätten. Die Tuberkuloseheilstätten
sind ungeheuer wichtige Glieder in unserer sozial-hygienischen Für¬
sorge. Die Aussichten auf eine Heilung sind im Kindesalter viel
größer als im Erwachsenenalter.
Aus der Gruppe der kindlichen Neurosen und Psychosen
interessieren uns hier ganz besonders die Psychopathen. Diese spielen
in der Erziehung eine große Rolle, weil Eltern, wenn sie noch so
gebildet sind, ihre psychopathischen Kinder nicht richtig beurteilen
können. Ihre Kinder werden auf der einen Seite zu weichlich, auf
der andern Seite zu streng erzogen. Es ist wichtig, daß die Kinder,
wenn irgend etwas nach der Richtung der Psyche nicht in Ordnung
ist, von Ärzten begutachtet werden und eventuell in richtige Er¬
ziehungsverhältnisse kommen. Die Intelligenz ist bei ihnen nicht
selten gut entwickelt. Dabei begehen sie aber oft unerklärliche
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128
Handlungen, werden zur Besserung in überseeische Länder geschickt
etc., um später als Verbrecher ä la Wagner auf die Menschheit los¬
gelassen zu werden u. a. Das ist etwas sehr Aktuelles. Was macht
man mit diesen Menschen? Wenn sie ein Verbrechen begangen
haben, dann kommt die Korrektur zu spät Im Kindesalter können
solche Veranlagungen recht oft erkannt und behandelt werden, und
ich muß der Zentrale für Jugendfüsorge mein Kompliment machen,
daß sie die erste Anstalt für psychopathische Kinder Minderbe¬
mittelter in Templin errichtet hat Die Deutsche Zentrale für
Jugendfürsorge hat dadurch etwas Vorbildliches auf dem Gebiete
der hygienischen Jugendfürsorge geleistet
Ich muß mangels Zeit hier abbrechen, so leid es mir tut Es
wäre noch sehr viel Stoff für mich vorhanden. Wenn wir den
Kern unserer Verhandlungen herausschälen, müssen wir zweierlei
konstatieren: erstens erklingt immer der Ruf: Deutsche Zentrale
für Jugendfürsorge, schaffe du für uns, schaffe du uns einen
Mittelpunkt! Die Zentrale soll der Mittelpunkt sein, sie soll der
Mittelpunkt bleiben, unbeschadet aller lokalen Bestrebungen, die
nebenher laufen können und laufen müssen. Die Zentrale soll die
Auskunftsstelle, der Sammelpunkt werden, sie soll nach jeder Rich¬
tung hin Rat erteilen und tatkräftige Unterstützung bieten in den
so schwierigen und bedeutsamen Fragen, welche die Jugendfürsorge
nach der juristischen, nach der fürsorgerischen, nach der hygie¬
nischen Seite aufzurollen hat Aber das kann die Zentrale
nicht, wenn ihr nicht reiche Unterstützung sowohl nach der
materiellen, als auch nach der ideellen Seite hin zuteil wird. Alle
jugendfürsorgerischen Vereine müssen der Zentrale angeschlossen
sein. Sie werden in ihrer lokalen Bedeutung dadurch garnichts ein-
büßen, im Gegenteil, sie werden recht oft sehr nützlichen Rat von
der Zentrale erlangen. Sie werden vor allen Dingen einer Zer¬
splitterung ihrer Mittel Vorbeugen.
Und weiter: Wenn eine derartig große Vereinigung segensreich
wirken soll, so bedarf sie eines großen Zentralorgans. Sie werden
sagen: schon wieder eine neue Zeitschrift Es ist wahr, es müßte
eine neue Zeitschrift erscheinen, eine Zeitschrift, an der sich alle be¬
währten Jugendfürsorger mit ihren Arbeiten beteiligen würden, eine
Zeitschrift, die alles sammelt, was auf dem Gebiete der Jugend¬
fürsorge und Jugendpflege bei uns vorgeht Österreich hat das
fertiggebracht, es hat ein sehr schönes Zentralorgan für Jugendfür¬
sorge, und ich meine, was Österreich kann, das kann Deutschland auch.
Das sind wohl Zukunftsträume, und ich weiß, daß es nicht von
einem Tage zum andern gehen wird. Aber mein Hinweis deutet
Ihnen an, wo wir hinauswollen und welches die nächsten Aufgaben
der Zentrale sein werden.
Die Mittel für die Jugendfürsorge müssen alle diejenigen her¬
geben, die an der Jugendfürsorge interessiert sind, also die Staaten,
die Kommunen, die einzelnen betreffenden Vereine, sozial denkende
und begüterte Privatpersonen, was ja glücklicherweise in der letzten
Zeit vielfach in Deutschland geschehen ist Daß man die Mittel,
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wenn man die richtigen Wege einschlägt, doch auch erlangen kann,
davon zeugt eine Mitteilung, die mir heute Morgen geworden ist
Bei der Tagung des Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheits¬
pflege in Aachen hat ein Stuttgarter Arzt die Tuberkulosefrage im
Kindesalter behandelt und gesagt: die Mittel fehlen uns, der Staat
müßte sie eigentlich stellen. Da soll Geheimrat Abel, der von der
preußischen Regierung zu der Versammlung delegiert war, gesagt
haben: ,Ja, meine Herren, Sie kommen ja nicht zu uns, um uns
darum zu bitten. Sobald Sie kommen, haben wir Mittel für Sie be¬
reit“ Also ich glaube, auch wir werden zu den Regierungen gehen
und sagen: gebt uns auch Mittel für die Jugendfürsorge. Das sind
Fingerzeige, wie wir die nötigen Mittel erlangen können.
Diese Wege alle zu verfolgen, die ich bisher angeführt habe,
die Mittel herbeizuschaffen, die Arbeit erfolgreich zu gestalten, ist
sicher eine der schwierigsten, aber auch dankbarsten Aufgaben der
sozialen Hygiene. Erfordert dies alles auch Riesensummen, die sich
nicht mit Zinsen an Geldwerten rentieren werden, so werden für die
Menschheit viel bedeutendere Werte hieraus erwachsen, nämlich
solche an vermehrter Volksgesundheit und Volkskraft, an gesteigerter
Erwerbstätigkeit und an erhöhter Lebensfreudigkeit
Versammlungsberichte.
Deutsche Orthopädische Gesellschaft.
(13. und 14. April 1914 zu Berlin.)
Im Langenbeckhause begann am 13. April die diesjährige
Tagung mit einer Ansprache des Vorsitzenden Prof. Kolli ker-
Leipzig. Ein Vortrag von Goch t-Halle handelte über die Technik
der künstlichen Versteifung der durch die Kinderlähmung
unbrauchbar gewordenen Gelenke. Sodann sprach Christen-Bem
über die Entstehung von Brüchen der Extremitätenknochen.
Die Lehre der Physik lasse sich auf die Brüche übertragen: Brüche
können entstehen durch Zugspannung und Schubspannung, nicht
aber durch Druckspannung.
Cramer-Köln sprach über die Heilung von Hohlfüßen mit
ausgesprochenen Krallenzehen, die durch Anomalie im unteren Teil
des Rückenmarkkanals (Spina bifida occulta) bedingt waren: Durch
Freilegung, durch Trennung der Verwachsungen gelang es, diese
schweren Erscheinungen zur völligen Rückbildung zu bringen.
Freilich gehört hierzu eine vorherige genaue Untersuchung des ge¬
samten Nervensystems, wie auch Bibergeil- Berlin nach Erfahrungen
in der Berliner orthopädischen Universitätsklinik bestätigte.
Schanz-Dresden zeigte schöne Erfolge zur operativen Be-
weglichmachung versteifter Gelenke. Er meißelt das Ge¬
lenk durch und pflanzt nun dazwischen ein Fettpolster aus dem
eigenen Fett des Patienten, das noch mit dem übrigen in Verbin¬
dung steht und somit weiter ernährt wird. Es bildet sich ein neues
Kinder-Arst XXV. Jahrg. 1914. 9
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130
Gelenk aus mit guter Funktion, wie an verschiedenen Beispielen
demonstriert wurde. In der Diskussion wurden freilich die Resultate
bei der Bildung künstlicher Gelenke recht skeptisch beurteilt Bevor
man an solche Operationen herangeht, muß man zunächst genau
feststellen, welche Erkrankung der Versteifung zu Grunde liegt, wie
besonders Kölliker und Lu dl off-Breslau betonen.
Der nächste Vortrag brachte wieder eine neue Theorie der
Rachitis: Jansen-Leiden führt sie auf die Verletzbarkeit schnell
wachsender Stellen zurück, die eine geringere Lebensfähigkeit
haben und so zu den krankhaften Veränderungen führen.
Stoffel-Mannheim gab anregende Beobachtungen über das
Wesen der Ischias, die er als Erkrankung bestimmter sensibler
Nervenbahnen, die zu den Nerven, denen die Ischias den Namen
verdankt, gehören, anspricht. Recht originell ist die Methode
Stoffels, die befallenen Nervenbahnen festzustellen. Er läßt den
Patienten selbst mit einem Farbstift auf der Haut des Beines die
Stellen anzeichnen, an denen er Schmerzen empfindet. Durch Ver¬
gleich dieser Aufzeichnungen mit dem anatomischen Nervenbild
läßt sich mit Leichtigkeit feststellen, welche Nervenbahn erkrankt
ist. Die Behandlung besteht in der Einspritzung einer bestimmten
Lösung in das kranke Nervenstück, in sehr schweren Fällen auch
in der Freilegung des oft oberflächlich gelegenen schmerzhaften
Nerven und seiner Entfernung.
Peltasohn-Berlin hat bei Untersuchungen als Grund für die
Entbindungslähmungen in fast allen Fällen die Ablösung
des oberen Endes des Oberarmknochens gefunden. Mit Hilfe
von Röntgenbildern zeigt er, wie bei dem abgetrennten Teil
die Verknöcherung vor sich geht und wie dadurch eine
Störung der Funktion herbeigeführt wird. Handelt es sich
bei diesen Fällen nicht um eigentliche Lähmungen, so wurden
in der Diskussion noch besonders die Fälle besprochen, in denen
durch Schädigungen bei der Entbindung, besonders durch den Ein¬
fluß der Zange, wirkliche Lähmungen erfolgen werden: Hier kommen
nach Spitzy-Wien Verstauchungen, besonders aber Quetschungen
der betreffenden Nerven in Betracht, die zu Entzündungen führen
und dadurch die Schädigungen erzeugen. Oft kann man durch
Freilegung des betreffenden Nerven und seiner Befreiung von ihn
drückender Entzündungsprodukte schnelle Heilung erzielen.
Das Friedmann sc he Tuberkulosemittel ist auch von
den Orthopäden versucht worden. Die Erfolge sind jedoch durchaus
keine günstigen. Dies berichtet Böhm-Berlin, ferner aus der Bres¬
lauer Chirurgischen Universitätsklinik W. S i m o n-Breslau, endlich
auch B a d e-Hannover. Es sind in den meisten Fällen nicht nur
keine Fortschritte, sondern in einigen Fällen sogar Schädigungen
beobachtet worden, was vielleicht auf die Beimengung anderer
Mikroorganismen zu dem Friedmann’schen Mittel zurückgeführt
werden muß.
Weitgehendstes Interesse beansprucht ein Bericht, welchen
Alb ee-New-York erstattet Es handelt sich dabei um eine Methode
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der Knochenverpflanzung, die der Redner in ungefähr 250
Fällen vorgenommen hat, Er berichtet zunächst über die Behand¬
lung der Spondylitis. Hierbei wird eine Kuochenverpflanzung
ausgeführt, um die Wirbelsäule zu stützen. Durch Ein-
meißelung der Dornfortsätze wird gewissermaßen eine Mulde
gebildet und in diese eine Knochenspange verpflanzt, welche
dem Schienbein des Patienten entnommen wird. Dieses Knochen¬
stück wird so lang gewählt, daß es mehrere Wirbel ober- und unter¬
halb der erkrankten Stelle umfaßt. Der Patient muß 6 bis 8 Wochen
natürlich ganz ruhig liegen, erhält dann noch für einige Wochen
zur Stütze einen Apparat, bis dann sicher ist, daß wirkliche Heilung
eingetreten ist Auch bei Wirbelbrüchen kommt eine ähnliche
Methode in Frage, und auch an anderen Knochen hat Albee nach
seinen Angaben recht gute Erfolge erzielt, auch bei Brüchen und
Verrenkungen, die sonst außerordentlich schwer der Heilung zu¬
gänglich sind.
Auch die deutschen Orthopäden haben mit dem Verfahren gute
Erfolge erzielt, wenn auch erst eine längere Zeit abgewartet werden
muß, um zu sehen, ob die erzielten Resultate wirkliche Dauerhei¬
lungen darstellen. — Auf allgemein therapeutisches Gebiet führte dann
Wittek-Graz. Wir wissen durch die ausgedehnten Untersuchungen,
besonders von Rolli er, welch ausgezeichneten Einfluß das Sonn en-
licht auf die Tuberkulose ausübt Wittek hat in einem hoch¬
gelegenen Sanatorium in Steiermark ebenfalls sehr schöne Erfolge
mit der Sonnenbehandlung erzielt.
Mayer-Berlin demonstrierte interessante anatomisch-physiolo¬
gische Untersuchungen an Muskeln und Sehnen, die als Basis für
eine zweckmäßige Art der Sehnenverpflanzung dienen können.
Er fordert vor allem eine Bewahrung der physiologischen Bedingungen,
darunter besonders eine Schonung des Gleitgewebes in den die
Bewegung der Sehnen leitenden Gleitbahnen. Uber das gleiche
Thema spricht Biesalski-Berlin. Seine Methode der Sehnenaus¬
wechselung besteht darin, daß an Stelle eines funktionsunfähig ge¬
wordenen Muskels mit seiner Sehne ein anderer Muskel mit Sehne
gesetzt wird, der an seiner früheren Stelle leichter entbehrlich er¬
scheint Hierbei wird die Sehne des Ersatzmuskels durch dasselbe
Fach geführt, das vorher die entsprechende Sehne einnahm. Die
Operation ist außerordentlich subtil und auch hier ist es besonders
der Gleitapparat, der sehr sorgfältig erneuert werden muß. Stoffel
verfährt bei seinen Sehnenverpflanzungen etwas anders. Er
betont, daß bei der Auswahl der zu verpflanzenden Sehnen die
Anatomie und Physiologie des Muskels und der Sehnen genau be¬
rücksichtigt werden muß. Vor allem ist auch nötig, daß der Muskel
bei der Überpflanzung seine physiologische Länge behält E r 1 a c h e r-
Graz sprach über Plastiken und Transplantation von Muskeln
und Nerven an Hand von Tierversuchen. Überpflanzt man einen
gesunden Muskel und vernäht ihn fest mit dem Teil, auf welchen man
überpflanzt, so findet vollständiger Anwuchs statt. Auch die Nerven-
führung wächst ein und bildet sich weiter aus, so daß schließlich
eine völlige funktionäre Einheilung stattfindet Zu diesem Thema
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132
gehört auch eine Mitteilung von He inecke-Leipzig, der durch Ein-
pflanzen eines funktionsfähigenNervs in einen gelähmten Muskel
diesen wieder zur Funktion bringen konnte. Muskat-Berlin hat
durch mechanische Maßnahmen ohne blutigen Eingriff eine dauernde
Sehnenverrenkung der äußeren Muskel des Unterschenkels
heilen können. L a m y-Paris berichtet über die Auslöffelung von Fußwur-
zelknochenbei der Behandlung des angeborenen Klumpfußes.
Bei dieser Methode, durch welche die Knochenkeme entfernt werden,
werden die Knochen weicher, so daß man leichter eine Formände¬
rung erzielen kann.
Eine längere Diskussion entspann sich über die Abbotfc’sche
Methode der Behandlung von Rückgratsverkrümmungen. Das
Verfahren besteht bekanntlich darin, daß der Rumpf des Kranken in
einem entsprechenden Gestell durch Züge in eine überkorrigierte Lage
eingestellt und in dieser Lage dann ein Gipskorsett angelegt wird.
Wie in der Diskussion von mehreren Rednern anerkannt wurde,
kann durch dieses Verfahren zwar die Form des verbogenen Rumpfes
verbessert werden, doch gelingt es mit dem Verfahren nicht, eine wirk¬
liche Heilung zu erzielen. Besonders von Schultheiß-Zürich,
Werndof-Wien und Schede-München wurden die Grundlagen des
Verfahrens bemängelt.
Eine weitere Gruppe von Vorträgen beschäftigte sich mit den
schweren Folgen des Plattfußes, von dessen chirurgischer Be¬
handlung durch verschiedene Arten der Knochendurchmeißelung
und der Einpflanzung von Knochenteilen. Hierzu sprachen beson¬
ders W i 1 m s - Heidelberg, K a u s c h-Schöneberg, Streißle r-Graz.
Die blutige Einrenkung der angeborenen Hüftverrenkung er¬
gibt nach den Ausführungen von Bade-Hannover keine sehr er¬
mutigenden Resultate. Auch Deutschländer-Hamburg beschränkt
aus diesem Grunde dies Verfahren auf aussichtslose Fälle jenseits
des Alters, in dem noch eine unblutige Behandlung möglich ist
Maaß-Berlin und Alsberg-Kassel haben versucht, bei schweren
kindlichen Rückenmarksverkrümmungen operativ einzu¬
greifen, nach ihren Ausführungen auch mit ermutigendem Erfolg.
Andere Redner jedoch warnten dringend vor solchen Eingriffen.
Referate.
Die Tuberkulose im schulpflichtigen Alt»* und ihre Be¬
kämpfung. Von Paul Vollmer. {Beitr. z. KL d. Tuber¬
kulose und spezifischen Tuberkulose-Forschung, hrsg. und
redig. von Prof. Dr. Ludoph Brauer, Bd. XXIX, S. 311—347.)
Nicht nur der Rückgang der allgemeinen Sterblichkeit in den
größeren europäischen Staaten läßt sich seit etwa Mitte vorigen
Jahrhunderts statistisch nach weisen, sondern auch der Rückgang
der. Sterblichkeit der Tuberkulose. Er betrifft aber in der Haupt¬
sache nur die Altersklassen, denen die sozialen Gesetzgebungswohl-
taten zugute gekommen sind. In den Altersklassen o—15, wo die
Tuberkulose an sich zwar einen verhältnismäßig niedrigen Prozent-
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*33
satz an der Sterblichkeit bildet, hat die relative Sterblichkeit an
Tuberkulose trotz einer kleinen Besserung in den letzten Jahren für
die Altersstufen o—io im schulpflichtigen Alter nicht ab-, sondern
zugenommen.
Für die Beurteilung der Häufigkeit und des Verlaufs der Tuber¬
kuloseinfektion überhaupt haben seit der Entdeckung desTuberkel-
bazilhis durch Koch zunächst die pathologisch-anatomischen Fest¬
stellungen Nägelis, Ribberts, Burckhardts, Schmorls,Beitz-
kes, Hamburgers, Slukas, Ghons u. a. die enorme Häufigkeit
tuberkulöser Prozesse gezeigt, die nur zu einem Bruchteil klinisch
manifest, in der Hauptsache latent im menschlichen Körper ange¬
troffen werden. Aber auch klinisch-diagnostische Feststellungen,
Impfungen subkutan nach Koch mit Alttuberkulin, noch einfacher
und ebenso sicher, wenn auch nicht so umfangreich im einzelnen
Falle, intrakutan nach Pirquet, bestätigten die Tatsache, daß un¬
abhängig von der Mortalität durch Tuberkulose überall eine hohe
Infektionsziffer vorhanden ist, übereinstimmend mit den pathologisch-
anatomischen Erfahrungen, und daß das früheste Kindesalter zwar
eine niedrige Infektionsziffer, aber dafür eine viel höhere Mortalität
aufweist: es reagieren Pirquet positiv etwa am Ende des ersten
Lebensjahres 5 Proz., im 6. bereits 50 Proz. und am Ende des schul¬
pflichtigen Alters fast 95 Proz. aller Geimpften, was auch schul¬
ärztliche Impfungen in großer Zahl beweisen, während die Kurve
der tödlichen Tuberkulose nach dem ersten Lebensjahre steil ab¬
fällt, um nie wieder die enorme Höhe der Tuberkulosesterblichkeit des
ersten Lebensjahres zu erreichen.
Vergleicht man mit diesen Tatsachen die tierexperimentellen
Erfahrungen, nach denen ein nicht tuberkulös erkranktes Tier bei
einer schweren tuberkulösen Infektion zu Grunde geht, ein anderes
Tier, das vorher eine nicht zum Tode führende Tuberkuloseinfektion
durchgemacht hat, einer neuen Infektion ausgesetzt, nicht mehr mit
einer allgemeinen, schnell zum Tode führenden Krankheit reagiert,
sondern mit einer lokal ulzerösen Lungenphthise, so erscheint die
Annahme durchaus berechtigt, daß in den Fällen, wo keine ge¬
nügende Kindheits-Immunität — infiziert sind ja über */* — statt-
geftmden hat, tödliche Miliartuberkulose ein tritt oder schließlich der
Organismus erlahmt und die im Körper der Kinder in mannigfacher
Art schlummernde Infektion in einer Lungenphthise gerade im er¬
werbsfähigen Alter tödlich endet
Man kann also mit Hamburger u. a. als den typischen Weg
der Entstehung und des Verlaufs der Tuberkulose annehmen, daß
die Infektion (Primäraffekt) in der frühesten Kindheit stattfindet,
sich in der späteren Kindheit, speziell im schulpflichtigen Alter, die
sekundäre Tuberkulose, die wir als Skrofulöse, Bronchialdrüsentuber¬
kulose etc. in ihrer Mannigfaltigkeit kennen, entwickelt, um schlie߬
lich in dem tertiären Stadium der Lungenphthise ohne exogene
Neninfektion zu enden. Wobei trotzdem die Möglichkeit einer exo¬
genen Infektion durch Massen von Tuberkelbazillen nicht ge¬
leugnet wird.
Die Widerstandslosigkeit der infizierten Kinder ist also das
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gefahrdrohendste. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der jahrelange
Schulbesuch mit seinen bis zu einem gewissen Grade unvermeid¬
lichen Schädigungen besondere Gefahren birgt Wollen wir gesunde,
tuberkulosefreie Schulkinder haben, so ist es vielleicht das aus¬
sichtsreichste, in erster Linie schon vor der Schulzeit dafür zu
sorgen, daß die Kinder überhaupt nicht infiziert in die Schule
kommen, d. h. wir müssen im Sinne der allgemeinen Bekämpfung
der Tuberkulose als Volkskrankheit dafür Sorge tragen, daß das
Kind nicht mit einem Tuberkelbazillen aushustenden Kranken zu¬
sammenkommt: Isolierung der Bazillenhuster. In 2. Linie ist es
notwendig, einen mit den Schäden der Schule und Eigentümlich¬
keiten der Schulkrankheiten vertrauten Arzt, einen Schularzt, anzu¬
stellen, der die Kinder auf Schultauglichkeit mustert, Nachforschungen
nach Tuberkuloseherden in den Familien anstellt und stattgehabte
Tuberkuloseinfektionen mit klinischen und ohne klinische Er¬
scheinungen mit Hülfe der P i r q u e t’schen Impfung registriert
Zu dritt müssen während der ganzen Schulzeit Eltern, Kind
und Schule ärztlich beraten sein. Hygiene des Unterrichts, des
Schulbetriebes und der Schulanlagen sind selbstverständliche Forde¬
rungen. Für Femhaltung Tuberkelbazillen hustenden Lehrpersonals
und Kinder sorgt der Ministerialerlaß vom 9. Juli 1907, der solchen
Personen die Schule verbietet, während die Fürsorge für erkranktes
Lehrpersonal noch der Verbesserung bedarf.
Die Kinder müssen halbjährlich einer Gesundheitsbesichtigung
unterzogen werden mit eventueller Wiederholung der Pirquet¬
impfung und unter Anlegung von Untersuchungslisten für die ganze
Schulzeit. Der Schularzt muß an den Lehrerkonferenzen teilnehmen,
selbst Klassenbesuche ausführen können, um bei Bewilligung längerer
Ferien aufs Land, an die See, ins Gebirge, in die Ferienkolonien die
am meisten gefährdeten Kinder richtig auswählen zu können. Es
müssen eventuell Sonderklassen und Waldschulen eingerichtet werden.
Nicht zu unterschätzen sind auch regelmäßige Vorträge und
Belehrungen durch den Schularzt über allgemeine Körperpflege und
Verhütung der Tuberkuloseübertragung an Lehrer besonders und
Kinder.
Eine häufigere, regelmäßige Sprechstunde, eine Schulschwester,
vielleicht auch eine Schul- und Schulzahnpoliklinik, werden große
Dienste für das Wohl der Gefährdeten leisten.
Etwaigen Einwendungen gegen die eingangs erwähnten statisti¬
schen Erhebungen ist zu bemerken, daß die Statistik besonders über
die ländlichen Verhältnisse noch erweitert und ausgebaut werden
muß, was aber nur durch die Forderung der Schularztanstellung für
jede Schule, besonders auch auf dem Lande, gewährleistet werden
kann. Autoreferat
Radiologisch erkennbare anatomische Typen an kind~
lieber Lungentuberkulose. Von E. Rach-Wien. (M.m.
W., 1914, Nr. 11.)
Auf Grund klinischer, radiologischer und anatomischer Unter¬
suchungen wird der Versuch gemacht, eine Einteilung der kind-
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liehen Lungentuberkulose auf anatomisch- radiologischer Grundlage
zu treffen, gewisse anatomiscli-radiologische Typen auffcustellen,
deren röntgenologischer Nachweis im Einklang mit den übrigen
klinischen Symptomen glücken kann. Außer den schon anerkannten
Typen der kindlichen Lungentuberkulose, der Miliartuberkulose,
Spitzentuberkulose, werden der Ghon’sche primäre Lungenherd, die
intumeszierende Bronchialdrüsentuberkulose, die intrapulmonale Hilus-
tuberkulöse und die Säuglingsphthise unterschieden.
1. Der Ghonsche primäre Lungenherd.
Das anatomische Bild dieser häufigen Form der kindlichen
Lungentuberkulose ist zuerst von Parro t, dann von Küss, Albreclit
am ausführlichsten und genauesten nach dem Material der Wiener
Kinderklinik von Ghon beschrieben worden.
Mitunter gelingt es, einen Ghon’schen Lungenherd radio¬
logisch nachzu weisen und zwar kann die Diagnose, wie Simon
und Rach feststellten, dann mit genügender Wahrscheinlichkeit ge¬
macht werden, wenn bei Kindern mit positiver Tuberkulinreaktion
ein bis bohnengroßer, dichter, scharf umschriebener Schatten isoliert
und frei in den abseits vom Hilus gelegenen Anteilen der Lungen
zu sehen ist, und wenn gleichzeitig eine Schwellung und tuberku¬
löse Erkrankung regionärer, event auch sonstiger Bronchialdrüsen
nachweisbar ist
Unter solchen Bedingungen kann diese Form der Tuberkulose,
die sich dem physikalischen und bakteriologischen Nachweis ent¬
zieht, durch das Röntgenverfahren zu einem klinischen Krankheits¬
bild werden.
2. Die intumeszierende Bronchialdrüsentuberkulose.
Von den verschiedenen Formen tuberkulöser Erkrankung der
extrapulmonalen Bronchialdrüsen soll hier jene verstanden werden,
die zur Verkäsung, häufig auch zur Verflüssigung mit Intumes-
zenz der Drüsen führt und die dadurch eine mächtige Anschwellung
derselben hervorruft, welche tumorartig die Nachbarorgane
komprimieren kann.
3. Die intrapulmonale Hilustuberkulose.
Die in diese Kategorien zu rechnenden Fälle zeigen anatomisch
mit Vorliebe in einem Unterlappen oder im rechten Mittellappen,
seltener in einem Oberlappen in unmittelbarer Nachbarschaft ver¬
käster, extrapulmonaler Drüsen, in trapulmonal in der Nähe des
Hilus, mehr oder weni ger umfangreich, verkäste Knoten,
in deren lateraler Umgebung meist weniger ausgedehnte, zuweilen
strangförmige oder kleeblattähnliche verkäste Herde erkennbar sind.
Diesem anatomischen Bilde entspricht auch ein wohlgekenn¬
zeichnetes radiologisches Bild. Ein öfter rechts als links vom
Mittelschatten aus mehr oder weniger weit ins Lungenfeld vor¬
dringender Schatten, der lateralwärts an Dichte abnimmt und sich
an seiner Peripherie ohne scharfe Begrenzung allmählich auflöst
Er zeigt oft wolkige Verdichtungen und nach außen spitz zulaufende,
streifenförmige Ausläufer, mitunter, wie dies zuerst Sluka hervor¬
hob, die Form eines mit der Basis dem Mittelschatten aufsitzenden
Dreiecks. Durch diese Eigenschaft unterscheiden sich die Schatten
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der in trapul tnonalen Hilustuberkulose auch von den durch extra¬
pulmonale tuberkulöse Bronchialdrüsen hervorgerufenen, welche scharf
umschrieben, rundlich und in ihrer Lokalisation an die Nähe der
Trachea und ihrer Hauptstämme gebunden sind.
4. Die Säuglingsphthise.
Anatomisch ist dieser Typus gekennzeichnet besonders durch
Bildung von umfangreichen Zerfallskavernen (während die glatt-
wandigen bronchiektatischen Kavernen hauptsächlich dem späteren
Alter zukommen), sowie durch Pneumonia kaseosa.
Dementsprechend zeigt das radiologische Bild ausgebreitete,
dichte Schatten, deren Grenzen oft mit den Lappengrenzen zu¬
sammenfallen (bei lobärer käsiger Pneumonie) und in deren Bereich
sich häufig buchtige, scharf umschriebene Aufhellungen erkennen
lasssen. Häufig finden sich daneben noch mächtige Drüsenschwel¬
lungen und miliare Knötchen. Autoreferat
über Befunde von Diphtheriebazillen in den Organen
bei tödlich verlaufener Diphtherie. Von Liedtke
und V öl ekel. (Aus der Zentralstelle für öffentliche Ge¬
sundheitspflege in Dresden. — D. m. W., 1914, Nr. 12).
Die Verf. untersuchten nach einer von Conradi (M. m. W., 1913,
Nr. 20) angegebenen Methode zum Nachweis spärlicher Diphtherie¬
keime die einzelnen Organe von sieben an Diphtherie gestorbenen
Kindern. Sie fanden bei sämtlichen untersuchten Fällen zahlreiche
Diphtheriebazillen in Herz, Lunge, Leber, Milz, Niere und Knochen¬
mark. Hirnteile, die zweimal zur Verfügung standen, zeigten eben¬
falls positiven Befund. Die festgestellten Keime waren im Methylen¬
blau und Neisserpräparat typisch, im Tierversuch vollvirulent
Soweit das spärliche Obduktionsmaterial ein Urteil zuläßt, scheinen
also in jedem Falle tödlich endender Diphtherie die Löff 1 ePschen
Bazillen in sämtliche Organe einzudringen. Hier handelt es sich
demnach nicht nur um eine Intoxikation, sondern auch um eine
Allgemeininfektion.
Außerdem teilen die Verf. noch einige Befunde über das Vor¬
kommen von Diphtheriebazillen im Harn mit Sie fanden in 30
Urinen Diphtheriekranker sechs mal Stäbchen, die morphologisch
und kulturell den Diphtheriebazillen glichen. Zwei von diesen
Stämmen waren Meerschweinchen gegenüber virulent
Autoreferat
Sind die Diphtheriebazillentrfiger für ihre Umgebung
infektiös ? Von Riebold -Dresden. (M. m. W., 1914,Nr. 17.)
Gelegentlich des Auftretens einer Diphtherie-Epidemie in einer
Ferienkolonie des Gemeinnützigen Vereins zu Dresden konnte R.
mit großer Wahrscheinlichkeit den Ursprung der Erkrankungsfälle
auf einen Bazillenträger zurückführen, der selbst keine Diphtherie
durchgemacht hatte. Von den 21 gesund gebliebenen Kindern der
Kolonie erwiesen sich nach Isolierung der Kranken 7 als Bazillen¬
träger. Einer dieser gesund gebliebenen Bazillenträger schleppte die
Krankheit aus der Kolonie mit nach Haus.
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Nach den mitgeteilten Erfahrungen scheint es nötig, den Diph¬
theriebazillenträgern im allgemeinen eine große Beachtung zu
schenken — gleichgültig, ob sie selbst eine Diphtherie durchge¬
macht haben oder nicht —, da sie jederzeit zur Verbreitung der
Krankheit beitragen können. Die bisherige Trennung in „Dauer¬
ausscheider“ und „Bazillenträger“, in „Haupt- oder Neben träger“ ist
zweckmäßigerweise aufzugeben. Für die Prophylaxe der Krankheit
ist die Kontrolle der Bazillenträger weit wichtiger, als die jetzt
übliche Wohnungsdesinfektion. Autoreferat
Bazillenträger bei Diphtherie. Von H. Deist-Berlin. (Beitr.
z. Klin. d. Infekt. - Krkh. u. z. Immunitätsforschung, 1914,
Bd. II, H. 3.)
Die Diphtherie ist eine Infektionskrankheit, die sich vorwiegend
durch Übertragung von Mensch zu Mensch ausbreitet. Sie befällt
mit Vorliebe das frühe Kindesalter. Der Diphtheriekranke mit den
massenhaft mit Vorliebe in den Schleimhäuten des Rachens, der
Nase, des Kehlkopfes, der Luftröhre, in den Nebenhöhlen der Nase,
der Konjunktiva und in der äußeren Haut vegetierenden und sich
vermehrenden Diphtheriebazillen ist der Mittelpunkt und die Haupt¬
verbreitungsquelle der Krankheit. Zwei gut trennbare Typen der
Verbreitung der Diphtherie sind zu beobachten. Die weniger häufige
Art führt zu explosionsartig auftretenden Epidemien von wechselnd
großem Umfang. Bei der anderen Art dehnt sich die Verseuchung
schleichend wenig merklich aus, bildet bald hier und dort neue
Herde und führt zu einer größeren Zahl von Erkrankungen, die
keinen offenbaren Zusammenhang miteinander zu haben scheinen.
Für die erste Art ist z. B. eine Nahrungsmittelinfektion, für die
zweite eine Bazillenträgerinfektion typisch. Die Verbreitungsweise
als solche teilt Konradi in Schleuder- und Tröpfcheninfektion, in
Kontakt-, Staub- und Luftinfektion und schließlich in Nahrungs¬
mittelinfektion. Die Schule spielt als Ubermittler der Infektion eine
große Rolle. Die Spielplatzgefahr ist gegenüber der Gefahr der
Ansteckung in der Schule verschwindend gering. Es gibt fraglos
echte Schulepidemien, d. h. Erkrankungshäufungen, die die Haupt¬
infektionsquelle in der Schule haben. Vor allem spricht der durch¬
schlagende Erfolg hygienischer Maßnahmen unzweideutig für die
Beteiligung der Schule an der Verbreitung der Diphtherie. Hält man
die lebenden Infektionsquellen fern, kommt auch die Klassenepidemie
zum Stehen und zum Erlöschen. Im allgemeinen geht die Zahl
der Keimträger unter Schulkindern der Zahl der Diphtheriefälle
parallel. Der Diphtheriebazillus ist nicht ubiquitär. Unter Bazillen¬
trägern versteht man Keimträger, die Krankheitserscheinungen im
Nasenrachenraum nicht bieten und nicht geboten haben. Daueraus¬
scheider sind Kranke in der Rekonvaleszenz und Genesene nach
der Krankheit In dieser Zusammenstellung lassen sich Kranke in
der Inkubationszeit und solche, die mit dem Urin die Bazillen aus-
scheiden, schlecht unterbringen. Sasquepee hat trotz der großen
Schwierigkeit, die in dem Vorhaben liegt, versucht, eine zahlen¬
mäßige Übersicht über die Zahl von gesunden Bazillenträgern zu
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haben. Er fand in diphtheriefreien Gegenden sehr wenig oder
gar keine Bazillenträger, in endemisch befallenen Gegenden 4—8
Proz., in allgemeinen Kinderkrankenhäusern 12 Proz., bei En- und
Epidemien unter größeren Gemeinschaften 12—14 Proz., bei En-und
Epidemien in Schulen 20—25 Proz., in der unmittelbaren Umgebung
von Diphtheriekranken 30—35 Proz. Die beiden letzten Zahlen
liegen sicher zu hoch. Bei der vorwiegenden Übertragung von
Mensch zu Mensch ist den Dauerausscheidern zahlenmäßig gegen¬
über den Bazillenträgern wegen der beschränkten Untersuchungs¬
möglichkeit die bei weitem größere Rolle zuzusprechen. Eine
weitere recht ergiebige Quelle stellt die Inkubationszeit dar. Der
typischen Diphtherie geht nicht selten besonders bei Kindern ein
Schnupfen voraus; bei solch akutem Schnupfen beherbergt die Nasen¬
höhle massenhaft virulente Bazillen. Ektojgen vermehren sich die
Diphtheriebazillen sehr j*ut in Milch. Ob durch die Milch diph¬
theriekranker Kühe (es gibt fraglos eine Diphtherie der Kühe) Neu¬
infektionen möglich sind, steht noch nicht fest Die Frage schon
mahnt aber immerhin zur Vorsicht Eine Rolle bei der Diphtherie¬
verbreitung spielt noch die chronische Rhinitis und der diphtherische
Schnupfen der Säuglinge. Diphtheriebazillen sind im Blut, in der Zere¬
brospinalflüssigkeit und in den Lungen des Menschen nachgewiesen
worden. Aktuell ist die Frage der Ausscheidung der Diphtherie¬
bazillen durch den Ham. Es lassen sich dadurch leicht besonders
bei Kindern häufige Genitalaffektionen erklären. Die Diphtherie¬
bazillenpersistenz ist erheblich, bei Rekonvaleszenten bis 12 Monate
geprüft beobachtet (Prip), vermutlich noch länger, bei Bazillen¬
trägern bis 72 Tage (Otto). Die Persistenz der Diphtheriebazillen
bei Trägem steht weit hinter der bei Rekonvaleszenten und Dauer¬
ausscheidern zurück. Bei der Therapie ist das Maßgebende die
bakteriologische Untersuchung und die darauf begründete Kontrolle
und weitgehendste Absperrungs- und Isolierungsmaßregeln, wie sie
die Armee vorbildlich zeigt
Ein sicher wirkendes besonders chemisches Mittel gegen Diph¬
theriebazillenpersistenz gibt es bisher nicht Das Gesetz läßt bei
Bazillenträgern unbegreiflicherweise das Recht der Absonderung
fallen und begnügt sich mit der Ermahnung, den Rachen regel¬
mäßig zt} spülen und alles desinfizieren zu lassen. Der Diphtherie¬
kranke kann nach dem Gesetz solange isoliert werden, bis er „bak¬
teriologisch“ genesen ist Verwirrend wirkt die noch nicht ge¬
klärte Frage der Zusammengehörigkeit der Diphtheriebazillen und
der Diphtherie ähnlichen Bazillen, weiter die Frage der verschiedenen
Virulenz, die Diphtheriebazillen und die Diphtherie ähnlichen scheiden
soll. Durch die neuesten Untersuchungsergebnisse von Trautmann-
Gaehtgens und Bernhard-Paneth scheint nun eine Brücke
zwischen den Diphtheriebazillen und den Diphtherie ähnlichen ge¬
schlagen. Damit wäre die Frage der Variabilität der Diphtherie
bejaht. Diese Frage ist natürlich auch für die Bazillenträgerfrage
von einschneidender Bedeutung.
Unsere Forderung muß sein, die Begriffe Diphtheriebazillen,
Pseudodiphtlieriebazillen, virulente, schwach virulente, avirulente
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Pseudodiphtheriebazillen, und aviralente Löffle r’sche Bazillen scharf
zu trennen oder jedenfalls zu klären. Dann kann auch eine aus¬
sichtsreiche Diphtheriebekämpfung einsetzen. Autoreferat
Eine einfache Methode die echten Diphtheriebazillen von
Pseudodiphtheriebazillen kulturell zu unterscheiden.
Von Mannu af Heurlin-Helsingsfors. (M. m. W., 1914, Nr. 13.)
Die Methode gründet sich auf die Eigenschaft der Pseudo¬
diphtheriebazillen, im Hochagar um den Phenolphthaleinpunkt aus¬
gesät aerophil zu wachsen, während die echten Diphtheriebazillen
mehr indifferent wachsen. Wird die Menge des hinzugefügten
N-NajCoa vermehrt, so tritt der Unterschied in dem Wachstums¬
typus bedeutend deutlicher zutage, wobei im stark alkalinisierten
(100 ccm N-Na a Co* pro Liter Nährboden) traubenzuckerhaltigen
(1,5 Proz.) Hochagar (1 Proz.) der echte Diphtheriebazillus anaero-
phil oder anaerob wächst, während sich die meisten Pseudodiph¬
theriebazillen nur extrem anaerob hauptsächlich in der Form eines
Oberflächenbelages, aber auch mit minimalen Kolonien bis 8 mm
von der Oberfläche entwickeln. Alle übrigen allerdings seltener
vorkommenden Pseudodiphtheriebazillen kommen in diesem Agar
nicht zur Entwickelung.
Unter den untersuchten 53 echten Diphtheriebazillenstämmen
waren 49 Stämme = 92,5 Proz. toxisch und 4 Stämme = 7,5 Proz.
atoxisch. In Hoch-Blut-Phph.-Agar ohne Fr.-Z. erwiesen sich 47
Stämme = 88,7 Proz. hämolytisch und 6 Stämme = 11,3 Proz.
als nicht hämolytisch. Sämtliche 25 Pseudodiphtheriebazillen¬
stämme waren atoxisch und nicht hämolytisch. Autoreferat
über die Prophylaxe der Diphtherie nach v. Behring.
Von J. Bauer. (Akadern. Kinderklinik Düsseldorf. — D. m.
W., 1914, Nr. 12.)
Bei den meisten der mit v. Behrings Schutzmittel behandelten
Impflingen steigt nach der Behandlung der Antitoxingehalt in die
Höhe, einerlei ob sie schon von vorhinein im Besitze einer gewissen
Antitoxinmenge waren oder nicht In einigen Fällen wächst die
Antitoxinkurve nicht an. Hier war wahrscheinlich die angewandte
Vakzinedosis zu gering.
Überall, wo eine stärkere lokale oder allgemeine Reaktion auf
die Einverleibung des Vakzins erfolgt, nahm auch der Antitoxin¬
gehalt zu. Die Möglichkeit der Antitoxinanreicherung durch Vakzine¬
behandlung besteht sowohl bei Personen, die Diphtherie überstanden
haben, die Diphtheriebazillenträger sind, als auch solchen, die nach
anamnestischen Angaben noch niemals Diphtherie gehabt haben.
Bazillenträger, die behandelt wurden, erwarben in fünfmonatiger
Beobachtung auf einer Diphtheriestation keine Diphtherie. Sie ver¬
loren aber durch die Behandlung ihre Bazillen nicht, auch nicht,
wenn der Antitoxingehalt ihres Blutes ganz beträchtlich wurde.
Autoreferat.
Durch den Diphtheriebazillus hervorgerufene biennor*
rhoische Prozesse, speziell in der kindlichen Vagina.
Von Erwin Kobrak-Berlin. (Med. Klinik, 1914, Nr. 10.)
Die Erregung fibrinöser Membranen ist zwar die häufigste aber
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durchaus nicht die einzige Wirkung des Diphtherieinfektes. Es
werden verschiedene atypische Fälle beschrieben, die andersartige
Reaktion, wie Ödeme im Halse, zeigten. Besonders hingewiesen
wird auf das Entstehen blennorrhoischer Eiterungen in den Luft¬
wegen.
Die Beobachtung solcher Eiterungen legte den Gedanken nahe,
auch bei den Blenorrhoeen der Genitalien kleiner Mädchen dann, wenn
Gonokokken nicht nachweisbar waren, nach Diphtheriebazillen als
Erreger zu fahnden. Es gelang zwei klinisch völlig als Gonorrhoe
imponierende Fälle ohne jede Membranbildung bakteriologisch als
Vaginal-Diphtherie zu erklären und bei entsprechender Serumbehand¬
lung rasch zu heilen. Zu bemerken ist, daß in der Literatur Diph¬
therie der weiblichen Genitalien stets als eine neben schwerer ander¬
weitiger Diphtherie einhergehende Erkrankung beschrieben ist, die
im allgemeinen prognostisch ungünstig zu werten ist
Die hier beschriebenen Fälle sind isolierte rein lokale, das All¬
gemeinbefinden nicht tangierende Erkrankungen, die sich klinisch
von Gonorrhoe nicht unterscheiden ließen. Autoreferat.
Urotropin bei Masern. Von D. B. Bubarew-Slatopol. (Prakt
Wratsch, 1913, Nr. 39.)
Verf. weist, ehe er zu seinem eigentlichen Thema, nämlich der
Anwendung des Urotropins bei Masern, übergeht, zunächst darauf
hin, daß das Urotropin bei Erkrankungen der Respirationswege und
bei Influenza auffallend günstige Wirkungen äußert, die sich daraus
erklären lassen, daß es bekanntlich in alle Körpersäfte übergeht und
durch Formaldehydabspaltung diesen eine entwicklungshemmende
Wirkung auf Mikroorganismen verleiht
Verf. hat selbst mit Urotropin gute Erfolge bei derartigen Er¬
krankungen, insbesondere bei Influenza, erzielt Er hat es haupt¬
sächlich bei Influenzakranken angewandt, die Herzfehler hatten. In
8 von 10 derartigen Fällen wurde weder Azetylsalizylsäure noch
Salipyrin vertragen. Diese Präparate führten starkes Herzklopfen,
zuweilen auch eine Dekompensation herbei. Urotropin dagegen, das
in verhältnismäßig großen Dosen (0,5 g 4 bis 5 mal täglich) gegeben
wurde, hatte keinerlei unangenehme Nebenwirkungen und führte
schnell den gewünschten Erfolg herbei. In manchen Fällen erwies
sich die gleichzeitige Verabreichung von kleineren Dosen Salol als
nützlich.
Was die Anwendung des Urotropins bei Masern betrifft, so
versuchte Verf. es zunächst prophylaktisch. Wenn er zu einem
masernkranken Kinde gerufen wurde, so ließ er die etwa vorhandenen,
von der Krankheit sichtlich noch nicht ergriffenen Kinder Urotropin
nehmen in der Hoffnung, den Ausbruch der Masern bei diesen
Kindern verhindern zu können. Diese Hoffnung hat sich jedoch
nicht erfüllt Offenbar waren die Kinder schon infiziert, und die
angewandten Urotropinmengen reichten nicht aus, um eine Abtötung
der Masernerreger herbeizuführen. Die Krankheit verlief aber in
diesen prophylaktisch mit Urotropin behandelten Fällen in äußerst
leichter Form, so daß angenommen werden muß, daß die Erreger
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in ihrer Virulenz geschwächt waren. Die Temperatursteigerung war
mäßig, der Katarrh der Luftwege unbedeutend und das subjektive
Allgemeinbefinden günstig. Komplikationen traten nicht auf, be¬
sonders wurden keine Pneumonien beobachtet. Verf. hat diese Er¬
fahrungen bei zwei t Masernepidemien in einer bedeutenden Zahl von
Fällen gemacht Nie trat eine Komplikation auf, wo von Beginn
der Erkrankung an Urotropin verordnet wurde In vier nicht mit
Urotropin behandelten Fällen, in denen eine Pneumonie auftrat,
wurde nach deren Feststellung Urotropin neben den sonst gebräuch¬
lichen Mitteln gegeben. Die Pneumonie wurde hierdurch günstig
beeinflußt und in ihrem Verlauf abgekürzt
B. verordnete das Urotropin in Mixturen. Er warnt vor einem
Zusatz von Säuren, da hierdurch eine Zersetzung des Urotropins
eintreten könne. Die Mütter müssen auch darauf aufmerksam ge¬
macht werden, die Mixtur vor der Verabreichung nicht anzuwärmen,
da auch hierbei Zersetzung eintritt Auch die Apotheker müßten
vermeiden, das Urotropin noch nicht vollkommen abgekühlten Auf¬
güssen und Abkochungen hinzuzufügen.
Je nach dem Alter des Kindes wurden täglich 0,75—1,5 des
Schering’schen Originalpräparats in einer Mixtur mit Expektoran-
tien verordnet, die zweistündlich gegeben wurde. Autoreferat.
Bücherbesprechungen.
Die Angiomatose der Retina (von Hippel’sche Krank¬
heit). Von Geh. Med.-Rat Prof. Dr. A. Vossius-Gießen.
(Samml. zwangl. Abhandl. a. d. Geb. der Augenhlkd., Bd. IX.,
H. 1.) gr. 8 ft , 34 S. Halle 1913. Carl Marhold. Preis 1,— Mk.
Nach ausführlichem Bericht über die wenigen bisher veröffent¬
lichten Fälle bringt Verf. eine eigene Beobachtung über diese eigen¬
artige seltene Krankheit, die durch starke Erweiterung und Schlänge¬
lung einer Arterie und zugehörigen Vene und durch Auftreten roter
und gelbroter kugeliger oder ovoider Gebilde im Verlaufe der Ge¬
fäße charakterisiert wird. Diese roten Kugeln sind oberflächliche
Angiome, keine Aneurysmata, wie man wohl früher annahm. Ursache
unbekannt. Hübner- Kassel.
IV. Deutscher Kongreß für Säuglingsschutz Breslau
1913. Bericht herausgegeben im Aufträge des geschäfts¬
führenden Ausschusses vom Schriftführer des Deutschen Ver¬
eins für Säuglingsschutz Dr. Rott-Charlottenburg, gr 8°,
99 S. Berlin 1914. Verlag G. Stilke. Preis 1,80 Mk.
Die Referate waren: Geburtenrückgang und Säuglingsschutz,
I. Geh.-Rat Prof. Wolf-Berlin, dessen Referat verlesen wurde, II.
Prof. Dr. Lang stein-Berlin.
Die Stellung des Arztes in der Säuglingsfürsorge, I. Oberpräsi¬
dialrat Breyer-Magdeburg, II. Prof. Dr. Salge-Straßburg.
Die Rechtsstellung des unehelichen Kindes nach deutschem
Recht, I. Amtsgerichtsrat Landsberg-Lennep, II. Stadtrat Dr.
Köhler-Leipzig.
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142
Aus dem Teilnehmerverzeichnis geht hervor, daß die praktischen
Kinderärzte nur in sehr geringer Zahl an der Tagung teilnahmen.
Von den Referaten, die in erschöpfender Weise ihre interessanten
Themen bearbeitet haben, dürfte bei uns Ärzten das zweite unsere
Aufmerksamkeit in besonderem Maße beanspruchen.
Die Referenten geben folgende Leitsätze: I. Brey er: i. Für
die Säuglingsfürsorge ist die ärztliche Mitarbeit von ausschlaggeben¬
der Bedeutung.
2. Es ist wünschenswert, daß die Stellung der Ärzte in der
Säuglingsfürsorgeorganisation im ganzen Reichsgebiet nach gleichen
oder ähnlichen Grundsätzen geregelt wird.
3. Dem Arzt ist eine einflußreiche, mitbestimmende Stellung bei
den organisatorischen Aufgaben der Säuglingsfürsorge einzuräumen.
Zur praktischen Mitbetätigung in der Fürsorgearbeit soll nach
Möglichkeit die Gesamtheit der Ärzte herangezogen werden.
4. Grundsätzlich soll die im Dienste der Säuglingsfürsorge ge¬
leistete Arbeit nach Maßgabe der verfügbaren Mittel honoriert werden.
II. Salge: 1. Die Beteiligung der Ärzte in ihrer Allge¬
meinheit an der Säuglingsfürsorge ist nicht nur wünschenswert,
sondern durchaus notwendig.
2. Das Interesse und Verständnis, das seitens der Ärzteschaft
der Säuglingsfürsorge entgegengebracht wird, ist vielfach unge¬
nügend. Der Grund dafür ist zu suchen sowohl in der mangel¬
haften Ausbildung des Arztes in der Kinderheilkunde, wie in der
ungenügenden Schulung des jungen Mediziners in den sozialen Auf¬
gaben des Standes.
3. Abhilfe kann nur geschaffen werden durch ausreichenden
Unterricht in der Kinderheilkunde und sozialer Medizin auf den
Universitäten und Nachweis der erworbenen Kenntnisse im Staats¬
examen. Hier ist aber ein wirklich ausreichender Unterricht ge¬
meint und eine ernst zu nehmende Prüfung, nicht auf dem Papier
stehende Verlegenheitsvorschriften, die keine praktische Bedeutung
haben.
4. Im Fortbildungswesen der Ärzte ist ein viel größeres Gewicht
auf die Fragen der Kinderheilkunde und Säuglingsfürsorge zu legen,
als das bisher gesehen ist Hier muß mit bewußter Organisation
vorgegangen werden.
5. Die Mitwirkung der Ärzte in der Säuglingsfürsorge soll
vergütet werden, doch ist von ihnen zu verlangen, daß sie Kennt¬
nisse in Kinderheilkunde und sozialer Medizin nachweisen können.
Wer vor der Lösung praktischer Fragen auf diesen Gebieten
steht, wird eine Fülle von Anregungen aus der kleinen Schrift
schöpfen können. Schlichting -Kassel.
II. Preußische Landeskonferenz für Säuglingsschutz
Berlin 1913. Bericht im Aufträge des geschäftsführenden
Ausschusses herausgegeben vom Schriftführer der preußischen
Landeszentrale Dr. Rott-Charlottenburg. gr. 8°, 67 S.
Berlin 1914. Verlag G. Stilke. Preis 1,20 Mk.
Verhandelt wurde über: I. Den Wert der Stillbeihilfen als Mittel
zur Förderung des Stillens.
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143
1. Oberarzt Dr. Ro tt-Berlin: Entwicklung und derzeitiger Stand
der Stillunterstiitzungen in Deutschland.
2. Stadtrat P a u 1 -Magdeburg: Die Durchführung der Organisa¬
tion der Stillbeihilfen in der Gemeinde.
3. Prof. Thiemich-Leipzig: Die ärztlichen Forderungen zur
Organisation der Stillbeihilfen auf Grund der bisherigen Ergebnisse.
II. Die Organisation der Kleinkinderfürsorge.
1. Primärarzt Freund-Breslau: Ärztliche Forderungen für die
Organisation der Kleinkinderfürsorge.
2. Stadtrat Gottstein-Charlottenburg: Die Organisation der
Kleinkinderfürsorge in der Gemeinde.
Die Verhandlungen brachten viel Interessantes.
Schlichting - Kassel.
Kurze Notizen aus der Praxis und Wissenschaft
Uber sterilisierbares Kautschukpflaster. VonEngel-
b r e c h t-Bisch weiler.
Verf. hat, veranlaßt durch die Feststellung, daß auf den gebräuch¬
lichen Pflastern mancherlei Keime, darunter auch pathogene, Vor¬
kommen, ein Kautschukpflaster hergestellt, das sich im Autoklaven
zusammen mit den anderen Verbandstoffen in beliebiger Menge und
Anordnung sterilisieren läßt, ohne an Klebkraft einzubüßen. Das
Pflaster ist auf der Klebseite mit einem besonders geeigneten weit¬
maschigen dickfädigen Stoff bedeckt, der den Dampf zu allen Teilen
des Pflasters herantreten läßt, und der sich bei der Erhitzung doch
nicht zu fest mit der Klebmasse verbindet, so daß ein Ablösen vor
dem Gebrauch leicht möglich ist. Bakteriologische Nachprüfungen
haben ergeben, daß nach der für Verbandstoffe üblichen Sterilisation
sowohl oberflächlich, wie auch innerhalb der Klebmasse vollkommene
Sterilität eintritt. Das Anwendungsgebiet ist jeder aseptische Ver¬
band, bei dem die Verwendung von Pflaster aus irgend einem Grunde
(Zug, Entspannung, Fixation) notwendig ist. Außer für die Chirurgie,
für die das Pflaster eine Vervollkommnung der Verbandasepsis be¬
deutet, wird es sich auch für die allgemeine Praxis zum schnellen
sicheren Verschluß von Injektions- oder Punktionsstichen und zur
Bedeckung von kleinen Wunden eignen. Das Pflaster wird unter
dem Namen Klinoplast sterilisierbar und in fertig steriler Packung,
die nach Anbruch die Sterilität wahrt, hergestellt.
(Ztrlbl. f. Chir., 1913, Nr. 51.) Autoreferat
Cellon-Stützkorsetts. Von E. G 1 aß-Charlottenburg.
Verf. fertigt an Stelle von Zelluloidkorsets zur Ruhigstellung
der Wirbelsäule bei Spondylitis Korsetts aus Cellon. Die Vorzüge,
welche diese, soweit dem Verf. bekannt, zum ersten Male hergestellten
Cellonkorsetts gegenüber den Zelluloidkorsetts bieten, sind in
erster Linie die absolute Beseitigung der Feuergefährlichkeit,
große Elastizität bei genügender Festigkeit und Haltbarkeit Verf.
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verwendet eine Azetonersatzlosung mit Cellon 30 weiß“ fertig.
Die Technik ist die gleiche des Zelluloid-Azeton-Mullverfahrens und
ausführlich beschrieben. Der Preis der Cellonkorsetts entspricht etwa
dem der Zelluloidkorsetts. Die Arbeit enthält 2 Abbildungen.
(Dtsch. med. W., 1914, Nr. 17.) Autoreferat
The mental defective and society. Von W. L. S to well-
New-York.
Mit Hinweis auf die große Zahl der Schwachsinnigen, die schwere
Belastung des Staates und die Vererbung des Schwachsinnigen- und
Verbrechertypus tritt S. für Heiratsverbot und Sterilisierung der
Schwachsinnigen durch Vasektomie und Unterbindung der Tuba
Fallopi ein. Bauer-Wien.
(Arch. of ped., 1913, Nr. 3.)
A case of Cholecystitis due to infection of the gall
bladder by the typhoid bacillus in a child three years
old. Von H. Lowenburg.
3 jähr. Mädchen erkrankte mit Diarrhoe, später Obstipation, Auf¬
treibung des Bauches, remittierendem Fieber, dann zerebralen Symp¬
tomen. In der zweiten Woche Widal -f- Schwellung der Gallen¬
blase, Verschlechterung des Befindens, toxisches Aussehen, Krämpfe,
Exitus; anfangs relative Leukopenie, später Leukozytose. Die Ob¬
duktion ergab eine Gallenblasenentzündung durch Typhusbazillen
ohne wesentliche Darmerkrankung. Bauer-Wien.
(Arch. of ped., 1913, Nr. 3.)
Tuberkulöse Verdichtung der Lunge und Erweite¬
rung der Bronchien. Von Barbier.
Das achtjährige Kind (Demonstration) hat sich unter nunmehr
fünfjähriger sorgfältiger Hospitalpflege von einem untergewichtigen
zu einem normal entwickelten Kinde entwickelt. Auch heute noch
sind in beiden Unterlappen Kavernen nachzuweisen, sie machen aber
meistens keine klinischen Erscheinungen. Nur von Zeit zu Zeit
zeigt sich ein Fieberanfall, der meist zwei Tage dauert, dabei werden
Massen schleimig-eitrigen Inhalts entleert. Dann folgt wieder eine
Zeit von mehreren Monaten ohne aller Erscheinungen, in den letzten
Jahren sind die Intervalle immer größer geworden. Spiegel-Kiel.
(Bull, de la soc. de ped. de Paris, 1913, Nr. 7.)
TypischeOsteomyelitis beimSäugling. VonE.6tienne
und A. Aimes.
1 Monat altes Kind, seit drei Tagen schwer akut erkrankt.
Typische Osteomyelitis des linken Oberschenkels. Staphylokokken.
Eiter. Exitus. Sektion erweist die Gelenke frei, den ganzen Femur¬
schaft befallen. Zwei Durchbruchsstellen, in der einen ein kleiner
Sequester. Ibrahim- München.
(La Pathol. infant., 1913, Nr. 2.)
Verlag von Benno Konegen, Leipzig. — Druck von A. Pabst, Königsbrück.
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Der Kinder-Äi^g
Msclmff fiir ffinderheilKunde T ''
unter Mitwirkung hervorragender Fachärzte
herausgegeben
von
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Erscheint am ersten Freitag eines jeden Monats. — Vorauszubezahlender Preis für das ganze
Jahr 6 Mk., direkt unter Kreuzband für Deutschland und Österreich-Ungarn 6 Mk. 50 Pf., 7 Mk.
fürs Ausland. Mit Frauenarzt zusammen bezogen statt 24 Mk. nur 20 Mk. Einzelne Hefte 1 Mk.
— Bestellungen nimmt jede Buchhandlung und Postanstalt sowie auch die Verlagsbuchhandlung
jederzeit gern entgegen.
XXV. Jahrg.
Juli 1914.
No. 7. (295.)
INHALT :Originalien : Stamm, ZurMelaenaneonatorum. 145. —Refe¬
rat e : Rolleston, Diphteritic paralysis. 148. — BüsJng, Zusatz von Rindergalle zum
Löffler’schen Diphtherienährboden. 149. — Levl, Abortiver Scharlach in den
ersten Lebensmonaten. 149. — Großer, Stoffwechselprobleme der Rachitis. 150. —
Rist, Chlorose der jungen Mädchen. 151. — Je hie, Bronchialerkrankungen im
Kindesalter. 151. — Fried]ung, Die sog. rezidivierenden Nabelkoliken der Kinder.
152. — Friedenthal, Uber Säuglingsernährung mit Frieden tharscher Kinder¬
milch u. Gemüsepulvern. 153. — Müller, Die Abbott’sche Skoliosenbehandlung.
154. — Arhelner, Die Abbott’sche Methode des Skoliosenredressements. 154.—
Blumenthal, Zur Therapie schlechtheilender Mastoidwunden im Kindesalter.
155. — Kienböck, Zwerchfellhemien bei Kindern. 156. - Engel, Mastkuren im
Kindesalter. 157. — v. Oy, Kolloidales Trikalziumphosphat „Tricalcol“. 158. —
Mlelke, Behandlung von Tetanus mit Magnesium sulfuriki^m. 159. — Rohmer,
Individualstatistische Untersuchungen über Säuglinge in einer großstädtischen
Proletarierbevölkerung. 159. ~ Eine günstige Bevölkerungsbilanz. 160. — Pelper,
Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit im deutschen Reiche. 161. — Holzlnger,
Mutter- und Säuglingsfürsorge. 161. — Schädel, Gemeinsame Tätigkeit der
Ortskrankenkasse u. der Säuglingsfürsorgestelle zu Chemnitz. 161. — Langer*
hans, Hygienische Vorträge im Rahmen der schulärztlichen Tätigkeit. 162.—
Moldenhaner, Die schulhygienische Abteilung im städt. Museum für Volks¬
hygiene zu Köln. 162. — Stephani u. Wlmmenauer, Schulzahnklinik oder freie
Zahnarztwahl. 163. - Böhm, Die für die Berliner Gemeindeschulkinder ge¬
plante orthopädische Fürsorge. 164. — Büch erbesprech ungen : Schnmer,
Beitrag zur Kenntnis der Poliomyelitis ant. chron. 165. — Wagner, Uber patho¬
logische Vermehrung der Erythrozyten. 165. — Krevet, Wert der Bindehaut¬
deckung. 166. — Hallbauer, Regenerationserscheinungen an der Leber. 166. —
Ruschke, Beitrag zur Lehre von der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Puls¬
wellen. 166. — v. Bardeleben, Die Anatomie des Menschen, Teil V: Nerven¬
system und Sinnesorgane. 167. — v. Hellbora, Entwicklungsgeschichte des
Menschen. 167. — Wiemann, Jugendpflege. 168. — Kurze Notizen aus
der Praxis und Wissenschaft. 168.
Originalien.
Zur* Melaena neonatorum.
Von Dr. Carl Stamm-Hamburg.*)
In den letzten Jahren hatte ich Gelegenheit, im Wöchnerinnen¬
heim 5 Fälle von Melaena neonatorum zu beobachten, jener be¬
kannten Erkrankung, über deren Ätiologie noch immer hypothetische
Erörterungen stattfinden. Die in Betracht gezogenen Fälle gehören
*) Demonstrationsvortrag in der biolog. Abteilung des Ärztlichen Ver¬
eins in Hamburg.
Kfnder-Arst XXV. Jahrg. 1914. 10
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njc^;d/tf :äjOSeläena spuria zusammengefaßten Form an, bei der
voäi/*Seir.. # Neiigebbrenen verschlucktes Blut — aus einer wunden
Brust, aus den Geburtswegen oder aus einer Mundverletzung
stammend — wieder herausgegeben wird, sondern derjenigen Gruppe,
die man sich gewöhnt hat als Melaena vera zu bezeichnen. Aber
auch unter dieser Bezeichnung sind die heterogensten Erkrankungen
beschrieben worden. Ein Teil der Melaenafälle gehört der Ätio¬
logie nach zu den echten septisch-hämorrhagischen Erkrankungen,
das sind jene Fälle, die sonst den Blutungen aus Magen und Darm
nach sichere Anzeichen einer allgemeinen Sepsis aufweisen, wie
Fieber, Haut- und Nabelblutungen, Blutungen aus Nase und Mund.
Solche Zustände hat man auch gelegentlich bei luetischen Kindern
beobachtet Eine zweite Gruppe stellen die Fälle dar, bei denen
nur das typische Erbrechen von Blut und die Entleerung eines
bluthaltigen Stuhls zu konstatieren ist, jenes schwarzbraunen, röt¬
lich schimmernden Stuhls, der auf der Windel einen roten Fleck
hinterläßt Außer einer in die Augen fallenden Anämie pflegen bei
diesen Kindern weitere Symptome nicht aufzutreten. Erwähnens¬
wert ist, daß bei solchen Kindern die Melaenasymptome in den ersten
Tagen nach der Geburt sich zu zeigen pflegen, während bei den
erstgenannten septischen sich die Melaena einstellt zu einer späteren
Zeit, wo Nabel- und enterale Infektion gewöhnlich sind. Für die
Genese dieser Fälle hat man sich seit langem interessiert Die An¬
nahme einer hämophilen Diathese wurde, als es einer großen
Reihe von Forschern gelang, im Blute an Lebenden und Leichen
die verschiedensten Erreger nachzuweisen, abgelöst von der Behaup¬
tung, die Melaena sei eine Infektionskrankheit, deren Ausgangs¬
punkt im Darme zu suchen sei. Eine Spezifität der Infektionserreger
zu ermitteln, ist bisher nicht gelungen, indem die einen Staphylo¬
kokken, andere Streptokokken, wieder andere Koli, Proteus, Pyo-
zyaneus und noch manche andere Bakterien mit hämolytischen
Eigenschaften nachzuweisen imstande waren. Die Sektion solcher
Fälle hat ein anatomisches Substrat für die Blutungen nicht ergeben,
es hat sich bei ihnen, wie man sagt, um „parenchymatöse Blutungen 44
gehandelt.
Eine dritte Gruppe von Melaenafällen ist nun diejenige, bei
der anatomisch ein befriedigendes Resultat zu Tage tritt, indem
sich kleinere Erosionen oder größere Geschwüre in der Schleimhaut
des Darmtraktus nachweisen lassen.
Wenn ich nun kurz auf meine 5 Beobachtungen eingehen darf,
so war bei 4 Kindern die Geburt normal verlaufen, ein Kind ist
mittels Zange geboren. Vier waren Knaben. Die Blutungen
setzten ein:
imal am ersten Tage
1 „ „ zweiten „
2 „ „ dritten „
1 „ „ vierten „
Bluterbrechen wurde nur in 1
dem Kinde, das schon am ersten Tage nach der Geburt Melaena
zeigte.
Nur in einem Falle wurde eine Temperatursteigerung bis 38,6°
nach der Geburt.
alle konstatiert und zwar bei
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beobachtet; es war das eine Kind, welches zwar reichliche Blutent¬
leerungen hatte, im allgemeinen aber in seinem Befinden wenig ge¬
stört war. Das Körpergewicht war bei fast allen Kinden stärker
gesunken, als es der physiologischen Abnahme entspricht Die Blut¬
entleerungen hielten in meinen Fällen gewöhnlich 2—3 Tage an; je
schwerer die Erkrankung, um so profuser und dünnflüssiger war
das Blut
Das mit der Zange entwickelte Kind starb am 3. Tage post
partum, nachdem am 2. sich eine enorm starke Blutentleerung aus
dem Darm eingestellt hatte; die 4 übrigen Kinder sind genesen.
Die Sektion der Neugeborenen, die Herr Dr. Michael aus¬
geführt hat, er^ab: Anämie aller Organe, Ecchymosen unter beiden
Pleuren und epidural, 1 cm unterhalb des Pylorus unter nekrotischen
Fetzen verborgen ein 0,5 cm langes schmales Schleimhautulkus.
Ob dieses Geschwür die alleinige Blutungsquelle abgegeben und den
profusen Charakter der Hämorrhagie erklären kann, läßt sich nicht
ohne weiteres annehmen, da wenigstens makroskopisch dieArrosion
eines größeren Gefäßes nicht zu erkennen ist
Uber die Genese dieser Geschwüre ist bereits seit langen Jahren
gearbeitet worden, ohne daß eine allseitig befriedigende Erklärung
gefunden wäre. Ich darf wohl an die Lehre Landau’s erinnern,
der das Geschwür auf embolischem Wege bei Nabelvenenthrombose
entstehen läßt, an die Ergebnisse anderer Forschungen, die eine
primäre Schleimhautblutung und nachfolgende Cossorion annahmen,
und das Entstehen der Schleimhautblutung durch Hyperämie intra
partum, Asphyxie, Herzfehler erklären wollen, an die experimentellen
Nachweise anderer, daß eine zentrale Störung, eine Verletzung des
Vasomotorenzentrums Ursache der Schleimhautblutung sein kann.
Letztere Annahme läßt sich wohl für die Melaenafrage nicht gut
verwerten, weil die Melaena meistens bei Normalgeburten zur Be¬
obachtung kommt. Die makroskopische Untersuchung des Gehirns
in meinem zur Sektion gekommenen Falle ließ außer epiduralen
Ecchymosen Abnormes nicht erkennen.
Um die Gegensätzlichkeit der angebrachten Hypothesen deutlich
zu machen, will ich noch erwähnen, daß es auch nicht an Autoren
gefehlt hat, die nicht eine Hyperämie der Darmmukosa, sondern
eine durch den Geburtshok ausgelöste Ischämie annehmen, in
deren Folge es zu einer Epithelnekrose und zu einem Schleimhaut¬
ulkus kommt
Sämtliche Fälle wurden mit Gelatine behandelt und zwar mit
dem Merck’schen Präparate sowohl per os als auch perklysma und
subkutan, in Dosen von je 10,0—20,0.
Wenn es auch schwer ist, aus einer so geringen Zahl der Fälle
einen therapeutischen Effekt zu bewerten, so sollte doch der Erfolg
der Gelatinebehandlung, der von vielen andern Seiten bestätigt ist,
zu einer regelmäßigen Anwendung des Mittels bei der Melaena
neonatorum führen und das noch um so mehr, als frühere Statistiken
von einer Mortalität von 50 Proz. zu berichten hatten, während eine
neuerdings gemachte Zusammenstellung von 39 mit Gelatine be¬
handelter Krankheitsfälle nur eine Sterblichkeit von 5 Proz. ergab.
(Diss. Berlin 1910, von de Bra.)
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148
Die Heilerfolge der Gelatine, welche die Gerinnbarkeit des
Blutes erhöht, haben in neuester Zeit dazu geführt, die Ursache der
Melaena wieder, wie vor einigen Dezennien, in einer Störung der
koagulierenden Fähigkeit des Blutes zu suchen. Aus diesem Grunde
haben nun auch, zuerst Amerikaner, verschiedene Autoren von einer
direkten Bluttransfusion Gebrauch gemacht Franz*) verwandte
Nabelschnurserum, das er steril aufgefangen, zentrifugiert und mit
Chloroform versetzt, luftdicht verschlossen, monatelang aufbewahren
konnte, Merckens**) machte intramuskuläre Injektionen von defi-
briniertem Menschenblut und hatte auch davon Erfolg. Von ver¬
schiedenen Seiten ist auch Tierserum gebraucht worden, Normal¬
pferd eserum oder auch ein antitoxisches; auch hiervon wird günstiges
berichtet
Daß wirklich in einigen Fällen von Melaena die Gerinnbarkeit
des Blutes herabgesetzt ist, ist von mehreren Seiten nachgewiesen
worden. Worauf aber diese nur temporär vorhandene Blutverände¬
rung beruht, und weshalb sie nicht in allen Fällen zu finden ist,
bedarf weiterer Untersuchungen.
Referate.
Diphteritic paralysis. Von ’c. D. Rolleston-London. (Arch.
of ped., XXX, Nr. 5.)
Ausgezeichnete Übersicht über 477 Lähmungsfälle bei einem
Gesamtmaterial von 2300 Diphtheriekranken. Die Bedeutung der
Schwere der initialen Diphtherieerkrankung für Häufigkeit und
Schwere der Lähmungen wird überzeugend dargetan. Die meisten
Lähmungen finden sich im Alter von 2—6 Jahren. Der Nutzen des
Diphtherieserums ist umso größer, je schneller nach Erkrankungs¬
beginn es gegeben wird. Die Lähmungen sind am häufigsten am
Gaumen und der Augenmuskulatur. Während alle schweren Herz¬
lähmungen und die meisten Gaumensegellähmungen in den ersten
zwei Krankheitswochen beobachtet wurden, sah R. Augenmuskel¬
lähmungen erst von der dritten, meist der vierten Woche an, allge¬
meine Formen mit Beteiligung des Pharynx und des Zwerchfells
von der vierten, überwiegend aber erst der sechsten Woche an.
Mortalität: 20 Fälle an Herz-, 5 an Zwerchfelllähmung; nur diese
Formen sind gefährlich. Je älter das Kind umso besser die Prognose.
Frühe Gaumensegellähmung (in den ersten zwei Wochen) — durch
häufig folgende Herzlähmung — 35,2 Proz., spätere, nur 1,5 Proz.,
Mortalität Leberschwellung bei Herzlähmung gibt 63,9 Proz. Mor¬
talität. Zur Vermeidung der Lähmungen empfiehlt R. frühe Serum¬
injektion, lauge Bettruhe (in leichten Fällen bis zur dritten, in
schweren bis zur sechsten Woche!). Bei schweren Lähmungen:
Adrenalin; bei Brechreiz: Nährklysmen, die bei der im allgemeinen
kurzen (nicht mehr als 14 Tage) Dauer der Lähmungen der Sonden-
*) Münchn. med. W., 1912, S. 2905.
**) Münchn. med. W., 1913, Nr. 18.
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149
fütterung wegen Aspirationsgefahr vorzuziehen sind; Strychnin- und
Belladonnainjektionen. Elektrizität, Massage, aktive Bewegung bei
Extremitätenlähmungen. Bauer (Wien).
über den Zusatz von Rindergalle zum Löffler’schen
Diphtherienährboden. Von Ed. Büsing. (Aus dem
Staatlichen Hygienischen Institut in Bremen. — D. m. W.,
1914, Nr. 10.
250 Hals- und Nasenabstriche, welche dem Bremer Hygienischen
Institut zugingen, wurden zu vergleichenden Untersuchungen so¬
wohl auf dem Löffler’schen Diphtherienährboden als auch auf
Rinderblutserum ausgestrichen, dem nach Angabe von v. Drigalski
und Bierast 3,25 Proz. Rindergalle zugesetzt war. 241 mal und
zwar in 162 negativen und 79 positiven Fällen stimmte das End¬
resultat überein, 9mal nicht. 2 mal war der Befund auf der Löffler¬
platte negativ und auf der Galleplatte positiv, 7 mal auf letzterer
negativ und auf der Löfflerplatte positiv. Anfangs wurden die
Wattetupfer stets zuerst auf Löf fl er serum, dann auf der Galle¬
platte ausgestrichen. Als später das Verfahren umgekehrt wurde,
um die Galleplatte nicht zu benachteiligen, gestalteten sich wider
Erwarten die Ergebnisse noch ungünstiger für dieselbe. Bei Be-
impfung mit künstlichen Mischkulturen (Diphtheriebazillen, Staphylo¬
kokken etc.) ließen sich auffallende Unterschiede zwischen beiden
Nährböden nicht beobachten. Die Neisser’sche Körnerfärbung
schien häufig bei den auf der Galleplatte gewachsenen Stäbchen
nicht so schön zu sein, wie bei den der Löf fierplatte entnommenen.
Der Verf. kommt zu dem Ergebniß, daß im Zusatz von Rinder¬
galle zum Löffler'schen Nährboden eine Verbesserung nicht zu
erblicken ist Autoreferat.
Uber abortiven Scharlach in den ersten Lebensmonaten.
Von Carl Levi-Offenbach a. M. (Aus d. Abt. f. Infektions-
krankh. d. R. Virchow-Krankenh. in Berlin. — Berlin, klin.
w, 1913)
Bericht über zehn Scharlacherkrankungen aus dem ersten Lebens¬
jahr, davon fünf aus dem ersten Lebensmonat. Die gehäufte Zahl
der sonst seltenen Beobachtung war die Folge einer Scharlachinfektion
in einer Wöchnerinnenunterkunft Alle Kinder erkrankter Mütter
erkrankten ebenfalls, was gegen eine Immunität im ersten Lebens¬
jahr spricht; ebenso scheint eine Immunität während der Gravidität,
wie sie Martin annimmt, danach nicht zu bestehen. Der Verlauf
der Erkrankung war bei zwei Flaschenkindern und einer Frühgeburt
der eines leichten Scharlachs. Fieber, Angina, Scharlachzunge, wenig
ausgesprochenes Exanthem, Schuppung, in einem Fall auch im Se¬
kundärstadium vorübergehende Albuminurie, Drüsenschwellung und
Ohrenlaufen. Bei sieben Brustkindern war der Verlauf noch leichter;
hier konnte die Diagnose nur gesichert werden durch die sichere
Erkrankung der Mutter und das beim Kind innerhalb der Inkuba¬
tionszeit auf tretende Fieber. Von den übrigen Symptomen war stets
vorhanden Scharlachzunge und eine scharf abgesetzte Rötung des
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I 5°
weichen Gaumens und der Tonsillen. Ausgesprochenes Exanthem
war nicht vorhanden, in vier Fällen aber später Schuppung..
Der leichte, ausgesprochen abortive Verlauf der Krankheit bei
den sieben Brustkindern scheint für den Übergang von Immunkörpern
von der Mutter zum Kind durch die Milch zu sprechen analog dem
Verhalten luetischer Kinder salvarsangespritzter Mütter. Autoreferat
Stoffwechselprobleme der Rachitis. Von P. Grosse r-Frank-
furt a. M. (Med. Kl., 1914, Nr. 14.)
Vorliegende Arbeit aus der städtischen Kinderklinik ist die
Wiedergabe eines Vortrags in der wissenschaftlichen Vereinigung
des städtischen Krankenhauses.
Während im normalen Knochen dauernd Apposition und Resorp¬
tion statthat, geht im rachitischen Knochen die Resorption in
physiologischer Weise weiter, während die Apposition sistiert Auf
diese Weise haben wir neben den osteoporotischen Erscheinungen
die spezifische kalklose Knorpelwucherungszone.
Chemische Untersuchungen sind in zweierlei Richtungen ange¬
stellt worden. Einmal hat man die Organe, besonders das Knochen¬
system, von Rachitikern untersucht, andererseits hat man Stoff¬
wechseluntersuchungen bei Rachitikern gemacht und hierbei beson¬
ders Gewicht auf den Kalkstoffwechsel gelegt
Brauchbare Stoffwechselversuche bei Rachitikern liegen noch
nicht in größerer Zahl vor. In der älteren Literatur fand nur die
Kalkausfuhr durch den Urin Berücksichtigung.
Nun wird aber gerade Kalk und Phosphor zu einem sehr
großen Teil durch den Darm entleert Gerade der Rachitiker zeigt
eine außerordentlich geringe Kalkausscheidung durch den Urin.
Die Untersuchungen über den Kalk- und Phosphorsäurestoff¬
wechsel sind wesentlich schwieriger als die anderer Stoffwechsel¬
bestandteile, vor allem als über den Stickstoff.
Oft ist nicht nur der Kalk, sondern auch der Fettgehalt des
Kots gesteigert Es bestehen zwischen Kotkalk und Fettspaltung
und -resorption gewisse Beziehungen.
Die Ansicht, daß der vermehrte Kalkgehalt die Fettspaltung
ungünstig beeinflusse, letztere also sekundär ist, ist nicht bewiesen.
Die Versuche müssen sich auf eine längere Zeit erstrecken, ein
Ubelstand gerade beim rachitischen Kind. Auch das allgemeine Ver¬
halten des Kindes ist nicht gleichgültig, bei Bewegung und in der
Ruhe sind die Ausscheidungsverhältnisse keineswegs gleich.
Auch das Sonnenlicht scheint nicht ohne Einfluß auf den Kalk¬
ansatz zu sein.
Bisher wird von all den Hunden, deren Stoffwechsel unter¬
sucht worden ist, kein einziger von den Pathologen als wirklich
rachitisch angesehen.
Die Therapie der Brustkinderrachitis durch Kalkfütterung der
Mutter ist aussichtslos.
Fast alle Frühgeburten werden gesetzmäßig von Rachitis be¬
fallen.
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Man muß 3 Stadien der Rachitis unterscheiden: Den Beginn,
das floride Stadium, die Reparation.
Die Phosphorsäureausscheidung geht gleichsinnig mit der Kalk¬
ausscheidung; sie erfolgt ausschließlich durch den Darm.
Lebertrandarreichung vermindert die Kalkausscheidung; Phosphor¬
zusatz bessert die Kalkbilanz weiter; die Wirkung des Phosphor ist
nur in der Kombination mit Lebertran zu sehen.
Nicht geklärt ist der Hauptpunkt des ganzen Problems: Hält
die neugebildete Knochenzelle den Kalk nicht zurück, weil er ihr
in einer nicht passenden Form zugeführt wird, oder aber ist die
Knochenzelle (weil selbst erkrankt) nicht imstande, den ihr zuge¬
führten, an Qualität und Quantität normalen Kalk zu binden?
Seit einigen Jahren stellt Verf. eigene Versuche an, indem er
die Wirkung von Kalk in Verbindung von Glyzerophosphorsäure
studierte. Schlichting - Kassel.
Chlorose der Mädchen, Oligosiderämie der jungenKinder.
Von Rist (Referat in Revue pratique d’obstetrique et de
pediatrie, Dezember 1913.)
Zuerst bespricht Autor die klassische Chlorose, deren patho-
gnomonisches Symptom durch die Blutuntersuchung geliefert wird
und in einer Abnahme des Hämoglobingehaltes bei unveränderter
Zahl der roten Blutkörperchen besteht. Die Chlorose ist eine Krank¬
heit der Pubertät und dem Mädchen eigen. Sicher ist, daß die
Chlorose durch einen Mangel an Eisen im Blute bedingt ist; diese
Oligosiderämie hängt mit der Geschlechtsentwicklung des Weibes
in der Pubertät zusammen. Das Eisen hat eine absolut bemerkens¬
werte und rasche therapeutische Wirkung.
Bei dem jungen Kinde ist eine Varietät der Anämie der Puber¬
tätschlorose vollkommen identisch. Nolle undjolly haben die
Identität der Chlorose des jungen Mädchens mit der „Chlorose des
Kindesalters“ gezeigt Diese „Oligosiderämie des Kindesalters“
kommt zwischen 12 und 30 Monaten vor, selten früher oder später.
Die wachsartige Blässe erinnert sogar manchmal an den grünlichen
Teint der jungen Mädchen: alle Schleimhäute sind farblos. Das
Kind sieht nicht abgemagert aus, eher gedunsen ohne ödem. Die
Traurigkeit des Kindes ist mit der Blässe das auffallendste klinische
Symptom. Es besteht keine Milzvergrößerung, keine Rachitis. Auch
in Hinsicht auf die Blutzusammensetzung ist die Analogie mit der
jugendlichen Chlorose nicht minder vollständig. Die Kranken sind
frühgeborene Kinder oder Zwillinge oder Kinder, die zu lange der
exklusiven Milchdiät unterworfen waren. Augenscheinlich ist die zu
progressive Verarmung des jugendlichen jungen Organismus im
Eisen eine Folge der übermäßigen Milchnahrung, die selbst arm an
Eisen ist Die fast sofortige Wirksamkeit der Eisenbehandlung be¬
stätigt leicht die Diagnose. v. la Hausse (Rosenheim).
Die Bronchialerkrankungen im Kindesalter. Von Ludwig
Jehle-Wien. (Beih. z. med. Klin., 1914, H. 3.)
Die physiologischen Eigentümlichkeiten des kindlichen Organis¬
mus sind auch bei der Diagnose und Prognose der Bronchialerkrau-
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kungen von Bedeutung, weswegen sie in vielen Fällen eine be¬
sondere Beachtung verdienen. —
Erkrankungen des Bronchialtraktes können bei fehlenden ob¬
jektiven Veränderungen vorgetäuscht werden (z. B. durch Rachen¬
katarrh), andererseits kann bei objektiven Veränderungen ein negativer
Befund zu mindest durch längere Zeit erhoben werden (zentrale
Pneumonie). Letzterer Umstand kommt praktisch bei der Differen¬
tialdiagnose in Betracht (Otitis, Appendizitis, Meningitis etc.). Bei
vorhandenen Verdachtsmomenten auf eine Pneumonie (Dyspnoe,
Schmerzen bei tiefem Atmen etc.) möge deswegen die Möglichkeit
einer Pneumonie stets erwogen werden, bevor eine infauste Prog¬
nose oder gar ein unnötiger operativer Eingriff in Betracht ge¬
zogen wird. —
In Bezug auf die tuberkulöse Erkrankung wird auf die dia¬
gnostische Bedeutung der Kutanreaktion sowie des Röntgenbefundes
hingewiesen. — Auf die* intermittierenden Temperaturerhöhungen
bei rektalen Messungen wird hingewiesen. Dieselben sind häufig
bloß nervösen Ursprunges, indem die Hauttemperatur normal ist
Es kommt ihnen deswegen keine diagnostische Bedeutung zu, wenn
andere Krankheitserscheinungen fehlen.
In Kürze werden noch die für das kindliche Alter wichtigen
Erkrankungen (Bronchitis, kapilläre Bronchitis und Kopulärpneu-
monie) beschrieben, sowie auf die Bedeutung der Konstitution auf
den Verlauf der verschiedenen Bronchialerkrankungen aufmerksam
gemacht (Exsudative Diathese, Spasmophilie etc.).
Für die Therapie werden die in diesem Alter wichtigen Packungen,
Bäderbehandlung und Ernährungsfragen erwähnt, sowie die Frage
der Abhärtung kurz erörtert.
Durch die kurze Arbeit trachtet der Verf. die Aufmerksamkeit
des Arztes in der Praxis auf jene Punkte zu lenken, die sowohl
zur Diagnose im besonderen als auch zur richtigen Differential¬
diagnose notwendig sind und ihr in Kürze Anhaltspunkte für die
Prognose und Therapie zu geben. Autoreferat
über die sogenannten rezidivierenden Nabelkoliken der
Kinder. Von Josef K. Friedjung-Wien. (B. kl. W., 1914,
Nr. 8.)
Im Jahre 1904 beschrieb Fr. in einer größeren Monographie ein
nicht seltenes Krankheitsbild (37 eigene Beobachtungen) des Kindes¬
alters, das in rezidivierenden, gewöhnlich flüchtigen Schmerzanfällen
besteht, die im Abdomen lokalisiert, meist mitten im Spiele auf-
treten und von plötzlichem Erblassen und einem charakteristischen
Vornüberneigen mit gegen den Bauch gepreßten Händen begleitet
werden. Im Rahmen dieser Arbeit wurde nachgewiesen, daß die
Diastase der linea alba abdom. für das Kindesalter physiologisch
sei, mit jenen Schmerzanfällen nichts zu tun habe, daß es sich viel¬
mehr um typische Schmerzanfälle neuropathischer Kinder handle,
die der psychischen Behandlung leicht zugänglich seien. Im Jahre
1913 hatMoro dieses wenig beachtete, oft falsch gedeutete Syndrom
neuerdings beschrieben, den Anteil Friedjungs an seiner Fonnu-
Digitized by
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lierung jedoch so wenig betont, daß Küttner, der alle solche Fälle
als Appendix-Erkrankungen erklären und der Operation zuführen
will, sich in einer Arbeit nur gegen Moro wendet Fr. stellt diesen
Irrtum richtig und bestreitet dann die Zulässigkeit der Küttner-
schen Schlüsse. Die Diagnose der „rezidivierenden Nabelkoliken 44
darf natürlich nur per exklusionem gestellt werden. Daß auch die
Laparotomie wirkt, wo mildere Suggestivmittel nicht versagen, ist
nur natürlich. Autoreferat
Uber Säuglingsernährung nach physiologischen Grund¬
sätzen mit Friedenthal’scher Kindermilch und
Gemilsepulvern. Von H. Friedentha 1-Nikolassee. (Berl.
klin. Woch., 1914, Nr. 16.)
So alt wie die künstliche Ernährung ist das Bestreben, die Kuh¬
milch durch Zusätze und Verdünnung der Menschenmilch möglichst
anzunähern. Vortragender wies vor vier Jahren darauf hin, daß bei
allen bisherigen Nachahmungen ganz wesentliche Punkte in der
Milchzusainmensetzung übersehen worden waren, namentlich aber
die Korrelation der einzelnen Ionen. Langstein hatte früher be¬
reits darauf aufmerksam gemacht, daß die bis dahin vernachlässigte
Korrelation der Nährstoffe von erheblicher Wichtigkeit sein müsse.
Man hatte sich früher gescheut, eine Milch mit mehr als 4 Proz.
Fett und 7—8 Proz. Milchzucker Neugeborenen zu reichen, und schon
aus dem Grunde eine genaue Nachahmung der Frauenmilch immer
wieder unterlassen. Vortragender stellte demgegenüber bereits vor
vier Jahren die strikte Forderung, jeden ausgleichbaren Unterschied
zwischen Frauenmilch und künstlicher Nahrung auch wirklich aus¬
zugleichen, eine Forderung, welche in sich schließt, daß jede neue
Kenntnis von der Menschenmilch sogleich praktisch verwertet werden
sollte. Nach nunmehr dreijähriger Prüfung in der Praxis an mehreren
hundert Säuglingen hat sich der vorgeschlagene Weg als gangbar
erwiesen. Uber die günstigen Erfahrungen mit einer Milch, die 4 J / a
Proz. Fett und 7 Proz. Milchzucker enthielt, hat Bahrdt in der
„Zeitschrift für Kinderheilkunde 44 berichtet Frühgeburten, Neuge¬
borene, selbst chronisch ernährungsgestörte und kranke Kinder
nahmen besser zu als mit anderer Nahrung, die kranken Kinder
nahmen nicht schlechter zu als Brustkinder von gleichem Alter in
der Anstalt. Ganz ähnliche Resultate wurden in dreijähriger Prüfung
im Nikolasseer Kinderheim erzielt. Es konnte einwandfrei bewiesen
werden, daß die Korrelation der Ionen eine weit größere Rolle für
die Bekömmlichkeit spielt als der absolute Aschengehalt Die
stopfende Wirkung des Fettes wird durch hohen Milchzuckergehalt
aufgehoben. Die Menschenmilch erscheint in energetischer Beziehung
als Ideal wegen ihrer Eiweißarmut und ihres Reichtums an Milch¬
zucker, sie muß die geringste Verdauungsarbeit von allen bekannten
Tiermilchen erfordern. Ein bisher gänzlich übersehener Punkt in
der Säuglingsernährung ist die Kernstoffarmut in der Milch und
noch mehr der künstlichen Nährmischungen. Beim Sterilisieren
geht vermutlich ein Teil der in alkalischer Lösung unbeständigen
Kernstoffbausteine zu Grunde. Verf. sieht eine wesentliche Funk-
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154
tion des Kolostrums in einer reichen Zufuhr von Kernstoffbausteinen.
Es gelang dem Vortragenden, durch Anwendung der Zentrifugal¬
kraft die Kindermilch roh trinkfertig zu machen und damit einen
wichtigen bisherigen Vorsprung der Muttermilch einzuholen, die mit
unveränderten Kernstoffen roh in den Mund des Säuglings gelangt
Um den Mangel an Eisen und Kernstoffbausteinen in der Milch
auszugleichen, ernährte Vortragender Säuglinge vom fünften Lebens¬
monat an unter Zugabe von Gemüsepulvern von solcher Feinheit,
daß selbst der chronisch erkrankte Darm die Nahrung ausnützen
konnte. Bei den Gemüsepulvern wurde ebenfalls erreicht, daß sie
für Kinder roh genießbar wurden, so daß zu hoffen steht, daß bei
ihrer Anwendung die Schäden einer ausschließlich sterilisierten
Nahrung vermieden werden können. Eisen und Kernstoffe enthalten
die Gemüsepulver in überreicher Fülle, Fett, Kohlehydrate, Eiweiß
und Salze sind in der Kindermilch reichlich enthalten. Der bisherige
günstige Erfolg einer nach physiologischen Grundsätzen aufgebauten
Ernährung läßt auch für die Zukunft weitere Fortschritte in der
Säuglingsernährung auf dem gleichen Wege erhoffen. Autoreferat
Die Abbott’sche Skoliosenbehandlung. Von Georg Müller-
Berlin. (Allg. med. Ztrlztg., 1914, Nr. 14.)
In dem Charlottenburger Arzteverein hielt M. einen Demon¬
strations-Vortrag über A b b o t t’sche Skoliosenbehandlung. Nachdem
der Vortragende auf die frühere Gipsbehandlung von Schanz,
Callot und Wullstein hingewiesen, schildert er ausführlich an
der Hand von instruktiven Lichtbildern das Anlegen des Abbott-
schen Verbandes und macht auf verschiedene Verbesserungen in
der Polsterung und in der Fixation der Filzplatten aufmerksam.
Er empfiehlt nach Abnahme des letzten Verbandes noch das Tragen
eines Gipskorsettes während der Nacht, welches in redressierter
Stellung anmodelliert wird, am Tage das Tragen eines Hessing-
Korsetts mit einer besonders konstruierten Pelotte. Der Vortragende
hält die Erfolge, die bisher erzielt worden sind, für sehr ermutigend
und empfiehlt die Anlegung für alle schweren und mittelschweren
Verkrümmungen. Wenn auch die Wirbelsäule selbst nicht nennens¬
wert umgekrümmt werde, so sei doch die Besserung der Form des
Brustkorbes eine so außerordentliche, daß unbedingt die Anlegung
eines Abbott’schen Verbandes angezeigt erscheint Wenn es auch
vorläufig noch nicht möglich ist, von Dauererfolgen zu sprechen,
da die Zeit hierzu noch zu kurz ist, so ist doch nach den bisherigen
Erfolgen zu erwarten, daß diese neue Behandlung der Skoliose eine
segensreiche sein wird. Taen dl er-Berlin.
über die Abbott’sche Methode des Skoliosenredresse¬
ments. Von Ahreiner-Straßburg. (Straßburg. med. Ztg.,
I 9 I 4 i Nr. 4.)
Verf. hat das Verfahren an einer Reihe von Fällen nachgeprüft
Er ist zu dem Urteile gelangt, daß das Prinzip der Abott’schen
Methode für einen großen Teil der Fälle richtig ist, allgemeine
Gültigkeit aber nicht hat Ein Teil der Skoliosen bleibt der Korrek-
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*55
tur in Extension reserviert Verf. ist daher von dem ursprünglichen
Abbott’schen Verfahren abgewichen und scheidet die Fälle, die
nach Abbott’scher Methode zu korrigieren sind, streng von denen,
die sich zur Korrektur in Extension eignen. Verf. hat auch einen
neuen Apparat konstruiert, der wesentlich einfacher ist als der Abbott-
sche und der es ermöglicht, das Redressement sowohl nach Abbott
wie in Extension auszuführen. Verf. legt mitSpitzy großen Wert
auf die Ausnutzung der respiratorischen Kräfte.
Verf. ist mit den vorläufigen Resultaten im allgemeinen zufrieden.
Wie die Dauerresultate sich gestalten werden, läßt sich noch nicht
sagen. Die Methode ist es aber wert, einer Nachprüfung unterzogen
zu werden. Eine Reihe von Bildern illustrieren das Gesagte.
Autoreferat
Zur Therapie schlechtheüenderMastoidwunden im Kindes«*
alter. Von A.Blumenthal-Berlin. (Ztschr. f. Ohrenhlkde.,
1914, H. 1/2.)
Während im allgemeinen die Heilung der Wunde nach Warzen¬
fortsatzoperationen glatt vonstatten geht, kommt es zuweilen bei
Kindern vor, daß der Knochentrichter sich nicht füllt und
schließt. Da die Höhle im Warzenfortsatz in den meisten Fällen durch
den operativ erweiterten aditus ad antrum mit der Paukenhöhle
kommunisiert, so Testiert bei derartiger schlechter Wundheilung eine
retroaurikuläre Knochenfistel vom Mittelohr nach außen. Die
Passow’sche Plastik ist zwar ein gutes Verfahren, solche Fisteln
später sekundär zu verschließen, aber das ist eine zweite Operation
und erst möglich, nachdem die Wunde trocken geworden ist Dar¬
über vergehen viele Monate. Man muß versuchen, sofort durch die
richtige Art der Nachbehandlul% auf die Heilung der Wunden ein¬
zuwirken. Dieselbe liegt nicht auf technischem Gebiete. Man kann
an technischen Maßnahmen versuchen, was man will. Es ist alles
vergeblich. Auch die von Verf. beschriebene Methode des primären
Wund Verschlusses mit ihren schnellen Erfolgen versagt hier. Die
schlechte Wundheilung ist charakterisiert durch absolut schlechte
Granulationsbildung, hartnäckiges Wundekzem und dauernde Sekretion
aus der Paukenhöhle, welche die Wundhöhle mit wässrigem Sekret
überschwemmt Als Ursache dieser Störungen im Heilungsverlauf
ist bei solchen Kindern in erster Linie die exsudative Diathese an¬
zusehen, die bei genauer Untersuchung und Anamnese in den be¬
treffenden Fällen leicht diagnostiziert werden kann. So kommt bei
der Nachbehandlung fast alles auf eine richtige Therapie dieser Kon¬
stitutionsanomalie an. Dann ändert sich mitunter schon nach ganz
kurzer Zeit das Bild der Wunde. Das Wundekzem erlischt, die Wund¬
fläche mit dem schlaffen, blassen, wässerigen Granulationsbelag be¬
deckt sich mit gesunden dunkelroten Granulationsknospen. An Stelle
des fleischwasserartigen Sekretes aus der Pauke tritt die gelbe
rahmige Absonderung der Granulationen. Die Hautränder bekommen
in den Wundwinkeln die Tendenz, sich fest zu vereinigen. Prophy¬
laktisch soll dem Entstehen einer Mastoiditis bei exsudativer Diathese
durch Verbindung von Lokal- und Allgemeinbehandlung der Otitis
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Google
vorgebeugt werden. Adenoide Vegetationen sollen gleichzeitig operativ
entfernt werden, weil das der schnellste Weg ist Pyämische Tem¬
peraturen bei Kindern mit leichter Otitis haben vielleicht ihren Grund
in einer veränderten Resorption auf dem Boden der Konstitutions¬
anomalie und sollen dementsprechend behandelt werden mit Ver¬
meidung zweckloser Probeoperationen am Warzenfortsatz, sraus sig-
moideus etc. Auch nach Radikaloperationen kann die exsudative Dia-
these die Heilung durch hartnäckige wässrige Wundsekretion sehr
erschweren. Wenn auch nicht jeder Fall .von schlechter Wundheilung
auf Kosten der exsudativen Diathese zu setzen ist und die veränderte
Diät nicht immer gleich einen eklatanten Erfolg zeitigt, so ist doch
zu hoffen, daß die Beachtung des genannten Momentes der Therapie
wesentlich nützen wird. Autoreferat
über Zwerchfellhernien bei Kindern. Von R. Kienböck-
Wien. (Fortschr. a. d. Gebiete d. Röntgenstr., Bd. XXI, H. 4.)
Verf. beobachtete einen 13 Monate alten Knaben. Anfallsweise
sich steigernde Dyspnoe und häufig Schluckstörung; bedeutende
Blässe und mäßige Zyanose. Radiologische Diagnose: Große falsche
Hernie links mit Prolaps der Flexura koli (Megalokolon), des
Magens (mit halbem Volvulus) und offenbar noch anderer Ab¬
dominalorgane. Zunächst günstiger Verlauf. Das Kind war während
der ersten 8 Monate frei von Beschwerden und leidet erst seit dem
9. Monat an hochgradiger Atemnot mit Husten und Verschleimung.
Bei der Perkussion des Thorax fällt zunächst eine Schallverkürzung
links hinten oben und eine Verbreiterung der Herzdämpfung weit
über den rechten Sternalrand, sonst nichts Abnormes auf. Moment¬
aufnahme in Bauchlage ergibt im Januar 1913: Linke Zwerchfell¬
hälfte hochstehend, fast bis zur ffiavikula reichend. Im linken
Brustraum lufthaltiger Magen und Darm. Herz sehr stark nach rechts
verdrängt. Rechte Lunge komprimiert, sonst normal erscheinend.
Befund im Alter von 22 Monaten: Noch wiederholt traten Anfälle
von Dyspnoe auf, die Gehversuche fallen etwas besser aus. Das
Kind ist noch sehr blaß und deutlich zyanotisch, wiegt — mit
Kleidung — 8 kg, Länge . 75 cm. Die Fontanelle ist noch nicht
ganz geschlossen, im Oberkiefer sind mehrere Mahlzähne durch¬
gebrochen, angeblich keine Schluckstörungen mehr.
Es ist eine Differentialdiagnose zwischen falscher Zwerchfell¬
hernie, wahrer Zwerchfellhernie und Eventration zu stellen.
Die Annahme einer falschen Hernie hat mehr Wahrscheinlich¬
keit für sich aus folgenden Gründen:
I. Eine falsche Hernie ist um sehr viel häufiger als eine wahre
Hernie und, bei Kindern, als eine Eventration.
II. Die Respirationsstörungen haben erst im 8., die Schluck¬
störungen im 10. Monat begonnen, was auf eine Vergrößerung des
Prolapses der Baucheingeweide zu diesen Zeiten hinweist und nur
bei falscher Hernie leicht zu verstehen ist.
III. Dazu kommen noch die radiologischen Symptome.
Der Sitz der primären Bildungsstörung ist nach Verf. das Kolon,
es besteht anscheinend ein Megalokolon. Es würde sich so unge-
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I 57
zwungen erklären, daß in der weit überwiegenden Mehrzahl der
Fälle die linke Körperseite betroffen ist. Denn links kann das
große Kolon, das Netz und den Magen mit sich ziehend, leichter
emporrücken, rechts ist die als Tampon wirkende Leber gelegen.
Die klinische Diagnose wird in Fällen von Zwerchfellhemie in
der Regel irrtümlich auf eine andere Affektion gestellt; im vor¬
liegenden Fall wurde an eine Pneumonie des linken Oberlappens, Herz¬
vergrößerung und Kardiospasmus gedacht; bei der Seltenheit der
Hernie kam diese gar nicht in Frage.
Die Röntgenuntersuchung enthebt fast aller diagnostischen
Schwierigkeiten.
Daß das Kind erst so spät an bedeutenden Respirations- und
Schluckstörungen leidet, weist darauf hin, daß die Hernie ursprüng¬
lich klein war und erst zu diesen Zeiten schubweise eine beträchtliche
Größe erreichte.
Die Prognose ist sehr schlecht Es ist zu erwarten, daß es
bald sterben wird, nach einigen Brechanfällen, vielleicht mit den
typischen Erscheinungen von innerer Einklemmung, sei es daß
diese durch bloße Spasmen am Magen oder Darm hervorgerufen
werden, sei es, durch wirkliche Einklemmung oder Volvulus des
Magens oder Darmes.
Verf. stellt aus der Weltliteratur 21 Fälle bei Kindern zusammen.
Im vorliegenden Fall könnte man von einer Operation wenig
erwarten. Die mit instruktiven Figuren und sehr schönen Tafeln
ausgestattete Arbeit sollte im Original nachgelesen werden.
Schlichting (Kassel).
Mastkuren Im Kindesalter. Von Engel-Berlin. (Aus der
akademischen Kinderklinik in Düsseldorf, Direktor Prof. Dr.
Schlossmann. — B. kl. W., 1914, Nr. 9.)
Mastkuren bieten im Kindesalter oftmals deswegen ganz be¬
sondere Schwierigkeiten, weil die Eßlust gerade bei den
Kindern gering zu sein pflegt, welche man gern etwas anmästen
möchte. Die übliche Methode der häufigen kleinen Mahlzeiten mit
besonderer Berücksichtigung der Kohlehydrate und des Fettes ver¬
sagt häufig. Aus diesem Grunde empfiehlt sich der folgende Kunst¬
griff, welcher die Eßlust des Patienten wenig in Anspruch nimmt,
und welcher auf die Appetenz längst nicht den ungünstigen Ein¬
fluß ausübt, wie es bei den üblichen Methoden der Fall ist. Man
gibt den Kindern tagsüber gar keine Mastdiät, sondern verabfolgt
eine dem Alter entsprechende gemischte Kost. Diese soll so bemessen
sein, daß der Bedarf des Kindes dadurch gedeckt wird. Den Über¬
schuß nun, welcher für den Ansatz notwendig ist, reicht man in der
Form von Sahne, und zwar 2—3 Stunden nach der letzten Mahlzeit
welche zweckmäßig etwas zeitiger wie sonst, etwa zwischen 5—6
Uhr genommen wird. Es gelingt leicht, indem man von kleineren
zu größeren Mengen allmählich übergeht, auf eine abendliche Zufuhr
von 1 li — ! /a Liter Sahne zu kommen, was einem Kalorienwerte von
4—800 Kalorien entspricht. Der Vorzug dieser Methode ist, daß
der zur Mast dienende Nahrungsstoff, weil flüssig und wohlschmeckend,
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158
viel leichter genommen wird wie jeder andere, daß die Verdauung
während der Nacht erfolgt, und daß die Appetenz des nächsten
Tages deshalb gar nicht oder wenig beeinträchtigt wird. Soll der
Ansatz irgendwie stärker sein, so muß natürlich entsprechende Ruhe
gehalten werden, d. h. es muß eine Liegekur innegehalten werden.
Zur Unterstützung empfiehlt sich außerdem noch die Darreichung
von Arsen, am zweckmäßigsten in der Form einer natürlichen Quelle.
Autoreferat
Erfahrungen mit dem kolloidalen Trikalziumphosphat*
eiweiß „Tricalcol“, Von V. Oy. (Aus der inneren Ab¬
teilung der Städt Krankenanstalten zu Elberfeld. [Chefarzt:
Geh. San.-Rat Dr. Kl ein Schmidt] — B. kl. W., 1914, Nr. 1.)
Das Tricalcol wurde bei 39 mehr oder minder rachitischen, so¬
wie bei 2 Kindern mit konstitutionellem Ekzem verwandt — Das
Pulver wurde mit Griesbouillon bezw. mit Griesmilchbrei gemischt
verabreicht Kinder unter 1 Jahre erhielten täglich 2 bis 2,5 g,
solche von einem Jahre aufwärts 4 bis 5 g täglich.
Das Tricalcol wurde gut vertragen und in der angegebenen
Weise verabreicht, von den Kindern auch gern genommen.
Unter den rachitischen Kindern befanden sich die leichtesten
Grade, wo Verlangsamung des Fontanellschlusses und der Zahnung
die einzigsten Erscheinungen der Rachitis waren, bis zu den
schwersten mit Knochenknickungen, Kraniotabes und Kreuzschädel,
wo der geringe Kalkgehalt der Knochen im Röntgenbilde geradezu
auffällig war.
Die bei Rachitis so häufig auftretenden Unregelmäßigkeiten in
der Darmfunktion wurden alsbald behoben: die dünnen dyspeptischen
Stühle wurden fest und seifig, und die Kinder, die vorher um die¬
selbe Gewichtshöhe schwankten, nahmen alsbald langsam zu. In¬
folgedessen wurde die Tricalcolaufschwemmung auch bei wässrigen
Stühlen mit gutem Erfolg angewendet
Die meistens vorhandenen Hinterhauptschweiße besserten sich
unter Tricalcolmedikation mit derZeit, ebenso die nervöse Ubererreg¬
barkeit der Kinder, die sich in plötzlichem Zusammenschrecken und
unruhigem Schlaf zeigte.
Die immer wiederkehrenden bronchitischen Attacken, zu denen
einzelne Kinder besonders disponierten, ließen nach, ob durch die
sekretionseinschränkende Wirkung der Kalksalze oder infolge der
Besserung des Allgemeinzustandes, läßt Verf. dahingestellt. — Kinder,
„die nicht wußten, wofür die Beine sind u ., oder sich hüteten,
dieselben aufzustellen, aus Furcht vor Schmerzen, stehen jetzt an
Stühlen und machen Gehversuche. Solche, die vorher ohne jeden
Halt platt dalagen, die unfähig waren, ihre Lage selbstständig zu
verändern, die bei den vorsichtigsten Berührungen abwehrten und
in ein zeterndes Geschrei ausbrachen, wurden im Laufe der Zeit
unempfindlich, kräftig, richteten sich auf und saßen frei. Auch der
bei einigen Kindern vorhandene pastöse Habitus besserte sich. Bei
2 Fällen von konstitutionellem Ekzem (nässende Ekzeme mit starkem
Juckreiz auf beiden Wangen), die vorher neben entsprechender Er-
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*59
nährung lange mit Puderung und austrocknenden Salben vergeblich
behandelt worden waren, schwanden die Ekzeme nach etwa zwei¬
monatiger gleichzeitiger Tricalcolverabreichung.
Das Tricalcol mithin, welches nach physiologischen Unter¬
suchungen reichliche Aufnahme und gute Verwertung findet,
einen hohen Gehalt an assimilierbarer Phosphorsäure mitbringt
und nicht wie andere Kalksalze dem Organismus Phosphorsäure
entzieht, wird gern genommen, gut vertragen und beeinflußt die
Rachitis und deren Nebenerscheinungen nach klinischen Erfahrungen
gut Autoreferat
Beitrag zur Behandlung von Tetanus mit Magnesium
sulfurikum. Von Friedrich M i e 1 k e. (Aus der Universitäts-
Kinderklinik zu Göttingen. Direktor Prof. F. Göppert —
Therapeutische Monatshefte, April 1914.)
Um bei Tetanus eine vollständige Erschlaffung der Muskulatur
zu erreichen, sind 3 g Magnesium sulfurikum in 6stündlichem Inter¬
vall nötig. Man benutzt zweckmäßig eine 2oproz. Lösung und kom¬
biniert dieses Narkotikum mit 1 g Chloral und gibt ein
Opiumpräparat (z. B. Pantopon 0,01- 0,02) l /* Stunde vorher. Die
subkutanen Injektionen sind dann nicht mehr schmerzhaft und wer¬
den vom Pat selbst als große Erleichterung empfunden. Im mit¬
geteilten Fall wurden 24 Injektionen gemacht und 64 g Magnesium
gebraucht Die Injektionsstellen waren am nächsten Tag schon un¬
empfindlich. Eine Schädigung der Haut trat nicht ein.
Magnesium ist kein Heilmittel des Tetanus, sondern es wirkt
nur als Narkotikum.
Die sukutane Anwendung ermöglicht die Durchführung der Be¬
handlung überall, und man bringt so verhältnismäßig leicht die
Kranken über die schwere Zeit der Anfälle hinweg.
Das mit Magnesium sulf. in oben bezeichneter Weise behandelte
Kind ist völlig geheilt und läuft jetzt munter herum. Autoreferat
Aus dem Gebiete der Säuglingsfürsorge.
Individualstatistische Untersuchungen über die Gesund'
heits~, Ernährung»- und Wohnungsverhältnisse der
Säuglinge in einer großstädtischen Proletarier'
bevöikerung. Von P. Rohm er-Marburg. (Zeitschr. f.
Säuglingsfürs., 1914, Bd. 7, H. 10/n.)
Es handelt sich um eine ungefähr drei Monate hindurch fort¬
gesetzte Beobachtung sämtlicher in bestimmten Straßen der Kölner
Altstadt wohnenden Säuglinge, welche sich nicht nur auf deren Ge¬
sundheitszustand und Ernährungsart, sondern auch auf die materielle
Lage der Eltern sowie auf dieWohnungs- und Pflegeverhältnisse er¬
streckte und gestattet, sich ein ziemlich genaues Bild der Lage der
Säuglinge in dieser Bevölkerungsschicht zu machen, wenigstens so¬
weit die Verhältnisse der genannten rheinischen Großstadt in Betracht
kommen. Die Stillfrequenz war leidlich gut: 85,8 Proz. überhaupt
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i6o
und 40,0 Proz. über 9 Monate Gestillte. Von den an der Brust be¬
findlichen Kindern konnten über 80 Proz., von den zur Zeit der
Untersuchung künstlich genährten, sofern sie weniger als ein halbes
Jahr gestillt worden waren, im ersten Halbjahr nur 35,1 Proz., im
zweiten Halbjahr 18,5 Proz. als „gesund 41 bezeichnet werden, ein Be¬
weis, daß in diesen Proletarierkreisen das Stillen mindestens 6 Monate
hindurch fortgesetzt werden muß, wenn gute Dauerresultate erhalten
werden sollen!
Genaue Angaben über die Größe, Belichtung und Durchlüftbar-
keit der Wohnungen sowie die Anzahl der darin wohnenden Personen
vervollständigen das statistische Material, welches — an und für sich
interessant und wichtig — doch zur Frage der Säuglingssterblich¬
keit nicht ohne weiteres in ursächliche Beziehung gesetzt werden
kann, da zu viele ändere Faktoren diese Verhältnisse beeinflussen.
Die am nächsten liegende Frage nach dem Einfluß der Wohnung
auf die Sommersterblichkeit konnte, entgegen dem ursprünglichen
Arbeitsplan desVerf., nicht untersucht werden wegen der andauernd
ungünstigen Witterung des Sommers 1913.
Das Gesamtergebnis seiner Beobachtungen — wenn es auch
zahlenmäßig nicht festgesetzt werden konnte — faßtVerf. dahin zu¬
sammen, daß es weniger als die Ausgangsqualität der Milch und als
die Wohnungsverhältnisse die mangelndePflege undWartung
ist, welche die Säuglinge in diesen Kreisen nicht gedeihen läßt Nur
die materielle und sittliche Hebung der unteren Volksklassen wird
hier Wandel schaffen können. Bis dahin gibt es zur Bekämpfung
der großen Morbidität und Mortalität nur ein Mittel: die Mutter¬
brust! Autoreferat
Eine günstige Bevölkerungsbilanz.
Als erster Bundesstaat gibt das Großherzogtum Hessep eine Über¬
sicht über die Geburten und die Säuglingssterblichkeit im Jahre 1913.
Verglichen mit den vorausgehenden fünf Jahren ergibt sich folgendes
Bild:
Jahr
Lebend-
geborene
Gegen das
Vorjahr
Es starben
Säuglinge
Es Überlebten
das 1 . Jahr
1908
37359
+ 480
4700
32659
1909
36299
— 1060
4722
31577
1910
34670
— 1629
3913
30757
19II
33209
— 1461
4273
28936
1912
32339
— 870
3247
29096
1913
32396
— 43
2986
29310
Dieses Ergebnis ist im Vergleich mit den Vorjahren nicht un¬
günstig. Während nämlich seither Jahr für Jahr einen empfindlichen
Rückgang der Geburten brachte, sind 1913 fast ebenso viel Kinder
als 1912 geboren worden. Der kleine Rückgang der Geburten wird
— und das ist das Erfreuliche — sechsfach ausgeglichen durch ein
weiteres Herabdrücken der Säuglingssterblichkeit auf 2986. Damit
ist Hessen auf einem Stand angelangt, auf den das Land stolz sein
kann. Es starben nämlich 1913 nur mehr 9,2 Proz. der Säuglinge.
Welchen Fortschritt das bedeutet, ergibt ein Vergleich mit früheren
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i6i
Jahren (1905 noch 15,4 Proz., 1904 sogar 15,7 Proz.) und mit anderen
Ländern. Das rechtsrheinische Bayern z. B. durfte auch, heute noch
die doppelte Kindersterblichkeit haben (1907 23,1 Proz.). S.
Ein Beitrag zur Praxis der Bekämpfung der Säuglings*
Sterblichkeit im Deutschen Reiche. Von Otto Peiper-
Prenzlau. (Zeitschr. f. Säuglingsschutz, 1914, März.)
Verf. wendet sich gegen ein von einer rheinischen Verlags-
firma mit Hülfe von Drogenhandlungen etc. vertriebenes „Merkbuch
für die junge Mutter“. Es dient lediglich zu Reklamezwecken für
dasselbe vertreibende Geschäfte; der eigentliche sich stets gleich¬
bleibende Inhalt des seit Jahren über ganz Deutschland verbreiteten
„Merkbuches“ strotzt von geradezu falschen Ratschlägen für die
Säuglings-Ernährung und -Pflege, bekämpft also indirekt alle Be¬
strebungen der Regierung und der Ärzte, die auf einen Rückgang
der Säuglingssterblichkeit im Deutschen Reiche abzielen.
Autoreferat
Mutterfürsorge und ihre Beziehungen zur Säuglings*
fürsorge. Von Holzinger-Bayreuth. (Bltr. f. Säuglingsfürs.,
1913, H. 2.)
Zum Beweise dafür, daß eine rationelle Mutterfürsorge die Grund¬
lage der Säuglingsfürsorge bildet, werden zunächst die Schädigungen
besprochen, denen die Mütter und Kinder in den drei Stadien der
Mutterschaft ausgesetzt sind. Daran schließt sich eine Übersicht
über die bisher in den einzelnen Kulturstaaten getroffenen Mutter-
fürsorgeeinrichtungen. Sodann werden die Mängel erörtert, die der
Wochenhilfe der Reichsversicherungsordnung anhaften, und die im
Interesse der Säuglingsfürsorge hier zu stellenden Forderungen von
medizinischem und hygienischem Standpunkte aus begründet Ins¬
besondere wird die Notwendigkeit besserer Schwangerenfürsorge, der
Hauspflege im Wochenbett, der Stillunterstützungen, der Gründung
von Mutterheimen sowie von Auskunfts- und Rechtsschutzstellen für
Schwangere, endlich der Berufsvormundschaft eingehender erörtert.
Zum Schlüsse wird ein Bild davon entworfen, wie in Mittelstädten
die Mütterfürsorge, wenn sie allen Anforderungen entsprechen soll,
am besten zu organisieren ist Autoreferat.
Gemeinsame Tätigkeit der Ortskrankenkasse und der
Säuglingsfttrsorgestelle in Chemnitz auf Grund des
§ 200 der Reichsvers.*Ordnung. Von Schädel-
Chemnitz. (Ztschr. f. Säuglingsschutz, 1914, VI. Jhrg., H. 5.)
§ 200 erlaubt den Krankenkassen ihren Mitgliedern Stillgelder
auszuzahlen. Die Chemnitzer Ortskrankenkasse macht davon Ge¬
brauch und hat die Überwachung des Stillgeschäftes der Mutter-
beratungs- und Säuglingsfürsorgestelle des Chemnitzer Vereins für
Gesundheitspflege als unparteiischer und sachkundiger Stelle gegen
Entgelt übertragen.
Der Aufsatz bringt die Berechnungen, die den Vorverhandlungen
Kinder-Arit XXV. Jahrg. 1914 . 11
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IÖ 2
zu Grund lagen, den Vortrag, der die Ausführung regelt, und die
Einrichtungen, die zur Durchführung getroffen wurden. Autoreferat
Aus dem Gebiete der Schulhygiene.
Hygienische Vorträge im Rahmen der schulärztlichen
Tätigkeit. Von Langerhans-Leipzig. (Der Schularzt,
1913, Nr. 12.)
Nach der Dienstordnung der Leipziger Schulärzte bilden be¬
lehrende Vorträge hygienischen Inhaltes einen nicht unwesentlichen
Teil der Gesamttätigkeit.
Die Vorträge bei der Untersuchung der Schulkinder der Elementar¬
schulen sind sehr beliebt geworden, 99 Proz. der Kinder bringen
den Vater oder die Mutter zur Untersuchung mit Der Arzt hat
eine Reihe von Themen, die er mehr oder weniger ausführlich er¬
örtert: „Der Zweck der schulärztlichen Untersuchung, die Bedeutung
der adenoiden Wucherungen für die Schulfortschritte, Arbeit und
Ermüdung in der Schule und Erholung nachher, Näharbeit und
Kurzsichtigkeit, Schulskoliose oder Rachitis, Infektionskrankheiten
und Schule, Krampfanfälle im Kindesalter, psychische Eigentümlich¬
keiten der Kinder, die Bedeutung der Hautpflege für die Gesund¬
heit, Entstehungsursache der schlechten Zähne, die Zahnpflege, das
Bettnässen, das schlechte Essen der Kinder, Leibesübungen oder
Sport, Alkohol im Kindesalter. u
Die Vorträge, die sich an die Lehrer wenden, sind noch im
Stadium der Vorversuche. Zum richtigen Zusammenarbeiten ist es
erforderlich, daß der Arzt sich zeitweilig mit der Gesamtheit des
Lehrerkollegiums ins Einvernehmen setzt, um ihnen einen Vortrag
zu halten. Die allgemeine Hygiene, die Sozialhygiene und die
Schulhygiene bieten dazu geeignete Themen, Verschleppung von
Infektionskrankheiten und deren Verhütung, die Walderholungsstätten
und die Waldschulen, die Leibesübungen als Charakterbildner und
ähnliches. Beide Arten von Vorträgen stellen an das Können des
Arztes hohe Anforderungen. Der Arzt, der seine Kulturmission in
der Bekämpfung der Krankheiten und in der Emporentwickelung
der Menschen zu größerer Körpertüchtigkeit sieht, wird in diesen
Vorträgen ein überaus wichtiges Mittel zum Zweck erblicken und
aus dem Halten derselben eine große Befriedigung schöpfen.
Schlichting (Kassel).
Die schulhvgienische Abteilung in dem städtischenMuseum
für Volkshygiene in Köln und die Lehrer. Von Mol¬
denhauer-Köln. (Zschr. f. Schulgesdhtspfl., 1913, H. 1.)
Unter der Leitung des Direktors des städtischen bakteriologischen
Laboratoriums ist in Köln ein Museum für Volkshygiene entstanden,
in dem besonders die Abteilung für Schulhygiene Beachtung verdient.
Leider steht es mit den hygienischen Kenntnissen und dem
hygienischen Verständnis und Interesse der meisten Leiter und Lehrer
der höheren Schulen recht mangelhaft, davon überzeugt ein Gang
durch so manche Schule den erfahrenen Schulhygieniker sehr bald.
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163
Der Schalhof ist meist eine Staubquelle allerersten Ranges. Bei
trockener Luft schlucken Schüler und aufsichtführende Lehrer schon
an Ort und Stelle ihre gehörige Portion Staub und tragen dann eine
weitere Menge davon an Schuhwerk und Kleidern mit in die Klasse.
Feuchtigkeit verwandelt den trockenen Staub in Schmutz, die in der
trockenen Luft der Schulstube sich wieder verflüchtigt
In England ist der an das Gebäude stoßende Teil mit einer
festen Decke versehen, das übrige ist Rasen. Eine brauchbare Masse
bietet der Stampfteer, der mit Hilfe eines Sprengschlauches tadellos
sauber zu halten ist. Die durchschnittliche Dienstzeit der Lehrer
könnte durch solche Fürsorge verlängert werden, besonders durch
Verhütung von Lungen- und Kehlkopfleiden.
Verf. verlangt hygienische Vorbildung der Lehrer höherer Schulen
auf den Universitäten, Vertiefung derselben durch Ferienkurse und
vor allem durch Zugänglichmachung und eifrige Benutzung solcher
hygienischer Sammlungen.
Dann werden die Lehrer imstande sein, nicht nur den hygieni¬
schen Anforderungen an die äußeren Einrichtungen der höheren
Schulen gerecht zu werden, sondern den Schülern selbst die not¬
wendigsten Gebote der Gesundheitspflege, über Körperhaltung, At¬
mung, Zahn- und Mundhygiene, Ernährung und richtige Arbeits¬
einteilung, Reinlichkeit etc. verständlich zu machen.
Schlichting (Kassel).
Schulzahnklinik oder lreie Zahnarztwahl. Von Stephani
und Wimmenauer-Mannheim. (Zschr. f. Schulgesdhtspfl.,
1913, H. 4.)
Die beiden Verff. erörtern das Thema, welches in der zahnärzt¬
lichen Presse zu einem lebhaften Meinungsaustausch Veranlassung
gab, objektiv und ganz vorurteilsfrei vom schulärztlichen Standpunkte.
In Mannheim besteht freie Zahnarztwahl entsprechend der freien
Arztwahl der Krankenversicherung.
Bei der ganzen schulärztlichen mit Einschluß der schulzahnärzt¬
lichen Tätigkeit handelt es sich um soziale Fürsorgemaßnahmen, die
mit den Zielen und Zwecken der Schule als Unterrichtsanstalt an
sich wenig zu tun haben. Es handelt sich letzten Endes weniger
um „Schul“gesundheitspflege, als vielmehr um „Jugend 44 - oder „Kinder 44 -
gesundheitspflege. Die Schule ist nur der Ort, die Gelegenheit, wo
wir unsere Jugend zweckmäßig beisammen finden, wo wir am be¬
quemsten den Hebel ansetzen können.
Während die schulärztliche Tätigkeit lediglich Fürsorge für die
Gesamtheit ist, ist die Schulzahnpflege vornehmlich Einzelbehandlung,
das ist ein grundlegender Unterschied.
Die Verf. geben der Regelung nach dem Vorbild der freien
Arztwahl durchaus eine Berechtigung.
Sobald Beitragsleistungen von den Eltern verlangt werden, so
wird theoretisch ein gewisses Mitbestimmungsrecht der Versicherungs¬
nehmer erworben.
In Mannheim werden sämtliche Unkosten für die Zahnärzte und
den Verwaltungsapparat allein von der Stadt getragen. In Mann-
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164
heim ist die freie Wahl herausgewachsen aus den Interessen des
zahnärztlichen Vereins, es besteht Bezahlung nach Einzelleistungen.
Die Verff. bemühen sich einen Vergleich zwischen 3 Städten zu
führen, da die Berichterstattung aber zum Teil recht unvollkommen
ist, hat der Vergleich Schwächen.
Zahnärztliche Untersuchungen
Behandelte Kinder
Vorgenommen wurden:
1. Extraktionen
2. Füllungen: Einfache
Wurzeln
3. Einlagen
Die Kosten betragen für alle Personal- und
Materialleistungen im ganzen Mk. 26800
Der Mietwert dtr Räume für die Klinik ist
in den Kosten
enthalten
Die Inneneinrichtung der Klinik repräsen¬
tiert einen Wert von Mk. 12000 entfällt ganz 5600
Straßburg Mannheim Stuttgart
—
7449
—
8449
7618
8512
7989
13918
5662
9447
7700
1888 ‘
?
912
866
6203
—
1869
nicht
24298
entfällt
gänzlich
11601
nicht
enthalten
Die Jahresberichte müßten nach einheitlichem Schema gemacht
werden. Ein abschließendes Urteil, welchem System der Vorzug zu
geben sei, läßt sich heute noch nicht geben.
Ref. empfiehlt den Schul- und Kommunalärzten warm, den vor¬
liegenden Aufsatz im Original zu lesen, sofern sie in der Lage sind,
bei der Einrichtung einer Schulzahnpflege mitzuwirken.
Die Schulzahnklinik wird wohl (nach Ansicht des Ref.) in der
Regel besser arbeiten als der Durchschnitt der freien Zahnärzte;
man könnte dem Leiter das Recht der freien Privatpraxis mit Aus¬
schluß der Kassen gewähren, und die Klinik einige Vormittagsstunden
schließen. Die Kosten am Gehalt würden so geringer werden und
der für die freien Zahnärzte auf geführte Nachteil, daß die Kinder
Vormittage versäumen, zum Teil aufgehoben werden.
Schlichting (Kassel).
Uber die für die Berliner Gemeindeschulkinder geplante
orthopädische Fürsorge. Von Max Böhm-Berlin. (Berl.
klin. Woch., 1914, Nr. 16.)
Auf Wunsch des Berliner Magistrats hat der Vorstand der Berliner
orthopädischen Gesellschaft statistische Erhebungen über die Ver¬
breitung der Rückgrats-Verkrümmungen unter den Gemeindeschul-
kindem Berlins veranstaltet Es zeigte sich, daß ca. 15 Proz. aller
Kinder Haltungsfehler, d. h. Verbiegungen der Wirbelsäule in sagittaler
Richtung, weitere ca. 9 Proz. Skoliosen und Schiefhaltungen leichten
Grades und schließlich ca. 6 Proz. ausgeprägte seitliche Rückgrats-
Verkrümmungen aufwiesen.
Von großem Interesse sind folgende 3 Tatsachen, die sich heraus¬
stellten :
1. Die Rückgrats-Verkrümmungen sind alles in allem bei bei¬
den Geschlechtern gleich häufig; von einem wesentlichen Uberwiegen
beim weiblichen Geschlecht kann keine Rede sein.
2. Der weitaus größte Prozentsatz der Rückgrats-Verkrümmungen
wird bereits in die Schule mitgebracht; ein ungleich geringerer Prozent¬
satz tritt erst nach dem 10. Lebensjahr auf.
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3. Die Zunahme der seitlichen Rückgrats-Verkrümmungen wäh¬
rend der Schulzeit geschieht durch das Ansteigen der leichten
Skoliosen-Formen.
Therapeutisch wird empfohlen, daß für die 15 Proz. Haltungs¬
fehler und die 9 Proz. leichten Skoliosen in der Schule ein „Haltungs“-
oder „Sonderturnen“ eingeführt wird und daß die 6 Proz. ausgeprägten
Skoliosen in ärztlich-orthopädische Behandlung gelangen. Dieser
Vorschlag gilt aber nur für Berlin; in kleineren Gemeinden müßten
auch die 9 Proz. Skoliosen leichten Grades spezialärztlich behandelt
werden. Autoreferat
BQcherbesprechungen.
Beitrag zur Kenntnis der Poliomyelitis anterior chro¬
nica, der Polyneuritis und Meningitis spinalis
chronica, unter besonderer Berücksichtigung der
Differentialdiagnose. Von Dr. Emil Schumer. 8°,
56 S. (Sammlg. wissensch. Arbeiten, Nr. 5.) Langensalza 1913.
Verlag von Wendt & Klauwell.
Verf. gibt eingangs seiner Arbeit eine genaue Auslegung der
Krankheitsbegriffe Poliomyelitis ant. chron., sowie Polyneuritis und
Meningitis spin. chron. Er behandelt darin, ausgehend von der Tat¬
sache, daß selbst dem erfahrenen Kliniker Schwierigkeiten in der
Differentialdiagnose entstehen, drei Fälle der Jenenser Klinik, die
im Hinblick auf obigen Gesichtspunkt sehr lehrreich sind.
Cordes-Dresden.
Über pathologische Vermehrung der Erythrozyten, insbes.
über den Symptomenkomplex: Polyzythämie mit Milztumor und
Zyanose. Bemerkungen zur Therapie dieses Krankheitsbildes.
Von Dr. Albrecht Wagner. (Sammlung Wissenschaft! Arbeiten
Nr. 3.) 8°, 58 S. mit 3 Kurven und 4 Tab. Langensalza 1913.
Das von Vaquez 1892 zuerst als Polyzythämia myklopathika be¬
schriebene Krankheitsbild charakterisiert Verf. eingehend an der Hand
der bisher erschienenen Literatur und fügt 3 weitere Krankengeschichten
von klinisch beobachteten Fällen hinzu. Diese betreffen einen
39j. Handarbeiter und einen 35J Bahnarbeiter. Hinsichtlich dieser
3 Beobachtungen kommt Wagner zu folgenden Schlußfolgerungen:
1. Der Aderlaß in der Therapie der Polyzythämie hat, symptomatisch
angewandt, gute Erfolge, insofern er einen Teil der sehr lästigen
subjektiven Beschwerden vermindert und die Kranken sich wesent¬
lich gebessert fühlen. 2. Eine regelmäßige Aderlaßtherapie ist
symptomatisch indiziert bei sekundärer Hyperglobulie, wenn das pri¬
märe Leiden nicht zu beeinflussen ist Der Erfolg liegt vermutlich
in Steigerung des Gesamtsauerstoffgehaltes des Blutes, wodurch ein
Teil der als Kompensation gegen verminderten Sauerstoffgehalt
dienenden Erythrozyten überflüssig wird. 3. Da die ohnehin schon
hohe Sauerstoffkapazität des Blutes und der ohnehin schon gestei¬
gerte Gaswechsel bei primärer Polyzythämie nicht noch gesteigert
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i66
werden dürfen, ist von regelmäßig wiederholten Blutentziehungen
kaum ein Erfolg zu erwarten, ja dieselben sind eher kontraindiziert.
Naether-Dresden.
Der Wert der Bindehautdeckung bei perforierenden
Bulbus Verletzungen und Kornealgesch würen, nach
Literatur und Material der Gießener Augenklinik. Von Dr.
Berthold Krevet. (Sammlung wissenschaftl. Arbeiten, Nr. 7.)
8°, 72 S. Langensalza 1913. Verlag vonWendt & Klauwell.
Die großen Vorteile, welche die Bindehautdeckung bietet, haben
sich auch an der Gießener Klinik bewährt Neben dem Verschwinden
der Schmerzen liegt die Hauptwirkung in dem mechanischen schnellen
und sicheren Verschluß der Wunde und in dem damit sofort gebo¬
tenen Schutz vor Infektion. Die Verwertung der Bindehaut nach
Kuh nt muß gelobt und angewendet werden, da durch dieses Ope¬
rationsverfahren oft noch da, wo andere Mittel versagten, geholfen
werden kann. Die Arbeit enthält eine ausführliche Darstellung des
in der Gießener Augenklinik behandelten Materials und eine Zu¬
sammenstellung der einschlägigen Literatur.
Wiedemann-Karlsruhe i. B.
Regenerationserscheinungen an der Leber bei Trauma,
akuter gelber Atrophie und Zirrhose. Von Dr.
Walther H a 11 b a u e r. (Sammlg. wissenschaftl. Arbeiten, Nr. 2.)
8 °, 28 S. Langensalza 1913. Wendt & Klauwell. Pr. 0,80 Mk.
Die Schädigungen, welche bei Trauma, akuter gelber Atrophie
und Zirrhose die Leber treffen, wirken auf diese in verschiedener
Weise ein: das Trauma schädigt zumeist das Parenchym und Inter-
stitium in gleich hohem Grade, bleibt aber in seiner direkten Wirkung
lokal; bei den anderen Insulten wird oft mehr das Parenchym, dafür
aber meist in seiner ganzen Ausdehnung getroffen, während das
Interstitium mehr oder weniger unversehrt bleibt oder erst sekundär
Veränderungen zeigt
Verf. machte es sich zur Aufgabe, zu untersuchen, ob sich hieraus
auch Verschiedenheiten der Regeneration ergeben. Die Regenerati¬
onserscheinungen speziell nach Trauma konnten von ihm an einem
Fall von vollständiger Zerreißung des rechten Leberlappens (aus der
chirurgischen Klinik Jena) studiert werden. Das Ergebnis ist, daß
bei den verschiedenen Schädigungen entsprechend der Verschieden¬
heit des schädigenden Agens eine Verschiedenheit in der Regeneration
beobachtet werden konnte: beim Trauma überwiegt die kompensa¬
torische Hypertrophie, bei den vorwiegend mit parenchymatöser
Schädigung einhergehenden Erkrankungen die Regeneration von
seiten der Gallengänge. M. Sch w ab-Berlin-Wilmersdorf.
Beitrag zur Lehre von der Fortpflanzungsgeschwindig¬
keit der Pulswellen bei gesunden und kranken
• Individuen. Von Dr. K. Ruschke-Saarbrücken. (Samml.
wissenschaftl. Arbeiten, Nr. 1.) 8°, 40 S. Langensalza 1913.
Verlag von Wendt & Klauwell.
Die Arbeit bringt eine Nachprüfung der Befunde Gr um nach’s
(1879 u. 1885) mittels verbesserter Methodik. — Bei dekompensier-
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ten Herzfehlern fand sich entsprechend dem Grade der Dekom¬
position eine Verlangsamung der Pulswellengeschwindigkeit; dieselbe
ist jedoch nicht für einen bestimmten Herzfehler, z. B. Aorteninsuffi¬
zienz pathognomonisch. Ebenso besteht bei sekundärenAnämien
eine Herabsetzung der Pulsgeschwindigkeit Bei Arteriosklero-
tikern, bei Nephritis und Saturnismus konnte, Hand in Hand
gehend mit gesteigertem Blutdruck, eine Erhöhung der Pulsge¬
schwindigkeit konstatiert werden. — Künstlich blutdrucksteigemde
und blutdruckherabsetzende Mittel bewirken eine entsprechende Be¬
schleunigung oder Verlangsamung der Pulsgeschwinaigkeit Auch
der jeweilige Gefäßtonus ist für die Pulsgeschwindigkeit maßgebend.
Klose-Breslau.
Die Anatomie des Menschen, Teil V: Nervensystem und
Sinnesorgane. Von Prof. Dr. Karl von Bardeleben-Jena.
(Aus Natur und Geisteswelt, Sammlg. wissenschaftl.-gemein-
verst Darstellungen, 422. Bdchn.) kl. 8°, IV u. 81 S. mit
50 Abb. im Text. Leipzig 1914. Druck und Verlag von B.
G. Teubner. Pr. geb. 1,25 Mk.
Der Inhalt gliedert sich in das zerebrospinale (Rückenmark,
Gehirn, periphere Nerven) und das sympathische oder vegetative
Nervensystem. Sympathikus. Der 2. Abschnitt behandelt die Sinnes¬
organe. Es erübrigt sich, auf Einzelheiten vor einem medizinischen
Forum einzugehen. Die im Vorausgehenden zum Ausdruck gebrachte
günstige Beurteilung der v. Bardel eben’schen allgemeinen Ana¬
tomie möchte ich auch auf das vorliegende Bändchen ausdehnen.
N a e t h e r -Dresden.
Entwicklungsgeschichte des Menschen. 4 Vorlesungen von
Dr. A. v. H e i 1 b o r n -Berlin-Steglitz. (Aus Natur und Geistes-
welt^ 388. Bdchn.) kl. 8 °, VIII u. 87 S. m. 60 Abb. n.
Photographien und Zeichnungen. Leipzig 1914. Verlag B.
G. Teubner. Pr. geb. 1,25 Mk.
Wenn der Verf. im Vorwort seine Vorlesungen einen Versuch
nennt, dem Laien die Ergebnisse der Entwicklungsgeschichte des
Menschen übersichtlich darzustellen, so ist ihm dieser Versuch un¬
zweifelhaft gelungen. Aber nicht nur das, auch für den Arzt sind
die Vorlesungen als Einführung in die Embryologie sehr geeignet,
dazu trägt nicht zum wenigsten die große Zahl von Abbildungen
bei, die aus den wichtigsten Werken über den Gegenstand ent¬
nommen sind.
Namentlich der Abschnitt über Vererbung ist auch für den
Kinderarzt interessant, ebenso der über Hemmungs- und andere
Mißbildungen.
Außerdem wird die Lehre von der Zelle und Zellteilung an der
Hand von zahlreichen Abbildungen eingehend behandelt
Eine besondere Vorlesung handelt von der Entwicklung des
Embryos zum reifen Kind und der Entwicklung der Organe.
Ein ausführliches Namen- und Sachregister schließt das Bänd-
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i68
chen. Allein das Autoren-Register trägt schon die Reichhaltigkeit
des behandelten Stoffes. P. Hanssen-Kiel.
Jugendpflege. Von W. Wiemann, Fortbildungsschullehrer in
Leipzig. (Aus Natur und Geisteswelt, 434. Bdchn.) kl. 8°, IV
u. 127 S. Leipzig 1914. Verlag B. G. Teubner. Pr. geb.
1,25 Mk.
Der Verf., der beruflich tagaus tagein an der Fortbildung der
Jugend arbeitet, behandelt sehr eingehend diesen Gegenstand,
der auch in Deutschland mehr und mehr an Bedeutung
gewinnt. Zunächst geht er auf die Eigenart der Jugendlichen und
den Unterschied zwischen Knaben und Mädchen ein. Weiterhin
behandelt er dann die Beschäftigung der Jugendlichen und die Ge¬
fahren, die ihnen dabei drohen. Aus diesen Verhältnissen heraus
begründet er die Notwendigkeit der Jugendpflege. Eine vernichtende
Kritik erfährt dabei die sozialdemokratische Jugendpflege. Die Ver¬
anstaltungen zur Pflege der Jugendlichen im Auslande und in Deutsch¬
land während und nach der Schulzeit werden dann ausführlich be¬
sprochen. Auf die Zugkraft aller Veranstaltungen wird dabei be¬
sonders hingewiesen. Alle Mittel, die Werbekraft haben, stehen an
der Spitze. Deshalb ist das Wandern so brauchbar für die Jugend¬
pflege, weiterhin Turnen und Sport. Die verschiedenen Vereine zur
Pflege der Jugend in Deutschland werden dann aufgezählt.
Es folgen die Verfügungen, Grundsätze und Ratschläge für
Jugendpflege.
Als besonderer Anhang folgt ein Beitrag von Major v. Welck:
Liegt im Gebiete der Jugendpflege für den Offizier ein besonderes
Arbeitsfeld ?
Ein Literaturverzeichnis schließt das inhaltsreiche Heftchen.
Zu wünschen wären für eine neue Auflage einige Abbildungen.
P. Hanssen-Kiel.
Kurze Notizen aus der Praxis und Wissenschaft.
Uber Paratyphus bei Kindern in München. Von Fritz
Breuning -München.
An der Univ.-Kinderpoliklinik in München wurden von Mai bis
Dezember 1913 unter 376 Magendarmerkrankungen 11 Paratyphus¬
erkrankungen beobachtet, darunter drei Falle im ersten Lebensjahr.
Für die Erkrankung im frühen Kindesalter sind charakteristisch
frequenter weicher Puls, zahlreiche Schleimstühle mit stark fäkulen-
tem Geruch. Ein sechs Monate altes Brustkind hatte eine kompli¬
zierende Schultergelenkseiterung, ein 17 Monate altes Kind starb
unter schweren Intoxikationserscjieinungen; Sektionsbefund. Die
Agglutination war in der Mehrzahl der Fälle positiv und hielt sich
bis zu 90 Tagen. Beobachtet wurden nur gastroenteritische Formen.
Uber die Ätiologie ließ sich nichts sicheres feststellen.
(Münchn. med. Wocli., 1914, Nr. 19.) Autoreferat
Verlag von Benno Konegen, Leipzig. —■Druck von A. Pabst, Königsbrück.
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Der Kinder-Arzt.
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jederzeit gern entgegen.
XXV. Jahrg. August 1914. No. 8. (296.)
INHALT: Originalien: Vulplus, Uber die operative Behandlung der
tuberkulösen Wirbelsäulenentzündung. 169. — Dutolt, Uber die sog. Rezidive
der adenoiden Vegetationen im Kindesalter und ihre rationelle Behandlung
mittels Atmungsgymnastik. 173. —Referate: Rletschel, Kongenitale Syphilis.
175. — Holtmann, Angeborene Syphilis. 177. — Ledermann, Lues kongenita.
177. — Conradl, Tuberkulosenachweis im Tierversuch. 178. — Prlnzing,
Scharlach. 179. — Bachauer, Diphtherie. 179. — Reinhard, Gonorrhoe und
gonorrhoesche Komplikationen. 180. — Plske, Emphysem bei Masern. 180.
— Mflller, Anämie u. Scheinanämie im Kindesalter. 181. — Lawatachek, Enterale
Resorption von genuinem Eiweiß bei Neugeborenen und darmkranken Säug¬
lingen. 181. — Aachenheim, Quarkfettmilch. 182. — Pelaer, Fettaustausch in
der Säuglingsernährung. 183. — Peterka, Lichtscheu bei Konjunktivitis ek-
zematosa. 183. — L6vy, Magnau u. Seilet, Das Verhältnis zwischen dem
Körperwachstum und der Entwicklung des Brustumfanges beim Menschen.
184. — Rominger, Phimose im Kindesalter. 185. — Schubert, Furunkulose im
Säuglingsalter. 185. — Bönning, Romauxan. 186. — Lederer, Schrumpfniere
im Kindesalter. 186. — Mlelke, Spitzendämpfung im Kindesalter. 187. — Gött,
Psychotherapie in der Kinderheilkunde. 187. — Bücherbesprechungen:
Feer, Lehrbuch der Kinderheilkunde. 3. Aufl. 188. — Blaschko, Geburten¬
rückgang u. Geschlechtskrankheiten. 189. — Albu, Die spastischen Erkrankungen
des Verdauungskanals. 190. — Tugendreich, Vorträge über Ernährung und
Pflege des Kindes im ersten u. zweiten Lebensjahre. 2. Aufl. 190. — Keller
u. Birk, Kinderpflege-Lehrbuch. 190. — Kurze Notizen aus der Praxis
und Wissenschaft 191. —
Originalien.
(Aus der Prof. Dr. Vulpius'sehen orthopäd.-chirurgischen Klinik
in Heidelberg.)
Über die operative Behandlung der tuberkulösen
Wirbelsäulenentzöndung.
Von Prof. Dr. Vulpius-Heidelberg.
Die Behandlung der chirurgischen Tuberkulose hat, wie sie
wissen, während der letzten Jahrzehnte große Umwälzungen erfahren.
Es gab eine Zeit, wo radikale chirurgische Eingriffe angewendet
wurden, wo tuberkulöse Knochen und Gelenke mit ähnlicher Gründ¬
lichkeit wie bösartige Geschwülste entfernt wurden. Die betrüben¬
den Endresultate solcher verstümmelnden Eingriffe führten zu einer
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170
Reaktion, die sich in streng konservativer Behandlung mittels Gips¬
verband, mittels orthopädischen Apparates äußerte. Die konservative
Behandlung erfuhr neuestens einen gewaltigen Aufschwung durch
die Einführung und begeisterte Empfehlung der Heliotherapie. Ich
erkenne den Wert der Allgemeinbehandlung bei chirurgischer Tuber¬
kulose durchaus an und unterschätze die Wichtigkeit der physi¬
kalischen Heilverfahren für diesen Zweck durchaus nicht, ich weiß
aus eigener reichlicher Erfahrung, daß nicht nur die Höhensonne,
sondern auch die Sonne in unseren klimatischen Verhältnissen Er¬
staunliches zu leisten vermag. Aber ich weiß auch weiter, daß die
Sonne in der Höhe so wenig wie bei uns jegliche chirurgische
Tuberknlose heilt, und ich bin der festen Überzeugung, daß wir für
unsere Kranken das beste leisten und Zeit und Geld für dieselben
sparen, wenn wir eine kombinierte Behandlung anwenden, wie die¬
selbe in dem von mir geleiteten Sanatorium Solbad Rappenau geübt
wird. Chirurgie und Orthopädie, Freiluftbehandlung und Besonnung,
künstliche Belichtung, Diät und medikamentöse Behandlung, sie
alle müssen in zweckmäßiger Weise vereinigt auf den Krankheits¬
herd wie auf den kranken Organismus einwirken.
Während also, wie wir gesehen haben, im allgemeinen die Be¬
handlung der chirurgischen Tuberkulose unter dem Zeichen des
Konservatismus steht, müssen wir konstatieren, daß speziell bei der
tuberkulösen Erkrankung der Wirbelsäule gerade umgekehrt chirur¬
gisch-operative Eingriffe heute sich in den Vordergrund drängen.
Und zwar denke ich dabei nur an Operationen, welche die Beein¬
flussung des örtlichen Entzündungsherdes der Wirbelsäule zum Ziele
haben. Man hat vor längerer Zeit schon, insbesondere in Frankreich,
empfohlen, den Wirbelherd direkt frei zu legen und hat verschiedene
Wege zu seiner Erreichung vorgeschlagen.
Der eine führt neben der Wirbelsäule vorbei und nach der Re¬
sektion von Querfortsätzen und Rippenköpfchen nach vorn an den
kranken Wirbelkörper, ein zweiter unter Entfernung von Wirbel bogen
und Beiseiteschieben des Rückenmarks direkt von hinten nach vom
an den Wirbelkörper.
Beide Operationen sind selbstverständlich gefährlich und ent¬
sprechen den heute geltenden Anschauungen nicht, daß man eine
geschlossene Tuberkulose nicht unnötigerweise in eine offene Tuber¬
kulose verwandeln soll. Die Ausräumung des kranken Wirbelkörpers
ist also nur dann angezeigt, wenn wir aus anderer Indikation ope¬
rierend auf den Wirbelherd stoßen, wenn wir nämlich wegen Druck¬
erscheinungen das Rückenmark durch Laminektomie freilegen und
dabei den Wirbelherd finden. Auf diese Weise bin ich selber einige
mal zu solchen Eingriffen gekommen, die keine weiteren Schwierig¬
keiten bieten. Die Operationen, über welche ich heute berichten
will, sollen in anderer Weise den Krankheitsherd im Wirbel be¬
einflussen.
Unsere ganze Behandlung der tuberkulösen Spondylitis bezweckt
eine möglichst gute Ruhigstellung der kranken Wirbelsäule, und
was wir als Ziel unserer Therapie ansehen, das ist eine Ausheilung
unter Ankylosierung der Wirbelsäule. Fixation und Ankylose haben
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wir bisher zu erreichen versucht im Gipsverband, im Gipsbett, im
Extensionsverband, im Stützkorsett, eine Reihenfolge der Heilmittel,
welche zugleich eine Stufenleiter ihrer Wertigkeit darstellt Das
neueste Bestreben geht dahin, Fixation und Ankylose auf operativem
Wege zu erzielen. Eine derartige Operation wurde vonHibbs vor¬
geschlagen. Sie besteht darin, daß man eine Reihe von Dorn¬
fortsätzen abmeißelt und so verschiebt, daß e i n Dornfortsatz jeweils
2 Knochenwundflächen berührt, also eine Art Brücke darstellt Die
Operation von Albee ist technisch einfacher und hinsichtlich ihres
Erfolges entschieden sicherer.
Sie wird in folgender Weise vollzogen:
Ein leicht bogenförmiger Schnitt umzieht die Domfortsätze der
erkrankten und der benachbarten Wirbel. Die Dornfortsätze werden
dann in der Mitte gespalten und auseinander gebogen, so daß ein
längsziehender Kanal entsteht, dessen Seitenwände von Knochen¬
wundflächen der Dornfortsätze gebildet sind. In die so gebildete
Bresche wird nun ein Knochenspan eingelegt, welcher dem Schien¬
bein entnommen wird. Eine Reihe von Nähten befestigen das Im¬
plantat in seiner Lage, und zwar mache ich zu dem Zweck Etagen¬
nähte, welche mit Hilfe der längsgespaltenen Rückenfaszie zustande
kommen. Nach völligem Wundverschluß wird der Patient entweder
in ein vorher hergestelltes Gipsbett gelagert oder mit einem starren
Verband versehen, der die Wirbelsäule lordosiert. Meine Erfahrungen
mit der Methode beziehen sich bald auf ein halbes hundert Kranker
der verschiedensten Lebensalter. Der Heilverlauf war stets ein
völlig reaktionsloser. Nach einigen Wochen ist am Schienbein keine
Spur des Knochendefektes mehr wahrzunehmen. Das Implantat hat
an der Wirbelsäule schon ziemlich sicheren Halt bekommen. Eine
Ausstoßung des Knochenstückes habe ich niemals erlebt, wohl aber
habe ich nachträglich zweimal an den Enden desselben vorspringende
Spitzen abkneifen müssen, die Folge eines technischen Fehlers, weil
ich den Span zu breit gewählt hatte für den Domfortsatzkanal.
Was den Erfolg der Operation betrifft, so kann es keinem Zweifel
unterliegen, daß eine Fixierung und Ankylosierung des betreffenden
Wirbelsäulenabschnittes zustande kommt und zwar in sehr kurzer
Zeit Beweisend dafür ist das rasche Verschwinden der spondylitischen
Schmerzen, welches mir von Erwachsenen regelmäßig bestätigt
wurde. Auch Kinder, die bis dahin ängstlich still gelegen hatten,
beginnen nach wenigen Wochen, sich frei zu bewegen, ja sie werden
geradezu übermütig, sodaß wir Mühe haben, das Stilliegen im Gips¬
bett zu erzwingen. Wie ich höre, haben einzelne Chirurgen diese
Schmerzstillung nicht beobachtet. Ich muß annehmen, daß hier ein
technischer Fehler Vorgelegen hat, denn ich persönlich habe bei
meiner langen Serie von Fällen auch nicht einen einzigen Versager
erlebt.
Ich habe aber auch weiter festgestellt, daß außer diesem sympto¬
matischen Erfolg ein heilender Einfluß der Operation unverkennbar
ist. Zum Teil lange Zeit bestehende Fisteln begannen weniger Eiter
abzusondern und haben sich des öfteren auffällig rasch geschlossen.
In einem Falle war der Erfolg geradezu erstaunlich:
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Es handelte sich um ein Kind mit schwerer Spondylitis in so
gut wie hoffnungslosem Zustande mit völliger Entkräftung durch
langwierige Eiterung und mächtigem Amyoloid der Leber und der
Nieren. Ich habe den Eingriff als reine Verzweiflungsoperation nach
langem Zögern noch ausgeführt, die Heilung erfolgte glatt, die
Eiterung versiegte, die Fisteln sind heute geschlossen, die Leber¬
schwellung ist nicht ganz geschwunden, aber sehr zurückgegangen.
Das Kind sieht heute blühend aus und ist überhaupt nicht mehr
wieder zu erkennen. Ich lege sehr viel mehr Wert auf eine exakte
orthopädische Nachbehandlung als dies Albee tut Ich lasse die
Kinder, wenn irgend möglich, einige Monate noch im Gipsbett liegen
und führe die gesamte Behandlung so weiter, wie wir dies bei allen
chirurgischen Tuberkulosen in Rappenau machen. Weiterhin gebe
ich ein geeignetes Stützkorsett, wofür ich nebenbei auch an dieser
Stelle unsere Gips-Leim-Technik aufs wärmste empfehlen möchte,
da mit derselben äußerst haltbare Korsetts mit sehr geringem Geld¬
aufwand hergestellt werden können.
Meine ersten Operationen liegen erst ®/ 4 Jahre zurück, ich kann
also über definitive Heilungen noch nicht berichten. Ich kann nur
sagen, daß die größte Mehrzahl der Fälle anscheinend geheilt aus
der Behandlung entlassen worden ist, und daß auch nicht ein einziger
der Patienten noch Symptome einer frischen Spondylitis aufweist
Mit dem endgültigen Urteil aber müssen wir selbstverständlich
noch zuwarten und zuwarten auch hinsichtlich der Beantwortung
einer weiteren Frage, die sich auf die Gibbusbildung bezieht Es
ist mir schon wiederholt entgegengehalten worden, daß diese Ope¬
ration eine Buckelkorrektur ein für allemal unmöglich mache, eine
Ansicht, die ich durchaus nicht teilen kann. Es besteht vielmehr
zum mindesten die Möglichkeit, daß gerade diese Knochenimplan¬
tation bei wachsenden Individuen einen starken adressierenden Ein¬
fluß ausübt Wir können ja doch nicht wohl annehmen, daß der
Knochenspan an dem Längenwachstum der Wirbelsäule teilnimmt,
die länger werdende Wirbelsäule müßte sich also gewissermaßen um
den Knochenspan in Lordosenstellung herumkrümmen und aufrichten.
Nach all dem Gesagten empfehle ich also die Ausführung der
Albee’schen Operation aufs wärmste in der Überzeugung, daß die¬
selbe nur nützen und auf keinen Fall etwas schaden kann.
Eine ähnliche Knochenplastik habe ich neuerdings bei der
Laminektomie angewandt, und will ich kurz noch auf diese zu
sprechen kommen. Die Resektion von Wirbelbogen zur Entlastung
des Rückenmarks war früher bekanntlich eine recht gefürchtete
Operation, die nur in verzweifelten Fällen erlaubt erschien.
Die Ansichten haben sich durch fortschreitende Erfahrung ge¬
ändert. Ich habe nicht eine einzige meiner Laminektomien ver¬
loren. Freilich sind auch keineswegs in allen meinen Fällen nach
der Laminektomie die Lähmungen zurückgegangen. Aber ich habe
bei meinen Operationen so manchesmal einen Befund erhoben, der
nachträglich nicht nur die Berechtigung sondern die Verpflichtung
zu dieser Operation vor Augen führte. Und ich habe weiter Resul¬
tate erlebt bei Lähmungen, welche durch mechanische Behandlung
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i73
nicht zu beeinflussen gewesen waren, so daß die Operation hier un¬
zweifelhaft lebensrettend gewirkt hat. Infolge des Förster’schen
Vorschlags der Wurzelresektion bei der spastischen Lähmung ist die
Laminektomie in den letzten Jahren ja häufiger ausgeführt worden,
und es wurde von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen, daß die
Entfernung mehrerer Wirbelbogen für die Tragfähigkeit der Wirbel¬
säule durchaus nicht gleichgültig ist, daß vielmehr sich späterhin
recht unangenehme Deformitäten entwickeln können. Es ist mir
deshalb anläßlich der A 1 b e e ’schen Operation der Gedanke gekommen,
die Lücke in der Wirbelbogenreihe durch eine solche Knochenspange
aus der Tibia zu schließen und ich habe die Operation bereits mit
gutem Erfolg ausgeführt. Die an der Lücke oben und unten an¬
grenzenden Dornfortsätze werden abgemeißelt und aufgeklappt. Es
wird dann die Knochenspange in die Lücke eingelegt und zwar mit
ihrer periostüberkleideten Seite nach dem Wirbelkanal hin. Die
Enden werden unter die abgemeißelten Dornfortsätze eingeschoben.
Besteht ein erheblicher Gibbus, so muß die Knochenspange über
ihre Fläche gebogen bezw. mehrfach eingeknickt werden. Indem
man der Spange eine etwas größere Wölbung gibt als die Wirbel¬
säule sie aufweist, verhütet man erneute Raumbeengung im Wirbel¬
kanal und sichert doch Kontinuität und Stabilität der Wirbelsäule.
Jedenfalls vollzieht sich dieser plastische Eingriff wesentlich leichter
als die temporäre Resektion der Wirbelbogen, die ebenfalls vorge¬
schlagen worden ist.
Meine Mitteilungen über die operative Behandlung der tuber¬
kulösen Spondylitis sollen keineswegs in dem Sinne aufgefaßt werden,
als ob ich die bisher geübte mechanisch-konservative Behandlung
des Leidens gering achtete.
Aber ich erblickte in der Kombination blutiger und unblutiger
Verfahren ein Mittel, um den Heil verlauf abzukürzen und den Heil¬
erfolg zu sichern.
über die sogenannten Rezidive der adenoYden Vege~
tationen im Kindesalter und ihre rationelle Behandlung
mittels Atmungsgymnastik.
Von Dr. A. Du toi t in Montreux.
Wir sprechen von ,,falschen Rezidiven“ der adenoiden
Vegetationen im Kindesalter, wenn die örtliche Untersuchung zwar
keinen entsprechenden Befund ergibt, wenn aber trotzdem die be¬
kannten Erscheinungen, im besonderen die Atmungsstörungen,
nach einiger Zeit wiederum einsetzen und zu den mannigfachsten
Unannehmlichkeiten führen. Nur zu leicht veranlassen derartige
Vorkommnisse eine zweite Operation, welcher natürlich der Mi߬
erfolg auf dem Fuße folgt.
In der Tat geschieht es eigentlich nur selten, daß das Kind
nach vorangegangener „Adenotomie“ seine Atmung von selbst ver¬
bessert Je nach dem Lebensalter und dem augenblicklichen All-
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gemeinbefinden zeigt sich darum das „falsche Rezidivphänomen“ in
wechselnder Stärke, aber fast immer in fortschreitenderWeise.
Gelegentlich verlieren sich die Erscheinungen auch wieder von selbst,
zumal dann, wenn dem Kinde ohne besondere Absicht eine ange¬
messene Erholung und viel Bewegung im freien Felde ge¬
währt wird.
Sonst aber spielen bei der „falschen Rezidive“ der adenoiden
Vegetationen im Kindesalter genau dieselben Storungen die Haupt¬
rolle, welchen wir bei der ursprünglichen und wahren Erkrankung
begegnen. Es handelt sich dabei, genau genommen, um ein Mi߬
verhältnis des Atmungsbedürfnisses zum Atmungs¬
vermögen. Die Kinder verstehen sich von Haus aus nicht darauf,
die durch die vorangehende wirkliche Erkrankung zum Zustand ge¬
wordene Atmungshemmung aus eigener Kraft zu bekämpfen
und zu beseitigen.
Damit gelangen wir ganz von selbst auf die Besprechung der
rationellen Atmungsgymnastik, welche in den Fällen von
„falschen Rezidiven“ der adenoiden Vegetationen im Kindesalter eine
hervorragende Beachtung verdient. Die diesbezüglichen Ergebnisse
lassen nichts zu wünschen übrig und bilden den schlagenden Beweis
für die Richtigkeit der Erklärung der Ursachen, welche den Erfolg
der „Adenotomie“ anscheinend in Frage stellen.
Eine Beobachtung unter mehreren dieser Art möge hier
noch angefügt werden.
Es handelt sich um ein Mädchen von zwölf Jahren, welches
seit der 1906 ausgeführten „radikalen“ Adenotomie in seiner körper¬
lichen Entwicklung auffallend rückständig bleibt Es besteht
Atmungsbehinderung ohne zwingenden Grund, Neigung zu
immer wiederkehrendem Schnupfen. Dazu gesellen sich Appetit¬
mangel, Verstopfung, überhaupt Schwierigkeiten in der regel¬
mäßigen Nahrungsaufnahme.
Die Beschwerden steigern sich im Laufe der Jahre, das Kind
magert ab, bringt es in der Schule nicht vorwärts, klagt über Kopf-
und Rückenschmerzen, welche schließlich die Eltern zu einer
physikalisch-diätetischen Kur veranlassen.
Die angewandte Behandlung dieses Falles besteht in allererster
Linie in Atmungsübungen, welche von Tag zu Tag mehr Zeit
beanspruchen und an welche sich Spring- und Turnspiele aller
Art abwechslungsweise anfügen.
Diese Kur dauert 6 Wochen, während welcher das Kind aus¬
schließlich laktovegetabilischeDiät ohne jegliche Fleischzulage
erhält.
Bald verschwindet schon die vordem hartnäckige Schlaflosig¬
keit gänzlich. Der Appetit bessert sich rasch, der Stuhlgang er¬
scheint regelmäßig und ist wohlgeformt. Die Behinderung der At¬
mung geht zusehends zurück.
Nach Beendigung der Kur steigt das Körpergewicht
andauernd und erreicht in der Zeit von neun Monaten 33,200 kg.
Die monatliche Zunahme beträgt im Durchschnitt 500 g.
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Die Thoraxmessungen ergaben eine Vermehrung von 3 cm
im Zustande der Exspiration während der Kurzeit und eine weitere
Vermehrung um 5 cm im Zustande der Exspiration in den darauf¬
folgenden neun Monaten der Beobachtung.
Die Körperlänge endlich verändert sich wider Erwarten nur
in geringem Grade. Während der Kurzeit beträgt die Zunahme
3 cm; in den späteren neun Monaten der Beobachtung kommen dazu
noch 6 cm.
Referate.
Fortschritte auf dem Gebiete der Pathologie und Therapie
der kongenitalen Syphilis. Von Rietschel-Dresden.
(Ztschr. f. ärztl. Fortbild. 1914, Nr. 6.)
Bezüglich der Therapie der kongenitalen Syphilis gelangt Verf.
in seinem Vortrag zu folgenden Ausführungen: Wir haben einleitend
auf den Zusammenhang zwischen Pathologie und Therapie hinge¬
wiesen, und Sie werden begreifen, daß bei der Auffassung, die wir
entwickelt haben, da wir die Mutter eines syphilitischen Kindes auch
stets als syphilitisch ansehen, wir nicht nur auf die Behandlung des
Kindes, sondern auch stets auf eine Behandlung der Mutter unbe¬
dingt dringen müssen, sei es, daß sie Symptome trägt, sei es, daß
sie frei ist; erst in zweiter Linie wird natürlich auch die Behandlung
des Vaters erfolgen müssen, falls die Anamnese oder klinisch der
Befund dafür spricht.
Die Syphilistherapie hat nun durch die Entdeckung des Sal-
varsans durch Ehrlich eine eminente Umwandlung erfahren, und
wenn auch zeitlich später, so hat sich doch dies Arsenpräparat auch
in der Behandlung der Säuglingssyphilis einen dauernden Ehrenplatz
erworben. Allerdings, das Quecksilber hat es nicht verdrängen
können. Wir wollen dankbar sein, daß wir zwei so schöne spezifisch
wirkende Mittel in unserem Arzneischatz besitzen.
Die indirekte Methode der Zufuhr von Salvarsan durch die
Milch der Mutter übergehen wir, da sie nicht mehr geübt wird, und
heute nur theoretisch interessant ist.
Das Salvarsan wird von uns nur intravenös injiziert Wir be¬
dienen uns dabei der Empfehlung von Fedes, der das Salvarsan
in einer hochprozentigen (5 Proz.^ Lösung einspritzt, und lassen die
Lösung in eine der Kopfvenen des Kindes einfließen, die gewöhnlich
bei syphilitischen Kindern größer sind als bei normalen. Wir be¬
nutzen eine Rekordspritze und schalten zwischen Spritze und Kanüle
einen kleinen Gummischlauch ein. Technisch ist die Injektion nicht
ganz leicht; hin und wieder kommt neben die Vene etwas Salvarsan
ins Gewebe. Wir haben allerdings nie eine Nekrose gesehen, selbst
dann nicht, wenn eine kleine Erhebung unter der Haut entstand.
Allerdings haben wir uns stets frisch destillierten Wassers bedient,
weil, wie bekannt, das nicht frisch destillierte Wasser gewisse Eigen¬
schaften haben kann, die schwer toxisch auf den Menschen und
speziell auch auf den Säugling wirken.
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176
Die Anfangsdose, die wir an wenden, beträgt nur 0,05 g und erst
später wagen wir auf ein Dezigramm zu gehen, ohne jemals über
diese Menge hinaus zu kommen. Wir haben nicht den Eindruck,
daß größere Dosen besser und schneller wirken, während doch die
Gefahr der Giftigkeit, die wir dem Präparat leider nicht absprechen
können, ganz gewiß durch die größeren Dosen erhöht wird.
Die leichteren Fälle von Syphilis werden indes durch eine
Quecksilberkur ganz gut geheilt, das wir gewöhnlich in der Form
des Protojoduret (Hydragr. jodatum flavum von 1—2 cg pro die als
Pulver) verabreichen. Die Kuren, die wir mit Quecksilber machen,
sind aber mindestens 6 Wochen durchzuführen, die erste sogar unter
allen Umständen bis 8 Wochen. Bei schweren Formen der kongeni¬
talen Syphilis, beim Pemphigus, bei Organveränderungen, wird man
eher zu Salvarsan greifen, und wir bedienen uns bei diesen schweren
Fällen dann der kombinierten Behandlung, und zwar geben wir, wie
das auch schon früher Erich Müller angeführt hat, während der
Quecksilberkur 1—3 Salvarsaneinspritzungen von 0,05—0,1 g in
wöchentlichen Intervallen. Das wichtigste aber bei der Behandlung
der kongenitalen Syphilis ist die konsequente, jahrelange Wieder¬
holung der Kur. Sie ist unerläßlich, und sie ist weit wichtiger als
die Auswahl des Mittels. Wir glauben, daß 6—7 Kuren in den ersten
drei Jahren im allgemeinen genügen. Es ist jedoch viel besser für
ein Kind, es erhält 6mal eine gewöhnliche Quecksilberkur, als daß
es 1 oder 2 mal einer Salvarsankur unterzogen wird. Auch das Sal¬
varsan ist kein so spezifisches Heilmittel, daß es sofort die Krank¬
heit beim Säugling heilen könnte, und auch hier gilt es, nur schritt¬
weise das Terrain zu gewinnen. Eine restlose Heilung der Syphilis
ist sicher beim Säugling schwerer als beim Erwachsenen. Die
Wassermann’sche Reaktion, die hier ein besonders gutes Dia-
gnostikum ist, muß dauernd negativ bleiben, öfter wird sie nach
einer Kur negativ, um schon nach einer Woche oder nach einigen
Wochen wieder umzuschlagen. Erst wenn sie vom zweiten oder
dritten Jahre dauernd durch jahrelange Beobachtungen negativ bleibt,
können wir von einer Heilung sprechen. Da wir selbstverständlich
bei der Kürze der Zeit noch nicht über ein lange genug beobachtetes
Material verfügen, so wird heute die ganze Frage der Heilung der
kongenitalen Syphilis offen bleiben. Die Erfolge sind im allgemeinen
quoad vitam bei der Säuglingssyphilis, sofern von den Todesfällen
in den ersten Wochen und Monaten abgesehen wird, nicht schlecht,
quoad valetudinem leider recht wenig ermutigend. Ich will das
Thema nicht weiter ausführen, nur an eine Sache will ich erinnern.
Wenn Sie bedenken, daß E. Müller berichtet, daß unter seinen
nach dieser Methode behandelten 50 Kindern nur etwa ein Drittel
der Kinder wirklich geistig normal geblieben ist, während das andere
Drittel sicher schwer oder fast völlig idiotisch und das mittlere
Drittel wenigstens Schwachbegabte Kinder wurden, so sind das Dinge,
die uns doch recht traurig stimmen, und hier wird es weiterer Arbeit
bedürfen, um durch retrospektive Beurteilung der einzelnen Fälle
eventuell auch in der Behandlung noch weitere Erfolge zu erzielen.
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Über eine zweckmäßige Kombination von Quecksilber
und Salvarsan zur wirksamen Behandlung ange~
borener Syphilis. Von Erich Hoffman n. (Aus der
Univ.-Hautklinik in Bonn. — Derm. Zschr. 1914, H. 6.)
H. hat bei angeborener Syphilis eine möglichst einfache und
wenig gefährliche Kombination von Quecksilber und Salvarsan er¬
probt, wobei er die Im er wo l’sche Sublimatkur mit intramuskulären
Injektionen von Neosalvarsan verbindet. Er beginnt zuerst mit einer
Sublimatinjektion von 0,001, läßt dänn nach 4 Tagen 0,05 Neo¬
salvarsan und nun mit je 7 tägigem Abstand 0,002 Sublimat und
0,1 Neosalvarsan (in 1 ccm dest. steril. Wasser) folgen, im Ganzen
bis zu 8 Quecksilber- und 6 — 7 Neosalvarsanspritzen. Jeden 7. Tag
wird ferner das Blut durch Einstich in die Ferse und Absaugen mit
der Pipette (ca. 2 ccm) entnommen und mittels der Wassermann-
schen Reaktion geprüft.
Bei dieser Therapie, die durch zweckmäßige Ernährung unter¬
stützt wird, sah H. die Erscheinungen sehr schnell schwinden, die
Kinder an Gewicht zunehmen und außer sehr seltenem Erbrechen
lind gelegentlichem Appetitmangel in den meisten Fällen keine
Störungen. Bei einer Anzahl der Fälle wurde die Wassermann-
sche Reaktion etwa nach 6 maliger Injektion beider Mittel oder
etwas früher negativ. Genügende Dauerbeobachtungen besitzt H.
noch nicht, glaubt aber schon jetzt sagen zu können, daß man die
Kur nach einigen Wochen wiederholen soll. Schnell-Halle.
Lues kongenita und Serodiagnostik. Von Ledermann.
(Aus der dermat Abteilung des Gemeinde-Säuglingskranken¬
hauses in Berlin-Weißensee. — D. m. W., 1^14, Nr. 4.)
L. hat bei zahlreichen jüngeren und älteren nicht syphilitischen
Kindern mit allen möglichen nicht-syphilitischen Krankheiten die
Wassermann-Reaktion angewandt und mit wenigen Ausnahmen ein
negatives Resultat erhalten. Diese Ausnahmen betrafen fiebernde
Kinder (Pneumonie, Influenza, Sepsis). Verf. empfiehlt daher, das
Blut zum Zwecke der Seroreaktion nicht während oder nach den
Fieberperioden zu entnehmen und eine positive Reaktion bei
schwerkranken Kindern ohne sonstige Zeichen von Syphilis mit
Vorsicht zu beurteilen.
Bei Säuglingen, welche an mannigfachen Erscheinungen der
Lues leiden, fand L. die Wassermann-Reaktion fast immer stark
positiv. Auffallend ist jedoch die Tatsache, daß zuweilen hereditär
syphilitische, zunächst noch syniptomenlose Kinder vorerst nach der
Geburt negativ reagieren, obwohl sie eigentlich schon die Spiro¬
chäten im Blut haben müßten, und erst später kürzere oder längere
Zeit vor dem Ausbruch syphilitischer Symptome eine positive
Reaktion aufwiesen. Es ist deshalb empfehlenswert, von syphili¬
tischen Eltern stammende Säuglinge ohne Lueszeichen in gewissen
Zwischenräumen serologisch zu untersuchen und vor allen Dingen
sie nicht zu früh von gesunden Ammen anlegen zu lassen, sondern
ihnen abgedrückte Milch zu geben, wenn aus bestimmten Gründen
die Ernährung mit Muttermilch erforderlich erscheint.
Kinder-Arzt XXV. Jahrg. 1914. 12
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i 7 8
Die Frage, ob jede Mutter eines syphilitischen Kindes selbst
als syphilitisch betrachtet werden muß, hält L. noch nicht völlig
geklärt Jedenfalls gehört es zu den größten Seltenheiten, daß die
unbehandelte syphilitische Mutter eines Neugeborenen im Früh¬
stadium der Krankheit, selbst im Latenzstadium, eine negative
Wassermann-Reaktion auf weist
Zum Schluß gibt L. einen Überblick über die Formen der
Syphilis bei den von ihn beobachteten Kindern. Er betont die
Notwendigkeit einer lang dauernden klinischen und serologischen
Überwachung nicht nur derjenigen Kinder, welche im früheren
Säuglingsalter an Zeichen der kongenitalen Lues gelitten haben,
sondern aller Kinder syphilitischer Eltern oder eines syphilitischen
Elternteils, auch wenn diese äußerlich gesund erscheinen. Die
ersten Erscheinungen der hereditären Lues. Erst später, nach Verf.’s
Erfahrungen meist nach dem sechsten Lebensjahre, treten oft un¬
vermittelt vielfach schwere und unheilbare syphilitische Erkrankungen
lebenswichtiger Organe auf. Durch die Serodiagnostik ist es jetzt
ermöglicht, bei vielen Kindern syphilitischer Eltern zu jeder Zeit
den Beweis zu erbringen, daß sie syphilitisch infiziert sind, sowie
den Einfluß der Behandlung zu studieren und über Jahre hinaus
zu kontrollieren. — Verf. steht auf dem Standpunkt, daß die here¬
ditär syphilitischen Kinder chronisch-intermittierend und zwar am
besten neben dem Quecksilber mit Neosalvarsan behandelt werden
müssen. Schnell- Halle.
Tuberkulosenachweis im Tierversuch mit Hilfe der Pir~
quet’schen Reaktion. Von Erich Conradi. (Aus der
Kinderklinik der Akademie für praktische Medizin zu Köln.
Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Siegert. — Münchn. med.
Wschr. 1913, Nr. 2^.)
Nach Angabe der bisherigen Methoden, die Reaktionszeit für
den Tuberkulosenachweis im Meerschweinchenversuch immer weiter
abzukürzen, wird die sehr einfache, auch außerhalb eines Spital¬
laboratoriums leicht ausführbare Technik beschrieben. Am 9. Tage
nach der Injektion werden die (möglichst hellfarbigen) Tiere am
Bauche rasiert und täglich die Kutanreaktion mit Hilfe einer kräf¬
tigen Platinoidiumlanzette und unverdünntem Koch’sclien Alt-
Tuberkulin ausgeführt. Der Impfschnitt muß bei der Dicke der
Haut kräftiger sein als beim Menschen. Die Beurteilung der Reak¬
tion erfolgt nach je 24 Stunden.
Eine positive Reaktion stellt sich dar als eine etwa fingernagel-
große Rötung und leichte Erhabenheit, mitunter auch als typische
Quaddel. Dem Eintritt einer positiven Reaktion hat natürlich eine
gründliche Sektion zur Kontrolle zu folgen.
In einer Reihe von Versuchen gelang es, auf diese Weise die
Reaktionszeit auf 13, 12, ja unter Umständen 10 Tage
herabzusetzen, wofür offenbar die Menge der Bazillen sowie deren
Virulenz maßgebend sind.
Die Impfung wurde in allen Fällen subkutan ausgeführt; doch
dürfte es sich empfehlen, bei Material, das voraussichtlich keinerlei
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andere Infektionserreger enthält, die von Oppenheimer (Münch,
med. Wochenschr. 1911) angegebene intrahepatische Modifikation an¬
zuwenden. Autoreferat.
Ist Normalmenschenserum bei der Behandlung von Schar*
lach durch Normalpferdeserum ersetzbar? Von F.
Prinzing. (Aus d. 2. inneren Abteilung des Krankenhauses
Charlottenburg-Westend. — Med. Kl., 1914, Nr. 22.)
In die Scharlachtherapie hatte Rowe die Verwendung von
humanem Normalserum eingeführt (Med. Kl., 1913, Nr. 48). Da die
Beschaffung dieses Materials auf gewisse Sch>vierigkeiten stößt, ver¬
suchten wir statt dessen Normalpferdeserum zu verwenden. 8 Fälle
von mittelschwerer bis leichter Scharlacherkrankung wurden einer
intravenösen Injektion von meist 35 bis 55 ccm Pferdeserum unter¬
zogen unter jeweiliger Vorausschickung von 5 ccm Serum subkutan.
Die Temperatur sank darnach nicht wesentlich anders lytisch ab,
als bei unbehandelten Fällen, die Krankheitserscheinungen nahmen
allmählich ab. Nachkrankheiten und Komplikationen stellten sich
in fast sämtlichen Fällen ein. In keinem Falle sahen wir sofortige
unangenehme Erscheinungen nach der Injektion. Die Anwendung
von Normalpferdeserum in der Scharlachtherapie ist also nicht zu
empfehlen. Autoreferat
Diphtheriebekämpfung in den Volksschulen Augsburgs.
Von Qach auer-Augsburg. (M. m. W., 1914, Nr. 11.}
Seit Beginn des Jahres 1913 wird in den Volksschulen Augs¬
burgs die Diphtherie auf rein bakteriologischer Grundlage bekämpft
Kinder, welche an Diphtherie erkrankt waren, und deren schulpflich¬
tige Wohnungsgenossen werden nur in die Schule aufgenommen,
wenn zwei aufeinanderfolgende Mandelabstriche ein negatives bak¬
teriologisches Resultat ergeben haben. Bei Klassenepidemien erstreckt
sich diese Vorschrift auch auf die Halsentzündungen. Sind die
Maßnahmen nicht von Erfolg, so wird die ganze betreffende Klasse
auf etwaige Bazillenträger untersucht. Letztere werden bis zur Ent¬
keimung aus der Schule ausgeschlossen.
Vom Februar bis Ende Dezember 1913 wurden 1150 Abstriche
ausgeführt und zwar beii4i Diphtherierekonvaleszenten, 118 Halsent¬
zündungen und 60 Wohnungsgenossen. 176 Abstriche verteilen sich
auf vier von Diphtherie befallene Klassen. Von den Diphtherie¬
rekonvaleszenten waren 35,5 Proz., von den Halsentzündungen
11,9 Proz. noch positiv. 25 Proz. von den Wohnungsgenossen ent¬
puppten sich als Keimträger. Bei den in den Klassen vorgenommenen
Massenabstrichen ergaben sich in einer Klasse 2, in einer 5, in einer
dritten 7, in einer weiteren 4 Bazillenträger bei durchschnittlich
44 Schülern. Die Entkeimungsdauer war gewöhnlich 4—5 Wochen.
In 10 Fällen betrug sie mehr als 7 Wochen. In einem Fall erforderte
die Entkeimung fast 12 Wochen. Künstliche Entkeimungsversuche
mit Jodtinktur und iproz. Malonsäure waren erfolglos. Die Schwie¬
rigkeiten des Verfahrens waren hauptsächlich bedingt durch die lange
Entkeimungsdauer und die sich daraus ergebende lange Femhaltung
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i8o
der Kinder von der Schule, sowie durch den Verkehr der Schüler
in der schulfreien Zeit
Wie bereits in anderen Städten, so haben sich auch in Augsburg
die oben geschilderten Maßnahmen als praktisch durchführbar er¬
wiesen und waren in mehreren Fällen von ganz offenkundigem Er¬
folge, indem die vorhandenen Diphtherieepidemien sofort nach dem
Einsetzen der Maßregeln sistierten. Autoreferat
Gonorrhoe und gonorrhoesche Komplikationen bei einem
Säugling. Von Felix Reinhard-Düsseldorf. (Münch, med.
Wochenschr., 1914, Nr. 9.)
Verf. berichtet die Krankengeschichte eines männlichen Säug¬
lings, der während der Geburt von der mütterlichen Scheide mit
Harnröhrengonorrhoe infiziert wurde. Die Mutter bemerkte etwa in
der zweiten Lebenswoche des Kindes zeitweiliges Austreten eines
Tropfen Eiters aus der Harnröhre. In der 3. Woche trat unter
Fieber und Kräfteverfall eine typische doppelseitige Nebenhoden¬
entzündung gonorrhoescher Natur auf, links sehr stark, rechts ge¬
ringer. Nach einigen Tagen schien mit Durchbruch des Eiters
nach außen — es hatte sich eine kleine Fistelöffnung am Hodensack
gebildet — ein günstiger Verlauf nicht ausgeschlossen, als am fol¬
genden Tage eine linksseitige gonorrhoische Gonitis hinzutrat, die
unter Schwellung und Versteifung des Knies in rechtwinkliger
Stellung genau nach Ablauf der 4. Lebenswoche zum Tode führte.
Bemerkenswert scheint dem Verf. der Fall wegen der Seltenheit
der Harnröhrengonorrhoe männlicher Säuglinge überhaupt, vor allem
aber wegen der Häufung und raschen Aufeinanderfolge der Kom¬
plikationen: Beiderseitiger Epididymitis und linksseitiger Gonitis.
Erwähnenswert ist auch die prompte Wirkung der von der Hebamme
vorgenommenen Cred£’schen Augeninstillation, denn die Konjunk¬
tiven blieben gänzlich gesund.
Jedenfalls dürfte das ganze Krankheitsbild als ein recht seltenes,
vielleicht als ein Kuriosum zu bezeichnen sein. Autoreferat
über Interstitielles und subkutanes Emphysem im Verb¬
laute der Masern. Von Joh. Piske. (Aus der Kinder¬
klinik in Kiel; Direktor: Prof. Dr. W. von Stark. — Zentral¬
blatt f. Kinderheilk., 1913, Nr. 12.)
Es handelt sich um 3 Masernfälle, bei denen sich bald nach
Ausbruch des Exanthems plötzlich ein interstitielles Emphysem ent¬
wickelte, das schließlich zu Hautemphysem führte und damit die
Diagnose wesentlich erleichterte. Ein Kind von 6 Jahren und ein
Säugling von i 1 /* Jahr überstanden die Krankheit, ein 5jähriges
Mädchen kam zum Exitus. Die Tatsache, daß ein 5- und ein 6jähr.
Kind befallen wurden, beweist, daß die bisherige Auffassung, daß nur
bei ganz jungen Kindern ein subkutanes Emphysem auftrete, rektifiziert
werden muß. Die Röntgendiagnostik gab keine Bilder, die uns in
der Diagnose wesentlich weiter bringen. Der Verf. benutzt die
Gelegenheit, darauf hinzuweisen, daß die Masern durchaus nicht
immer eine leichte Kinderkrankheit darstellen, und daß der Arzt,
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der es gelernt hat, die Krankheit genau zu beobachten, durch sach¬
gemäße Therapie manchen Komplikationen aus dem Wege gehen
kann. Spiegel- Kiel.
Anämie und Scheinanämie im Kindesalter, sowie deren
Behandlung. Von Erich M ü 11 e r - Berlin-Rummelsburg.
(Zschr. f. ärztl. Fortbildg., 1914, Nr. 3.)
Auf Grund der neueren Forschungen ist der Begriff der primären,
idiopathischen Anämien gefallen. Die gesamten blajssen Zustände
im kindlichen Alter teilen sich in zwei große Gruppen, das sind die
sekundären Anämien und die sogenannten scheinanämischen Zustände.
Die sekundären Anämien im Kindesalter sind zahlreich. Hierher
gehören die Anämien nach Melaena, bei Barlow, bei Purpura, bei
nicht kompensierten Herzfehlern. Eine andere Gruppe sind die
Anämien bei Tuberkulose, Lues, Grippe und anderen subkutanen
und chronischen Infektionen. Auch der Zusammenhang zwischen
gewissen Diathesen und Anämie scheint hierher zu gehören. Der
Zusammenhang zwischen Rachitis und Anämie ist noch zweifelhaft.
Ferner gehören hierher die Anämien bei Nephrosen, die Chlorose
undAnämia splenika. Die kindlichen Scheinanämien werden in drei
Gruppen geteilt Die erste gehört zu den neuropathischen Kindern.
Diese Kinder mit ihrem labilen Nervensystem reagieren auf alle
Schädlichkeiten, besonders alimentärer und infektiöser Natur sehr
stark und werden dabei blaß. Bei der zweiten Gruppe handelt es
sich um eine abnorme Verteilung des Blutes im Körper, z. B. bei
Blutüberfüllung in den erkrankten Därmen. Die dritte Gruppe bilden
die lokal bedingten Scheinanämien und zwar einmal durch eine ver¬
minderte Durchsichtigkeit der Haut oder durch ein schlecht ent¬
wickeltes Hautkapillarnetz. Die Diagnose Schul- oder Proletarier¬
anämie sollte immer analysiert werden.
Entsprechend der Ätiologie muß die Therapie kausal sein. Bei
der Anämia splenika ist daher das Eisen ebenso nutzlos wie es bei
der Chlorose heilend ist, neben Ruhe- ünd Schwitzkur. In erster
Linie ist bei den sekundären Anämien das primäre Leiden zum An¬
griff der Therapie zu machen. Bei den scheinanämischen Zuständen
verbietet sich eine Eisentherapie von selbst. Spiegel-Kiel.
Die enterale Resorption von genuinem Eiweiß bei Neu-
geborenen und darmkranken Säuglingen und ihre
Verwertbarkeit als Funkttonsprttfungsmethode. Von
A. Lawatschek. (A. d. med. Klin. im P'ranz Josef-Kinder-
spital a. d. hygien. Instit. d. deutsch. Univ. in Prag. — Prag,
med. Wschr., 1914, Nr. 16.)
R esu me. Da bezüglich der Durchlässigkeit des Darmes für
artfremdes Eiweiß bei Neugeborenen bisher eine größere Reihe von
Untersuchungen nicht angestellt worden ist, mußte vor allem fest¬
gestellt werden, ob die Permeabilitätsreaktion in allen einwandfrei
durchgeführten Versuchen ein positives Ergebnis gebe oder nicht.
Sie ist in keinem Falle, w r o wir anzunehmen berechtigt waren, daß
das Kind mindestens einen ansehnlichen Teil des gereichten Eiweißes
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behalten habe, negativ ausgefallen. Wie lange sich die Reaktion
positiv erhält, konnten wir nicht beantworten, da die meisten Kinder
noch zu einer Zeit aus dem Gebärhause entlassen werden mußten,
in der sie noch positiv reagierten. Wir können nur sagen, daß die
Permeabilität des Darmes Neugeborener für heterologes Eiw r eiß
(Hühnereiereiweiß) physiologischerweise über den zehnten Lebenstag
hinausreicht. Mit zunehmendem Alter scheint die Resistenz der
Magendarm wand zu wachsen. Dies dürfte allmählich vor sich gehen,
denn wir konnten auch bei Kindern der nächsten Lebenswochen
beobachten, daß das Alter eine nicht unwesentliche Rolle im Ausfall
der Reaktion spielt. Bei den leichteren Erkrankungen sahen wir,
entsprechend der geringeren Abweichung vom normalen Zustande,
überhaupt nur selten Reaktionen und diese meistens nur bei wenige
Wochen alten Säuglingen.
Bei schweren Darmstörungen hingegen erreichten wir auch bei
älteren Säuglingen ausgesprochen positive Reaktionen, die bei akuten
Enteritiden und bei Exazerbationen chronischer Prozesse oft Werte
erreichten, wie wir sie bei Neugeborenen gefunden haben oder die
sie noch übertrafen. Wir vermuten daher, daß die Schwere entero-
gener Allgemeinerkrankungen überhaupt auf dem Grad der Durch¬
lässigkeit des Magendarmkanals beruht Bei dem schwer darm-
kranken Säugling stehen wie beim Neugeborenen Tür und Tor für
das Eindringen unabgebauter, also giftiger Stoffe offen. In den in
bestimmten Zwischenräumen vorgenommenen Wiederholungen der
Reaktion konnten wir an dem Ausfall derselben die im Laufe der
Erkrankung eintretenden Änderungen der Durchlässigkeit im Sinne
einer Reparation oder Progredienz des Prozesses beurteilen und daraus
prognostische Schlüsse ziehen. Denn es stellte sich heraus, daß ein
gewisser Parallelismus zwischen der Größe der Durchlässigkeit
(bezw. der Intensität der Reaktion) und dem Ausgang der Erkrankung
besteht. So konnten wir demnach die zweite Frage, wie weit wir
die Permeabilitätsreaktion zur Funktionsprüfungsmethode erheben
können, in bejahendem Siiine beantworten. Daß bei häufiger Wieder¬
holung die Reaktion durch etwa im Blute vorhandene Präzipitine
abgeschwächt und dadurch entwertet werden sollte, konnten wir
nicht beobachten. Es wurde zwar im Blute der betreffenden Kinder
nicht nach Präzipitinen gefahndet; immerhin dürfte eine diesbezüg¬
liche Fehlerquelle gering zu bewerten sein.
Quarkfettmilch — ein weiterer Ersatz der Eiweißmilch.
Von Erich Aschen heim. (Ther. Monatsh., Juni 1914.)
Die Vorzüge der Quarkfettmilch bilden die leichte und bequeme
Art ihrer Herstellung und ihre Billigkeit. Das Prinzip beruht auf
einer feinen Verteilung von 10 Proz. Quark in einer Halbmilch,
die außerdem mit 10 Proz. Rahm angereichert wird. Als Ver¬
dünnungsflüssigkeit der Halbmilch wird eine Mondaminabkochung
mit Zusatz von Zucker (Nährzucker) verwendet. Die Menge der
Kohlehydrate ist vom Arzt zu bestimmen. Man beginnt am besten
mit geringen Mengen und steigt allmählich bis zu 4 Proz. Nähr¬
zucker und 2 Proz. Mondamin.
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Rezept für i Liter Quarkmilch;
1. ioo g süßer Quark werden in 500 g kal ter Vollmilch und
100 g kalter Sahne gut verrührt und zwei- bis dreimal durch ein
feines Sieb getrieben.
2. In etwa 300 ccm Wasser werden Mondamin und Nährzucker
in der gewünschten Konzentration aufgekocht.
3. Die Mehl-Zuckerabkochung wird in abgekühltem Zustand
der Milchmischung zugesetzt
4. Die fertige Milchmischung wird nochmals ein- bis dreimal
durch ein Sieb getrieben, bis sie gut durchläuft
5. Nunmehr Verteilung der Milch in Flaschen und erwärmen
im Wasserbad etwa 5 Minuten lang auf 80 Grad.
Man k ann die Quarkfettmilch auch kurz aufkochen, doch flockt
der Quark dann oft (nicht immer) etwas aus.
Der Nährwert von 1 Liter Quarkfettmilch ohne Kohlehydrat-
zusatze beträgt etwa 437 Kalorien. Die Zusammensetzung an orga¬
nischen und anorganischen Bestandteilen ist etwa dieselbe wie die
der Original-Eiweißmilch von Finkeistein.
Man hat es in der Hand, nach Bedarf auch geringere Konzen¬
trationen der Quarkfettmilch herzustellen. Autoreferat
Uber Fettaustausch in der Säuglingsernährung. Von
Julius Peiser-Berlin. (Berl. klin. Wschr., 1914, Nr. 25.)
Wenn auch für den ernährungsgestörten Säugling eine fettarme
Nahrung oft die geeignete Heilnahrung darstellt, so ist doch für
den gesunden .Säugling eine zu fettarme Nahrung von Übel. Für
Dauerernährung muß stets dem Fett ein hinreichender Platz in der
Nährmischung eingeräumt werden. Für den Erfolg fetthaltiger
Nahrung kommt es aber sehr auf die Art des dargebotenen Fettes
an. Zur Klärung dieser Frage hat Verf. bei einer Reihe von Säug¬
lingen im Rahmen des gleichen Nahrungsverbandes Fettaustausch
vorgenommen und die klinischen Erscheinungen kontrolliert. Dabei
hat sich gezeigt, daß die einzelnen Individuen hinsichtlich der Fett¬
verdauung sich verschieden verhalten, daß aber im allgemeinen
Butter und Sahne schlechter vertragen werden als Sesamöl, Sü߬
mandelöl, Lipanin, Palmin und Lebertran. Nach klinischem Gesamt-
eindrück wurde Lebertran am besten vertragen. Die Ursache der
verschiedenen Verdaulichkeit beruht nicht nur in verschiedenem
Oleinsäuregehalt der einzelnen Fette, sondern ist wahrscheinlich in
erster Reihe in Zahl und Art der niedern Fettsäuren zu suchen,
welche beim enteralen Abbau der einzelnen Fette frei werden. Die
leichte Verdaulichkeit des Öles und Lebertrans läßt sich zur Tole¬
ranzprüfung gegen Fett klinisch verwerten. H.
Zur Behandlung der Lichtscheu bei Konjunktivitis ekze~
matosa. Von Hans Peterka. (A. d. Kaiserin Elisabeth-
Kinderhospital der Stadt Wien in Bad Hall (Oberösterreich).
— Münch, med. Wschr., 1914, Nr. 22.)
Verf. berichtet in einer vorläufigen Mitteilung, daß er statt des
bisher verwendeten Kokain eine 5proz. wässerige Lösung von salz-
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saurem Äthylhydrokuprein, welches als Öptochin. hydrochlor. im
Handel erhältlich ist (Vereinigte Chininfabriken Zimmer & Co. in
Frankfurt a. M.), mit gutem Erfolge versucht hat. Das Präparat ist
in Substanz unbegrenzt haltbar, hingegen büßt die L6sung schon
in drei Wochen bedeutend an Wirksamkeit ein. Die Instillationen
hat er in zweitägigen Intervallen vorgenommen, weil das Mittel
nach Tierexperimenten eine mehrtägige Anästhesie der Hornhaut
erzeugt. Durch einige Instillationen wurde selbst in exzessiv hart¬
näckigen Fällen die Lichtscheu gänzlich behoben. Schädliche Neben¬
wirkungen wurden nicht beobachtet. In Fällen, wo ekzematöse
Effloreszenzen vorhanden sind, sind dieselben selbstverständlich über¬
dies in der üblichen Weise zu behandeln. P. betont schließlich die
Notwendigkeit, den Kindern auch eine ausgiebige Allgemeinbehand¬
lung zuteil werden zu lassen. Autoreferat
über das Verhältnis zwischen dem Körperwachstume und
der Entwicklung des Brustumfanges beim Menschen.
VonLevy, Magnau u. Seilet (Revuepratiqued’obstetrique
et de p6diatrie, Januar 1914.)
Der Thorax ist während des Wachstumes Veränderungen unter¬
worfen, die nicht ohne Interesse sind, wenn man den menschlichen
Thorax mit dem der Säugetiere vergleicht
Beim Fötus ist der Thorax seitlich zusammengedrückt; durch
seine Entwicklung von vorne nach hinten erinnert er an den Thorax
der Vierfüßer. Bei der Geburt erweitert er sich im transversalen
Durchmesser. Der infantile Typus weicht allmählich von dem fö¬
talen Typus ab um sich dem Thorax der anthropoiden Affen zu
nähern. Er ist kurz und abdominal, denn, nach Chapy ist das
Kind ganz Bauch und Gehirn.
Die Autoren haben für das Alter von der Geburt bis zum 25.
Jahre die durchschnittliche Körpergröße für jedes Altersjahr eruiert,
dann dieselbe mit dem jeweiligen Thoraxumfange verglichen und
die entsprechende Verhältniszahl festgestellt. Auf Grund ihrer Unter¬
suchungen an 100 vollkommen gesunden Personen kamen dieselben
zu folgenden Resultaten:
Während die Verhältniszahl von 1 bis zu 5 Jahren 3,50 über¬
steigt, fällt dieselbe von 7 Jahren ab rasch unter 0,50, ein Beweis
dafür, daß die Körpergröße viel rascher als der Brustumfang zunimmt.
Mit 10 Jahren alsdann weisen sowohl die Körpergröße als der Thorax¬
umfang einen Stillstand der Entwicklung in der Periode, die der
Pubertät vorangeht, auf. Zur Zeit der Pubertät hingegen nimmt
sowohl die Körpergröße als der Thoraxumfang intensiv zu. Diese
Zunahme ist jedoch beim Thoraxumfange bedeutender.
Die Verhältniszahl nimmt mit zunehmender Entfernung von der
Geburt ab; von 13—16 Jahren nimmt die Verhältniszahl rasch zu.
Stellt man das Verhältnis zwischen Thoraxumfang und Körper¬
größe graphisch dar, so kommt man zu folgendem Ergebnisse:
Von o bis zu 5 Jahren übersteigt der Thoraxumfang, wenngleich
er zusehends abnimmt, die Hälfte der Körpergröße. Vom 5. Jahre
ab nimmt der Thoraxumfang plötzlich ab und bleibt unter der halben
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'Körpergröße bis gegen 14 Jahre zurück. Dann nähert er sich bis
zu 20 Jahren derselben allmählich, um sie vom 20. Jahre ab zu über¬
steigen.
Dieses Schema kann in der Praxis als Wegweiser dienen.
v. la Hausse (Rosenheim).
Zur Behandlung der Phimose im Kindesalter. Von Erich
Romin ger. (Aus der Universitäts-Kinderklinik Freiburg i. Br.
— Münch, med. Woch., 1914, Nr. 21.)
Es handelt sich um eine unblutige Methode der Phimosen¬
beseitigung und zwar eine Dehnung der verengten Vorhaut mit
eigens zu diesem Zweck angefertigten Laminariastiften. Der Stift
hat eine kegelförmige Gestalt und ist an seinem der Urethralöffnung
zugewendeten Ende gleichmäßig abgerundet. Kurz darüber besitzt
er seinen größten Umfang, um dann gegen das nach außen gerichtete
Ende hin wieder dünner zu werden. Durch diese Form wird ein
Scheuem und Herausgleiten beim Pressen und Urinieren nicht nur
verhindert, sondern dabei ein Vortreiben i. d. verengerte Zone und
hiermit eine vermehrte Dehnung dieser erreicht Der Stift ist selbst¬
verständlich der Länge nach durchbohrt. Die Befestigung des Stiftes
geschieht durch die Fixierung der am äußeren Ende desselben in
2 queren Bohrungen angebrachten Seidenfäden mit Heftpflaster. Man
fordert größere Kinder schon wenige Minuten nach Einführung des
Stiftes auf zu urinieren, wodurch die Quellung beschleunigt wird.
Die Einführung des Stiftes, der in 5 verschiedenen Stärken von
3 mm bis 7 mm verpackt zu 10 Stück unter dem Namen „Phimose-
Dilatatoren nach Dr. Erich Rominger“ von der Firma Wilhelm
Pfeiffer, Freiburg, Kaiserstraße 89, in den Handel gebracht wird, ge¬
lingt ohne besondere Schwierigkeiten und nahezu ohne Beschwerden.
Sobald der Stift eingeführt ist und richtig liegt, werden keinerlei
Klagen geäußert Die Kinder spielen und sind munter wie zuvor.
Nach ungefähr 6—8 Stunden zieht man ohne Mühe den Stift, dessen
Durchmesser um mehr als das Doppelte vergrößert ist, aus der
nun schön gedehnten Vorhaut zurück und erneut das Verfahren so
oft, bis man das Präputium bequem bis etwa über die Mitte der
Glans zurückschieben kann. Bei Phimosen leichteren Grades ist das
gewöhnlich schon nach einmaliger Laminariadehnung der Fall.
Unter 50 Phimosenfällen wurden 46 mit den Phimosendilatatoren
ohne weiteres von ihren Beschwerden befreit.
Der Vorteil der Methode liegt darin, daß man damit das lästige
Übel fast immer vollkommen ohne operativen Eingriff,
gefahrlos, ohne besondere Sch merzen und vor den Augen
der besorgten Mutter beseitigen kann. Autoreferat
Zur Behandlung der Furunkulose im Säuglingsalter
mittels Thermokauter. Von Marie Else Schubert.
(Aus der Univ.-Kinderklinik zu Heidelberg. Münch, med. W.
1914. Nr. 14.)
Schüle behandelt die Furunkulose der Erwachsenen, indem er
mittels spitzen Thermokauters in das Zentrum der frisch infiltrierten
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Stelle einsticht Dieselbe Methode hat nun die Autorin bei den
multiplen Abszessen der Säuglinge in Anwendung gezogen. Der
Paquelin schafft in dem Abzeß eine zwar nicht große, aber doch
kreisförmige Öffnung, die dem Sekret freien Abfluß gewährt und
bei der nicht die Gefahr besteht, daß sich die Wundränder • schnell
wieder aneinanderlegen, verkleben und zur Retention Veranlassung
geben. Genügt eine Öffnung zur Entleerung eines größeren Ab-
zesses nicht, so sticht man mehrere Male ein und zwar dann
möglichst an der Basis der Wölbung. Derartig behandelte Haut-
abzesse weisen meist am zweiten Tage keine Spur von Infiltration
mehr auf und zeigten nur noch eine kleine punktförmige schwarze
Borke, die sich bald unter Zurücklassung einer winzigen, weißlichen
Narbe abstieß. Rezidive wurden selten beobachtet, meist genügte
die einmalige Eröffnung der Abszesse, bei sehr ausgedehnten Pro¬
zessen an 2—3 aufeinanderfolgenden Tagen, um die Furunkulose
zum Ausheilen zu bringen.
Nach der Kauterisation wendet Sch. Schmierseifenbäder an, die
dann noch wochenlang fortgesetzt werden. Schn eil-Halle.
über „Romauxan“, ein neues Nährpräparat. Von Bönning-
Darmstadt (Zentralblatt für die gesamte Therapie, 1914. H. 2.)
Das Romauxan ist ein Eiweißpräparat, das durch einen Zusatz
von Fruchtessenz einen angenehmen Geruch und einen leichten
Fruchtgeschmack erhalten hat; für Kinder kann man diesen Frucht¬
geschmack noch etwas erhöhen durch Zusatz von Zucker. Das
Präparat ist direkt als wohlschmeckend zu bezeichnen und wird
von den Patienten gern genommen; Kindern kann man das Romauxan
in Milch geben. Bei Störungen, besonders der motorischen Magen¬
funktionen, oder Vorhandensein irgend eines Hindernisses in den
oberen Teilen des Digestionsapparates kann man das Präparat auch
sehr gut als Nährklystier verwenden, umsomehr, als sich daraus
leicht konzentrierte Lösungen herstellen lassen. Nach den Er¬
fahrungen B.’s wirkt das Romauxan günstig auf die Zunahme des
Körpergewichtes ein; insbesondere ist hervorzuheben, daß es an¬
scheinend eine prompte Wirkung auf die Stillfähigkeit besitzt
Der Verf. gab in allen Fällen zweimal täglich einen Teelöffel
voll. Das Romauxan wird zum Gebrauche mit der gleichen Menge
Wasser angerührt, bis sich nach etwa 10 Minuten unter Kohlen¬
säureentwicklung das Präparat gelöst hat, dann wird entweder mit
Wasser weiter verdünnt oder das Präparat der Milch oder Suppe
zugesetzt. Es ist nicht zweckmäßig, das Romauxan sauren Flüssig¬
keiten zuzusetzen, wie z. B. Zitronensaft, Himbeersaft oder Wein,
da das Präparat durch die darin enthaltene Säure ausgefällt wird.
Romauxan ist für weitere Nachprüfungen angelegentlichst zu
empfohlen.
S chrumpfniere im Kindesalter. Von Richard Lederer- Erfurt.
(Aus der Kinderabteilung des Kaiser Franz Joseph-Spitales in
Wien. — Mitteilg. d. Ges. f. inn. Med. u. Kinderh. in Wien,
1914, Nr. 4.)
Präparate eines 12jährigen Mädchens, das wenige Tage ante
exitum zur Aufnahme gelangte. Früher oft Schmerzen in den Füßen,
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Ohnmachtsanfälle. Seit 2 Monaten Klagen über heftige Kopfschmerzen,
Stechen in der Herzgegend und Atemnot. Starke Verbreiterung des
linken Herzens, akzentuierte zweite Töne an der Basis. Im Harn 3 °/ 00
Eiweiß, Sediment sehr spärlich, und wenige Leukozyten, keine Zy¬
linder enthaltend. Mäßige Anämie. Unter klonischen Krämpfen
und Herzschwäche Exitus. — Die Obduktion ergab das Bestehen
einer chronischen Nephritis mit hochgradiger ungleichmäßiger
Schrumpfung der Nieren. Die linke mißt etwa 3x1, die rechte
5x2 cm. In beiden Nieren ausgeprägte regenerative Wucherungen.
Höchstgradige exzentrische Hypertrophie des linken Herzens.
Autoreferat
Die Spitzendämpfung im Kindesalter. Von Friedrich Mielke.
(Aus der Universitätskinderklinik zu Göttingen, Direktor Prof.
Dr. F. Göppert.)
Verf. weist an der Hand von 18 Fällen nach, daß bei der Ver¬
wertung der Spitzendämpfung trotz belastender Anamnese nicht gleich
Diagnose auf Tuberkulose gestellt werden darf, wenn man sich nicht
genau überzeugt hat, daß der Pat. bei der Untersuchung absolut
gerade steht. Diese gerade Haltung erreicht man dadurch, daß man
den Oberkörper leicht nach vorn bringen und den Bauch einziehen
läßt. Die Dämpfung ist durch eine leichte Skoliose bedingt, die man
nur findet, wenn man die Kinder bis zum Becken entblößen läßt
und auf das Taillendreieck achtet. Die Dämpfung als Pseudodämpfung
zu entlarven ist nur in der korrigierten Haltung möglich, die aber
spontan trotz des Kommandos „Gerade Stehen“ nie eingenommen
wird, weil die Kinder das Lagegefühl für ihre Rückenmuskulatur
verloren haben.
Bei diesen Fällen erweckt der lange schmale Thorax, die Blässe
und Appetitlosigkeit der Kinder, den Verdacht auf Tuberkulose, der
durch die Dämpfung der Spitze natürlich verstärkt wird. Wenn man
bei jeder Spitzendämpfung systematisch auf eine Haltungsanomalie
achtet, wird man häufig die Skoliose finden und durch Gymnastik
der Rückenmuskulatur die Dämpfung beseitigen. Autoreferat.
Psychotherapie in der Kinderheilkunde. Von Theodor G ö 11.
(M. m. W., 1914, Nr. 25.)
Der gedrängte Überblick über die Verfahren, mit denen man in
der kinderärztlichen Praxis psychogene und psychoneurotische Zu¬
stände auf psychischem Wege, von der Psyche aus, zu behandeln
sucht, beginnt mit der Besprechung derjenigen Methoden, die kein
besonders tiefes Eindringen in die jeweilige kranke Individualität
erfordern, bei denen man nicht mehr individualisieren muß als bei
jeder Art von Therapie. Hierher gehören die (kaum Methoden zu
nennenden) Verfahren des Milieu Wechsels bezw. der Isolierung,
der Beschäftigungs- oder Arbeitstherapie, sowie alle die¬
jenigen psychotherapeutischen Einwirkungen, die auf dem Mechanis¬
mus der Suggestion beruhen. Die in diese Kategorie zu zählende
sog. Shock- oder Uberrumpelungstherapie wird vielleicht
häufiger angewandt, als sie indiziert ist; sie hat ihre starken Schatten-
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seiten. Dagegen dürfte, neben anderen weniger brüsk wirkenden
suggestiven Verfahren, die hypnotische Behandlung mehr An¬
wendung verdienen, vor allem z. B. in der Therapie der Enuresis
nokturna.
Von den Methoden, die ein viel tieferes Einleben und Einfühlen
des Arztes in die Persönlichkeit des kranken Kindes verlangen,
kommen inBetracht die sog.Persuasionsmethode vonDubois,
die trotz ihrer einseitig rationalistischen Auffassung auch bei man¬
chen Kindern sehr Gutes wirkt, dann die mehr auf eine Erziehung
der ganzen kranken Persönlichkeit gerichteten persuadierenden und
willensübenden Verfahren, und endlich diejenigen Methoden, die auf
psycho-analytischen Anschauungen basieren; einmal die sogenannte
Psychokatharsis von Franck, über deren Brauchbarkeit bei
Kindern bereits Material vorliegt, und dann die eigentliche Psycho¬
analyse, deren allgemeiner Anwendung bei Kindern der Verfasser
freilich noch nicht das Wort reden möchte, da die vielerlei Fragen
noch zu wenig geklärt sind und die psychoanalytischen Lehren noch
zu wenig Stabilität besitzen. Im allgemeinen dürfte es auch für den
Kinderarzt das Empfehlenswerteste sein, nicht mit einer einzigen
Methode alle Fälle, die da kommen, zu behandeln, sondern vielmehr
von Fall zu Fall diejenige Methode zu wählen, die für den speziellen
Fall am geeignetsten erscheint
Bücherbesprechungen.
Lehrbuch der Kinderheilkunde. Herausgegeben von Prof.
Dr. E. Feer, Direktor der Universitäts-Kinderklinik in Zürich.
3. Aufl., Lex. 8°, VIII und 766 S., m. 2 Tafeln und 205 teil¬
weise farbigen Abbildungen. Jena 1914. Verlag von Gustav
Fischer. Brosch. 12,—, geb. 13,— Mk.
Wenn bei einem Werke innerhalb drei Jahren die 3. Auflage
nötig wird, so ist dies allein meist schon ein Beweis dafür, daß es
einem vorhandenen Bedürfnis entgegen gekommen ist und die Er¬
wartungen erfüllt hat, mit denen der Leser an das Buch herantrat
Und in der Tat! Feer hat es verstanden, sich eine Reihe von vor¬
züglichen Mitarbeitern zu werben, die seinen Grundgedanken, jedes
Gebiet von einem mit ihm besonders vertrauten Autor bearbeiten
zu lassen und trotzdem dem ganzen Lehrbuch einen abgerundeten
einheitlichen Charakter zu erhalten, mit Geschick haben verwirk¬
lichen helfen. So ist es gekommen, daß infolge der persönlichen
Note, die jedes einzelne Kapitel eines Autors trägt, die leicht bei
einem, von einem einzigen Verfasser stammenden Werke sich ein¬
stellende Gleichförmigkeit der Diktion fehlt und die als Resultat
der Bearbeitung durch verschiedene Federn in einzelnen Fällen
vorkommenden Wiederholungen nimmt man bei den sonstigen Vor¬
zügen gern mit in Kauf, zumal sie bei der Verschiedenheit der
Darstellungen nicht ermüdend oder überflüssig wirken.
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i8g
Dem der Feder Thiemichs entstammenden allgemeinen Teile,
welcher die anatomisch-physiologischen Eigentümlichkeiten des
Kindesalters, die Ernährung und Pflege, Untersuchungstechnik, all¬
gemeine Pathogenese, Prophylaxe und Therapie umfaßt, folgen die
speziellen Kapitel Erkrankungen der Neugeborenen (Fink ei¬
st ein und Meyer), krankhafte Veränderungen des Blutes und der
blutbereitenden Organe, Konstitutionsanomalien und Stoffwechsel¬
krankheiten (v. Pfaundler), Krankheiten der Verdauungsorgane
(Finkeistein und Meyer), der Respirationsorgane (v. Pirquet);
des Herzens (Feer), der Urogenitalorgane (Tobl er), des Nerven¬
systems (Ibrahim), die akuten Infektionskrankheiten (Für), Tuber¬
kulose (v. Pirquet), Syphilis (Moro), und Krankheiten der Haut
(ders.). Ohne andere Abschnitte als weniger gelungen bezeichnen
zu wollen, möchte Ref. die von v. Pfaundler herrührende Be¬
arbeitung des Abschnittes krankhafte Veränderungen des Blutes,
Diathesen, Konstitutionsanomalien und Pathologie der Kuren mit
innerer Sekretion trotz seines relativ geringen Umfanges sowie die
Darstellung der Ernährungsstörungen, wie sie Finkeistein und
L. F. Meyer im Anschluß an die grundlegenden Anschauungen
Czernys, aber erweitert durch eigene und anderer zahlreiche
Untersuchungsergebnisse und Ansichten, geben, für den Studierenden
und Nichtstudierten als besonders instruktiv bezeichnen. Eben¬
so sind die Infektionskrankheiten, entsprechend ihrer für das
Kindesalter hervorragenden Wichtigkeit von Feer ausführlicher
behandelt worden, als z. B. die im Verlauf sich von dem bei Er¬
wachsenen weniger unterscheidenden Affektion des Herzens, des
Urogenitalapparates u. s. w.
Die Ausstattung des Werkes ist, wie bei dem guten Rufe des
Verlags zu erwarten, im allgemeinen recht schön, doch dürften bei
einer späteren Auflage noch mehrere Abbildungen, wie es schon
bisher geschehen, durch solche, die klarere Anschauungen ver¬
mitteln, ersetzt werden können und bei einigen wäre eine farbige
Wiedergabe charakteristischer. Baron- Dresden*
Geburtenrückgang und Geschlechtskrankheiten. Von
Prof. A. Blaschko-Berlin. gr. 8°, 42 S. Leipzig 1914.
Verlag J. A. Barth. Pr. 80 Pf.
Der Inhalt des vorliegenden Heftes ist die Wiedergabe eines
Vortrages, den Verf. auf der n. Jahresversammlung der Deutschen
Gesellschaft für Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten gehalten hat.
Der Zusammenhang des Bevölkerungs- und Fortpflanzungs¬
problems mit den venerischen Krankheiten ist ein doppelter. Die¬
selben wirtschaftlichen Verhältnisse, welche gewisse abnorme Zu¬
stände des Sexuallebens herbeiführen, zielen auch daraufhin, die
Verbreitung der Geschlechtskrankheiten zu steigern, andererseits
wirken die Syphilis wie die Gonorrhoe direkt geburtenvermindemd.
Der Geburtenausfall aus den Geschlechtskrankheiten scheint in den
letzten Jahren nicht zu genommen zu haben. Trotzdem ist der hier¬
durch der Bevölkerungsvermehrung zugefügte Schaden ein so
erheblicher, daß angesichts der Schwierigkeit die anderen Faktoren
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zu beeinflussen, die Geschlechtskrankheiten als schädigender Faktor
doppelte Bedeutung gewinnen.
Verf. spricht sich gegen die Entziehung der antikonzeptionellen
Mittel aus dem freien Verkehr, weil eine Zunahme der Geschlechts¬
krankheiten die Folge wäre.
Nur wenn die Aufzucht des Nachwuchses nicht mehr zu einer
unerschwinglichen Last für die Eltern, besonders der Mütter wird,
kann man wieder eine zunehmende Tendenz der Geburtsziffer
erwarten.
Die vorliegende Arbeit bringt vielfach neue Gesichtspunkte zu
dem heute viel erörterten Thema. Schlichting-Cassel.
Die spastischen Erkankungen des Verdauungskanals.
Von Prof. Dr. Karl Wal ko-Prag. Sammlung zwangloser
Abhandlungen aus dem Gebiete der Verdauungs- und Stoff¬
wechsel-Krankheiten mit Rücksicht auf allgemein-ärztliche
Interessen herausgegeben von Prof. A. Albu-Berlin, gr. 8°,
58 S. Halle a. S. 1914. Carl Marhold, Verlag. Einzelpreis
1,50 Mk.
Das vorliegende Heft behandelt den Oesophagus (Oesopliago-
spasmus, Kardiospasmus), den Magen (Hypermotilität, Hypertonie
und Gastrospasmus, lokale Zirkulärspasmen, spastischer Sanduhr¬
magen, Spasmen der Längsmuskelfasern, Pylorospasmus und spastische
Pylorusstenose), den Darm (lokale Darmspasmen, Kolonspasmen,
spastische Obstipation, spastische Diarrhöen, Proktospasmus). Verf.
bespricht zunächst die physiologischen Erscheinungen, dann die
klinischen, die Diagnose und die Therapie. Am Schluß ist eine
reichhaltige Literaturangabe. Schlichtin g-Cassel.
Vorträge über Ernährung und Pflege des Kindes im
ersten und zweiten Lebensjahre. Gehalten in der
städtischen Säuglingsfürsorgestelle V in Berlin. Von Dr. med.
Gustav Tugendreich, leitendem Arzt 2. erweiterte Aufl.,
8°, VIII und 83 S. mit 7 Textabbildungen. Stuttgart 1914.
F. Enke. 1,60 Mk.
In sechs Vorträgen hat der Verf. alles wichtige und notwendige
zusammengefaßt, was jede Mutter wissen und lernen sollte. Das
Buch gehört zu dem Besten, was auf diesem Gebiete geschrieben ist
Spiegel - Kiel.
Kinderpflege-Lehrbuch. Bearbeitet von Dr. med. Arthur
Keller, Prof, in Berlin und Dr. med. Walter Birk, Priv.-
Doz. in Kiel. Mit einem Beitrage von Dr. med. Axel Tages-
son Mö 11 er - Berlin. 2. umgearbeitete Auflage, gr. 8°, VII
u. 144 S. mit 40 Abbildungen im Text. Berlin 1914. Verlag
von Julius Springer. Pr. kart. 2 >— Mk.
Die Verff. haben sich in die Bearbeitung geteilt. Keller hat
den allgemeinen Teil geschrieben, der die Anatomie und Physio¬
logie des Kindes umfaßt und er behandelt zum Schluß in einem
selbständigen Kapitel den heutigen Stand der Säuglingsfürsorge.
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Birk bespricht die spezielle Kinderpflege. Möller hat diesem Teil
eine Darstellung der Zimmergymnastik bei Kindern angegliedert.
Das Kinderpflege-Lehrbuch, mit Verständnis der Materie ver¬
faßt, ist geeignet, in den Kreisen der Pflegerinnen viel Gutes zu
schaffen. Schalenkamp -Krombach (Siegen).
Kurze Notizen aus der Praxis und Wissenschaft.
Akute Appendizitis im Verlaufe von Varizellen.
Von Lesne.
Das Auftreten der Blinddarmentzündung bei Infektionskrank¬
heiten ist oft sicher beobachtet. In diesem Falle trat die akute
Erkrankung auf bei einem fünf- und einem zehnjährigen Kinde, die
keinerlei krankhafte Erscheinungen von seiten des Abdomens dar¬
boten, gleichzeitig mit dem Ausbruch der Varizellen. Es handelt
sich wohl sicher um eine hämatogene Infektion. Spiegel-Kiel.
(Bull, de la soc. de ped. de Paris, 1913, Nr. 9.)
Uber die Schwierigkeit der Appendizitis-Diagnose
bei kleinen Kindern. Von Viktor Veau.
Sechs Fälle, bei denen auf recht zweifelhafte Symptome hin
operiert wurde, und doch mit Recht operiert wurde, denn in allen
Fällen fanden sich schwere Veränderungen am Appendix. Die exakte
Diagnose beim Kinde in den ersten Lebensjahren ist äußerst
schwierig und unsicher. Die Prognose ist viel ungünstiger als beim
Erwachsenen. Spiegel-Kiel.
(Bull, de la soc. de ped. de Paris, 1914, Nr. 1.)
Die rektale Anwendung künstlichen Serums in der
Kinderheilkunde. Von Lesne.
Der Verf. sah gute Erfolge bei Dysenterie, Gastroenteritis,
Typhus u. a. Er ließ 50—200 ccm tropfenweise ins Rektum ein¬
fließen, und setzte auch Medikamente zu. Uber Konzentration der
zu benutzenden Salzlösung sind in der Diskussion die Meinungen
verschieden, jedoch einig in der Auffassung, daß die rektale Tropf-
methode gegenüber der subkutanen Infusion die schonendere
Methode ist Spiegel-Kiel.
(Bull, de la soc. de ped. de Paris, 1913, Nr. 8.)
Die Behandlung des allgemeinen Erysipels beim
Säugling. Von Guinon und Izard.
Wenn die Rose beim Säugling dazu neigt, sich zu generali¬
sieren, so ist der Tod die Regel. Ein elfmonatliches Kind wurde
folgendermaßen behandelt und geheilt: Es wurden Entspannungs-
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schnitte angelegt und die Wunden mit Collafgol verbunden, ferner
Einreibungen mit Collargolsalbe gemacht. Spiegel - Kiel.
(Bull, de la soc. de ped. de Paris, 1913, Nr. 10.)
100 Injektionen in die Kopf- und Halsvenen von
Säuglingen und jungen Kindern zur Behandlung von
Lues heredi taria. Von G. Blechmann. (Aus der Abteilung
von Prof. Mar tan des Höpital des Enfants-Malades.)
Es wurde Neosalvarsan in konzentrierter Losung benutzt Die
Technik wird genau beschrieben und besonders auf die Schwierig¬
keiten hingewiesen, das Lumen der engen Gefäße nicht zu ver¬
letzen. Die schönen Erfolge machen den Verf. zu einem begeisterten
Anhänger Ehrlichs. Spiegel-Kiel.
(Bull, de la soc. de p6d. de Paris, 1914, Nr. 1.)
Bericht über die Anwendung von An tityphus-Vak-
zine (Vinzent) beim Kinde. Von Guinon und Malarte.
Elf Fälle, darunter zwei sehr schwere, wurden außer mit den
sonstigen üblichen Mitteln, bakteriotherapeutisch behandelt, alle
genasen. Die Bakteriotherapie scheint bei den mittelschweren
Fällen den Krankheitsverlauf verkürzt und eine freie Rekonvales¬
zenz herbeigeführt zu haben. Die Symptome von seiten des Magen-
und Darmkanals wurden günstig beeinflußt. Darmblutungen, Ab¬
szesse mit Typhusbazillen und Rückfälle konnten nicht verhindert
werden. Spiegel- Kiel.
(Bull, de la soc. de ped. de Paris, 1914, Nr. 1.)
Der Gebrauch von Abführmitteln und Stopfmitteln
im Kindesalter. Klinischer Vortrag von W. Birk-Berlin.
Der Vortrag bietet viel mehr als die Überschrift sagt. In der
ihm eigenen klaren und übersichtlichen Weise gibt der Verf. eine
Darstellung der modernen diätetischen Therapie der Ernährungs¬
störungen beim natürlich und unnatürlich genährten Säugling und
beim älteren Kinde. Wer seine Ausführungen mit Ruhe durch¬
arbeitet, wird ihm, auch wenn er nicht über eine spezielle Ausbildung
in der Pädiatrie verfügt, in seinen Schlußfolgerungen beistimmen
müssen, daß der Gebrauch von Abführ- und Stopfmitteln fast immer
entbehrlich ist, wer kausale Therapie treiben will, muß hier Er¬
nährungstherapie treiben. Und es ist die Aufgabe der klinischen
Lehrer, daß wenigstens die nächste Ärztegeneration sie beherrscht
(Aus der Univ.-Kinderklinik in Kiel. — Spiegel-Kiel.
Zbl. d. Kdhlkde., 1913, Nr. 10.)
Verlag von Benno Konegen, Leipzig. - Druck von A. Pabst, Königsbrück.
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Der Kinder-Arzt.
Zeitschrift für fCinderheilkunde
unter Mitwirkung hervorragender Facharzt#
herausgegeben
von
Sanitätsrat Dr. Sonnenberger in Worms.
Erscheint am ersten Freitag; eines jeden Monats. — Vorauszubezahlender Preis fflr das ganze
Jahr 6 Mk., direkt unter Kreuzband für Deutschland und Österreich-Ungarn 6 Mk. 50 Pf., 7 Mk.
fürs Ausland. Mit Frauenarzt zusammen bezogen statt 24 Mk. nur 20 Mk. Einzelne Hefte 1 Mk.
— Bestellungen nimmt jede Buchhandlung und Postanstalt sowie auch die Verlagsbuchhandlung
jederzeit gern entgegen.
XXV. Jahrg. September 1914. No. 9. ( 297 .)
INHALT: Originalien: Hunaevis, Kindermilch und Milchküche. 193.
— Referate: Czerny, Tuberkulose im Kindesalter. 199. — Keppler u.
Erkes, Tuberkulinherdreaktion bei unklaren Hüftgelenkserkrankungen. 200.
— Gellhaus, Scharlach und subkutane Salvarsaninjektion. 201. — Klebanskl,
Ophthalmoblennorrhoe der Neugeborenen. 202. — Popper, Pertussis. 203. —
Zudunayer, Frauenmilch der ersten Laktationszeit. 203. — Deresse, Still*
hindemisse. 204. — Gast, Wirkung des Odda K auf den kindlichen Organis*
mus. 204. — Bücherbesprechungen: Schwabe, 30 Jahre augenärztlicher
Praxis 1882 — 1912. 205. — Mann, Lehrbuch der Tracheo-Bronchoskopie
(Technik und Klinik). 205. — Aronsohn, Der psychologische Ursprung des
Stotterns. 206. — Kurze Notizen aus der Praxis und Wissenschaft
207. — Kleine Mitteilungen. 207.
Originalien.
Kindermilch uud Milchküche.
Von Dr. med. Hunaeus, leit. Arzt des Cecilienheims in Hannover.
Das segensreiche Wirken der modernen Säuglingsfürsorge,
welches sich in der statistisch nachgewiesenen Zunahme des Stillens
und der in immer weiteren Schichten unserer Bevölkerung zu Tage
tretenden Besserung in der Pflege und Ernährung des Säuglings
kund tut, hat im Verein mit den Fortschritten auf dem Gebiete
der Säuglingsemährung zu einem erfreulichen Rückgang der
Säuglingssterblichkeit geführt Wenn wir trotzdem in .heißen
Sommern noch immer einen erheblichen Anstieg der Morbiditäts¬
und Mortalitätskurve an Verdauungskrankheiten beobachten, so
Klnder-Ant XXV. Jahrg. 1914. 18
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liegt die Ursache vornehmlich wohl in den teilweise äußerst un¬
günstigen Wohungsverhältnissen der ärmeren Bevölkerung, ^sowie
in dem vielerorts noch bestehenden Mangel an geeigneten Anstalten,
wo schwer emährungskranke Kinder untergebracht und sachge¬
mäßer ärztlicher Pflege zugeführt werden können, und drittens an
der Milchversorgung, die in den meisten Städten noch vieles
zu wünschen übrig läßt
Der in Mannheim gemachte Versuch, durch eine kommunale
Milchzentrale die Milchversorgung der städtischen Bevölkerung zu
übernehmen, hat sich glänzend bewährt und regt zur Nachahmung
an, zumal man auf diese Weise auch minderbemittelten Familien
für billiges Geld eine einwandfreie keimarme Milch liefern kann.
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(cf. Erlbeck, Zeitschrift für Säuglingsfürsorge, Bd. 8, Heft 2.)
Durch die Einstellung des Zwischen- und Kleinhandels, dessen Ver¬
treter in der Mehrzahl nichtgelemte Fachleute sind und denen in¬
folgedessen auch die nötigen Kenntnisse einer richtigen Behandlung
der Milch, sowie häufig auch das nötige Kapital zur Anschaffung
geeigneter Vorrichtungen zur Kühlung und zum Transport derselben
fehlt, wird die Qualität der Milch erheblich verschlechtert, und so
oft der Keim zu schweren, vielfach todbringenden Verdauungskrank¬
heiten gelegt Haben doch jüngst erst bei Untersuchungen einer
großen Anzahl von Marktmilchproben in Bern 47,5 °/ 0 sich als nicht
einwandfrei erwiesen und dargetan, daß neben der Fettkontrolle auch
hygienische Proben wie Leukozyten- und Gärprobe unbedingt ein-
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geführt werden müssen, um ein richtiges Bild von der gesundheit¬
lichen Beschaffenheit der Milch zu erhalten (Thöni, Zentralbl. f.
Bakteriologie LXXIV 1 u. 2).
Die Milch verlangt eine sorgsame Gewinnung und Behandlung,
soll sie ohne Schaden von unsem Kindern im ersten Lebensjahr
genommen werden! — Daher müssen wir an eine solche „Kinder¬
milch“ folgende Forderungen stellen:
a) Gewinnung nur von gesunden, tierärztlich untersuchten und
überwachten Kühen;
b) saubere Haltung, richtige Pflege und Fütterung derselben;
c) peinlichste Reinlichkeit der Tiere und der melkenden Personen
beim Melkprozeß;
d) Abspritzen der ersten Milchportionen aus den Eutergängen in
einen besonderen Eimer. — Die Erstmilch muß vom Gebrauche
ausgeschlossen werden;
e) peinlichst gereinigte, gut verschließbare Milchgefäße, in welche
die Milch gemolken wird;
f) sofortige Tiefkühlung der Milch und schnellstmögliche An¬
lieferung in eisgekühlten Wagen.
Bei strikter Innehaltung dieser Bedingungen wird der Konsument
unter allen Umständen, auch im heißesten Sommer, eine durchaus
zuverlässige Milch erhalten.
In den meisten neueren Säuglingsheimen geschieht die weitere
Verarbeitung der Milch in der sog. Milchküche, 2—3 Räumen,
die meist im Erdgeschoß gelegen und von den übrigen Wirtschafts¬
räumen tunlichst getrennt sind. Im folgenden sei der Betrieb und
die Einrichtung eines solchen, wie sie die Firma Ahlbom in Hildes¬
heim für das Cecilienheim (Säuglingsheim von 50 Betten) in
Hannover geliefert hat, kurz beschrieben.
Nach Anfuhr der Milch durch den Lieferanten wird die Menge
derselben in einem Meßeimer festgestellt und, nach Passage eines
Milchfilters mit Wattescheiben, ins Milchbassin gegossen, einem Be¬
hälter aus verzinntem Kupferstahlblech mit zwei messingnen Ausläuf-
röhren. Bedeckt wird das Bassin mit einem feinmaschigen Metall¬
gazedeckel. Diese Aufbewahrung der Milch im offenen Behälter
wird empfohlen, weil die Milch in den geschlossenen Kannen er¬
stickt und einen dumpfen unreinen Geschmack annimmt Auf zwei
Arbeitstischen mit Zinkblechbelag werden die Mischungen nach
ärztlicher Vorschrift fertiggestellt, in Flaschen ä 125, 150 bezw. 200 g,
die einen federnden, leicht zu reinigenden Sterilisationsverschluß
tragen, gefüllt und in Flaschenkörben in den Sterilisator gestellt
Dieser enthält eine Kammer 700/800 mm, in welcher, in heißem
Dampf zur Zeit 108 Flaschen ä 150 g bezw. 80 Flaschen ä 200 g
sterilisiert werden können. — Sterilisiert wird etwa 5 Minuten bei
ioo°C. —
Ein automatischer Dampferzeuger mit Gasfeuerung — (Gas¬
feuerung ist wegen der Vermeidung von Kohlenstaub und Ruß
entschieden empfehlenswerter als Kohlen- und Holzfeuerung, wenn
der Dampferzeuger im eigentl. Milchbereitungsraum steht) — ver-
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sorgt den Sterilisationsapparat und die drei Senking’sehen
Schnellkocher mit dem nötigen Dampf. Der Sterilisationsapparat
ist mit Rückkühlung eingerichtet, d. h. man kann nach Öffnen
eines außen am Apparate befindlichen Hahnes, der mit der Wasser¬
leitung in Verbindung gesetzt ist, durch ein siebförmig durch¬
brochenes, am Boden der Kammer befindliches Rohr kaltes Wasser
sofort nach dem Sterilisieren in die Kammer eintreten lassen, und
so eine rasche Abkühlung der Flaschen erzielen (io—12 0 C).
Diese sofortige Abkühlung ist unerläßlich, damit die abkühlende
Milch nicht längere Zeit Bruttemperatur (25—45 0 C) behält und
durch Auswachsen der Sporen zu Keimen verschlechtert wird. Ein
weiterer Vorteil der raschen Abkühlung ist das Erhaltenbleiben der
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Emulgierung der Milch, während bei langsamer Abkühlung die
Fettverteilung in der Milch leidet und durch Zusammenlaufen der
kleinen Milchkügelchen zu Buttertropfen die Verdaulichkeit der
Milch beeinträchtigt wird.
Die drei Senking’schen Schnellkocher — große doppel¬
wandige Reinnickeltöpfe mit Kippvorrichtung —, die einzeln, unab¬
hängig von einander, oder gemeinsam benutzt werden können,
dienen hauptsächlich zur Bereitung leicht beim Kochen ansetzender
Nährgemische wie Schleim, Malzsuppe, Buttermilch etc
Eine kleine Alfa-Handzentrifuge, in der die auf Blut¬
temperatur erwärmte Milch in Magermilch und Rahm getrennt
wird, sowie eine kleine Buttermilchmaschine, werden hauptsächlich
zur Herstellung von Mager- bezw. Buttermilch, den beiden in der
modernen Säuglingsdiätetik häufig gebrauchten Heilnahrungen
benutzt
Weiter ist ein dreiflammiger Gaskochherd mit Ständer vor¬
gesehen, der bei eventueller Störung des Dampferzeugers oder bei
geringer Belegzahl des Hauses verwandt wird. Auf einem Wand¬
regal finden sich verschiedene große Aluminiumtöpfe ä 4 und
5 1 Inhalt sowie zwei Soltmann’sche Aluminium-Milchkocher.
Unter diesem Wandregal steht ein weißlackiertes Holzbort, auf
dessen fünf Abteilungen Porzellantöpfe, Wage, Mensuren etc unter¬
gebracht sind. Daß Wasch gelegenheit für die Schwestern und ein
kleines Spülbecken vorhanden, sei nebenbei bemerkt
Getrennt von dem eigentlichen eben beschriebenen Milch¬
zubereitungsraum ist der Flaschenspülraum. Die eine Wand
desselben ist ausgefüllt von dem großen rechteckigen Einweich¬
bottich aus Pitschpineholz mit Ablaß-Unterlaufventil und Einzel¬
spitzventil aus Messing. In diesem Bottich werden die Flaschen in
heißem (65 °C) zweiprozentigen Sodawasser eingeweicht, um die in
ihnen enthaltenen Milchreste zu lösen. Dann werden die Flaschen
einzeln auf den durch Wasserdruck getriebenen Turbinen-Stahl-
bürsten-Apparat geschoben und durch die rotierenden Bürsten
gereinigt, und schließlich noch durch das mit der Wasserleitung
in Verbindung stehende Einzelspritzventil ausgespritzt Auf diese
Weise wird eine peinliche Reinigung der Flaschen «erzielt Zum
Trocknen werden die Flaschen auf ein Tropfgestell gebracht,
welches aus einem eisernen, mit Emaillelack gestrichenen Rahmen
besteht, der einen Lattenrost von verschiedener Weite trägt Auf
demselben können ca. 1500 Flaschen untergebracht werden.
Im gleichen Geschoß, nach Norden zu gelegen, liegt die Kühl¬
zelle mit doppelter Torf-Korkschicht isolierten Wänden, in der die
fertig sterilisierten Flaschen, auf 6—8° C. gekühlt, bis zum Ver¬
brauch auf bewahrt werden. Die Beschickung der Zelle mit Eis
findet vom Hofe aus statt Der Transport der Flaschen zu den
einzelnen Stationen und Obergeschossen geschieht in einem Aufzug,
der ausschließlich für den Milchtransport bestimmt ist Eine im
Milchküchenbetrieb erfahrene Schwester sowie eine Schülerin der
Anstalt besorgen die Herstellung der Nahrungsgemische, die z. Z.
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199
nur für die im Heim untergebrachten Kinder verwendet werden.
Vorgesehen ist aber auch die Abgabe fertiger Nahrungsgemische,
deren Herstellung im Haushalte Schwierigkeiten macht, nach außer¬
halb, falls seitens der Ärzte diesbezügliche Wünsche geäußert
werden.
Daß die Milch regelmäßig untersucht und dauernder ärztlicher
Kontrolle untersteht, ist selbstverständlich, da ja nur so eine absolut
sichere Gewähr für die genaue Innehaltung aller notigen Vorsichts¬
maßregeln gegeben ist Nach unseren Erfahrungen können wir die
Einrichtung von Milchküchen für Säuglingsheime und größere
Krippen wärmstens empfehlen, hat man doch eine weitgehende
Garantie, für die Pflegebefohlenen eine einwandfreie Säuglings¬
nahrung zu bekommen.
Referate.
Erfahrungen über den Verlauf der Tuberkulose int Kindes¬
alfer. Von A. Czerny-Berlin. (Arch. f. Kinderheilkunde,
Bd. 60 u. 61.)
Bei Kindern mit schwer erregbarem Nervensystem verläuft die
Tuberkulose im allgemeinen besser als bei den äußerst sensiblen,
früher als erethisch bezeichneten. Von ausschlaggebender Bedeutung
erscheint dem Verf. dabei die von der Innervation stark abhängige
und bei sensiblen Kindern rasch wechselnde Blutverteilung. Daher
der günstige Einfluß der Bettruhe oder der teilweisen Immobilisie¬
rung. Die Sanatoriumsbehandlung wirkt nicht zuletzt durch die
Entfernung aus dem häuslichen Milieu. Abhängig ist ihr Erfolg
von der Verhütung akzidentieller Erkrankungen der Luftwege und
der Möglichkeit, Freiluft- und Sonnenkuren durchzuführen. Die
Anfälligkeit der Respirationswege ist auf die exsudative Diathese
zurückzuführen und durch entsprechende Ernährung (Beschränkung
von Milch und Eiern) günstig zu beeinflussen. Die Erfolge der
Sonnenkuren sind nicht von denen der Freiluftkuren zu trennen.
Czerny mißt der letzteren eine größere Bedeutung bei. Setzte er
tuberkulöse Kinder in einem Glashause intensiver Sonnenwirkung
aus, so ergab sich kein Unterschied im Verlaufe gegenüber anderen
Krankenräumen der Klinik, ein solcher trat erst zu Tage, als die
Kinder der Sonnenwirkung im Freien ausgesetzt wurden. Die starke
Wärmeabgabe mit den aus ihr folgenden Änderungen der Wärme¬
regulierung und Blutverteilung erscheint Czerny als die Ursache
dieser Wirkung. Ob die Tuberkulose der inneren Organe durch die
Freiluftkuren ebenso günstig beeinflußt wird wie die Drüsen-, Haut-
und Knochentuberkulose, ist ihm fraglich. Bei der offenen Lungen¬
tuberkulose sah er keinen dauernden Stillstand und keine Ausheilung
und empfiehlt daher die Behandlung mit künstlichem Pneumothorax.
Von einer Heilwirkung des Tuberkulins hat er sich nicht überzeugen
können. Es muß zum Widerspruch herausfordem, wenn er behaup¬
tet, in Anstalten, in welchen alle Bedingungen vorhanden sind, den
Verlauf der Tuberkulose günstig zu beeinflussen, könne die Tuber-
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200
kulinwirkung nicht richtig beurteilt werden. Gewiß kann sie das,
die Tuberkulinbehandlung darf nur erst dann einsetzen, wenn die
Tuberkulose trotz jener Bedingungen stabil bleibt
Da die Neigung zur Disseminierung der Tuberkulose um so
größer ist, je jünger die Kinder sind, denkt Czerny an Beziehungen
zu dem Wasserreichtum des Körpers, der am größten bei der Er¬
nährung mit Milch und Kohlehydraten ist In den Weigert sehen
Tierversuchen war die Ausbreitung der Tuberkulose besonders schnell
nach Kohlehydratmast, nach Fettmast dagegen, die ein totes spezi¬
fisches Gewicht des Körpers erzeugt, nur eine beschränkte. Czerny
sucht daher die Ernährung so einzurichten, daß es nicht zu einer
besonderen Wasseranreicherung der Gewebe kommt Die Kinder
erhalten nur 2 mal täglich in Malzkaffee minimale Mengen Milch,
2 mal täglich Fleisch mit Zugabe von Gemüse und Vegetabilien,
dazu Lebertran. Die Zunahme ist dabei nur gering, die Gewebe
werden aber straffer, Aussehen und Befinden der Kinder ist aus¬
gezeichnet, äußerst selten treten neue tuberkulöse Herde auf, niemals
eine Meningitis oder Miliartuberkulose. Ein Versuch mit Soletrink¬
kuren zeitigte dagegen in relativ kurzer Zeit das Auftreten neuer
Herde. H o h 1 f e 1 d - Leipzig.
Die diagnostische Bedeutung der Tüberkulinherdreaktkm
bei unklaren Httftgelenkserkrankungen. Von Wilhelm
K epp ler und Fritz Erk es. (Aus der Kgl. Chir. Univ.-Klinik
Berlin. Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Bier. — Med. Kl.,
1914, Nr. 28.)
Die Erkrankungen des Hüftgelenkes, besonders die noch frischen
Formen, bereiten der Diagnose oft nicht unerhebliche Schwierig¬
keiten. Der Grund hierfür ist darin zu suchen, daß in den Anfangs¬
stadien die klinischen Erscheinungen noch allzu wenig charakte¬
ristisch sind, um differentialdiagnostisch einen Ausschlag zu geben.
Von großer praktischer Bedeutung wäre es, wenn es uns ge¬
länge, die wichtigste und besonders im Kindesalter häufigste Form,
die tuberkulöse Koxitis, von den anderen Formen (Rachitis, Arthri¬
tis, infektiöse Koxitis usw.) mit Sicherheit abzugrenzen. Um auf
diesem Wege weiter zu kommen, haben die Verff. in den letzten
Jahren bei unklaren Hüftgelenkserkrankungen die Tuberkulinherd¬
reaktion zur differentialdiagnostischen Verwertung herangezogen
und sind dabei in folgender Weise vorgegangen: Die Fälle wurden
nach abgeschlossener Untersuchung der Hüfte genau auf Herz und
Lungen geprüft. Solche mit klinisch nachweisbaren Herz- oder
Lungenerkrankungen wurden von der Tuberkulininjektion ausge¬
schlossen. Dann wurden, wenn irgend möglich, zwei Tage lang
zweistündliche Temperaturmessungen in der Achselhöhle vorge¬
nommen. Die Temperaturen wurden notiert Als Temperatur¬
maximum wurde 37,5 Grad in axilla, 37,8 Grad bei Mundmessung
angesehen. Wurden höhere Wärmegrade festgestellt, so wurde zu¬
nächst von einer Einspritzung abgesehen und das eventuelle Herunter¬
gehen der Temperatur abgewartet. War dies eingetreten, so wurde
die Pirquet sehe Kutanimpfung mit 25 Proz, Alttuberkulin vor-
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201
genommen. Der Erfolg wurde am nächsten Tag kontrolliert Bei
negativem oder schwach positivem Pirquet wurde nunmehr
i mg des Koch sehen Alttuberkulins subkutan unter die Bauchhaut
injiziert Bei stark positivem Pirquet wurde mit a / J0 mg oder
auch, speziell bei älteren Individuen, mit V10 mg begonnen. Die
Injektion gelangte natürlich unter aseptischen Kautelen zur Aus¬
führung. Die kleine Stichwunde wurde mit einem Pflaster bedeckt.
Während der weiteren Beobachtung wurde die zweistündliche Tem¬
peraturmessung zu denselben Stunden wie vor der Injektion fort¬
gesetzt Am anderen Morgen wurde der Effekt der Injektion kon¬
trolliert. Trat keine Reaktion auf, so wurde am übernächsten Tag
3 mg und bei abermaliger Erfolglosigkeit 5 mg injiziert. Betrug
die Anfangsdosis 'A. oder ß / 10 mg, so wurde in derselben Weise
1 mg, 3 und 5 mg injiziert. Trat nach einer Injektion ein Tem¬
peraturanstieg von mehr als 0,5 auf, so wurde zunächst die Rück¬
kehr zur normalen Temperatur abgewartet und dann erst die fol¬
gende Injektionsdosis eingespritzt Die nach einer Injektion mög¬
lichen Reaktionen sind folgende: 1. Die Stichreaktion, ein 10 Pfennig¬
es Markstück großes, rotes Infiltrat am Ort des Einstichs; 2. die
Allgemeinreaktion, gekennzeichnet durch Fieber, Kopfschmerz, Mattig-
keits- und Krankheitsgefühl, und 3. die Herdreaktion, charakterisiert
durch Schmerzen und mehr oder weniger starke Bewegungs¬
einschränkung im kranken Hüftgelenk. Nur letztere ist diagnostisch
beweisend. Verff. sahen bei den tuberkulösen Fällen die Herd¬
reaktion meist schon bei 1 mg eintreten. Dieselbe dauerte durch¬
schnittlich 1—2 Tage und verlief stets ohne irgend eine Schädigung.
Von den Fällen ohne Herdreaktion konnte der größte Teil nach¬
untersucht werden. Dabei zeigte sich, daß auch zur Zeit der Nach¬
untersuchung kein Anhaltspunkt für eine tuberkulöse Erkrankung
der Hüfte vorlag. Autoreferat.
Scharlach und subkutane Salvarsaninf ektionen. Von Gell-
h aus -Rüstringen i. Oldbg. (Ärztl. Rundsch. München, 1914,
Nr. 27.)
Von allen Krankheiten, die Leben und Gesundheit der Kinder
in hohem Grade bedrohen, ist der Scharlach ohne Zweifel an erster
Stelle zu nennen, sowohl wegen der Gefährlichkeit der Krankheit
an sich, als besonders wegen der Nachkrankheiten. Dabei ist wegen
des Dunkels, das bislang den Urgrund dieser Krankheit umgibt,
die Behandlung noch nicht über symptomatische Maßnahmen hinaus¬
gekommen.
Nach Einführung der Wassermann sehen Reaktion bei Syphilis
wurde diese Untersuchüngsmethode auch bei mehreren anderen
Infektionskrankheiten, so auch bei Scharlach, in Anwendung ge¬
bracht Diese Nachforschungen ergaben bei Scharlach teilweise ein
positives Resultat Als dann das Salvarsan veröffentlicht war, lag
es nahe, dieses auch bei Scharlach zu versuchen. Rumpel, der
zuerst 1910 drei Fälle mit Salvarsan behandelte, hatte keinen Er¬
folg, dagegen sahen Lenzmann, Klemperer, Jochmann und
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Fischer gute Resultate. Die Anwendungsweise war bei diesen
Autoren durchweg intravenös.
Im Gegensätze hierzu wurde das Salvarsan von mir subkutan
bezw. in einem Falle intramuskulär angewandt und auch in dieser
vereinfachten Weise gute Resultate erzielt Zu den Injektionen habe
ich das von Isaak-Berlin angegebene Salvarsanol benutzt Be¬
handelt wurden nur vier Fälle, aber bei allen Kranken trat ein so
charakteristischer Heilungsverlauf ein, daß diese Wirkung nur dem
Salvarsan zugeschrieben werden konnte.
Von diesen vier Fällen waren die beiden ersten schwere Er¬
krankungen mit schlechter Prognose, die beiden anderen mittel-
schwere Fälle.
Zur Verwendung kam im ersten Falle, einem 4jährigen Kinde,
0,05 g Salvarsanol, beim zweiten, einem Knaben von 11 Jahren,
0,075 g; der dritte Kranke, 8 Jahre alt, erhielt 0,06 g und der vierte,
12 Jahre alt, 0,07, dieses intramuskulär.
Alle vier Fälle begannen 24 Stunden nach der Injektion sich mehr
oder weniger zu bessern, waren dann nach einem weiteren Tage
schon soweit hergestellt, daß eine Lebensgefahr nicht mehr befürch¬
tet zu werden brauchte, und nach weiteren zwei bis drei Tagen die
Krankheit als beseitigt angesehen werden, konnte. Entzündung oder
Schwellung an den Injektionsstellen trat nicht auf.
Ob nun in allen Fällen eine solch kleine Dosis Salvarsan ge¬
nügt, um den Krankheitsstoff bei Scharlach abzutöten, bleibt abzu¬
warten. Lenzmann und Klemperer halten höhere Dosen für
nötig, ersterer auch wiederholte Injektionen. Bei gegebener Indi¬
kation steht nach meiner Ansicht nichts im Wege, die subkutanen
Injektionen des Salvarsanol zu wiederholen, glaube aber, daß es
kaum erforderlich sein wird, wenn man nur die Geduld hat, die
Wirkung der ersten Injektion ein oder zwei Tage abzuwarten.
Weitere Beobachtungen werden in dieser Hinsicht noch mehrere
nötig sein, um über die Brauchbarkeit des Salvarsanol bei Scharlach
zu entscheiden. Es wäre mir angenehm, wenn möglichst viele
Kollegen der Praxis meine Methode nachprüfen wollten.
Autoreferat
Untersuchungen Ober die Dauer der Ophthalmoblenor~
rhoe des Neugebornen und über die Behandlung
derselben mit Silbersalzen und mit Vakzine. Von
Klebanski. (Revue pratique d’obstetrique et de paediatrie,
April 1914.)
Auf Grund der Analyse von 116 Fällen von Ophthalmoblenor-
rhoe des Neugebornen, welche Autor von Juni 1906 bis 1. Januar
1^13 auf der ophthalmologischen Abteilung des Hospitals Lariboi-
sifere beobachtete, kommt derselbe zu folgenden Schlußfolgerungen:
1. Die Dauer der Ophthalmoblenorrhoe des Neugebornen ist
sehr verschieden (von 8 bis 90 Tagen); im Mittel jedoch von
35 Tagen;
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2. Die Dauer der Ophthalmie ist um so kürzer, je früher das
Kind nach dem Beginne der Ophthalmie ärztlicher Behandlung zu¬
geführt wird.
Die Kinder, welche von der ersten Woche an behandelt werden,
heilen im Mittel in weniger als 3 Wochen;
3. Die Behandlung mit einer Losung von Silbernitrat, ver¬
bunden mit Instillationen von Argyrol zu */#, ist wirksamer gewesen
als die Behandlung mit Silbernitrat allein, denn die Kornea-Kom¬
plikationen sind nur in 16,5 Proz. statt 25 Proz. in den früheren
Statistiken aufgetreten;
4. Die Vakzine von Nicolle und Blaizot hat keinen sehr
deutlichen Einfluß auf die Entwickelung und die Dauer der Ophthal-
moblenorrhoe gehabt Mit Ausnahme eines einzigen Falles, wo unter
dem Einflüsse einer Vakzine - Injektion die Sekretion innerhalb
8 Tagen zum Stillstand gekommen ist, um einige Tage darauf
wieder zu erscheinen, hat Autor kein Symptom einer günstigen
Wirkung wahrnehmen können, sei es, daß die Vakzine allein oder
in Verbindung mit Instillationen von Silbernitrat oder von Argyrol
in Anwendung kam. v. la Hausse-Rosenheim.
über Pertussis. Von Erwin Popper. (Aus der Kinderabteilung
der Wiener Poliklinik. — Med. Kl., 1914, Nr. 26.)
Schluß-Sätze: Der Keuchhusten ist eine akute Infektions¬
krankheit durch einen spezifischen Erreger hervorgerufen.
Er dauert gewöhnlich fünf bis sechs Wochen (organisches
oder infektiöses Stadium), ihm folgt häufig ein auf ganz
verschiedene Zeit sich erstreckendes Stadium mit typischen Anfällen,
die durch Suggestion meist zu beseitigen sind (nervöses oder
psychisches Stadium). Im infektiösen Stadium ließ sich
wiederholt eine Herabsetzung derTuberkulinempfindlich-
kei't nachweisen.
Schon im ersten Stadium sind die Patienten in einem ge¬
wissen, jedoch ziemlich geringen Grade suggestiv im Sinne
einer Besserung beeinflußbar, im zweiten Stadium heilt eine
suggestive Behandlung, am besten der faradische Strom, nahezu
immer vollständig.
Es ist daher auf die psychische Behandlung des
Keuchhustenkranken ein besonderes Gewicht zu legen.
Als bestes symptomatisches Mittel im ersten Stadium
hat sich das Papaverin bewährt Autoreferat
über die Frauenmilch der ersten Laktattonszeit und den
Einfluß einer Kalk- und Phosphorsflurezulage auf
ihre Zusammensetzung. Von F. Zuckmayer-Elberfeld.
(Arch. f. d. ges. Physiologie, 1914, Bd. 158.)
Der Autor stellte seine Versuche, den Kalkgehalt der Frauen¬
milch durch Verabreichung von Tricalcol zu heben, an dem Material
der Hebammen-Lehranstalt Elberfeld an. Ein Teil der Frauen
erhielt das Tricalcol erst nach der Entbindung und ein anderer Teil
schon während der letzten zwei Monate der Gravidität Bei den
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204
Milchproben von 26 Frauen aus der ersten Dekade der Laktations¬
zeit — unter Ausschluß der ersten Laktationstage — zeigten sich
große individuelle Schwankungen im Kalk- und Phosphorsäurege¬
halte, die sich durch Tricalcol weder nach der Niederkunft noch
während der letzten zwei Monate der Gravidität ausgleichen lassen.
Dagegen läßt sich eine Wirkung des Tricalcols, wenn es schon
während der Schwangerschaft gegeben wurde, im Vergleich mit den
Fällen, in denen es erst nach der Entbindung zugelegt wurde, auf
den Kalkgehalt der Milch nicht verkennen. Sowohl der Durch¬
schnittswert für Kalk steigt um etwa 10 Proz., als auch die Zahl
der Fälle, die eine Milch mit einem höheren Kalkgehalt als 0,4 g
pro Kilogramm liefern, wächst um etwa 72 Proz. Die Werte für
P2 05, N und Gesamtasche wurden im gleichen Sinne um etwas
verschoben.
Möglicherweise gelingt es durch Verabreichung einer Kalkzu¬
lage, schon im Anfänge der Gravidität individuelle Schwankungen
im Aschegehalt der Milch zu beheben, jedoch bedarf es hierzu noch
weiterer Versuche.
Uber die Ursachen, welche die Frauen am Stillen hindern.
Von F. Der esse. (Revue pratique d’obstetrique et de pae-
diatrie, März 1914.)
Autor sammelte 100 Fälle von Frauen, die aus irgend einem
Grunde ihre Kinder nicht stillten und kam dadurch zu folgenden
Schlußfolgerungen:
1. Nur ein Drittel der Mütter hat ihre Kinder von 6 — 8 Mo¬
naten gestillt.
2. Unter den Frauen, die nicht stillen, unterlassen es 80 Proz.
aus sozialen Gründen, 20 Proz. aus physischen oder medizinischen
Gründen.
3. Der Prophylaxis und der Behandlung dieser physischen oder
medizinischen Gründe kann es gelingen, die Fälle von Verhinderung
des Stillens um die Hälfte zu verringern.
4. Die sozialen Ursachen des Nichtstillens sind teilweise durch
die Unwissenheit und zumeist durch die Notwendigkeit der Arbeit
bedingt.
5. Man muß die Frau über die Gefahren, welche ihre Trennung
von ihrem Kinde mit sich bringen, unterrichten.
6. Man muß der durch die Arbeit bedingten Notwendigkeit
entgegensteuern, indem man für Verbreitung der industriellen Säug¬
lingsheime sorgt und den Beistand durch die Arbeit oder durch die
obligatorische Versicherung verallgemeinert
v. la Hausse-Rosenheim.
Uber die Wirkung des Odda K auf den kindlichen Organis¬
mus* Eine Stoffwechseluntersuchung von Dr. Erich Gast
Aus der I. inneren Abteilung [Prof. Kuttner] und dem
chemischen Institut [Prof. Lob] des Rudolf-Virchow-Kranken-
hauses zu Berlin.) Med. Kl., 1914. Nr. 28.
Verf. nahm zwecks Prüfung des v. Mering in die Kinderer¬
nährung eingeführten Odda K an einem gesunden Säugling einen
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SÖ$
Stoffwechsel versuch vor, wobei er den Stickstoff-, Fett- uiid besonders
den Phosphorstoffwechsel bei reiner Odda-Nahrung im Vergleich zu
einer Vollmilchnahrung untersuchte. Es ergab sich neben einer
guten Stickstoff- und Fettassimilation ein wesentlich günstigerer
Phosphorstoffwechsel in der Odda-Periode als in den Milchperioden.
Während die P a 0 6 -Bilanz in der Milch - Vor- und Nachperiode
negativ war, wurde in der 5tägigen Odda-Periode 2,11 g P a 0 6 an¬
gesetzt und das Odda-Lezithin 4 mal besser ausgenutzt als das Kuh¬
milchlezithin. Verf. verspricht sich daher von dem bisher fast nur
bei Ernährungsstörungen und als Zulage bei Unterernährung ge¬
gebenen Odda K auch in der Therapie der Rachitis Erfolge, wofür
auch einige praktische Erfahrungen von ihm zu sprechen scheinen,
und fordert zur praktischen Nachprüfung von Odda K bei Rachitis
(etwa als Zulage zur Milch je nach dem Alter 50—80 pro die) aut
Autoreferat.
Bücherbesprechungen.
30 Jahre augenärztlicher Praxis 1882 —1912. VII. Bericht
über die Jahre 1903—1912 nebst 3ojährigem Gesamtbericht
1882—1912 der Augenklinik San.-Rat Dr. Gustav Sch wabe-
Leipzig. 8 °, 55 S. m. 1 färb. Taf. u. Abb. im Text. Leipzig
1913. Poeschel & Trepte.
Der Bericht enthält zunächst statistische Mitteilungen. Größeren
Wert besitzen die nun folgenden „besonderen Behandlungs- und
Operationsmethoden“ des Verf.’s. Eingehenderes Interesse werden die
Mitteilungen über die ambulante Behandlung bei Augenerkrankungen
und Augenoperationen erregen, so z. B. bei Blennorrhoe, Hornhaut-
und Regenbogenhautentzündungen, selbst Netzhautablösungen und
Blutungen, akutes Glaukom usw. Von Operationen werden Schiei¬
operationen, optische und Glaukomiridektomien, Staroperationen und
Enukleationen meist ambulant ausgeführt. Große Erfolge rühmt
Verf. seiner kombinierten Kanthoplastik (kombinierte Lidspalten¬
erweiterung) bei skrofulösen und trachomatösen Hornhauterkran¬
kungen nach. Schon seit 30 Jahren ersetzt Verfasser die
Herausnahme des Tränensackes bei Eiterung durch Spaltung
des Sackes von oben nach Schlitzung der beiden Tränenröhrchen
und folgenden Chlorzinkverätzung. Weiter folgen: „partielle Spal¬
tung der Kornea bei kleinem Ulkus serpens“; „die reizmildemde
Wirkung der Atropinisierung des gesunden Auges bei schwerer ein¬
seitiger Iritis“; „Zystizerkus zellulosae subkonjunktivalis“: also! eine
reiche Fülle praktischer Erfahrung und Beobachtung aus dem
stattlichen Material von 203339 Patienten. Hendel-Pirna.
Lehrbuch der Tracheo-Bronchoskopie (Technik und
Klinik.) Von San.-Rat Dr. M. Mann, dirig. Arzt der Ab¬
teilung für Ohren-, Nasen- und Halskranke am Stadtkranken¬
haus Dresden-Friedrichstadt. Lex. 8°, 208 S. mit 50 Abb.
u. 5 schwarzen Tafeln im Text, 10 farbigen Tafeln im An¬
fang. Würzburg 1914. Verlag von Curt Kabitzsch. Preis
brosch. 10,50, geb. 13,50 Mk.
Das Buch ist eingeteilt in 3 Abschnitte: 1. Die Technik. 2. Die
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Klinik der Tracheo-Bronchoskopie und 3. Tafeln mit pathologisch¬
anatomischen Befunden und bronchoskopischen Bildern. Die Technik
macht uns nach kurzen anatomischen Vorbemerkungen bekannt mit
der allmählichen geschichtlichen Entwicklung der Tracheo-Broncho¬
skopie und des dazu verwandten Instrumentariums der verschiedenen
Autoren. Eine große Anzahl Abbildungen dient hier zur Erläuterung.
Bei der Besprechung der praktischen Ausübung der Tracheo-Broncho¬
skopie ist es die Absicht des Verf. sie in einer Form zu geben, die
unter Umständen auch dem Neuling ermöglichen soll, das Verfahren
zu erlernen. Gerade hier fühlt man den großen Wert der eigenen
reichen praktischen Erfahrung des Verf. ohne weiteres heraus.
Welch großes diagnostisches Feld sich die Tracheo-Bronchoskopie
bereits erobert hat, das zeigt uns aufs deutlichste der 2. Teil „Die
Klinik“ mit seiner außerordentlich reichen Anzahl Von kurz skizzierten
Krankengeschichten.
Ganz abgesehen von den bereits in die Tausende gehenden Er¬
folgen von Fremdkörperextraktionen — eine große Anzahl dieser ist
kurz geschildert — lernen wir die Verwendung der Tracheo-Broncho¬
skopie auch bei Erkrankungen des Tracheobronchialbaumes selbst
kennen, seien sie allgemeiner oder umschriebener Art — Tumoren
— oder auch bedingt durch Erkrankungen der Umgebung, z. B.
Kropf, Wirbelabszeß, Aneurysmen, Drüsenerkrankungen usw.
Aus dem Buch spricht nicht nur ein außerordentlicher Fleiß
und eine gründliche Durcharbeitung, sondern auch eine gewisse Be¬
geisterung des Verf. für diesen Sonderzweig der Medizin. Wer sich
auf diesem „Neuland der Diagnostik“ und wie ich hinzufügen möchte
auch Neuland der Therapie bereits betätigt oder die Betätigung
noch erlernen und betreiben möchte, wird dieses Lehrbuch nicht gut
entbehren können. H e n d e 1 -Pima.
Der psychologische Ursprung des Stotterns. Von Nerven¬
arzt Dr. Oskar Aronsohn in Berlin, gr. 8°, 24 S. (Sammlung
zwangloser Abhandlungen auf dem Gebiete der Nerven- und
Geisteskrankheiten. Bd. XI., H. 1.) Halle 1914. Verlag von
Carl Marhold. Preis des Einzelheftes 1,— Mk.
Die KußmauPsche Spasmen-Theorie über das Stottern hält
Verf. nicht für richtig. Nach der Überzeugung Aronsohns ist
der Ursprung der gewöhnlichen Stotterfälle darin zu suchen, daß
Kinder mit starkem Eigenwillen aus erzieherischen Gründen dazu
angehalten werden, in jedem Fremden einen Menschen zu sehen,
der sie scharf beobachtet Beim Eintritt in die Schule ist es der
Lehrer, der besonders gefürchtet wird. Die Stotterer leiden unter
denselben Erscheinungen wie die krankhaften Erröter. Stottern ist
häufig mit Hysterie zusammen vereinigt, und beide Leiden haben
dieselbe Wurzel. Die psychische Therapie ist deshalb bei den
Stotterern die Hauptsache. Das Stottern ist ursprünglich nur an
den Anfang des Sprechens geknüpft und ist hier am beträchtlichsten,
die Stotter-Erscheinungen zu Anfang des Sprechens sind deshalb als
primär, die übrigen als sekundär zu bezeichnen. Hanssen-KieL
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207
Kurze Notizen aus der Praxis und Wissenschaft
Uber das spätere Schicksal meiner mit Salvarsan
behandelten Luesfälle im Kindesalter. Von J. v. Bökay-
Budapest
Bericht über acht Fälle von Lues kongenita, zwei von Lues
äquisita. Je zwei Fälle von beiden werden als geheilt angesehen.
Gesamtmenge des intraglutäal injizierten Salvarsans 0,12; 0,054;
0,32; 02 g. Wassermann negativ nach 15, 13, 29, 16 Monaten. Gute
Entwickelung, keinerlei manifeste Erscheinungen. Beobachtungs¬
dauer 24—2<) Monate. Sechs Kinder bekamen nach 3 l /*—n 1 /* Mo¬
naten Rezidive, B. übt daher jetzt eine kombinierte Behandlung mit
Quecksilber. Sieht man aber aus seinen Angaben, daß vier von
diesen Kind ern nur 1x0,03—0,06, die beiden anderen 2x0,04—0,05
Salvarsan erhielten, so muß man sich fragen, ob diese Dosen aus¬
reichend waren. Von der intramuskulären Anwendung, die B. geübt
hat, ist wegen der Nekrosenbildung abzuraten.
(Arch. f. Kdhlkde., Bd. 60 u. 61.) Hohlfeld-Leipzig.
ZurPrognose derSäuglingstuberkulöse. VonTugend-
r eich-Berlin.
Von zehn Kindern, die im ersten Lebensjahre einen positiven
Pirquet gaben, starben fünf im ersten, zwei im zweiten, je ein im
dritten und vierten Lebensjahre. Das überlebende Kind stand bei
der Herausgabe der Arbeit im vierten Jahre. Die im ersten Jahr
verstorbenen gingen an der Tuberkulose zugrunde, die anderen an
interkurrenten Krankheiten. Bei einem der letzteren fand sich bei
der Sektion kein tuberkulöser Herd. Hohlfeld-Leipzig.
(Arch. f. Kdhlkde., Bd. 60 u. 61.)
Das Stillen. Von Eleonor C. Jones.
Betont den wesentlichen Nutzen für das Kind und widmet sich
der Frage, wie die Stillfähigkeit gefördert werden kann.
Die Lage des Magens bei Kindern. Von James Warren
Sever.
Verf. untersuchte mit Hilfe von Wismut und Röntgenstrahlen
eine große Anzahl Kinder verschiedener Lebensalter und gibt in
Übereinstimmung mit seinen Untersuchungen die Resultate über
Größe und anatomische Stellung des Magens der Kinder. Die Lage
und Größe, auch Form des Magens zeigte die mannigfachsten Ver¬
schiedenheiten. Cordes -Dresden.
(Arch. of pediatr., Bd. XXXI, Nr. 1.)
Kleine Mitteilungen.
Das Deutsche Zentral-Komitee zur Bekämpfung der
Tuberkulose erläßt folgenden Aufruf:
Ihre Majestät die Kaiserin und Königin haben dem Präsidium
des Deutschen Zentral-Komitees zur Bekämpfung der Tuberkulose
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208
Allerhöchst ihre lebhafte Besorgnis zum Ausdruck gebracht, daß die
unter Aufwendung großer Mittel erreichten glänzenden Erfolge in
der Bekämpfung der Tuberkulose durch den uns aufgezwungenen
Krieg in Frage gestellt werden könnten. Selbstverständlich erfordert
die augenblickliche Not des Vaterlandes, daß alle verfügbaren Kräfte
und Mittel zuerst dafür eingesetzt werden, um den Sieg zu erringen
und für die Opfer des Kampfes, unsere verwundeten und kranken
Krieger, zu sorgen. Dadurch werden nicht nur die größten An¬
forderungen an die öffentliche Wohltätigkeit gestellt, sondern es
werden auch eine große Anzahl derjenigen Personen, die sich in
Friedenszeiten der Tuberkulosebekämpfung widmeten, dieser Tätig¬
keit entzogen. Schon haben zahlreiche Lungenheilstätten geschlossen
werden müssen und viele Auskunfts- und Fürsorgestellen für Lungen¬
kranke ihre vorbeugende Tätigkeit eingestellt. Damit erhebt sich
die Gefahr, daß der Kampf gegen die Tuberkulose, den gefährlichsten
Feind des Volkes, erlahmen könnte. Aber noch weit Schlimmeres
ist zu befürchten. Durch die vorzeitige Entlassung von Kranken mit offe¬
ner Tuberkulose wird diese im Volke verbreitet Durch die Schließung
der Auskunfts- und Fürsorgestellen wird den Kranken Hilfe und
Beratung entzogen und der Ansteckung der gesunden Familienmit¬
glieder durch die Kranken Tür und Tor geöffnet. Es sollte aber
gerade während der Kriegszeiten alles geschehen, um zu verhüten,
daß diese^ Würgeengel von neuem sein Haupt erhebe; denn sonst
droht unseren aus dem Kriege heimkehrenden Volksgenossen in der
Heimat, am eigenen Herd, eine neue, viel schlimmere Gefahr, als
der Krieg gegen den äußeren Feind.
Es ergeht deshalb der Aufruf an alle diejenigen Stellen, die
sich bis jetzt mit der Tuberkulosebekämpfung beschäftigt haben,
diese Tätigkeit auch während des Krieges fortzusetzen und mit allen
Kräften dafür zu sorgen, daß der Gefahr einer erneuten Ausbreitung
der Tuberkulose in unserem Volke wirksam begegnet werde. Die
Tuberkulosefürsorge darf keine Unterbrechung erfahren; wer immer,
sei es beruflich, sei es ehrenamtlich, in der Fürsorge für die Tuber¬
kulösen tätig gewesen ist, möge auf seinem Posten verharren, und
mögen sich, wo Lücken in den Reihen der Tuberkulosekämpfer
entstanden sind, recht bald freiwillige Helfer und Helferinnen finden,
die bereit sind, an diesem edlen Werke für die Volksgesundheit
mitzuarbeiten.
Das Deutsche Zentral-Komitee zur Bekämpfung der Tuberkulose
wird nach dem Wunsche Ihrer Majestät der Kaiserin in unveränderter
Weise bemüht sein, die Tuberkulosearbeit zu fördern und auch
während des Krieges Rat und Hilfe in allen auf die Tuberkulose¬
bekämpfung bezüglichen Angelegenheiten zu gewähren.
Berlin, den 15. August 1914.
Das Präsidium des Deutschen Zentral-Komitees
zur Bekämpfung der Tuberkulose.
Delbrück, Dr. Helm,
Vorsitzender. Generalsekretär.
Verlag von Benno Konegen, Leipzig. — Druck von A. Pabst, Königsbrück.
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Der Kinder-Arzt.
Zeitschrift für JCindeMMe
unter Mitwirkung hervorragender Fachärzte
herausgegeben
von
Sanitätsrat Dr. Sonnenbergor m Worms.
Erscheint am ersten Freitag eines jeden Monats. — Vorauszubezahlender Preis für das ganxe
Jahr 6 Mk., direkt unter Kreuzband ffir Deutschland und Österreich-Ungarn 6 Mk. 50 Pf., 7 Mk.
fürs Ausland. Mit Frauenarzt zusammen bezogen statt 24 Mk. nur 20 Mk. Einzelne Hefte 1 Mk.
— Bestellungen nimmt jede Buchhandlung und Postanstalt sowie auch die Verlagsbuchhandlung
jederzeit gern entgegen.
XXV. Jahrg. Oktober 1914. No. 10. (298.)
INHALT: Originalien: Armbrusfer, Bedeutung des Labfermentes
für die ßmährung des Säuglings. 209. — Referate: Fried|ung, Diagnostik
und Theorie der hereditären Syphilis. 212. — Hutinel, Prognose der tracheo-
bronchialen Adenopathie. 213. — Rebouillet, Varizellen des Neugeborenen.
215. — Tobias, Rezidivierende Nabelkoliken der Kinder. 216. — Varlol u.
Lavtalle, Mit Erbrechen verbundene infantile Dyspepsien. 216. — Weih, Tri-
calcolrailch beim kranken Säugling. 217. — Slftler, Bedeutung des Kalzium
für die pädiatrische Praxis. 218. — Cozzolino, Stillen bei Muttertuberkulose.
218. — Fröschet, Wesen des Stotterns. 219. — Hans, Operationstechnik der
Hasenscharte. 219. — Jollat, Chronische eitrige Mittelohrentzündung. 220. —
Bücherbesprechungen: Weygandf, Soziale Lage und gesunde Nerven.
220. — Kordts, Jugendpflege und freies Volksbildungswesen. 221. - Schul¬
kinderspeisung. 221. — Organotherapeutisches Kompendium. 222. <— Kurp|u-
well, Kaiser-Wilhelm-Kinderheim. 222.— Kurze Notizen aus der Praxis
und Wissenschaft. 222. — Kleine Mitteilungen. 224.
Originalien.
Bedeutung des Labfermentes für die Ernährung
des Säuglings.
Von Dr. Armbruster in Schweinheim.
Der Magen ist für ein langes Verweilen der Speisen eingerichtet.
Dafür spricht: i. Seine sackförmige Bildung; 2. die ungleiche An¬
ordnung seiner Längsmuskulatur; ß. seine normalen umgekehrten
Wellen; 4. die Pylorusklappe; 5. die allmähliche Herabsetzung der
Chymustemperatur während der Magenverdauung, was ähnlich wie
kaltes Wasser die Pylorusklappe öffnet; 6. die Gerinnung der Milch
durch das Labferment
Der Magensaft bringt bekanntlich, gleichgiltig ob sauer oder
neutralisiert, Milch zur Koagulation; das gefällte Kasein wird dann
wie jeder Eiweißkörper verdaut und peptonisiert. Die fällende Sub¬
stanz ist ein besonderes Ferment, das Labferment Auch der Bauch¬
speichel hat ein solches Labferment, durch das Milch koaguliert
wird; die Lieberkühnaschen Drüsen produzieren es wohl.
Kinder-Arzt XXV. Jahrg. 1914. 14
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210
Wenn die Bedeutung des Labfermentes für die Ernährung des
Säuglings entsprechend beleuchtet werden soll, so muß zuerst die
Milch ins Auge gefaßt werden. Die im Laufe der Stillungsperiode
qualitativ verschiedene Frauenmilch hat durchschnittlich 87,41 Proz.
Wasser, 2,29 Eiweiß, 3,78 Fett, 6,21 Milchzucker, 0,31 Asche. Sie
besitzt also alle drei wesentlichen Baustoffe des Körpers und regt
damit auch jede Art voh Verdauungssäften bei ausschließlicher
Stillung entsprechend an, so daß bei anderweitiger Nahrung keine
heue Drüsentätigkeit anzuheben braucht Das macht die Natur in
vorsorglicher Weise allenthalben so, wo immer es ihr zweckmäßig
erscheint Obwohl der Fötus im Mutterleib keine Speisen per os
zu sich nimmt, so ist der Verdauungstraktus trotzdem nicht untätig,
wie das Mekonium beweist. Nierensekretion ist allerdings embryonal
keine vorhanden; dafür ist aber die Niere durch ihre Lappung im
uterinen Leben anders gestaltet und der Blutdruck durch die beiden
Arteriae umbilikales in der Nierengegend herabgesetzt.
Auch ist für die Bedeutung des Labfermentes die Magenresorp¬
tion in Betracht zu ziehen. Warme Flüssigkeiten werden vom Magen
unschwer resorpiert; kaltes Wasser öffnet dagegen rasch die Pylorus-
klappe und stürzt in den Darm. Milch kann eigentlich bei ihren
prozentual zahlreichen anderweitigen Bestandteilen nicht als Flüssig¬
keit angesehen werden. Sie enthält viel Wasser; aber gerade dieses
Wasser ist nötig für die Ergänzung der Körperflüssigkeit in Blut-
und Lymphbahnen. Warm ist sie ebenfalls; aber auch die durch
die Körperwärme der Mutter hervorgerufene erhöhte Temperatur
der Frauenmilch ist für die Säuglingsernährung von hoher Wich¬
tigkeit
Auf Grund dieser Ausführungen kann leicht die Bedeutung des
Labfermentes erkannt werden. Es koaguliert die Milch im Magen
und sondert ihre festen Bestandteile vom Wasser. Dadurch sind die
Sekrete des Magendarmkanals weniger beim Säugling zur Untätig¬
keit gezwungen, als wenn er neben Muttermilch noch das Bedürfnis
für Trinkwasser hätte, das entsprechend die Muttermilch für bessere
Resorption etwa verdünnen würde. Bei manchen Darmkrankheiten
wie bei wasserentziehenden Diarrhöen kommt sicher beim Säugling
die erhöhte Magenresorption für warme Flüssigkeiten nach Koagu¬
lierung der Milch in Betracht und schützt ihn dadurch vor Ver¬
dursten. Hier wird dann das von der Milch gesonderte noch warme
Wasser um so rascher je nach Bedürfnis durch den infantilen Magen
resorbiert, bevor ihm bei längerem Verweilen in diesem Organe
gleich dem Chymus Wärme entzogen wird. Daß der Bauchspeichel
ebenfalls das Labferment produziert, ist ein Beweis, wie sehr Mutter
Natur den Menschen mit Reservekräften ausgestattet hat Das sieht
man überall, zumeist am lebensregen Herz mit seiner Disposition
für Hypertrophie.
Diese Reservekraft des Bauchspeichels mit seinem Labferment
kann immerhin bei manchen Magenverstimmungen von Vorteil sein.
Zwar hat die Natur dafür gesorgt, daß auch bei Magenkatarrh der
Kleinen das Labferment wirksam ist; ob aber seine Intensität im
Magen nicht dabei bisweilen herabgesetzt wird, sei dahingestellt
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Für solche Fälle gewänne dann das Labferment des Bauchspeichels
erhöhte Bedeutung, die ihm allerdings auch in gesunden Tagen
schon zukommt Die Baustoffe, welche die Milch dem Körper ge¬
währt, werden durch ihre erhöhte Gerinnung im Darmkanal um so
besser für Resorption ausgenützt
Bekanntlich wird die in den ersten Tagen nach der Geburt ab¬
gesonderte Milch Kolostrum oder Biesmilch genannt Sie zeichnet
sich durch größere Konzentration, durch stärkeren Eiweißgehalt und
die Anwesenheit runder, blasser, kontraktiler, zum Teil mit Fett¬
tröpfchen erfüllter Zellen, sogenannter Kolostrumkörperchen, neben
den Milchkügelchen aus, wie Hermann ausführt Die verschiedene
Beschaffenheit rührt sicher daher, daß die Mutter seither keine Milch
produzierte. Aber auch der Säugling ist ebenfalls sicher für diese
Art von Muttermilch in seinen lebensschwachen ersten Tagen vor¬
gebildet Das Kolostrum charakterisiert sich vor allem dadurch, .daß
es wässeriger als die eigentliche Muttermilch ist, wie Schröder
richtig erkannt hat Dadurch wird das Labferment ganz allmählich
zur Entfaltung gebracht. Würde es sofort stark zur vollen Geltung
kommen, so könnten analoge Erscheinungen entstehen, wie sie bei
Ikterum neonatorum infolge der geringen embryonalen Tätigkeit
der Leber, wozu auch der Duktus venosus Arantii und ihre Kom¬
pression infolge der gekrümmten Lage des Fötus mithelfen, zutage
treten, und es gäbe dann durch das Labferment infolge zu starker
Koagulierung wohl pathologische Magenaffektionen, wie dies später
beim säuern Auf stoßen teilweise ausgeführt wird.
Man kann behaupten, daß das Labferment die Trinklust der
Säuglinge steigert. Manche Neugeborene scheuen sich anfangs vor
der Mutterbrust, und diese Scheu wird durch gesteigerten Appetit
rasch vermindert Erwachsene behaupten bei Hunger, sie hätten
einen leeren Magen. Einen solchen leeren Magen verursacht das
Labferment bei Säuglingen, wenn es nicht in kurzen Zeiträumen zur
neuen Tätigkeit angeregt wird. Deshalb geben auch die stillenden
Mütter ihrem Kinde alle zwei Stunden zumeist Nahrung, so lange
etwa, als das Verweilen des Chymus im Magen stattfindet; sonst
ruhe das Kind nicht, wie der vulgäre Ausdruck mit Recht heißt
Ein in Süddeutschland verbreiteter Spruch behauptet: „Brech¬
kinder sind Gedeihkinder. u Die Tatsache läßt sich bei sonst ge¬
sunden Kindern nicht leugnen. In solchen Fällen ist einmal noch
der Magen weniger ausgebuchtet und stellt eine longitudinale Darm¬
erweiterung dar, ferner in geringerem Grade quergestellt und der
Fundus kleiner.. Deshalb ist eine lebhaftere peristaltische Durch¬
knetung der Speisen und Durchtränkung mit Magensaft vorhanden,
was die Resorption in hohem Grade fördert. Auch das Labferment
trägt wesentlich zu dem Gedeihen eines solchen Brechkindes bei.
Selbst bei Erwachsenen ist es äußerst wirksam. Man behauptet
vielfach, Milch dürfe nicht für sich allein getrunken werden, ohne
daß man z. B. Brot dazu esse; sie würde sonst sofort einen Klumpen
im Magen bilden. Richtig ist, daß Brot die gleichförmig geronnene
Milch als Chymus breiartig im Magen durchsetzt, die Fortbewegung
erleichtert und saueres Aufstoßen, was durch reinen Milchgenuß zum
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Vorschein kommen kann, hintanhält; Auch beim Neugeborenen
kann solches Aufstoßen nebst Erbrechen unschwer auftreten, was
aus dem säuern Mundgeruch leicht diagnostiziert zu werden vermag,
und wogegen vor allem Natrium bikarbonikum mit Erfolg gereicht
wird. Allerdings darf ein starker, vor allem zu langer Gebrauch
von doppelt kohlensaurem Natron beim Säugling nicht verordnet
werden. Selbst Erwachsene sollen dieses Mittel kurz vor oder nach
der Mahlzeit wegen eintretender Verdauungsstörung nicht einnehmen.
Fassen wir auf Grund dieser Ausführungen die Bedeutung des
Labfermentes zusammen, so ergeben sich folgende Punkte:
A. In gesunden Tagen.
i. Es vermittelt dem Körper des Säuglings die nötige Flüssig¬
keit, indem es das Wasser von den festen Bestandteilen der Milch
sondert.
• 2. Es gewährt eine bessere Ausnützung der Baustoffe des koa¬
gulierten Chymus.
3. Es vermeidet Inaktivität der Verdauungsdrüsen, was bei
Nahrungswechsel für Säuglinge von hoher Wichtigkeit ist
4. Es regt den Appetit der Säuglinge an.
B. In kranken Tagen.
1. Es gewährt dem infantilen Körper bei wasserentziehenden
Darmkatarrhen rasch erneute Flüssigkeit durch Magenresorption.
2. Es kann bei entsprechenden Magenaffektionen bei seiner un¬
abhängigen Wirkung vom Magensaft vor Hungertod bewahren.
3. Es vermeidet infantile Magenatonie, wie sie vermöge der
angeführten ungleichen Anordnung seiner Längsmuskulatur ent¬
stehen kann.
Diese Neigung zur kindlichen Magenatonie zeigt sich am besten
bei Magenparese infolge chirurgischer Operationen, wo der infantile
Magen namentlich zu Lähmung mit hochgradigem Meteorismus neigt
Man kann ätiologisch für Magen- und Darmparesen infolge Lapa-
ratomien auch bei Erwachsenen folgende Ansichten haben: Sie
können 1. durch Infektion erzeugt werden, 2. durch sympathische
Nervenatrophie infolge selbst anderweitiger Nervendurchschneidung
auftreten, was überhaupt sehr selten vorzukommen scheint, 3. durch
Temperaturunterschiede veranlaßt werden, 4. gewissermaßen durch
chirurgische Insulte entstehen, 5. durch Gefäßunterbindung hervor¬
gerufen werden. Der letztere Punkt ist genetisch am ehesten denk¬
bar, zumal da eine Thrombosierung der Arteria oder Vena mesen-
terika ebenfalls Darmlähmung unter Aufhebung der Peristaltik er¬
zeugt. Es sind hier analoge Vorgänge wie beim Stenon’schen
Versuch vorhanden.
Referate.
Fortschritte ln der klinischen Diagnostik (Physiognomik)
und Theorie der hereditären Syphilis. Von Josef K.
Friedjung. (Aus dem i. öffentl. Kinder-Krankeninstitut in
Wien. — Med. Klinik, 1914, Nr. 32.)
Mit den großen Fortschritten, die die letzten Jahre der Syphilis¬
forschung im allgemeinen gebracht haben, fällt zeitlich zusammen
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213
eine wesentliche Erweiterung unseres Könnens auf dem Gebiete der
klinischen Diagnostik der hereditären Syphilis. Hochsinger
namentlich und seine Schule war es, deren Arbeiten das geleistet
haben. Friedjung, der an ihnen teilnahm, wendete sich insbeson¬
dere der Physiognomik des Erbsyphilitikers zu, die etwas ebenso
Charakteristisches hat, wie die von ihm geschilderte der jugendlichen
Tuberkulösen. Er kann vorläufig drei Haupttypen formulieren:
i. Säuglinge des ersten Halbjahres, 2. Kinder von etwa 9 Monaten
bis 2 Jahren, 3. solche vom 8. Jahre ungefähr aufwärts. Die Schil¬
derung des charakteristischen Äußeren dieser Typen, das eine ge¬
wisse „Familienähnlichkeit“ zur Folge hat, ist im Originale zu lesen.
Die Ergebnisse der von Gold reich durchgeführten Wassermann-
Proben rechtfertigen Friedjung’s Formulierungen in vollem Maße.
Luesverdächtig scheinen ihm auch gewisse Fälle von atrophischen
Brustkindern.
Im weiteren Verlaufe seines Vortrages nimmt Fr. Stellung zu
den immer noch nicht völlig geklärten Fragen der Syphilisvererbung.
Im Anschluß an Matzenauer und Rietschel schildert er, wie
die Ergebnisse der neueren Forschung immer dahin weisen, daß die
Erbsyphilis jedesmal von der selbstsyphilitischen Mutter auf das
Kind übertragen wird. Dennoch bleibt noch eine Reihe klinischer
Erfahrungen übrig, die die Annahme der rein paternen Syphilis¬
übertragung zu rechtfertigen scheinen. Autoreferat
Prognose der tracheo-bronchialen Adenopathie. Von La
Hutinel. (La pathologie infantile, April 1914.)
Nach dem Autor ist die tracheo-bronchiale Adenopathie hin¬
sichtlich der Prognose wohl die wichtigste Affektion des Kindesalters.
Hat ein Kind Ganglien im Mediastinum, so handelt es sich fast
immer um tuberkulöse Ganglien, und doch gibt es eine große An¬
zahl von Kindern, die, obwohl sie tracheo-bronchiale Adenopathie
aufweisen, kräftige junge Leute werden und von Phthisis nicht be¬
fallen werden.
Autor studiert alsdann die Bedingungen, welche die Prognose
der tracheo-bronchialen Adenopathie modifizieren, welche die Ent¬
wickelung dieser Ganglien zu einer gutartigen oder bösartigen machen.
Volumen. Das Volumen der Adenopathie muß bei der Pro¬
gnose in Betracht gezogen werden, doch bedingt sie nicht allein die¬
selbe, denn man sieht einerseits große Ganglien, die in ihrer Ent¬
wickelung stehen bleiben und sich zurückbilden, andererseits bilden
ganz kleine Ganglien oft den Ausgangspunkt für eine disseminierte
und tötliche Tuberkulose.
Alter. Im allgemeinen ist die Krankheit um so gefährlicher,
je jünger das Individuum ist, besonders ist dies im ersten Lebens¬
jahre der Fall, in welchem 8 / 4 der Kinder sterben. Im zweiten
Lebensjahre ist die Prognose vielleicht etwas günstiger. Indes erst
vom 3. bis 8. Lebensjahre bessert sich die Prognose merklich, wenn¬
gleich sie noch immer ungünstig ist. Nach dem 8. Lebensjahre,
wenn die Kinder in günstigen Verhältnissen sich befinden, besteht
Aussicht, daß die ganglionäre Tuberkulose lokalisiert bleibt Doch
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214
kann dieselbe durch eine interkurrente Krankheit, wie Masern,
Keuchhusten usw., modifiziert werden. Im allgemeinen findet man
bei den Mädchen zwischen 14 und 15 Jahren nach Eintritt der
Pubertät und bei den Knaben zwischen 18 und 20 Jahren eine
Zunahme.
Lungen Veränderungen. Nach Parrot geht einer jeden
tuberkulösen Adenopathie im Mediastinum eine Veränderung der
Lunge voraus. Dieser initiale Lungenherd ist fast immer in 90 Proz.
der Fälle vorhanden, doch hat dieser sogenannte tuberkulöse
Schanker keinen prognostischen Wert, da er nach Infektion der
Ganglien meist verkalkt und verheilt.
Die erste Phase der infantilen Tuberkulose ist daher eine
ganglionäre Phase. Die Krankheit kann im Ganglion lokali¬
siert bleiben und hier verkalken. In anderen Fällen jedoch ver¬
breitet sich dieselbe zu einem bestimmten Zeitpunkte und zwar auf
zweierlei Arten. Bald handelt es sich um eine rasche Verbreitung,
um eine Miliartuberkulose, die nicht nur die Lunge, sondern auch
die anderen Organe befällt. Bald handelt es sich um eine pro¬
gressive und graduelle Ausbreitung im Parenchym, um den Hilus
und gegen die Spitze.
Von dem Tage an, wo die Tuberkulose die Ganglienhülle durch¬
bricht, wechselt die Prognose. Es handelt sich alsdann um eine
offene Tuberkulose, die im jugendlichen Alter im allgemeinen
eine schwere Tuberkulose ist.
Man unterscheidet die floride Tuberkulose, die bei Kindern
“häufig, bei Erwachsenen seltener ist, und die subakute galop¬
pierende Tuberkulose; letztere wird schnell zu einer miliaren
Form und bedingt in einigen Monaten den Tod.
Autor warnt davor, den eine beginnende Lungentuberkulose bei
Erwachsenen anzeigenden Symptomen, wie Abschwächung des
Vesikuläratmens bei der Inspiration, Verschärfung desselben bei der
Exspiration, leichte Dämpfung des Schalles an der Lungenspitze,
bei Kindern, die an Adenopathie leiden, eine zu große Bedeutung
beizulegen, da solche Kinder trotz dieser Symptome, sehr häufig
keine Veränderung der Lunge aufweisen. Diese Symptome, die,
selbst wenn sie mit Rasselgeräuschen verbunden sind, oft nur auf
eine durch interkurrente Krankheiten bedingte Kongestion der
Lunge beruhen und nach der Krise verschwinden, verschlechtern die
Prognose nicht
Dagegen verschlechtert eine im Verlaufe einer tracheo-bronchialen
Adenopathie auftretende Spleno-Pneumonie die Prognose, besonders
wenn nach 5—6 Tagen die Entfieberung sich in die Länge zieht
oder wenn die abortive Form eintritt. Hier kann die Tuberkulose
im Spiele sein.
Die Bronchopneumonie bei Kindern von 2—4 Jahren, die an
tracheo-bronchialer Adenopathie leiden, kann den Beginn einer tuber¬
kulösen Entwickelung bedeuten oder auch nur ein vorübergehender
Zufall sein. Man hüte sich in solchen Fällen daher vor einer zu
schnellen günstigen Prognose.
Oft beobachtet man zwischen 2 und 10 Jahren eine pleuro-
pulmonäre Kongestion, die sich infolge von Ermüdung oder Ver-
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215
kältung entwickelt und durch einen Seitenstich und Fieber sich
kundgibt. Während der ersten 2—3 Tage findet man bei der Aus¬
kultation keinerlei Symptome, alsdann die Atmung bei einem flüssigen
Exsudate. Wenn in diesem Falle die Prognose auch nicht absolut
ungünstig ist, so kann man doch behaupten, daß die Krankheit in
das pulmonäre Stadium einzutreten neigt.
In anderen Fällen hat man die Symptome eines Bronchial-
Asthmas mit unregelmäßig ausgebreiteten Rasselgeräuschen, mit
ausgesprochen pfeifenden Geräuschen an der Mittelpartie oder an
der Spitze. Es handelt sich um das ganglionäre Asthma von Joal.
Hier ist die Prognose günstig, denn • die meisten Kinder genesen,
wenn auch einige Jahre hindurch durch den geringsten Temperatur¬
oder Ortswechsel Nachschübe veranlaßt werden.
Tuberkulöse Affektionen der verschiedenen Organe.
Bei den mit tracheo-bronchialer Adenopathie behafteten Kindern
können andere tuberkulöse Veränderungen, wie z. B. der Meningen,
des Zentralnervensystems, der Nieren, der Haut, der Leber, der
Knochen, der Gelenke, vorhanden sein, welche die mediastinale
Tuberkulose zur Ursache haben. Diese Veränderungen bedingen
alsdann die Prognose.
Fieber. Ein hohes Fieber muß einen anderen tuberkulösen
Herd in der Lunge, im Darme, in der Leber oder im Gehirne ver¬
muten lassen, aber die ganglionäre Affektion kann allein auch Fieber
verursachen. Alsdann handelt es sich um ein leichteres Fieber, das
zwischen 37,2° morgens und 38,2° abends schwankt und wochen-ja
monatelang anhalten kann.
In anderen Fällen handelt es sich um die typho-tuber¬
kulöse Form, die sich durch allmähliches graduelles Ansteigen
der Temperatur bis 39 0 charakterisiert Das Fieber schwankt als¬
dann während einiger Tage und bleibt dann stationär wie bei Typhus;
alsdann jedoch treten Unregelmäßigkeiten auf, welche die Diagnose
gestatten. — In anderen Fällen endlich hat man es mit einer tuber¬
kulösen Septikopyämie zu tun; hier ist die Prognose bedeutend un¬
günstiger als im vorhergehenden Falle.
Es gibt Fälle, in denen die Kinder nach einem leichten Fieber
eine thermische Instabilität auf weisen, d. h. vorübergehende Tem¬
peratursteigerung infolge von Anstrengungen, Aufregungen usw.
Solange dieser Zustand andauert, muß die Prognose vorsichtig ge¬
stellt werden.
Bei manchen Kindern findet man als Symptom der tracheo-
bronchialen Adenopathie Zirkulationsstörungen, wie Zyanose der
Extremitäten und Tachykardie. Dieselben bedingen eine schlechte
Prognose, weil sie auf eine Schwäche des Organismus hinweisen.
de La Hauße-Rosenheim.
Varizellen des Neugeborenen durch mütterliche An«
Steckung. Von Le Rebouillet. (Revue pratique d’obste-
trique et de paediatrie, März 1914.)
Die Varizellen, wie die anderen Eruptionsfieber befallen selten
den Neugeborenen.
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2IÖ
Die Mutter des Kindes, um das es sich handelt, war während
ihrer Gravidität gesund; am Tage vor ihrer Entbindung wurde sie
von Varizellen mittlerer Intensität befallen. Die Krankheit der
Mutter verlief normal, doch hatte sie sekundär einen Abszeß der
rechten Brust zur Folge, der inzidiert wurde. Das Kind wurde,
trotz der Krankheit der Mutter, am Tage nach der Geburt an die
Brust gelegt und blieb 14 Tage lang vollkommen gesund.
Erst volle 14 Tage nach der Geburt des Kindes traten
die ersten Varizellen bei demselben auf. Ein Nachschub folgte nach
drei Tagen und bald darauf trat ein weiterer Nachschub auf. In
den nächsten Tagen wurde ein Teil der Varizellen ulzerös und das
Allgemeinbefinden des Kindes war ein sehr schlechtes. Doch besserte
sich dasselbe vom 8. Tage ab und das Kind genas allmählich.
Rezidivierende Nabelkoliken der Kinder. Von Paula Tobias,
Kreiensen. (Münchner med. Wschr., 1914, Nr. 33.)
Die von Moro als rein nervös aufgefäßten Nabelkoliken der
Kinder sind als Symptome oder als Vorstufen eines Ulkus ventrikuli
oder duodeni im Sinne von Bergmanns zu betrachten, also als
Krämpfe im Gefäßsystem der Magen- resp. Darmschleimhaut Dem
entsprechend ist die von Moro geübte Behandlung keine suggestive
Scheintherapie, sondern ätiologisch. Die besonders in schweren
Fällen gut wirkenden Belladonnapillen stehen auf gleicher Stufe mit
der von Bergmann’schen Atropinkur. Die „pädagogischen“ Ma߬
nahmen bestehen in zeitlicher, qualitativer und quantitativer Rege¬
lung der Ernährung, die auch bei organischem Befund ihre Wirkung
nicht verfehlt. Valeriana wirkt als leichtes Narkotikum, Heftpflaster¬
streifen allerdings wohl rein suggestiv. Bei zwei der beobachteten
Nabelkolikkinder stellten sich die klassischen Symptome des Ulkus
ventrikuli ein und gingen nach Vornahme einer kombinierten
Leube-Lenliartz ’schen Ulkuskur zurück. Die Prädisposition
vasolabiler, neurasthenischer oder hysterischer Individuen für die
Ulkuserkrankung besteht beim Kind ebenso wie beim Erwachsenen,
so daß sich fließende Übergänge von einer reinen Neurose zur or¬
ganischen Erkrankung ergeben.
Die kondensierte gezuckerte Milch in der Behandlung
der mit Erbrechen verbundenen infantilen Dvspep~
Sien. Von Variot und Lavialle. (Referat in „La patho-
logie infantile“, März 1914.)
Indem die Autoren den Nährwert der kondensierten gezuckerten
Milch Marke Gallia studierten, entdeckten sie die bemerkenswerten
anti-emetischen Eigenschaften der überzuckerten Milch.
Bei dyspeptischen Säuglingen, welche seit mehreren Monaten
erbrachen, gelang es den Autoren durch Verabreichung der konden¬
sierten gezuckerten Milch immer das Erbrechen zum Stillstände zu
bringen, die überzuckerte Milch zur Ausnützung zu bringen und das
Wachstum an Gewicht und an Länge zu fördern. In einer großen
Zahl von Fällen, in denen das Natrium zitrikum, das ein starkes
Antiemetikum ist, versagte, haben die Autoren die Toleranz des
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217
Magens dadurch hergestellt, daß sie dem Kinde einfach gehörige
Dosen überzuckerter Milch gaben; die Wirkung trat oft sehr schnell,
von einem Tage auf den anderen ein.
Außer dem Stillstände des Erbrechens konnten die Autoren
feststellen, daß die Zunahme sehr befriedigend war und in der ersten
Woche zwischen 30 und 50 g täglich wechselte. Die Autoren be¬
tonen, daß die gezuckerte kondensierte Milch allein die anti-emetischen
Eigenschaften besitzt. Es existiert in der Tat eine andere nicht
gezuckerte Milch derselben Marke, die jedoch keinerlei anti-emetischen
Eigenschaften besitzt. Es genügte die gezuckerte kondensierte Milch
durch die nicht gezuckerte zu ersetzen, um das Erbrechen wieder
hervorzurufen. v. La Hauße-Rosenheim.
Erfahrungen mit TricalcoKMilch beim kranken Säugling.
Von Weih. (Aus der akademischen Kinderklinik zu Köln
[Geh. Med.-Rat Prof. Siegert]. — M. m. W., 1914, Nr. 30.)
In der akademischen Kinderklinik wurden mit Tricalcol Ver¬
suche in sehr großer Anzahl angestellt und zwar bei ernährungs¬
gestörten, rachitischen und spasmophilen Kindern. Es handelte sich
stets um Kinder im ersten Lebensjahre, teilweise in den ersten
Lebensmonaten.
Die Erfolge waren zweifellos günstig bei Kindern, welche mit
akuter Dyspepsie zur Behandlung gelangten. Die vorher sauren
Stühle wurden nach zwei bis drei Tagen alkalisch, es traten Seifen¬
stühle und sodann normale Stühle auf. Bei entsprechender Kalorien¬
darreichung zeigte sich etwa nach einer Woche Zunahme des Ge¬
wichtes. Die Darreichung geschah etwa fünf bis sechs Wochen,
dann wurden die Kinder mit einem Male auf die ihrem Alter ent¬
sprechende Nahrung abgesetzt bei ungestört gutem Fortgang. Dieser
Verlauf erfolgte sowohl bei Säuglingen in den ersten Lebensmonaten
als auch bei Kindern im zweiten Lebensjahre.
Bei der Behandlung schwer geschädigter Kinder, im Zustande
der Dekompensation nach Finkeistein, waren die Erfolge nicht
so allgemein günstig, wie dieses ja auch bei der Eiweißmilch selbst
.normal ist.
" Die Erfolge bei Spasmophilie waren durchweg günstig. Früher
bestehende Krämpfe wiederholten sich nicht, das vorher stark posi¬
tive Fazialisphänomen wurde schon nach einigen Tagen negativ.
Der Laryngospasmus verlor sich bald.
Vergesellschaftet waren die spasmophilen Erscheinungen stets mit
schwerer Rachitis, Epiphysenauftreibung, Rosenkranz, Kraniotabes,
starken profusen Schweißen. Bei Kraniotabes war eine schnellere
Konsolidierung der Hinterhauptknochen zu beobachten, als sie sonst
stattfindet. Auch die profusen Schweißausbrüche ließen nach, der
allgemeine Zustand hob sich.
Bemerkenswert ist ferner ein Fall von trockenem disseminiertem
Ekzem, das hartnäckig jeder Behandlung trotzte, aber bei ausschlie߬
licher Darreichung von Tricalcol völlig abheilte.
Endlich berichtet Verf. noch von einem günstigen Erfolge des
Tricalcols bei einem schweren Mehlnährschaden.
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2l8
So ergibt sich: Die Tricalcolmilch leistet zweifellos günstiges
bei der Behandlung der Spasmophilie, Rachitis, der Mitbehandlung
lymphatischer Ekzeme, sowie bei akuten Ernährungsstörungen.
Die Bedeutung des Kalziums für die pädiatrisdie Praxis.
Von Paul Sittler-Kolmar i. E. Fortschr. d. Med., 1914,
Nr. 28.
Der Verf. gibt eine übersichtliche Darstellung über den heutigen
Stand der Kalziumtherapie und ihre experimentelle Begründung
und führt im Anschluß daran seine Beobachtungen auf, die er bei
Darreichung des Tricalcols, der kolloidalen Kalk-Phosphor-Eiweiß-
verbindung, sammelte. Seine Versuche erstreckten sich zuerst auf
eine Serie von Kindern mit Rachitis. Hierbei erwies sich das
Tricalcol als wertvolles und unschädliches Adjuvans in der medi¬
kamentösen Behandlung dieses Leidens (selbstredend neben einer
entsprechenden diätetischen Therapie), dessen Wirksamkeit der der
bisher in diesen Fällen gebräuchlichen Kalziumpräparate zum
mindesten gleichkam, ohne indessen deren Nachteile zu besitzen.
Die guten Resultate der Tricalcol-Anwendung bei der Rachitis ver¬
anlagten naturgemäß auch zur Darreichung dieses Mittels bei spas-
mophilen Zuständen, wobei das Präparat sehr günstige Erfolge
zeitigte. Ferner wurde das Tricalcol bei Milchnährschaden der
Säuglinge, der bekanntlich mit einer Ausscheidung von Kalkseifen¬
stühlen einhergeht, verwandt. Endlich weist der Verf. auf die Ver¬
wendung bei Diarrhöen der Säuglinge hin und empfiehlt insbeson¬
dere das seit kurzem speziell für diesen Zweck in den Handel
gebrachte Tricalcol-Kasein, das außerordentlich preiswert ist
und infolgedessen jederzeit auf bequeme Weise die Herstellung einer
billigen Eiweißmilch gestattet.
Außerdem empfiehlt sich das Tricalcol noch ganz besonders
bei schwangeren Frauen, um sowohl dem mütterlichen als auch dem
kindlichen Organismus die nötige Menge Kalk zu bieten, es wurde
von den Frauen auch in Dosen von 5—10 g augezeichnet vertragen.
Autoreferat.
Zur Frage: Stillen bei Muttertuberkulose. Von Cozzolino-
Cagliari. (Arch. f. Kinderhlkde., Bd. 60 und 61.)
Die Ausscheidung von Tuberkelbazillen mit der Milch tuberku¬
löser Frauen ist ein seltenes Ereignis, dagegen spricht das Tier¬
experiment (febrile Reaktion tuberkulöser Meerschweinchen bei In¬
jektion von Milch tuberkulöser Frauen), dafür, daß die Toxine des
Tuberkelbazillus in die Milch übergehen und den Säugling schädigen
können; wenigstens starben die saugenden Jungen tuberkulöser
Tiere unter den Erscheinungen einer progressiven Kachexie. Für
den menschlichen Säugling ist eiue solche Schädigung noch zu be¬
weisen, die Frfahrung des Verf. und der von ihm zitierten Autoren
lehrt aber, daß die Ernährung an der Mutterbrust dem Säugling
jedenfalls keinen wirksamen Schutz gegen die tuberkulöse Infektion
gewährt Sie bringt ihn im Gegenteil in besonders innige Berüh¬
rung mit der Infektionsquelle und übt auf die Tuberkulose der
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219
Mutter in der Regel einen ungünstigen Einfluß aus. Verf. spricht
sich daher gegen das Stillen tuberkulöser Mütter aus.
H o h 1 f e 1 d-Leipzig.
über das Wesen des Stotterns. Von Emil Fröschel in
Wien. W. m. W., 1914.
Die alte Kußmaul-Gutzmann’sche Definition des Stotterns
als spastische Koordinationsneurose, bedingt durch reizbare Schwäche
des Silbenkoordinationsapparates, kann schon deshalb nicht zu Recht
bestehen, weil es auch Stotterer gibt, die bei einzelnen Lauten stecken
bleiben. Gegen das Wort „Koordinationsneurose“ spricht der Um¬
stand, daß Leute mit dem ausgebildeten Übel, auch wenn sie nicht
sprechen, nicht imstande sind, so langsam wie ein Normaler einzu¬
atmen. Der Autor nimmt auf Grund seiner zahlreichen Beobach¬
tungen an, daß der erste Anstoß zum Stottern in jener Zeit erfolgt,
wo das Kind über reichlich Gedanken und starken Sprechdrang, aber
nicht mit Schnelligkeit über alle Ausdrücke verfügt. In solchen
Situationen kommt es dann dazu, daß es in derZeit, in der es nach
einem Ausdruck ringt, die letzte Silbe solange wiederholt, bis es
ihn gefunden hat. Da ein Kind an allem Auffälligen Gefallen
findet, wird das manchmal zur Gewohnheit, die aber bei vernünftiger
Behandlung von Seiten der Umgebung verschwindet. Wird es jedoch
durch Korrigieren, Wiederholenlassen des „schweren Wortes“, Strafe
etc. darauf in unangenehmer Weise aufmerksam gemacht, so be¬
kommt es allmählich Angst vor einzelnen Lauten in Worten und
will mit Anstrengung die Wiederholung der Silben vermeiden. Es
beginnt zu pressen und dieses Pressen wird von den meisten Autoren
als „konischer Krampf“ beschrieben, während die Silbenwiederholungen
„klonischer Krampf“ genannt werden. Da aber ein Krampf eine
vom Willen unabhängige Bewegung ist, leugnet der Autor die Be¬
rechtigung der Autoren, beim Stottern kurzweg von Krämpfen
zu sprechen. Die angeführte Entstehungsart gilt für das am häufigsten
auftretende sogenannte Entwicklungsstottern. Autoreferat.
Zur Operationstechnik der doppelseitigen Hasenscharte.
Von Hans Hans. (Aus dem Krankenhause zu Limburg a.
d. Lahn. — Zbl. f. Chir., 1914, Nr. 33.)
Das Wesentliche dieser Methode ist gegenüber dem komplizierten
Zickzack-Verfahren älteren Datums die Benutzung des sehr beweg¬
lichen Hautteils über dem Zwischenkiefer zur Bildung des häutigen
unteren Teiles der Nasenscheidewand. Die Nasenspitze wird so ge¬
hoben, die Nasenlöcher erhalten mehr die normale längsovale
Form, nicht mehr die sonst resultierende quer ovale.
Kein Wundverband, zur Oberlippenentspannung ein 4 cm breiter,
12 cm langer Leukoplaststreifen, der von den Schmalseiten her bis
auf ein Mittelstück von 4 cm seitlich eingeschnitten wird. Die
unteren Zipfel schlage man einmal völlig um die oberen (also um
360 Grad) und bilde so mit dem Mittelstück eine glatte Rolle. Diese
Rolle kommt in den Mundspalt, die oberen Zipfel von Ohr zu Ohr,
die unteren schlage man unter Zug nach unten unters Kinn. So
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220
wird der Mundspalt ziemlich frei, zur Losung am 3.—4. Tag ziehe
man die beiden Ohrzipfelstreifen gleichzeitig nach vorne ab, dann
wird jede Zerrung an der Oberlippe vermieden.
Behandlung der chronischen eitrigen Mittelohrentzün*
düng. Von Joliat. (La pathologie infantile, März 1914.)
Autor läßt das kranke Ohr 1—2 mal täglich mit lauwarmem
Kamillentee ausspritzen, dann mit Watte gehörig austrocknen. Dann
läßt er den Patienten auf das gesunde Ohr sich legen und folgende
Mischung lauwarm ins kranke Ohr eingießen:
Acid. boric.
Bismuth. subnitric. ää 4,0
Acid. benzoic. 0,5
Formol. gtt III
Glycerin, q. s. ad 30,0
Diese Flüssigkeit läßt man 10 Minuten im Ohre, läßt alsdann den
Kopf in die Höhe heben, den Uberschuß ausfließen und den Gehör¬
gang leicht mit Watte verstopfen. In 4—5 Wochen hört die Eiterung
auf. de La H a u ß e - Rosenheim.
Bücherbesprechungen.
Soziale Lage und Gesundheit der Nerven. Von Prof. Dr.
med. et phil. W. Weygandt in Hamburg. (Würzburger
Abhandlungen, XIV. Bd., 6-/7. H.) Lex. 8“. 42 S. Würzburg
1914. Verlag von Curt Kabitzsch. Preis 1,70 Mk.
Der bekannte Verf. und Leiter der Irrenanstalt Friedrichsberg
behandelt hier ein Thema,, das unter den jetzigen Verhältnissen sehr
angebracht ist. Die gesamte Lebenserwartung wird heutzutage nur
in der oberflächlichsten Weise einer vorherigen Erörterung und
Prüfung unterzogen, wie Körper und Geist für den Kampf ums
Dasein ausgerüstet sind, wird selten festgestellt Kein Buchstabe
des Gesetzes kümmert sich darum, ob ein Kind bei der Geburt ge¬
sund oder mit erblichen Krankheiten behaftet den Weg ins Leben
an tritt. Nicht nur Zeit ist Geld, sondern Gesundheit ist Geld, aber
Geld kann nicht wieder in Gesundheit zurückverwandelt werden.
Ein breiter Raum ist dann der Frage eingeräumt, wie soziale Lage
auf Verhütung, Entstehung und den Verlauf der Störungen einer
normalen Beschaffenheit unseres Geistes und unserer Nerven ein¬
wirkt Bekannt ist der Einfluß und die Beeinflussung des Keimes
durch Alkohol, Syphilis, weniger der Einfluß des Pauperismus. Die
Kinder ganz armer Eltern sind schon bei der Geburt etwas weniger
lebenskräftig als die Kinder der Wohlhabenden. Besonders ist die
Ernährung schon beim Säugling von Einfluß. Der Kretinismus
steht zweifellos in naher Beziehung zum Pauperismus. Die Erziehung
der Kinder leidet unter der Fernhaltung ihrer Eltern durch die
Berufsarbeit, oft geben sie zur Beruhigung den Kindern Alkohol
und Bier auf den Schnuller, bevor sie auf Arbeit gehen.
Die Krankheiten des Zentralnervensystems befallen aber die
Wohlhabenden mehr als die Armen, das geht besonders aus den
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221
Zahlen der Lebensversicherungsgesellschaften hervor. Interessant ist
eine Tabelle über das verschiedene Vorkommen von Delirium, Epi¬
lepsie und Paralyse in den Großstädten und Landesteilen Preußens.
Traumatische Hysterie kommt bei Arbeitern und Wohlhabenden
gleich häufig vor, auch die Wohlhabenden stellen heutzutage nach
Unfällen Rentenansprüche in gleich übertriebener Weise.
Die Zahl der Geisteskrankheiten steigt durch die Zivilisation,
in Indien und Japan ist die Zahl der Geisteskranken sehr gering.
Interessant ist eine Zusammenstellung über die Kosten der Anstalt
Friedrichsberg, sowie der Aufwendungen durch die sozialen Ver¬
sicherungen nach Jens im Hamburger Staat. Haussen -Kiel.
Jugendpflege und freies Volksbildungswesen. Von Fried¬
rich Kordts in Neumünster. Ein Reisebericht an das Kura¬
torium der Diesterwegstiftung des allgem. schleswig-holst.
Lebrervereins. Lex. 8°, VIII und 167 Seiten, m. Abb. Neu¬
münster 1914. Nordische Verlagsanstalt. Preis 2,50 Mk.
Der auf dem Gebiet der Jugendpflege erfahrene Verf. faßt die
Jugendpflege als einen Zweig der Kulturübermittelung von Seiten
der Kulturträger an die Kulturlosen auf. Kordts hat auf mehreren
Studienreisen in ganz Deutschland die Jugendpflege zugleich mit
den Volksbildungsbestrebungen kennen gelernt. In der Vorrede wird
die Jugendpflege im Rahmen unseres nationalen Bildungswesens
betrachtet. Beide Bestrebungen sollten zusammengeschlossen und
für die Stärkung und innere Einigung unseres Volkes dienstbar ge¬
macht werden. Beide Bestrebungen haben die Aufgabe, Menschen
zu Persönlichkeiten zu entwickeln. Eine Zersplitterung der Kräfte
ist dabei zu vermeiden. Bei den Unterhaltungsabenden sind auch
Jugendliche zur Mitarbeit heranzuziehen. Besonders die Turnübungen
sind in der Beziehung wertvoll. Ausführlich und lebendig werden
dann die Reiseerlebnisse vom Verf. geschildert und alles, was er in
ganz Deutschland an Arbeitsstätten der Jugendpflege und des freien
Volksbildungswesens kennen gelernt hat. Die Kruppsche Jugend¬
pflege und die der Farbenfabriken in Leverkusen werden besonders
eingehend behandelt. Wertvoll ist ein Beitrag über die Einrichtung
von Volksabenden nach den reichen Erfahrungen des Verf.
Hanssen - Kiel.
Schulkinderspeisung. Gesammelte Erfahrungen, herausge¬
geben vom Verein Jugendheim E. V. Charlottenburg. kl. 8°,
63 S. Berlin 1914. Verlag von Carl Habel.
Das Büchlein verdankt seine Entstehung der jahrelangen Er¬
nährung von täglich mehr als 800 Kindern im Jugendheim zu
Charlottenburg. Diese praktische Arbeit hat durch anhaltende warm¬
herzige Anteilnahme Rubners, im speziellen durch Einfügung
exakter Kalorienwerte, einen wohltuenden wissenschaftlichen Grund¬
ton erhalten. Der Niederschlag all dieser reichen Erfahrungen wird
zweifellos ähnlichen Veranstaltungen in vieler Hinsicht als erprobter
Ratgeber dienen und umsomehr von wesentlichem Nutzen sein
können, als hier im Rahmen des geringsten Kostenaufwandes sehr
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große Abwechslung geboten wird. Wir finden da neben Fisch¬
gerichten zahlreiche Fleischspeisen, Gemüse mit Kartoffeln, Gerichte
mit Backobst, Gries- und Reisspeisen mit Obst, Hülsenfruchtgerichte,
Kartoffelgerichte, Milchspeisen, Reisspeisen mit Gemüse und schlie߬
lich saure Gerichte. Naether-Dresden.
Organotlierapeutisches Kompendium des organothera-
peutischen Instituts v. Prof. Dr. Poehl und Söhne.
Hrsg. v. Exz. u. kaiserl. Rat Prof. Dr. Alex. Poehl -St Peters¬
burg. 2. deutsche Aufl. 4 0 , 116 S. Berlin 1912.
Das kleine Werkchen orientiert leicht und sachlich über organo-
therapeutische Fragen. Cordes -Dresden.
Das Kaiser Wilhelm-Kinderheim in Ahlbeck (Seebad)
im Jahre 1913. Ärztlicher Bericht vom Kreisarzt Dr. Kur p-
j u w ei t-Swinemünde. (Veröffentl. a. d. Gebiete d. Medizinal¬
verwaltung, III. Bd., H. 8.) gr. 8°, 12 S. Berlin 1914. Ver¬
lagshandlung Richard Schoetz. Pr. 50 Pf.
Das Heim ist musterhaft gelegen im Wald direkt am Meeres¬
strand. 750 blasse Großstadtkinder zogen in das Haus ein. Bei der
Entlassung ergab sich ein anderes Bild; nach dem Aussehen konnte
der Allgemeinzustand der Kinder wie folgt festgestellt werden:
sehr gut bei 264,
gut bei 292,
befriedigend bei 133,
genügend bei 60,
ungenügend bei 1.
_ Spiegel-Kiel.
Kurze Notizen aus der Praxis und Wissenschaft
Die St. John’s Guild der Stadt New-York. Von W.
Morgan Hartshorn.
Verf. schildert uns unter Beigabe mannigfacher Abbildungen
eine Wohltätigkeitseinrichtung der Stadt New-York, nämlich ein
schwimmendes Hospital zum Heile kranker Kinder. Das Schiff
nimmt während der Sommermonate nicht allein Babys, sondern auch
alle Kinder unter 6 Jahren, sowie die Mütter in seine Hut, um sie
des Vorteils der Ruhe, der guten Luft und Ernährung teilhaft zu
machen. Für nähere Details muß auf den anregenden Artikel selbst
verwiesen werden. Corde s-Dresden.
(Arch. of pediatr., 1914, Bd. XXXI, Nr. 2.)
Das Kind im tuberkulösen Milieu. Von Maurice
Fischberg.
Ausgehend von der Tatsache, daß Tuberkulose im Kindesalter
häufiger ist als meist angenommen wird, widmet Verf. seine Studien
allen für die Gefährdung des Kindes durch Tuberkulose in Betracht
kommenden Momenten. Der Artikel gibt auch interessante stati¬
stische Zahlen, u. a. über angestellte Tuberkulinreaktionen usw.
(Arch. of pediatr. 1914, Bd. XXXI, Nr. 2.) Cordes-Dresden.
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223
t)ie 'Theorien über Azidosis und die Azidose der
Kinder. Von Malcom Yeambu Marshall.
Gibt eine eingehende Studie der Azidosentheorien, besonders
angewandt auf das Vorkommen der Azidose in der Kindheit
(Arch. of pediatr., 1914, Bd. XXXI, Nr. 2.) Cordes-Dresden.
Literaturübersicht über Osmose und ödem bei
Säuglingen und in der Kindheit. Von Leonard Walermann.
Unterzieht die Literatur über die Frage einer kritischen Wür¬
digung und kommt zu dem Schlüsse, daß die Annahme der Chlor¬
retention in der Ätiologie des Kinderödems bei weitem überwiegt,
wenn auch einiges zu Gunsten der Gefäßläsion spricht. Als Be¬
handlung hat sich die Salzreduktion auf ein Minimum am besten
erwiesen. In schweren Fällen ist Koffein indiziert.
(Arch. of pediatr., 1914, Bd. XXXI, Nr. 2.) Cordes-Dresden.
Eine Studie über das Kind im tuberkulösen Milieu.
Von M.^ Fi sch b er g. II. Teil.
Fortsetzung und Zusammenfassung des im vorigen Heft Be¬
gonnenen, das auf Grund reichlichen Materials manches interessante
bringt
(Arch. of pediatr., 1914, Bd. XXXI, Nr. 3.)
Malaria bei Säuglingen. Von W. M. Weston.
Gibt eine Übersicht über das Vorkommen von Malaria bei
kleinen Kindern unter Anfügung der Therapie und Hinweis darauf,
daß der Anteil der Malaria in den in Betracht kommenden Ländern
kein geringer an der Kindersterblichkeit ist.
(Arch. of pediatr., 1914, Bd. XXXI, Nr. 4.)
Kongenitale Malaria. Von Murray H. Baß.
Fall unter Hinweis auf Literatur.
(Arch. of pediatr., 1914, Bd. XXXI, Nr. 4.)
Die Bedeutung der Mineralsalze bei Verdauungs¬
störungen der Kinder. Von Carleton Ava Wood.
Betont unter Bezugnahme auf Experimente die Notwendigkeit
der genügenden Salzzufuhr für das Wohlbefinden der Kinder und
macht ein zu wenig ev. zu viel der Mineralsalze haftbar für eine
Anzahl Verdauungsstörungen bei den Kindern.
(Arch. of pediatr., 1914, Bd. XXXI, Nr. 4.)
Die Ätiologie und Symptomatologie der Nervosität
beim Kinde. Von David J. Levy.
Verfasser versucht nachzuweisen, daß Störungen funktionellen
Charakters auch in den ersten 12 Monaten beim Kinde beobachtet
werden können.
(Arch. of pediatr., 1914, Bd. XXXI, Nr. 4.)
Unilaterale kongenitale Hypertrophie. Von John
Speese.
Fall von rechtsseitiger Hypertrophie der unteren Extremität,
mit Abbildung.
(Arch. of pediatr., 1914, Bd. XXXI, Nr. 4.)
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224
Guaj akol Vergiftung durch Absorption mit kasu¬
istischer Mitteilung. Von C. A. Sexton.
Vergiftung im Anschluß an die Anwendung von Guajakol bei
skarlatinösem Arthritisfall.
(Arch. of pediatr., 1914, Bd. XXXI, Nr. 4.)
Seit derGeburt bestehendes, unstillbares Erbrechen
bei einem 9-monatlichen Kinde. Große Unterernährung.
Dilatation des Magens im Röntgenbilde nachweisbar.
Heilung durch Anwendung von lait condens6 sucre und
lait homogenise hypersucre. Von Variot
Unter Variots Behandlung entwickelt sich ein hypertrophisches
Speikind zu einem gesunden Säugling. V. gibt seiner kondensierten,
stark zuckerhaltigen Milch, die er z. Z. besonders liebt, wie er früher
andere Milchsorten überschwänglich pries, den Ruhm an diesem
schönen Erfolg. Aus der kurzen Krankengeschichte kann man ihn
nicht kontrollieren. Spiegel-Kiel.
(Bull, de la soc. de ped. de Paris, 1913, Nr. 7.)
Kleine Mitteilungen.
Die Apollinaris Co. Limited in London, die in Neuenahr a. Rh.
den Versand des durch seine große Reklame allbekannten Apollinaris
und Juliusbrunnens (früher auch Heppinger und Landskroner Brunnen)
und große Glashüttenwerke in Rheinau (2 Mill. M. Betriebskapital)
betreibt, ist eine rein englische Gesellschaft. Ihre hohen
Dividenden, von 1892 an bis 83 Proz. (Reingewinn von etwa 500000 M.
jährlich durchschnittlich) wandern in die Hände englischer Kapita¬
listen. Es wäre wohl an der Zeit, den Verbrauch dieser Wasser in
Deutschland einzustellen. Kein guter Deutscher trinke diesen Brunnen,
kein deutsch gesinnter Wirt stelle ihn auf seine Getränkekarte, wenn
er nicht die Kriegsmittel unsrer Feinde stärken will.
In Anlehnung an das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung
der Tuberkulose hat sich bei der Zentralstelle des Roten
Kreuzes für Kriegswohlf alirtspflege ein besonderer
Tuberkuloseausschuß gebildet, der es sich angelegen sein
läßt, nach jeder Richtung hin für die Aufrechterhaftung der Tuber¬
kulosefürsorge während der Kriegszeit zu sorgen. Zunächst hat
dieser Ausschuß, um die in den Heilstätten und Fürsorgestellen
durch Abgaben von Personal für die Kranken- und Verwundeten¬
pflege des Heeres entstandenen Lücken auszufüllen, einen Nach¬
weis fürÄrzte,Schwestern und sonstigesPflegepersonal,
die bereit sind, an solchen Stellen zu arbeiten, errichtet.
Anmeldungen für derartige Stellen sind an die
Zentralstelle für Kriegs wohlfahr tspf lege
Tuberkuloseausschuß
Berlin NW. 7, Reichstagsgebäude Portal V
zu richten.
Verlag von Benno Konegen, Leipzig. — Druck von A. Pabst, Königsbrück.
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Der Kinder-Arzt.
Zeitschrift für ffinderheilhunde
unter Mitwirkung hervorragender Fachärzte
herausgegeben
von
Sanitätsrat l)r. Sonnenberger in Worms.
Erscheint am ersten Freitag eines jeden Monats. — Vorauszubezahlender Preis für das ganze
Jahr 6 Mk., direkt unter Kreuzband fQr Deutschland und Österreich-Ungarn 6 Mk. 50 Pf., 7 Mk.
fürs Ausland. Mit Frauenarzt zusammen bezogen statt 24 Mk. nur 20 Mk. Einzelne Hefte 1 Mk.
— Bestellungen nimmt jede Buchhandlung una Postanstalt sowie auch die Verlagsbuchhandlung
jederzeit gern entgegen.
XXV. Jahrg. November 1914. No. 11. ( 299 .)
INHALT: Originalien: Erlacher, Ein Frühsymptom für die Diffe¬
rentialdiagnose der Gonitis und Koxitis tuberkulosa. 225. — Referate:
Popper, Pertussis. 229. — Reiche, Seltene Komplikationen der Diphtherie. —
Meningitis bei Diphtherie. — Plaut-Vincentsche Angina und Diphtherie. —
Serumexantheme. 230. — Roff, Das Museum für Säuglingskunde im Kaiserin
Auguste Viktoria-Haus zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit im Deut¬
schen Reiche. 232. — Lindenfeld, Uber „Spontanheilung“ von Glioma retinae.
233. — Schlaefke, Hydrophthalmus mit vorderer Synechie und Fehlen der
Linse. 234. — Löhlein, Das Glaukom der Jugendlichen. 234. — Bücher¬
besprechungen: v.Baeyer u. Winter, Kinderturnen. 235. — v. Bardeleben,
Anatomie des Menschen. Teil 1. 236. — Kurze Notizen aus der Praxis
und Wissenschaft. 236. — Kleine Mitteilungen. 240.
Originalien.
Ein Frühsymptom für die Differentialdiagnose der
.Gonitis und Koxitis tuberkulosa.
Von Dr. Philipp Erlacher in Graz,
leitender Arzt der Chirurg. - orthopäd. Abteilung der k. k. Univ.-Kinderklinik.
Es mag vielleicht von vornherein als überflüssig erscheinen, zur
Differentialdiagnose zwischen Gonitis und Koxitis noch neue Merk¬
male hervorzuheben, da ja die beiden Krankheiten ohnehin unschwer
auseinander zu halten sind. Im weiter fortgeschrittenen Stadium ist
dies auch gewiß der Fall, anders hingegen im Beginne, beim ersten
Hinken, wenn die Kinder — und nur von diesen soll hier die Rede
sein — über die erste Mattigkeit beim längeren Gehen klagen, wenn
uns das Röntgenbild noch lange keine Aufklärung zu geben vermag,
da erscheint es mir doch berechtigt auf einige Beobachtungen hin¬
zuweisen, die es uns schon ziemlich früh erlauben, eine Diagnose
bezw. Differentialdiagnose zu stellen und die ich bisher noch nirgends
festgelegt gefunden habe. Von einiger Wichtigkeit erscheint es mir
Kindar-Arzt XXV. Jahrg. 1914. 15
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226
aber auch deshalb, weil ja gerade die ersten Schmerzen bei beginnen¬
der Koxitis von den Kindern meist ins Knie verlegt werden, wir
infolgedessen bei angeblichen Knieschmerzen zuerst die Hüfte unter¬
suchen werden, falls diese aber frei gefunden wird, die gegebenen¬
falls tatsächlich vorhandene Gonitis übersehen werden kann.*)
-_ Steifung beiöomtis
- * * Coxitis
Fig. i.
Wenn uns also ein Kind vorgeführt wird, weil es zeitweise hinkt,
das Bein nicht ganz ausstrecken mag, leicht ermüdet und über
Schmerzen im Knie klagt, so werden wir es natürlich nicht unter¬
lassen, eine genaue Untersuchung des ganzen Kindes vorzunehmen,
i
Fig. 2.
im besonderen aber der Hüfte und des Knies. In den meisten Fällen
werden unsere bisherigen Untersuchungsmethoden auch gewiß aus¬
reichen, den Grund und den Sitz der Erkrankung festzustellen.
Namentlich eine Bewegungsbeschränkung in der Hüfte, ein Mitgehen
Fig. 3.
des Beckens bei Bewegungen des Beines werden uns sicher auf die
Hüfte verweisen. Finden wir aber die Hüfte ganz frei und eine
Kapselverdickung am Knie, vielleicht auch eine Vergrößerung des
Umfanges, so werden wir auch nicht lange im Zweifel sein. Auch
*) Nach den in den letzten zehn Jahren auf unserer Abteilung behandelten
Fällen ist das Verhältnis von Gonitis zu Koxitis 1:3, genauer 23,2 : 76,8 Proz.,
wobei Knaben und Mädchen ungefähr gleich betroffen waren.
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22 f
die Haitung des Kindes in der Rückenlage wird uns gewissen Auf¬
schluß geben, insbesondere wird uns eine bestehende Lordose, die
sich bei starker Beugung des gesunden Knies nur ausgleichen läßt,
wenn dabei das kranke Bein stark gehoben wird, wieder auf die
Hüfte verweisen. Und gerade eine genaue Inspektion der Haltung
in Rückenlage sowohl, als besonders auch in Bauchlage, wird uns
auch in zweifelhaften Fällen und im Frühstadium eine ziemlich
sichere Differentialdiagnose stellen lassen.
Fig. 4. J. JH. Abszeß der. Glutäalmuskulatur links, der ähnliche Erscheinung bot, wie eine
Kokitfe sin. Hüfte und Knie gebeugt. Bewegungen in der Hüfte schmerxhaft.
Wenn wir ein Kind in Rückenlage beobachten, so liegt es meist
mit etwas gebeugtem Hüft- und Kniegelenk* (Fig. i). Legt nun
aber das Kind bei längerer Beobachtung oder auf unsere Aufforderung
hin oder aber bei sanftem Druck mit der Hand auf das Knie dieses
der Unterlage glatt auf (Fig. i), so können wir annehmen, daß
dieses Kniegelenk frei ist, dabei wird sich aber bei bestehender
Koxitis die Lendenlordose deutlich vermehren. Umgekehrt, ist das
Kind nicht dazu zu bewegen, das Knie zu strecken, versuchen wir
Fig. 6. J. H. In Bauchlage wird Knie und Hüfte ohne weiteres vollkommen gestreckt
und der Unterlage angelegt.
aber trotzdem einen Druck mit der Hand und erfolgt dann eine
Schmerzäußerung und eine Abwehrbewegung, ohne daß das Knie
sich vollständig strecken ließe, so ist der Sitz der Erkrankung un¬
zweifelhaft im Knie zu suchen, dabei wird sich aber bei maximaler
Beugung des Knies der anderen Seite die Lendenlordose vollständig
aufheben lassen, ohne daß das Knie der kranken Seite mehr gehoben
werden würde (Fig. i).
Lagern wir nun das Kind in Bauchlage, so wird sich naeh
kurzer Zeit oder auf Aufforderung hin das Kind ohne weiteres der
Unterlage knapp anschmiegen, wenn Hüfte und Knie frei sind (Fig. 5).
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Bleibt aber trotzdem eine Beugestellung bestellen und suchet! wir
diese durch einen sanften Druck auf die Höfte auszugleichen, so
wird sich die Hüfte ohne weiteres der Unterlage knapp andrücken
lassen, wenn sie frei ist, bei gleichzeitig bestehender Gonitis wird
sich aber dabei der Unterschenkel von der Unterlage abheben (Fig. 2
und Fig. 6), während wir bei Koxitis auf diese Weise wohl
Schmerzäußerung aber kein Anschmiegen der Höfte erzielen würden.
Üben wir endlich einen Druck auf die Ferse aus, so wird sich bei
_
•j&r . •«* -,•> "
WL
Fig. 6. F. M. Gonitis sin. Unterschenkel von der Unterlege abgehoben.
Hüfte ließ sich vollkommen strecken.
einer Koxitis der Unterschenkel glatt auf die Unterlage anle^en
lassen (Fig. 3 und Fig. 7), während sich eine vorhandene Gonitis
durch Schmerzäußerung und Heben der Hüfte, um einem Strecken
im Kniegelenk zu entgehen, kund tut Bei Koxitis hat das Kind
außerdem das Bestreben, sich halb auf die gesunde Seite zu legen,
um die kranke Hüfte besser beugen zu können.
Die Erklärung dieser Erscheinungen ist einfach darin gegeben,
Fig. 7. H. L. Koxitis sin. Unterschenkel liegt der Unterlage gans auf.
daß jedes auch nur mäßig affizierte Gelenk, lange bevor uns das
Röntgenbild etwas zeigen kann, zu seiner Entlastung und Ent¬
spannung der Kapsel sich in Mittelstellung, das ist beim Knie und
Hüftgelenk die leichte Beugestellung, einstellt.
Daß uns diese Tatsache als differentialdiagnostisches Merkmal
schon ziemlich früh zur Verfügung steht, darauf aufmerksam zu
machen ist der Zweck vorstehender Zeilen. Am leichtesten ist dieser
Befund zu erheben und zu verwerten bei Untersuchung in Bauch-
und Rückenlage, wo oft schon die eigene Schwere des Beines ge-
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229
nügt, das gesunde Gelenk zur Streckung zu bringen, während das
erkrankte auch bei Anwendung eines leichten Druckes schon sehr
früh der passiven Streckung einen deutlich merkbaren Widerstand
entgegensetzt
Referate.
Uber Pertussis. Von Erwin Popper. (Med. Klinik, 1914, Nr. 26.)
Nach neueren Erfahrungen wird der Keuchhusten durch eine
spezifische Infektion hervorgerufen, als deren Träger man jetzt all¬
gemein den von Bordet undGengou gefundenen Bazillus ansieht.
Zweifellos gehört also der Keuchhusten zu den akuten Infektions¬
krankheiten.
Über das eigentliche Wesen der Erkrankung ist man sich jedoch
im Unklaren, insbesondere weiß man nicht, welches die eigentliche,
den Krampfanfall und das Erbrechen auslösende Ursache ist Soviel
ist jedoch gewiß, daß der Keuchhusten keine lokale Schleimhaut¬
affektion darstellt, sondern eine allgemeine Erkrankung ist, die viele
Analogien mit den akuten Exanthemen, besonders den Morbillen
zeigt, was schon die initialen Erscheinungen beweisen, ebenso wie
die Veränderungen des Blutbildes und die zurückbleibende Immunität
Ähnlich wie bei Masern ist auch beim Keuchhusten die Tuber¬
kulinempfindlichkeit während der Dauer der eigentlichen Erkrankung
abgeschwächt, wenigstens machen dies einige beobachtete Fälle
wahrscheinlich. Diese Abschwächung der Tuberkulinempfindlichkeit
beweist, daß sie ebenso wie bei Masern auch beim Keuchhusten
während der eigentlichen Krankheit vermindert ist, worauf allgemein
die Ausbreitung der Tuberkulose zurückgeführt wird, die bei der
Pertussis fast in demselben Maße wie bei den Morbillen beobachtet
werden kann.
Ebenso wie bei den Masern findet sich auch beim Keuchhusten
eine ihn begleitende und oft lange überdauernde Bronchitis, die bei
beiden häufig auch auf die Bronchiolen übergeht
Beim Keuchhusten ist diese Bronchitis oft die Ursache von nach
Ablauf der eigentlichen infektiösen Erkrankung über kürzere oder
längere Zeit sich hinziehenden Anfällen, die typisch mit Aufziehen,
Zyanose und Erbrechen einhergehen können.
Die Dauer des Keuchhustens wird nämlich allgemein in der
Literatur als sehr verschieden angegeben und soll zwischen 5 bis
6 Wochen und vielen Monaten schwanken.
Der Reiz, auf den unbedingt jedesmal ein Hustenanfall folgen
muß, scheint beim eigentlichen Keuchhusten dessen Erreger oder
die durch ihn gesetzte Entzündung rzu sein. Später dürfte der durch
eine Bronchitis hervorgerufene Husten zum bedingten Reiz werden,
dem als sogenannter Bedingungsreflex der Anfall folgt
Daß der bedingte Reiz gar nicht notwendig ist zur Auslösung
dieses Reflexes, sondern schon die bewußte oder unbewußte Vor¬
stellung dieses Reizes, betont Hamburger.
Es würde also zur Auslösung dieser nicht mehr dem infektiösen
Keuchhusten zugehörigen Anfälle ein Hustenreiz, ein willkürlicher
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230
Hustenstoß, aber auch die bewußte oder unbewußt psychisch repro¬
duzierte Vorstellung des Hustenreizes genügen.
Auf Grund dieser Überlegungen und Beobachtungen sondert
nun Hamburger von der bisher als Ganzes betrachteten Krankheit
„Keuchhusten“ einen Teil ab, in dem er nicht mehr infektiös ist
und leicht suggestiv zu beseitigen. Er unterscheidet mithin den
eigentlichen infektiösen Keuchhusten, der seiner Meinung nach 5 bis
6 Wochen anhält, als infektiöses oder organisches Stadium der Per¬
tussis von dem psychisch weiter unterhaltenen Rest, den er auch
als neurotisches oder psychisches Stadium bezeichnet; dieses Stadium
ist von ganz verschiedener Dauer, kann aber auch ganz fehlen. In
solchen Fällen dauert eben der Keuchhusten nur 4—6 Wochen.
Ein spezifisches, den eigentlichen Keuchhusten heilendes oder
auch nur besserndes Medikament gibt es bis jetzt nicht Auch
Mittel mit deutlicher symptomatischer Wirkung fehlten bis jetzt, da
die Narkotika in kleinen Dosen gegeben, wie dies zur Vermeidung
von Intoxikationen nötig ist, meist versagen.
Neuestens fand Verf. in dem von Pal neuerdings in die Therapie
eingeführten Papaverin ein Mittel von ganz ausgezeichneter Wir¬
kung. Das Präparat wurde als salzsaures Papaverin verabreicht,
und zwar wurde von einer Papaverinlösung (0,2—0,3 g : 100) zwei¬
stündlich ein Kinderlöffel gegeben. Es ist ein vollkommen un¬
giftiges, nicht narkotisch wirkendes Mittel, welches keinerlei unan¬
genehme Nebenwirkungen besitzt und von den Kindern ohne weiteres
genommen wird.
In den meisten Fällen, auch in ganz frischen, wo eine stärkere
suggestive Beeinflussung erfahrungsgemäß auszuschließen ist, wurde
eine außerordentlich günstige symptomatische Wirkung gesehen.
Meist wurden die Anfälle bedeutend leichter und seltener, das Auf¬
ziehen wurde schwächer, am stärksten und deutlichsten war aber
die Einwirkung auf das Erbrechen.
Dieses hörte, solange das Mittel genommen wurde, bei einem
Teil der so behandelten Kinder ganz auf, bei den übrigen wurde es
viel seltener. Autoreferat
Seltene Komplikationen der Diphtherie. Von F. Reiche-
Hamburg. (Mitteilungen aus den Hamburger Staatskranken¬
anstalten, XV, 2.)
Meningitis bei Diphtherie. Von F. Reiche. (Zschr. f. Kinder¬
heilkunde, XI, 5—6.)
PI aut'Vincent sehe Angina und Diphtherie. Von F.
Reiche. (Med. Klinik, 5914, 2, 33.)
Serumexantheme. Von F. Reiche. (Mitteilungen aus den
Hamburger Staatskrankenanstalten, XVI.)
Die in Fortsetzung früherer Publikationen (cf. diese Mschr.
H. 293, 1. V. 1914) aus der Hamburger, seit 1909 grassierenden
Diphtherieepidemie erschienenen Arbeiten R.’s berichten einmal über
seltenere, zumeist viszerale, echte Komplikationen der Diphtherie.
Zwei luetische Kinder hatten neben der Rachendiphtherie schmierig
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231
belegte diphtherische Ulzerationen in der von Kondylomen besetzten
Analregion; bei einer Puerpera, die früh im Wochenbett eine schwere
Diphtherie akquirierte, war die Portio Uteri mit mißfarbenen, reich¬
liche Löfflerbazillen beherbergenden diphtherischen Pseudo-Mem¬
branen besetzt In den 44 Fällen mit Komplikationen in den Ver¬
dauungswegen handelte es sich mit 1 Ausnahme um Kinder und
durchweg um sehr schwere Diphtherien; bei 38 von ihnen wurde
das Herzblut bei der Sektion bakteriologisch untersucht: es war
16 mal steril, 7 mal wurden Diphtheriebazillen, 3 mal allein nach¬
gewiesen. Die Magenschleimhaut war 31 mal von sekundären diph¬
therischen Prozessen befallen, 25mal war sie allein, 4mal gleichzeitig
der Ösophagus, 2 mal das Rektum ergriffen, in 4 Fällen breiteten
sich die pseudomembranösen Veränderungen über die ganze Magen¬
schleimhaut aus. Ösophagusdiphtherien sind in 12 Fällen notiert,
einmal war die ganze Speiseröhre davon ergriffen. Zweimal saßen
die Alterationen im Duodenum, 2 mal im Ileum, 4 mal im Rektum.
Unter rund 8000 Diphtherien ereigneten sich 8 akute menin-
gitische Komplikationen, 6 davon bei Kindern bis zu 15 Jahren.
Löfflerbazillen wurden bei keiner im Spinalpunktat gefunden,
zweimal Meningokokken, je einmal Streptokokken, Staphylokokken,
Pneumokokken und Kolibazillen; zw'eimal war es steril, war aber
leicht getrübt, enthielt vermehrte Zellen und stand unter erhöhtem
Druck. Eine Meningitis serosa wird im Verlaufe anderer Infektions¬
krankheiten nicht selten beobachtet, bei Diphtherie scheint sie sehr
rar zu sein.
In 23 Fällen von typischer Plaut-Vincent scher Angina
wurden Diphtheriebazillen als schmarotzende Begleiter nachgewiesen;
in einem trat am 8. Tage des Krankenhausaufenthaltes eine schwere
letale Diphtherie ein. Zwei weitere Beobachtungen stellen eine
klinische und bakteriologische Kombination des Vincent sehen
Krankheitsbildes und einer echten Diphtherie dar.
Unter 6250 mit Serum behandelten Diphtheriekranken wurden
426 Exantheme beobachtet, d. h. 6,8 Proz. Unter 65 Genesenen
unter 1 Jahre entwickelte sich nur eins, unter 4529 Kindern zwischen
1 und 15 Jahren traten 274 oder 6,05 Proz. auf und zwar unter
1266 leicht verlaufenen Formen 4,2 Proz., unter 1294 mittelschwer
verlaufenen 6,8 Proz., unter 1969 schwer verlaufenen auch 6,8 Proz.,
unter 1277 schwer verlaufenen Genesenen aber 9,2 Proz. Die Höhe
der zugeführten Serumdosen ist mitbestimmend für die Häufigkeit
der reaktiven Hauteruptionen, ebenso die Einbringungsart, denn sie
zeigten sich öfter nach intravenöser Applikation. Abgesehen von
den den anaphylaktischen Shock begleitenden unmittelbar nach der
Injektion sich einstellenden kutanen Symptomen erschienen die
frühesten Exantheme bei Kindern am 2. Tage nach der Einspritzung,
das Maximum lag mit 42,7 Profc. auf dem 8.—10. Tage, der 8. Tag
war mit 15,6 Proz. zumeist belastet Die Menge der verabreichten
Immunitätseinheiten war anscheinend ohne Einfluß auf den zeitlichen
Eintritt des Exanthems, wohl aber waren es früher erhaltene Serum-
injektionen. Nach solchen trat auch gelegentlich ein zweimaliger
Exanthemausbruch ein. Der Charakter der Haut Veränderungen war
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232
weitaus am meisten urtikarieller, seltener scharlachähnlicher, mor-
billärer oder rubeoliformer Natur. Umbers differentialdiagnostischer
Hinweis gegenüber echter Skarlatina, daß bei den Serumexanthemen
die Ehrl ich sehe Amidobenzaldehydprobe stets negativ ausfällt,
wird bestätigt Autoreferat
Das Museum für Säuglingskunde im Kaiserin Auguste
Vlktorla~Haus zur Bekämpfung der Säuglingssterb*
llchkelt im Deutschen Reiche. Vortrag, gehalten zur
Eröffnung des Museums am 4. Juni 1914. Von Dr. Rott,
Dirigent des Organisationsamtes für Säuglingsschutz des
Kaiserin Auguste Viktoria-Hauses zur Bekämpfung der Säug¬
lingssterblichkeit im Deutschen Reiche. (Zschr. f. Säuglings¬
schutz, 1914, 6. Jahrg., H. 9.)
Die Einrichtung des Museums für Säuglingskunde im Kaiserin
Auguste Viktoria-Hause ist schon seit Gründung der Anstalt be¬
absichtigt gewesen, hat auch in primitiver Weise seit dieser Zeit
schon bestanden. Bei der Organisation des Museums wurde beson¬
ders Gewicht darauf gelegt, das Bewährte und Brauchbare, zumeist
in leicht verständlicher Form, zu bringen, vielfach auch das Un¬
zweckmäßige gegenüberzustellen und durch eine rote Durchkreuzung
besonders kenntlich zu machen. Das Museum ist außerordentlich
reichhaltig geworden — es besteht aus über 2750 Gegenständen —
und dürfte durch die Art des Gebotenen und den systematischen
Aufbau der einzelnen Gegenstände und Gruppen genug des Lehr¬
reichen und Interessanten bieten. Die Gegenstände sind in folgende
Abteilungen gruppiert:
I. Statistik der Bevölkerungsbewegung, insbesondere der Säug¬
lingssterblichkeit.
II. Ursachen der Säuglingssterblichkeit und die Maßnahmen zu
deren Bekämpfung.
III. Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett, Entwickelung des
Säuglings.
IV. Anatomie und Physiologie, allgemein und speziell die des
Säuglings.
V. Allgemeine Gesundheitslehre mit besonderer Berücksichtigung
der Gebiete, die mit der Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit in
Beziehung stehen, also Wohnungswesen, Wasser und Luft, Kleidung,
Nahrungsmittellehre, Alkoholismus, Infektion und Desinfektion, Bak¬
teriologie, akute Infektionskrankheiten und Bekämpfung derselben,
Geschlechtskrankheiten, Tuberkulose, Pocken und Schutzimpfung.
VI. Hygiene und Pflege des Säuglings, speziell seine Körper¬
pflege, Bettung und Kleidung, einschließlich der Pflege in kranken
Tagen.
VII. Die natürliche Ernährung, des Säuglings und deren über¬
ragende Bedeutung gegenüber der unnatürlichen.
VIII. Das Milchwesen und Art der Technik der künstlichen
Ernährung.
IX. Die Krankheiten des Neugeborenen und älteren Säuglings
mit besonderer Berücksichtigung der Darmkrankheiten, Rachitis,
Syphilis und Tuberkulose.
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233
X. Mutter und Kind in der Kunst.
Der Raum, auf welchem die Museumsgegenstände untergebracht
sind, umfaßt 500 qm. Für die einzelne Abteilung standen im Durch¬
schnitt 50 qm zur Verfügung. Die Kosten des Museums, einschlie߬
lich der baulichen Einrichtung, betragen etwa 40000 Mk.
Das Musetun ist bestimmt für alle diejenigen, denen vermöge
ihrer Stellung, ihres Amtes oder ihres Berufes das Wohl und Wehe
der jüngsten Menschenkinder anvertraut ist, also vor allen Dingen
für die jungen Mütter, dann aber auch für die Studenten der Medizin,
für den praktischen Arzt, der hier Anregung und Belehrung finden
kann, für den Sozialhygieniker, den Verwaltungsbeamten und nicht
zum wenigsten für die Hebamme, die Wochen- und Säuglings¬
pflegerin und Fürsorgerin. Von den Fortschritten, die die wissen¬
schaftliche Pädiatrie im Laufe des letzten Jahrzehntes auf dem Ge¬
biete der Ernährung und Pflege und andererseits der Pathologie
des Säuglingsalters gemacht hat, kann hier fast mühelos Kenntnis
genommen werden. Autoreferat
Uber „Spontanheilung“ von Glioma retinae. Von Berta
Lindenfeld. (Aus der I. Univ.-Augenklinik in Wien. —
Arch. f. Ophthalmologie, 1913, Bd. 86, S. 141.)
ZurZeit kennen wir erst zwei Beobachtungen über eine dauernde
Rückbildung des Glioma retinae mit Beibringung des pathologisch¬
anatomischen Befundes. In dem einen Falle, mitgeteilt von Knieper
(Arch. f. Ophthalm., 1911, 78, S. 310) handelt es sich um ein doppel¬
seitiges Glioma retinae bei einem zehn Wochen alten Kinde. Das
rechte Auge, bereits im glaukomatösen Zustande, wird sofort
enukleiert und zeigt bei der mikroskopischen Untersuchung ein
typisches Glioma retinae, welches fast das ganze Augeninnere erfüllt.
Immerhin sind Sklera und Optikus noch frei von Tumorgewebe. Bei
einer späteren Untersuchung, elf Jahre danach, erscheint das linke
Auge vollständig phthisisch. In dem anderen Falle, beschrieben
von de Kleijn (Arch. f. Ophthalm., 1912, 80, S. 371) wird ein acht
Monate altes Kind rechterseits wegen Glioma retinae enukleiert
Dabei bleibt aber am Optikusstumpf Tumorgewebe zurück. Schon
vier Monate darauf erkrankt auch das linke Auge, schrumpft in¬
dessen ohne Schmerzen nnd Entzündungserscheinungen und kommt,
etwa ein Jahr später, ebenfalls zur Enukleation. Die mikroskopische
Untersuchung ergibt hier nur das typische Bild eines nach chroni¬
scher Netzhauterkrankung geschrumpften Auges, lediglich mit ver¬
dickter und verkalkter Bowman’scher Membran, mit
Faltung der Descemet’schem Membran, mitAtrophie der
Cborioidea, welche zirkumskripte Herde von nekroti¬
schem Tumorgewebe enthält Optikus und Sklera sind frei.
In dem vorliegenden Falle von Lindenfeld handelt es sich
um ein vierjähriges Kind mit exulzeriertem Gliom des einen
und Schrumpfung des anderen Auges. Beide Bulbi werden
enukleiert In dem geschrumpften Auge finden sich, ganz ähnlich
wie in dem Falle von de Kleijn, alle Zeichen einer vollständigen
Nekrose des Tumors, welche Lindenfeld ohne Bedenken als
„Spontanheilung“ ausspricht.
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234
Die klinische Erfahrung bestätigt daneben zur Genüge die außer¬
ordentliche Malignität desGlioma retinae. Sind einmal beide
Augen ergriffen, so dauert es durchschnittlich etwa ein Jahr, bis der
Exitus eintritt Zeigen sich indessen aber keine Metastasen,
hingegen Rückbildungserscheinungen vonseiten der Augen, so läßt
sich unter Umständen mit dem sehr seltenen Ereignis der „Spon¬
tanheilung“ des Glioma retinae rechnen. Du toi t-Montreux.
Uber einen Fall von Hydrophthalmus mit vorderer Syne~
ehie und Fehlen der Linse. Von wilh. Schlaefke jun.
(Aus d. kgl. Univ.-Augenklinik in Rostock. — Arch. f. Oph-
thalm., 1913, 86, Nr. 106.)
Die vorliegende Beobachtung von Schlaefke über Hydroph¬
thalmus mit vorderer Synechie und Fehlen der Linse bildet eine
wertvolle Ergänzung zu den an anderer Stelle angeführten Unter¬
suchungen vonLöhlein über das„Glaukom der J ugendlichen“
(siehe Arch. f. Ophthalm., 1913, 85, S. 106).
Der kongenitale Mangel des Schlemm’schen Kanals
beim Hydrophthalmus bildet eine der typischen Erscheinungen dieses
Krankheitsbildes. Seefelder,Nahmacher zumal erwähnen diesen
Befund in neuesten Arbeiten wiederum mit allem Nachdruck.
Abgesehen davon vergesellschaftet sich der Hydrophthalmus
gelegentlich noch mit anderen Entwicklungsstörungen, welche dabei
ebenfalls eine wichtige ätiologische Rolle spielen, so z. B. mit
Linsenkolobom, mit kongenitaler Ektasie der Linse, mit
Iriskolobom, mit Irideremie, mit Gliom usw.
In diese Reihe der Erscheinungen gehört nun auch die kon¬
genitale Aphakie im Falle von Schlaefke, welcher diesen
Befund — im Verein mit der in dem untersuchten Auge vorhandenen
vorderen Synechie — als eine abnorme Differenzierung
der hinteren Hornhautschichten deutet.
Der wahre Zusammenhang der Dinge wird noch erheblich klarer
im Lichte der hervorragenden Mitteilungen von Peters (Klin. Mtsbl.
f. Augenhlkde., 1906, 44) und von Wintersteiner (Sitzungsber. d.
ophthalmol. Gesellsch. in Wien, 10. III. 1909), welche beide Beob¬
achtungen von angeborenem Staphylom der Hornhaut mit
eingeschlossener Linse und Kapselsack beschreiben —
während gleichzeitig zentrale vordere Synechien bestehen —, und
diese Fälle unter die „Teratome“ einreihen.
Schlaefke findet hierin eine auffallende Ähnlichkeit mit seinem
eigenen Untersuchungsergebnisse und glaubt, daß die nach gewiesenen
Veränderungen im oberflächlichen An teil desHornhaut-
scheitels („Konkrementbildungen“) nichts weniger als Überreste
der nicht zur Abschwärung gelangten primären Linsen¬
bla s e darstellen. D u t o i t -Montreux.
Das Glaukom der Jugendlichen. Von W. Löh lein. (Aus
d. Univ.-Augenklinik zu Greifswald. — Arch f. Ophthalm.,
I 9 I 3 i 85 i.S. 393.)
In der vorliegenden monographischen Bearbeitung des Glaukoms
der Jugendlichen verwertet Löhlein 82 Fälle aus der Literatur
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235
und fügt dazu zehn eigene Beobachtungen. Die Einzelheiten
der tabellarischen Übersicht dieses reichhaltigen Tatsachenmaterials
berücksichtigen — abgesehen vom Lokalbefund — zumal auch die
hereditären Verhältnisse, welche hier, nach der Ansicht von
Löh lein, eine ganz wesentliche pathogenetische Rolle spielen. Im
besonderen findet Löh lein auf Grund seiner Untersuchungen
einiger Geschwister mit Glaukoma infantum sehr bestimmte Be¬
ziehungen dieses Leidens zum Hydrophthalmus kongenitus.
Zwischen dem 5. und 10. Lebensjahre gibt es, in Wahr¬
heit, nur wenige Fälle von echtem Glaukom der Jugendlichen. Eine
ganz auffallende Häufung der Fälle zeigt sich aber dann zwischen
dem 15. und 20. Lebensjahre. Löhlein schätzt die Frequenz
in diesem Zeitpunkt auf etwa 40 Proz. ein. Aus dem erwänten
Materiale fallen unter 17 hochmyopischen 10 und unter 30 hypero-
pischen Augen 17 in diese Periode. Außerdem gehören annähernd
60 Proz. aller Fälle in die klinische Gruppe des „Glaukoma Sim¬
plex“.
Der auffallendste Gegensatz zum Glaukom des vorgerückten
Alters besteht indessen — nach Löh lein — darin, daß 50 Proz.
aller Fälle von jugendlichem Glaukom gleichzeitig Myopie auf¬
weisen und von diesen ein Drittel M. > 6 D, während für das Glaukom
im allgemeinen nur 15 Proz. Myopen als Durchschnitt angenommen
werden. Genau übereinstimmend mit dem vom Glaukom der Er¬
wachsenen her bekannten Verhalten findet sich beim juvenilen
Glaukom die akute Form mit 18 Proz., die chronische Form
mit 82. Proz. der Fälle vertreten, ohne daß sich indessen ein Unter¬
schied zu Gunsten des weiblichen Geschlechtes erkennen läßt, wie
dies gerade beim Altersglaukom der Fall ist.
Das häufige Vorkommen eines langandauernden „Prodromal¬
stadiums“ endlich erklärt Löhlein aus der klinischen Erfahrung,
welche bestätigt, daß das jugendliche Auge an Drucksteigerungen
wesentlich besser sich anpaßt als im späteren Alter.
D u t o i t -Montreux.
Bücherbesprechungen.
Kinderturnen. Anregungen zur körperlichen Erziehung der
Kinder vor dem Schuleintritt für Eltern, Erzieher und alle
Freunde einer gesunden und frischen Jugend. Von Priv.-Doz.
Dr. H. von Baeyer, städt. Turnlehrer, und Friedr. Winter-
München. 8°, 52 S., mit 62 Abbild, im Text Leipzig 1914.
Verlag von B. G. Teubner. Preis kart. 0,80 Mk.
Wenn die Verff. sagen, daß schon manche Mutter in Verlegen¬
heit gewesen sein wird, wenn der Arzt ihrem Kinde mehr Bewegung
empfahl, so kann man ihnen nur rechtgeben. Das vorliegende
kleine Büchlein ist bestrebt, dieser Verlegenheit abzuhelfen und er¬
reicht diesen Zweck mit Unterstützung der zahlreichen anschaulichen
Abbildungen. Es ist zu wünschen, daß das Heft recht vielen Eltern
in die Hand gegeben werden möge, besonders wenn der Arzt aus
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236
dem reichhaltigen Ubungsstoff eine für seine kleinen Patienten ge¬
eignete Auswahl getroffen hat (z. B. Atemübungen). Die Übungen
sind in der Hauptsache für das vorschulpflichtige Alter vom dritten
Lebensjahre an berechnet Kl ose-Breslau.
Die Anatomie des Menschen. Teil 1: Zellen- und Ge¬
webelehre, Entwickelungsgeschichte des Körpers
als Ganzes. Von Prof. Dr. Karl von Bardeleben-Jena.
2. Aufl. kl. 8°, IV und 96 S., mit 70 Abbild, im Text (Aus
Natur und Geisteswelt, 418. Bändchen.) Leipzig 1914. Verlag
von B. G. Teubner. Preis 1,25 Mk.
Bardelebens Anatomie für Laienkreise hat eine vorzügliche
Aufnahme gefunden. Mit dem vorliegenden Bändchen erscheint sie
in zweiter Auflage. Der Unterschied gegen die erste ist gering und
durch wenige Zusätze und Änderungen, wie sie neuere Forschungs¬
ergebnisse mit sich brachten, bedingt Das Büchlein sei erneut
bestens empfohlen. Geißler, Brandenburg a. H.
Kurze Notizen aus der Praxis und Wissenschaft
Kindermilchstationen in ihrer Beziehung zur Kinder¬
klinik und dem Privatarzt Von S. Josephine Baker.
Eine interessante umfassende Übersicht über die Tätigkeit des
1908 in New-York organisierten Bureaus für Kinderhygiene, dessen
Zweck hauptsächlich eine Verminderung der Kinder- resp. Säuglings¬
sterblichkeit durch geeignete Einrichtungen ist Spiegel-Kiel.
Ein Versuch, menschliche Milch für den Klinik-
und Verkaufsgebrauch zu sammeln. Von R. Hoobles.
Der Versuch ergab, daß die Mütter zum Verkaufe ihrer Milch
bereit sind und daß viele einen Teil ihrer Milch abgeben können,
ohne ihr eignes Kind zu schädigen. Ferner, daß sich ein Verkauf
auf dem Wege der gewöhnlichen Wohlfahrtseinrichtungen ermög¬
lichen läßt und so neben dem Nutzen, den das Kind hat, das durch
den Verkauf mit Muttermilch gestillt werden kann, auch die ver¬
kaufende, vielleicht bedürftige Mutter, etwas erwirbt
Spiegel-Kiel.
Eine einfache Methode zur Bereitung von Eiwei߬
milch. Von R. Ho ob ler.
Ausgeprobtes verbilligtes Rezept, abweichend von der gewöhn¬
lichen Herstellung nach Finkeistein. Spiegel-Kiel.
Beobachtungen an Milchstationenkindern. Von S.
Reuben.
Ausführliche, von zahlreichen Kurven begleitete Arbeit über
Gewichts- und Emährungsunterschiede usw. bei brust- und künstlich
genährten sowie unter Nahrungsstörungen leidenden Kindern. Die
Abhandlung nimmt auch Bezug auf Ernährung in Kalörienwerten
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*37
Und gipfelt in einer Zusammenfassung, warum Kinder nicht gedeihen,
die manches Beherzigenswerte enthält Spiegel-Kiel.
Starke Hypotrophie durch Unterernährung. Starkes
Gewichts- und Längenwachstum bei kondensierter
Milch mit Zucker und stark gezuckerter homogeni¬
sierter Milch. Von Variot
Bis zum 6. Monat gedieh das Kind an der Mutterbrust und wog
5,3 kg? als man begann, es auf künstliche Nahrung zu setzen. Da¬
mit begann seine Leidenszeit, eine Ernährungsstörung löste die
andere, so ziemlich alles wird von der Mutter durchprobiert, eine
Furunkulose kommt hinzu und mit 15 Monaten wiegt das Kind
5,6 kg und mißt 65 cm. Jetzt endlich gelangt es in gute Spital¬
pflege mit ärztlicher Überwachung. Es nimmt in einem Monat
2 kg zu, wächst 4 cm und 3 Zähne brechen durch. Variot glaubt
diesen schönen Erfolg vernünftiger und sachgemäßer Pflege und
Ernährung, der Art der Ernährung der von ihm hochgeschätzten
lait condense sucr£ et hypersucr£ zuschreiben zu müssen.
(Bull, de la soc. de ped. de Paris, 1913, Nr. 9.) Spiegel-Kiel.
Betrachtungen über einen Fall von unstillbarem Er¬
brechen. Laparotomie von Dr. Tredet Heilung. Von
D u f o n d.
Das frühgeborene Kind erbrach dauernd bei Muttermilch und
den verschiedensten künstlichen Nahrungsgemischen. Es kam so
zurück, daß man mit dem Exitus rechnete und nur in der Über¬
legung, daß nichts zu schaden sei, zur Operation schritt Der Befund
erschien normal, und nur auf gut Glück hin wurde eine zirkuläre
Umschneidung des anscheinend normalen Pylorus vorgenommen.
Einige Tage nach der Operation sistierte das Erbrechen bei sonst
gleicher Ernährung, und eine gute Entwicklung begann. Ein reiner
Glücksfall; leider ist unsere Diagnostik noch nicht imstande, die zur
Operation günstigen Fälle auszusondern, immerhin beweist dieser
Fall, daß man in deletären Fällen an einen Eingriff denken darf.
(Bull, de la soc. de ped. de Paris, 1913, Nr. 9.) Spiegel-Kiel.
Symmetrisches Lipom der Planta pedit bei einem
Säugling. Mütterliche erbliche Belastung. Von Variot
und Monod.
Gleichartige, seltene Mißbildung bei Mutter und Kind.
(Bull, de la soc. de ped. de Paris, 1913, Nr. 8.) Spiegel-Kiel.
Uber Hirntumoren. Vorstellung eines Kindes, bei
dem wegen doppelseitiger Stauungspapille eine Kramo-
tomie gemacht wurde. VonGuinon, deMartel undRipart.
Ein 12jähriges Kind, das nur noch hell und dunkel unter¬
scheiden konnte, wurde durch den operativen Eingriff so gebessert,
daß es fast normalen Vitus wiedererlangte. Spiegel-Kiel.
(Bull, de la soc. de p6d. de Paris, 1913, Nr. 8.)
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238
Demonstration einer Bier*schen Saugglocke mit
einer Modifikation zur Blutentnahme bei kleinen
Kindern. Von G. Blechmann.
Um für die Wassermann’sche Reaktion die nötige Blutmenge
zu bekommen, hat sich der Verf. folgenden praktischen Apparat
konstruiert. An einer kleinen schröpfkopfähnlichen Bier’schen Saug¬
glocke ist ein zapfenförmiger, durchbohrter Konus angebracht, auf
den ein Zentrifugengläschen genau aufzusetzen ist, so daß das Blut
hineinfließt, und ohne Umfüllung zentrifugiert werden kann.
(Bull, de la soc. de ped. de Paris, 1913, Nr. 1.) Spiegel-Kiel.
Blinddarmentzündung mit anormalen Symptomen
bei einem 2jährigen Kinde. Operation. Von Nageotte-
Wilbouchewitsch.
2 1 /a Wochen lang traten ohne Fiebersteigerung und ohne Vor¬
boten tags oder nachts schmerzhafte Krisen auf. Trotz genauer
klinischer Beobachtung, Röntgendurchleuchtung, konnte erst am 17.
Tage die Diagnose gestellt werden, die durch den operativen Befund
bestätigt wurde. Spiegel-Kiel.
(Bull, de la soc. de ped. de Paris, 1913, Nr. 8.)
ödemfälle bei Säuglingen. Von Henry Dwight Chapui-
New-York.
Verf. fand, daß das ödem bei Säuglingen durchaus nicht nur
auf Nephritis bezogen werden darf. Er nimmt hauptsächlich, und
fand das auch bei den seinen Studien zugrunde liegenden 21 Fällen,
eine Summierung verschiedenster Ursachen an. Unter diesen nennt
er Magen- und Assimilationsstörungen, dann Erschöpfungszustände,
sowie Syphilis, Tuberkulose, Keuchhusten etc. Auch Angioneurosen
sind teilweise als Ursache anzusehen. Spiegel-Kiel.
Ein F'all von Tollwut. Von Alfred Hand. Kasuistische
Mitteilung.
Unklares in Erscheinungtreten des Rheumatismus
in den Kinderjahren. Von John Adams Colliver.
In eingehender Studie beleuchtet Verfasser das Auftreten des
Rheumatismus in den Kinderjahren, das nur zu oft unbeachtet bleibt
oder falsch diagnostiziert wird und dem heranwachsenden Kinde
durch seine Gefahren fürs Herz etc. schwere Gefahren bringt Er
fand 5,2 Proz. Rheumatismuskranke unter 1000 untersuchten Knaben.
Die Studie befaßt sich mit den einzelnen Äußerungen der Krankheit
und ist klar und übersichtlich. Spiegel-Kiel.
Erfahrungen mit „Molken modifizierter“ Milch in
der Säuglingsernährung. Von Jerome S. Leopold.
Verf. machte Untersuchung über die von Schloß-Berlin em¬
pfohlene Milch, bei deren Herstellung spezielles Gewicht auf die
Veränderung der in Molken enthaltenen Salze gelegt wurde. Seine
Beobachtungen ergeben, daß mit dieser Milch sehr gute Resultate
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erzielt werden können und er glaubt sie hauptsächlich empfehlen zu
sollen, wo Muttermilch nur schlecht oder gar nicht erreicht werden
kann. Spiegel -Kiel.
Untersuchungen der Vulvovaginitis mittels des
weiblichen Urethroskops. Von John F. Kuclair.
Gibt die Untersuchungsresultate an 38 Kindern, die mittels des
weiblichen Urethroskops auf Vulvovaginitis untersucht wurden und
betont den Nutzen des Instruments, ohne dessen Hilfe nach Meinung
des Verfassers 21,75 Proz. der untersuchten Fälle der Kenntnis des
Untersuchers entgangen wären.
Empfiehlt strikte Untersuchung aller verdächtigen Fälle zur
Verhütung der Weiter Verbreitung. Spiegel-Kiel.
Demonstration schwerer Skoliosen, behandelt nach
der Abbott’schen Methode. Von Lange.
Schöne Erfolge dieser Behandlungsart, deren Prinzip darin be¬
steht, die Hyperkorrektion im Gipskorsett festzuhalten.
(Bull, de la soc. de ped. de Paris, 1913, Nr. 2.) Spiegel-Kiel.
Barlow’sche Krankheit. Von Halle und Hasselt.
Demonstration der Oberschenkelknochen mit typischen Erschei¬
nungen. Spiegel- Kiel.
(Bull, de la soc. de ped. de Paris, 1913, Nr. 7.)
9 Fälle von Mongolenflecken in Griechenland. Von
Maxaronopoulos - Athen.
Die 9 Fälle konnte derVerf. unter 914 Kindern seiner Klientel
feststellen, also etwa 1 Fall auf 100 Kinder. Bei einer derartigen
Häufigkeit bei anderen Rassen dürfte der Name „Mongolenfleck“
besser verschwinden. Spiegel-Kiel.
(Bull, de la soc. de ped. de Paris, 1913, Nr. 9.)
Ein Fall von Paratyphus bei einem 8-monatlichen
Säugling. Von Lagane.
Das Kind wurde von seiner Mutter, die es stillte, infiziert. Die
exakte Diagnose wurde mit Hilfe der Agglutination gestellt.
(Bull, de la soc. de ped. de Paris, 1914, Nr. 1.) Spiegel-Kiel.
Typhusvakzinetherapie und Kollaps. Von Mery.
Bei einem 5jährigen Kinde traten bei der 4. Injektion von
Typhusvakzine nach Vincent schwere anaphylaktische Erschei¬
nungen auf, die das Kind in ernstliche Lebensgefahr brachten. In
der Diskussion kommen zahlreiche ähnliche Fälle zur Sprache.
(Bull, de la soc. de p6d. de Paris, 1913, Nr. 10.) Spiegel-Kiel.
Rad io graphische Momentaufnahmen von Tracheo-
bronchialdrüsen. Von E. Albert-Weil.
Man muß sich wundern und freuen, bis zu welcher Feinheit
einige Röntgenologen ihre Technik ausgebildet haben. Durch Auf-
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240
nahmen in verschiedenen Durchmessern gelingt es, nicht nur ein¬
zelne, sondern alle Drüsen zu Gesicht zu bringen. Die Abbildungen
sind sehr instruktiv. Spiegel-Kiel.
(Bull, de la soc. de ped. de Paris, 1913, Nr. 10.)
Angeborener Defekt der rechten Brustdrüse bei Er¬
haltung der Brustwarze. Fehlen der Portio sterno-
kostalis des muskulus pektoralis major. Von Mery und
Parturier.
Demonstration eines 13 jährigen Mädchens mit der angegebenen
seltenen Mißbildung. Spiegel- Kiel.
(Bull, de la soc. de ped. de Paris, 1913, Nr. 10.)
Würdigung dessen, was man ,,Fazies adenoida“
nennt Notwendigkeit, diese Bezeichnung zu ändern.
Von Abrand.
Der Verf. beobachtete, daß diese Kinder mit dem angeblich
typischen Gesichtsausdruck meist keine Adenoide haben, ebenso ist
der Nasenbefund normal. Operative Eingriffe ändern auch nichts
an dem Aussehen der Kinder und bessern die Atmung nicht Meist
sind Anomalien des Gaumens die Schuld der behinderten Nasen¬
atmung. Spiegel - Kiel.
(Bull, de la soc. de p6d. de Paris, 1913, Nr. 9.)
A case of streptococere arthritis complicating lobar
pneumonia. Von H. Lowenburg-Philadelphia.
Bei einem 14monatlichen Mädchen mit Lungenentzündung zeigte
sich in deren Verlauf eine Kniegelenksentzündung, in deren Punktat
Kokken gefunden wurden, die nach der Kultur angeblich nicht Pneumo¬
kokken, sondern „kurze, dicke Streptokokken“ gewesen sein sollen.
(Arch. of ped., 1913, XXX, Nr. 3.) Bauer.
A unique case of congenital scoliosis. Von J.Fraser-
Edinburgh.
Skoliose, nach rechts konvex, bei 8 monatlichem Kinde, verursacht
durch schwere Defekte der unteren Brust- und Lendenwirbelsäule.
Rechts 13 Rippen, davon 3 durch Synostose vereinigt.
(Arch. of ped., XXX, Nr. 4.) Bauer-Wien.
Kleine Mitteilungen.
Der Tuberkuloseausschuß der Zentralstelle für Kriegswohlfahrts¬
pflege des Roten Kreuzes vermittelt Arztstellen in Lungenheilstätten.
Zur Zeit sind 6—8 offene Assistenzarztstellen zu besetzen. Meldungen
an den Tuberkuloseausschuß im Reichstagsgebäude.
Verlag von Benno Konegen, Leipzig. — Druck von A. Pabst, Königsbrück.
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Der Kinder-Arzt.
Zeitschrift für fCinderheilkunde
unter Mitwirkung hervorragender Fachärzte
herausgegebeD
von
Sanitätsrat l)r. Sonnenberger m Worms.
Erscheint am ersten Freitag eines jeden Monats. — Vorauszubezahlender Preis fflr das ganze
Jahr 6 Mk., direkt unter Kreuzband ffir Deutschland und Österreich-Ungarn 6 Mk. 60 Pf., 7 Mk.
fürs Ausland. Mit Frauenarzt zusammen bezogen statt 24 Mk. nur 20 Mk. Einzelne Hefte 1 Mk.
— Bestellungen nimmt jede Buchhandlung und Postanstslt sowie auch die Verlagsbuchhandlung
jederzeit gern entgegen.
XXV. Jahrg. Dezember 1914. No. 12. ( 300 .)
INHALT: Originalien: Tugendrelch, Die Schulzahnpflege mit be¬
sonderer Berücksichtigung des platten Landes. 241. — Armbruster, Genetisches
über die Anfälle von Pertussis. 244. — Referate: Neurath, Allergische Re¬
aktion mit dem Bordet-Gengou'schen Keuchhusten-Endotoxin. 248. — Klebanskt,
Ophthalmoblennorrhoe des Neugeborenen. 248. — Kleemann, Empyembehand¬
lung bei Kindern. 249. — Uffenhelmer, Schädliche Nahrungswahl beim Säug¬
ling. 249. — Loaec, Injektion von künstlichem Serum bei Gastro-Enteritis im
ersten Lebensalter. 251. — Akuter Gelenkrheumatismus bei Kindern. 252. —
Bücherbesprechungen: Faulhaber, Röntgendiagnostik der Magenkrank¬
heiten. 2.Aufl. 252. —Haussen, Diphtherie, Sommersterblichkeit der Säuglinge
und Tuberkulose als soziale und Wohnungskrankheiten. 253. — Helberg, Der
gegenwärtigeStand der Pathologie und Prophylaxe des Diabetes mellitus sowie
die Therapie des Frühstadiums. 254. — Für Mutter und Kind 1915. 254. —
v. Bunge, Die zunehmende Unfähigkeit der Frauen, ihre Kinder zu stillen.
7. Aufl. 255. - Fülligkeit, Landsberg, Baum, Fürsorge für ortsfremde oder
nicht seßhafte Jugendliche. 255. — Kurze Notizen aus der Praxis und
Wissenschaft. 255. —
Originalien.
Die Schulzahnpflege mit besonderer Berücksichtigung
des platten Landes.
. Von Zahnarzt Julius Tugendreich in Inimenstadt (Schwaben).
Unter den vielen sozial-hygienischen Bestrebungen unserer Zeit
beginnt man in den letzten Jahren der Zahnhygiene bei den
Schulkindern erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen. Der Grund ist
einmal Selbstzweck, die Kinder schon frühzeitig an geordnete Zahn¬
pflege und rationelle Behandlung zu gewöhnen und auf diese Weise
die in den Kulturländern ständig wachsende Zahnkaries nach Mög¬
lichkeit einzudämmen; zweitens soll durch Gesundhaltung der
Mundhöhle Infektionskrankheiten, soweit man eben das
auf diesem Wege verhüten kann, vorgebeugt werden.*) Mit Recht
fordern heute die Zahnärzte, daß die Kinder schon vom 3.
Lebensjahre ab zahnärztlicher Aufsicht und Behand¬
lung zugeführt werden müßten und bis nach Beendigung der
Fortbildungsschulpflicht (hier in Bayern also bis nach Vollendung
d. 16. Lebensjahres) darin zu verbleiben hätten.
*) Vergl.: Beziehungen zwischen Augen- und Zahnkrankheiten. Von
Sanitätsrat Dr. Schwabe, Augenarzt in Leipzig. D. Monatsschr. f. Zahn-
hlkde., 1914, H. 6.
Kinder-Arzt XXV. Jahrg. 1914. 16
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242
Die Angliederung an die Schule ist aus Zweckinäßigkeitsgründen
erfolgt, um deren Autorität für die Zahnhygiene auszunützen. Das
Deutsche Zentralkomite für Zahnpflege in denSchulen,
unter seinem rührigen Generalsekretär Zahnarzt Dr. Erich Schmidt,
hat die Aufgabe übernommen, bei Staats- und Gemeindebehörden
für die Verbreitung dieses Zieles zu wirken. In Preußen wird ihm
diese Aufgabe durch das hohe Verständnis, das der Leiter der
preußischen Medizinal-Angelegenheiten, Herr Ministerialdirektor
Wirkl. Geh. Ober-Med.-Rat Dr. K i r c h n e r, der Sache entgegenbringt,
sehr erleichtert; in Süddeutschland dagegen, wo ein auf fallen¬
der Mangel an Zahnärzten herrscht, sind naturgemäß die
Schwierigkeiten nach dieser Richtung hin noch recht bedeutende.
Die Aufklärungsarbeit des genannten Komites hat (wenigstens
in Preußen) schon recht gute Früchte getragen, wenn auch bis jetzt
vorwiegend nur die größeren Mittelstädte und die Großstädte für
diese Bestrebungen zu gewinnen waren.
Die Mehrzahl der Gemeinde-Verwaltungen hat sich dem auf
dem Abonnement aufgebauten Kliniksystem zugewandt; Räume,
Einrichtung, Beleuchtung und Heizung, das Zahnärzte- und'Hilfs¬
personal etc. stellt die Stadt-Verwaltung; das Personal hat meist
Beamtencharakter. In den Großstädten ist man von der Zentral-
Klinik sehr bald aus naheliegenden Gründen abgekommen und zum
dezentralisierten Betriebe übergegangen. Zumeist werden
also die Kinder der abonnierten Eltern in besonderen Klinikräumen
außerhalb der Schulzeit behandelt. Privatdozent Dr. Kantor o-
wicz-München, ein verdienter Förderer der Schulzahnpflege, hat
nun auf die Mängel dieses Klinikbetriebes nachdrücklichst aufmerk¬
sam gemacht und empfohlen, die Kinder während des Unter¬
richtes selbst in geeigneten Lokalitäten der Schule zu behandeln;
wobei die Schulautorität als sehr wesentliches unterstützendes
Moment zu wirken hätte.*) Nach ihm gewährleistet allein dieses
System „eine wirkliche Sanierung und dauernde Kontrolle der
Kinder bis zum Austritt aus der Schjule.“
Das sogenannte „Mannheimer System“ will das Kliniksystem
durch die Tätigkeit der Privatzahnärzte ersetzen; den sich abonnieren¬
den Eltern wird eine Liste derjenigen Zahnärzte zugestellt, die sich
zur Behandlung der Schulkinder in ihrer Privatpraxis bereit erklärt
haben. Ein Kollegium älterer Fachleute fungiert als Beratungs- und
Inspektionsbehörde, um einen rationellen Betrieb zu ermöglichen
und etwaige Mißstände zu beseitigen. Auch dieses System hat,
wenigstens in sehr wohlhabenden Städten, seine Vorzüge, ob¬
gleich es nach Kantorowicz und anderen erheblich teurer (?) als
die Kliniken arbeiten soll.
In den Großstädten mit Klinikbetrieben ist den Schul-Zahn-
ärzten Privatpraxis ausnahmslos nicht gestattet; neuerdings mehren
sich aber die Stimmen, die dieses Verfahren für unzweckmäßig er¬
klären. Ich habe schon vor einigen Jahren in der D. Zahnärztl. Wschr.
davor gewarnt, durch Anstellung von N u r-Schulzahnärzten ein-
*) Vergl.: Alfred Kantorowicz: Uber die Ursachen der Mißerfolge der
heutigen Schulzahnpflege : D. Monatsschr. f. Zahnhlkde., 32.Jahrg., 1914, H. 7.
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243
seitige Praktiker heranzuzieheri. Der praktische Zahnarzt soll
möglichst alle Alters- und Berufsklassen behandeln. Zu meiner
Freude sehe ich, daß Erich Schmidt in seiner lesenswerten Schrift*)
dieser Anschauung bei tritt; Kantorowicz meint hierzu in seiner
Besprechung von Erich Schmidts Broschüre (D. Monatsschr. f.
Zahnhlkde., 32. Jahrg., H. 9, 1914), daß dieser Gedanke „erörterungs¬
fähig sei“; man könnte, im Rahmen einer straffen Organi¬
sation, nach erfolgter Sanierung je einem Privatzahnarzt eine Schule
überantworten, der in dieser die Kinder in regelmäßigem Turnus zu
kontrollieren und nötigen Falles zu behandeln hätte.
In den Großstädten und größeren Mittelstädten fehlt es wenigstens
nicht an arbeitswilligen Kräften aus den Reihen der approbierten
Zahnärzte. Schlimmer sieht es hierin auf dem Lande aus, wo
der Zahnarzt bis jetzt leider nur sehr sporadisch vorkommt;
am schlimmsten in Süddeutschland, wo die Behandlung überwiegend
in den Händen der zahllosen Laienpraktiker (Zahntechniker, Dentisten
etc.) liegt Die mittelfränkische Ärztekammer sprach daher kürzlich
die Befürchtung aus, daß die Agitation für Schulzahnpflege in den
Kleinstädten der Bezirksämter leicht zur Anstellung von „Dentisten“
führen könnte, da auf dem Lande Zahnärzte kaum vor¬
handen seien.
Es kann nicht zweifelhaft sein, daß die von weitblickenden
Zahnärzten und Ärzten inaugurierte Bewegung, die gesamte Be¬
völkerung durchgreifend zahnärztlich zu versorgen, nur
Erfolg haben kann, wenn die Zahl der Zahnärzte in ange¬
messenem Verhältnis zu ihrem Bedarf wächst Bis jetzt ist
das leider nicht der Fall, woran aber unklare Gesetzgebung und
kurzsichtige Verwaltungsmaßnahmen die Hauptschuld tragen.
Nach’ meiner mehrjährigen Landerfahrung in einem bayer.
Bezirksamt ist der krasse Mangel an Landzahnärzten an den
überaus traurigen Zahnverhältnissen schuld, unter welchen die Be¬
völkerung unsäglich leidet Besonders sind mir die durch gedrängte
Zahnstellung, persistierende «Milchzähne bezw. deren Reste her¬
vorgerufenen Gebißanomalien aufgefallen, die dem Träger schon in
der Jugend schnell um sich greifende Karies und (auf dem Landei)
damit den Verlust seiner Kauorgane eintragen. Auf mich machen
diese jungen Menschen mit „Gebißkrücken“ stets einen traurigen
Eindruck!!
Wirksame Abhilfe läßt sich nur durch rasche Besetzung der
Bezirksämter mit ausreichender zahnärztlicher Hilfe
schaffen; als Existenz-Grundlage müßte diesen Zahnärzten die Sch ul-
zahnpflege und die Tätigkeit bei den Krankenkassen ihres
Bezirkes übertragen werden; zu ihrer Unterstützung wären ihnen
Assistenzzahnärzte beizugeben. Die Zahl der für ein Bezirksamt be¬
nötigten Kräfte wird jeweils von Fall zu Fall bestimmt werden
müssen; annähernd kann man pro (bayer.) Distrikt (= Amtsgerichts¬
bezirk) 1 leitenden Zahnarzt und 2 Assistenz-Zahnärzte an¬
setzen. Dem Chef-Zahnarzt müßte natürlich noch Ausübung von
*) Die Schulzahnklinik. Eine Anweisung zur Einrichtung und För¬
derung der Schulzahnpflege in Stadt und Land. Berlin, Rieh. Schötz, 1914.
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244
Privatpraxis gestattet sein, eventuell auch dem dienstältesten Assi¬
stenten in einem geeigneten Nebenort des Bezirksamtes. Da die
Krankenkassen (ob mit Recht oder Unrecht, mag hier unerörtert
bleiben) gewöhnlich darüber klagen, daß die Kosten für die Zahnbe¬
handlung bei Honorierung jeder einzelnen Leistung und bei ange¬
messenen Gebühren unerschwinglich wären, so wird neuerdings der
Ausweg der Pauschalbezahlung gewählt Pro Kopf und
Jahr des Versicherten müßten allerdings schon 3 Mark
berechnet werden; man hält den gleichen Satz
auch bei dem Abonnementsystem der Schulzahnpflege für
unerläßlich. Gegebenen Falles müßte eine Drei-Teilung statt¬
finden: je 1 Mk. (pro Kopf und Jahr) zahlen Eltern, Gemeinde und
Staat. Den Bezirks- und Distriktzahnärzten wäre eine angemessene
soziale und materielle Stellung zu geben, um tüchtige Kräfte für
das Land zu gewinnen und dort zu fesseln. Da die bloße Mitver¬
tretung der zahnärztlichen Interessen durch die beamteten Ärzte
meines Erachtens völlig ungenügend ist, wärejeder bayerischen
Regierung ein aus älteren, hervorragend tüchtigen Praktikern
bestehendes zahnärztliches Kollegium (ca. 4 Zahnärzte, dar¬
unter 1—2 Distrikts-Zahnärzte) als beratendes Organ beizu¬
geben, das gleichzeitig als Aufsichtsinstanz der Bezirks- und Distrikt-
Zahnärzte seines Regierungsbezirkes zu fungieren hätte. Nur auf
diesem Wege wird es möglich sein, die junge Generation
rationeller Zahnhygiene und -Behandlung zuzuführen und die jetzt
überaus traurigen Zustände durchgreifend zu bessern.
Genetisches Qber die Anfälle von Pertussis.
Von Dr. Armbruster in Schweinheini.
Husten gilt dem Kliniker, wenn auch nicht immer, so doch in
den meisten Fällen stets als eine symptomatische Erscheinung von
Krankheiten der Luftwege, wodurch Herausbeförderung von Schleim
bewirkt wird. Auch prophylaktisch kann Husten auftreten als Schutz¬
vorrichtung für die Lunge gegen Staub und schädliche Gase, wofür
auch das Geruchsorgan, die Verschlußvorrichtung der Stimmbänder,
die Entleerungsbewegungen des Niesens, Räusperns, die Erwärmung
und Befeuchtung der Luft in dem langen Kanal in analoger Weise
tätig sind. In sehr seltenen Fällen wird dann unter anderm Husten
ausgelöst durch Reizung von Ösophagus, Magen, Leber Milz. Häu¬
figer ist dagegen Tussis hysterika.
Bei Pertussis zeichnet er sich durch eine große Anzahl schnell
aufeinander folgende Hustenstöße aus, die von tiefen, seufzenden,
tönenden Inspirationen unterbrochen sind. Teilweise durch die Hef¬
tigkeit und Dauer dieser Hustenstöße können infolge exspiratorischer
Gefäßzerreißungen Blutungen in den Konjunktiven, in der Haut des
Gesichtes, in Nasen- und Rachenhöhle auftreten; es vermag ferner
Berstung des Trommelfelles mit Blutung zu geben. Durch Zerreißung
von Alveolen tritt interstitielles Emphysem, Pneumothorax, sogar
allgemeines Hautemphysem ein. Bei häufigem Erbrechen als Be-
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*45
gleiterscheinung führen die Anfälle von Pertussis zu schweren Stö¬
rungen der Gesamternährung, besonders bei schwächlichen Kindern.
Von Interesse ist zunächst die Erscheinung, daß nicht alle Teile
des Respirationsorgans Husten auslösen, und daß die Reizung bei
gleicher Intensität örtliche Abstufungen zeigt. Von den Alveolen
aus kann Husten nie hervorgerufen werden; auch der Pharynx löst
sehr selten Hustenstöße aus. Er ist eben gleichzeitig durch den so
häufigen Schluckakt in Mitleidenschaft gezogen, weshalb er von der
Natur unempfindlicher gebildet wurde. Im Kehlkopf sind die für
Stimme und Sprache so nötigen Stimmbänder wenig hustenerregend,
was für Sänger und Redner von hohem Vorteil erscheint. Der wirk¬
samste Punkt ist hier ein der Glottis respiratoria angehörender Teil,
der Gießbeckenknorpel.
Physiologisch sei weiter vorerst zur Erklärung des Hustens das
Zentralorgan für die Atembewegungen in Betracht gezogen, welches
im verlängerten Mark liegt. Bei Sauerstoffmangel entsteht Dyspnoe,
welche als regulatorischer Akt häufig das Blut auf die normale Be¬
schaffenheit bringt. Bei weiterer Zunahme der Venosität des Blutes
geht sie jedoch in allgemeine Erstickungskrämpfe über von klonischer
und als Vorläufer von Lähmung tonischer Art Zuletzt tritt dann
neben allgemeiner Lähmung Asphyxie ein. Diese Steigerung wird
so erklärt, daß das Atmungszentrum, auch Lebensknoten genannt,
immer ausgedehnter erregt wird. Das Hustenzentrum dürfte dem
Atmungszentrum nahe stehen. Dies ergibt sich schon daraus, daß
Husten ausgelöst wird, wenn durch Schleimhäufung in den Bronchien,
durch Fremdkörper Dyspnoe auftritt. Während aber die Atmung
kein Reflexakt ist, treten beim Husten sowohl, als bei den Erstickungs¬
krämpfen Reflexe auf, hier löst also der Lebensknoten noch eine
weitere Wirkung aus.
Wie beim Herzen gilt auch für die Auslösung von Husten der
Vagus als hemmender Nerv. Er hat jedoch hier wie dort beschleu¬
nigende Fasern, wenn letzteres auch beim Herzen sicherer konsta¬
tiert ist. Bei Husten durch Reizung von Ösophagus, Magen, Leber,
Milz ist der Vagus wohl ebenfalls beteiligt. Es sei weiter erwähnt,
daß die Alveolen deshalb keinen Hustenreiz hervorrufen können,
weil ihnen wohl eine Innervation fehlt, zumal da bei Emphysem
durch sie keine nervösen Störungen unmittelbar hervorgehen. Ferner
sei an dieser Stelle hervorgehoben, daß von der Pleura oft im Ver¬
laufe von Punktionen pleuritischer Exudate Husten ausgelöst wird,
wo die rasch aufgehobene Kompression der Lunge in dieser Weise
reflektorisch wirkt, was mit am meisten für die nahe Verwandtschaft
von Lebensknoten und Hustenzentrum spricht; die komprimierten
Lungenpartien werden durch solche Hustenstöße rascher wieder
zur Entfaltung gebracht Auch sei hier gleichzeitig Tussis hysterika
erwähnt, die ohne Hysterie vorkommt Es ist dies ein Reizzustand
des Nervus laryngeus superior; der Reiz dieses Vagusastes wird als
Prickeln im Kehlkopf gefühlt.
Nach Ermittelungen der neueren Chemie gibt es im Bereich
des Kehlkopfes ein Sekret, das zwar von fast sämtlichen Körper¬
drüsen ausgeschieden wird, sich aber hier reichlicher wohl findet
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24 #
Es ist dies Spermin bezw. Sperminphosphat, das zum Husten durch
krampfartige Muskelkontraktionen reizt Man unterscheidet aktives
und kristallinisches, die Asthmakristalle. Ganz passiv verhalten sich
die Asthmakristalle — das ist der eigentliche Gegensatz zu aktiv —
immerhin nicht, wie ihre spitzen Doppelnadeln beweisen. Der Pharynx
scheint von diesem Sekret frei zu sein, daher seine geringe Reizung.
Am ärgsten dürfte der erwähnte Teil der Glottis respiratoria von
Spermin bezw. Sperminphospbat in Mitleidenschaft gezogen werden.
Wie die irrespirablen Gase, wozu Chlor, Fluor, Ozon gehören, kurze
Hustenstöße neben Stimmritzkrampf auslösen, so ist dies hier bei
dem flüssigen Spermin bezw. Sperminphosphat der Fall, sobald es
sich in etwas vermehrter Menge im Bereich des Kehlkopfes an¬
sammelt, was bei manchen Entzündungen der Fall ist, zumal da es
auf entzündetes Gewebe leichter wirkt
Bei einem so wichtigen Vorgang zu Gunsten der erkrankten
Lunge, wie ihn die Herausbeförderung von Schleim darstellt, hat
die Natur eben mancherlei Maßnahmen für den fördernden Husten
ins Werk gesetzt. Dazu gehören sein erörtertes Reflexzentrum und
das Spermin bezw. Sperminphospat. In ähnlicher Weise sehen wir
beim Herzen, daß nicht nur nervöse Einflüsse die Herzkontraktionen
auslösen, sondern auch der Bau des Herzens dafür eingerichtet ist
So mögen die Annuli fibrosi bei Beginn der Vorhofssystole, die et¬
was früher anhebt, so gestellt werden, daß dadurch die Ventrikel¬
systole eingeleitet wird. Bei Meteorismus paralytikus, wie eine Art
von Darmlähmung symptomatisch genannt wird, ist deshalb wohl
noch Resorption vorhanden, weil hier nur der Plexus myenterikus,
der die Peristaltik en gros gewissermaßen auslöst, nicht mehr funk¬
tioniert, während der Plexus enterikus, der die Zottenkontraktionen
anscheinend hervorruft, von der Lähmung unbeeinflußt ist Hier in
der dünnen Darmwand sind also zwei verschiedene nervöse Gang¬
lien, um das Leben durch weitere Resorptionsfähigkeit zu erhalten.
Wir treffen ähnliches beim Lebensknoten. Wird die Medulla ob-
longata nämlich an ihrer obem Grenze durchschnitten, so finden sich
im Rückenmark weitere Lebensknoten, allerdings sehr sekundärer
Art, in der Gegend, wo die Brustkorb- und Zwerchfellnerven ent¬
springen. Ob sie gleichzeitig auch Hustenzentra sind, entzieht sich
diesseitiger Kenntnis.
Nach diesen zumeist allgemeinen Ausführungen über Husten
zu Pertussis! Die schnell aufeinander folgenden Hustenstöße bei
Keuchhusten sind eigentlich klonische Krämpfe, jedoch ohne Neigung
zu Lähmungserscheinungen, wie sie bei dem mittleren Grade der
beschriebenen Dyspnoe zumeist auftreten. Sie werden hervorgerufen
durch den Luftröhrenkatarrh bei Keuchhusten, welchen in der ge¬
schilderten Weise das Spermin bezw. Sperminphosphat zu beeinflussen
vermag. Es scheint, daß der neuerdings gefundene Erreger des
Keuchhustens diesen Katarrh primär nötig- hat, um seinen Nähr¬
boden zu finden, wobei dann gleichzeitig eine sekundäre katarrha¬
lische Ausbreitung folgt Der schon erwähnte Teil der Glottis re¬
spiratoria dürfte der bakterielle Lieblingsplatz sein, bei welchem ähn¬
lich wie bei Tussis hvsterika der Nervus laryngeus superior vorzüg¬
lich gereizt wird,
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Noch sei hervorgehoben, daß bei Keuchhusten tonische Krämpfe
sich m etwas zeigen, nämlich bei etwas längerem Glottisverschluß.
Eigentlich lange dauert dieser Verschluß nie, weil der dabei im Innern
des Thorax herrschende Druck bei Kindern sich rasch verstärkt,
um eine Exspiration und eine Inspiration auszulösen. Da die Kinder
eine langgezogene, von Krählauten begleitete Inspiration unmittelbar
vor dem Anfall machen, so hebt der verstärkte Thoraxdruck auch
rascher den Glottisverschluß auf.
Um also einen Anfall von Keuchhusten hervorzurufen, müssen
folgende partielle Ursachen vorhanden sein: i. Entzündung; 2. die
spezifischen Bakterien vor allem; 3. wahrscheinlich stets Spermin
bezw. Sperminphosphat; 4. entsprechende Vaguslähmung; 5. Reizung
des Hustenzentrums. Mit den Muskelkontraktionen wird der Anfall
eingeleitet Sie entstehen örtlich: 1. durch den zähen Schleim
der Entzündung, weshalb der Anfall mit einer lufthaschenden In¬
spiration anhebt; 2. durch Spermin bezw. Sperminphosphat; 3. durch
eine Reizung des Nervus laryngeus superior. Die Muskelzusammen¬
ziehungen können schon durch Spermin bezw. Sperminphosphat
allein in etwas hervorgerufen werden. Sie melden dann dem er¬
wähnten Reflexzentrum für Husten, sobald die erörterte Hemmung
des Vagus durch die Reizung der obern Kehlkopfnerven ausgeschaltet
ist, daß im Bereich dieses Organs eine Aktion für Schleim- und
Bakterienentfemung zu unternehmen sei, worauf dann die klonischen
Kontraktionen verstärkt folgen, die durch den erhöhten Thoraxdruck
zum Glück für die Patienten, obwohl die Hustenanfälle dadurch ge¬
wöhnlich länger dauern, kaum tonischen Spasmus auftreten lassen,
der gern zur Erstickung bei schwachen Kindern führen würde.
Daß die Hustenstöße so zahlreich bei dem geringen Schleim
sind, kommt aus folgenden Ursachen: 1. der Schleim ist zähe und
die kindliche Trachea noch eng; 2. die Vagushemmung ist vollständig
aufgehoben; 3. vor allem, daß der Sitz der Bakterien des Keuch¬
hustens vornehmlich wohl die empfindliche Glottis respiratoria ist
Daß die Anfälle wieder auf hören, dafür sorgt der gesamte Vagus
als hemmender Nerv nach Entfernung des Schleims durch Heraus¬
befördern oder durch Verschlucken, was bei kleinen Kindern Norm
ist. Das Reflexzentrum leistet dieser Hemmung willig Folge.
Zum Schluß noch eine physikalische Erklärung, warum gerade
im Bereich der Kava superior der Venenabfluß bei diesen die Atmung
ungünstig beeinflussenden Anfällen verhindert ist, wie sich dies aus
den eingangs angeführten Blutungen teilweise ergibt; teilweise ent¬
stehen sie nämlich auch durch die Erschütterungen während der
Anfälle. Man sollte eigentlich nach dem Verlauf der beiden Hohl¬
venen das Gegenteil erwarten. Die Thoraxaspiration ist aber stärker
als die Schwerkraft, die für das Blut der Kava superior zumeist in
Betracht kommt, und wirkt ziemlich lange nach, so daß eine vor¬
teilhafte Verhinderung des Venenabflusses aus der Vena superior
entsteht, die keine Synkope im Gefolge haben kann, wie dies bei
Stauung in der Kava inferior eintreten könnte. Es sei nur an den
Goltz’schen Klopfversuch erinnert Weitaus mehr noch trägt die
erwähnte Druckerhöhung im Thoraxraum dazu bei, der die pulslose.
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dünne Venenwand komprimiert. Nehmen wir an, die obere Hohl¬
vene habe mit ihren entsprechenden Verzweigungen in der Brust¬
höhle eine Länge von 10 cm, die untere daselbst eine solche von
2 cm, so ist die Kompression für die Kava superior 6 /« und für Kava
inferior »/«. In Wirklichkeit ist der Unterschied noch größer, weil
die Verzweigungen der Kava superior einen vermehrten Druck in
dem Grade auslösen, als ihr Gefäßlumen kleiner wird. Da zugleich
die nachwirkende Thoraxaspiration eine Kompression der Kava in¬
ferior anfangs hintanhält, so beschränkt sich der Einfluß des erhöhten
Thoraxdruckes zunächst nur auf die Kava superior. Hier leistet
das den Thoraxraum abschließende und verkleinernde Zwerchfell
vor allem eine wichtige physiologische Arbeit, die bis jetzt kaum
genügend gewürdigt wurde. Die Inspiration und Exspiration wurden
absichtlich bei den Schlußerörterungen nicht in Betracht gezogen,
ebenso nicht die beiden Hiatus und das Foramen pro vena kava
inferior des Zwerchfells.
Referate.
Versuche Ober eine allergische Reaktion mit dem B o rdet-
G e n g o u ’ sehen Keuchhusten-Endotoxin. Von R.
Neurath-Wien. (Med. KL, 1914, Nr. 43, S. 1619.)
Mit dem nach neueren Angaben von Bordet-Gengou ge¬
wonnenen Endotoxin des Keuchhustenerregers wurden Versuche über
eine etwa mögliche allergische Reaktion angestellt, die intrakutan
zunächst bei pertussiskranken Kindern eine positive Reaktion er¬
gaben, welche sich klinisch in einer, der kutanen Tuberkulinreak¬
tion analogen Weise zu erkennen gab. In 1—2 Tagen zeigte sich
eine deutliche papulöse Effloreszenz, die bald schwand. Auch bei
gesunden Säuglingen trat die Reaktion, bis auf einige ganz junge
Neugeborene auf. Die Untersuchung wahllos vorgenommener keuch¬
hustenfreier* Kinder in verschiedenem Lebensalter ergab ebenfalls
eine positive Reaktion, ebenso bei Kaninchen. Die angewendete
Verdünnung war einprozentig. Eine kutane Applikation ergab
keine Reaktion. Vielleicht repräsentiert das angewendete Endotoxin
einen komplexen Körper, der aspezifische Substanzen enthält, mög¬
licherweise ist es auch als primäres Gift aufzufassen, das nicht erst
durch Reaktionskörper toxische Aktionskraft erhält. Autoreferat.
Die Behandlung der Ophthalmoblennorrhoe des Neuge¬
borenen. Von Klebanski. (La pathologie infantile, Juli
I 9 I 4-)
In 110 Fällen von Ophthalmoblennorrhoe des Neugeborenen hat
Autor folgende Behandlung angewendet: 2mal täglich wurden In¬
stillationen mit 2proz. oder ausnahmsweise ßproz. Argentum nitri-
kum, je nach der eitrigen Sekretion, vorgenommen. Die iproz.
Lösung wurde angewendet, wenn die Eiterung nachließ oder von
vornherein gering war. Gleichzeitig machte man 10 mal täglich
Instillationen mit 2proz. Argyrol. Die Augen wurden mehrmals
täglich mit physiologischer Lösung gewaschen.
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Bei Vorhandensein kornealer Komplikationen wurde mit der
Argentum nitrikum-Behandlung nie ausgesetzt. In diesem Falle
wurden die Instillationen 2 mal in 24 Stunden in der Stärke von
20 Proz. vorgenommen.
Nach Einführung des Antigonokokken-Serums behandelte Autor
7 Fälle von Ophthalmoblennorrhoe mit dem Antigonokokken-Serum
von Nicolle und Blaizot in Toulouse.
Auf Grund seiner Beobachtungen kommt nun Autor zu folgen¬
den Schlußfolgerungen:
Vergleicht man die Entwicklung und die Dauer der Ophthalmo¬
blennorrhoe in den mit Silbernitrat und den mit Serum behandelten
Fällen oder verfolgt man die Entwicklung einer und derselben
Ophthalmoblennorrhoe, die zuerst mit dem Serum und alsdann mit
den Silbersalzen behandelt wurde, so sieht man, daß die Serumbe¬
handlung keinen Vergleich mit der Silberbehandlung aushält und
jedenfalls nicht als spezifisch betrachtet werden kann.
von la Hausse-Rosenheim.
Zur Frage der Empyembehandlung bei Kindern. Von
Erich Kleemann. (Innere Abteilung des Israelitischen
Krankenhauses zu Breslau. Dir. Geh. Sandberg. — Zbl. f.
d. ges. Ther., 1914, Jahrg. XXXII, H. 8.)
Bisher wurde jedes Empyem durch breite Eröffnung des Thorax
zu heilen versucht. Die schlechten Resultate, die diese Behandlung
besonders bei-Kindern gab, veranlaßte eine ganze Reihe von Autoren
dazu, an Stelle der Resektion die wiederholte Punktion treten zu
lassen. Der andere Vorteil neben der nicht hoch genug anzu¬
schlagenden geringeren Mortalität, — dieser Methode liegt besonders
darin, daß sowohl keine sekundäre Skoliose, keine Verziehung und Ver¬
bildung des Thorax, also auch keine Deformierung des Brust¬
korbes eintritt, die bei jeder Resektion herbeigeführt wird. Als Er¬
klärung für den ungünstigen Ausgang der durch Resektion behan¬
delten Empyeme durfte wohl daran zu denken sein, daß die Kinder
durch das vorhergehende Krankenlager zu sehr geschwächt sind,
um eine doch ziemlich eingreifende Operation auszuhalteri. — Verf.
führt dann 2 mit Erfolg durch wiederholte Punktion behandelte
Fälle von metapneumonischem Empyem an, die durch häufige
Röntgendurchleuchtung und Röntgenaufnahmen auf die erfolgte
Heilung hin nachgeprüft worden sind. Der eine Fall war besonders
bemerkenswert, weil bei einer Punktion allein 900 ccm Eiter entleert
worden sind. — Hervorzuheben ist ferner, daß das kranke Kind
nicht in eine Klinik verlegt zu werden braucht, da diesen Eingriff
jeder Arzt im Privathause zu machen imstande ist —
Bei der Behandlung der Fälle wurde eine gebogene Kanüle
verwandt, deren Krümmung es ermöglicht, tief in die Komplementär¬
räume hineinzugelangen. Angefertigt wird das Instrument von P.
Schmidt, Breslau, Nikolaistr. 52. Autoreferat.
Gibt es einen schädlichen Nahrungsrest beim Säugling?
Von A. Uffenheimer-Münclien. (M. m. Wsclir., 1914, Nr.
40 u. 41.)
Im Anschluß an die früheren Untersuchungen mit Takeno
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25Ö
und Liwschiz an „Kaseinflöckchen“ kranker und gedeihender
Kinder hat Uffenheimer neuerdings zusammen mitTsukamoto
große Reihenuntersuchungen mit einer verfeinerten Technik ange¬
stellt Im ganzen wurden 281 Prüfungen von Stühlen vorgenommen,
welche von 157 Personen, zumeist Säuglingen, stammten. Die Methodik
erwies sich als gänzlich einwandfrei, sie war sogar so scharf, daß
es mit ihrer Hilfe möglich war, Verfälschung der Frauenmilch (durch
Kuhmilchbeimengungen) nicht nur in dieser selbst, sondern auch
im Stuhl des mit ihr gefütterten Säuglings nachzuweisen. Reste
des Kaseins verfütterter Kuhmilch ließen sich in einzelnen Fällen
noch 1 bis 6 Tage nach dem Übergang zur Frauenmilch nachweisen.
Im übrigen zeigten die Frauenmilchstühle mit Kuhmilchantiseris
keinerlei Reaktion. Die künstlich ernährten Säuglinge wurden nach
mehreren Gruppen ausgeschieden: nämlich Säuglinge mit schweren
und solche mit leichteren Ernährungsstörungen; nicht emährungs-
gestörteSäuglinge, die anderweitig erkrankt waren; gesunde respektive
gedeihende Säuglinge. Die Kaseinbröckel all dieser Kinder enthielten
regelmäßig (eine Ausnahme!) Kasein, unausgewählte Stuhlpartikel
in weitaus der Mehrzahl der Fälle. Es besteht kein Zweifel, daß
wir vollkommen berechtigt sind, für alle diese Fälle einen echten
Nahrungsrest anzunehmen. Versuche an mit Griesmischungen er¬
nährten Säuglingen zeigten, daß das Grieseiweiß im Stuhle nicht
mehr nachweisbar ist, daß also das Vorhandensein nicht denaturierten
Eiweißes in den Fäzes keineswegs die Regel ist für alle in der
Säuglingsnahrung verabreichten artfremden Eiweißkörper. Eine
einfache Berechnung ergab, daß der vom Kasein stammende Nah¬
rungsrest, der täglich mit dem Säuglingsstuhl ausgeschieden wird,
etwa 1 / a bis 1 g beträgt gegenüber den zirka 4,5 g Gesamteiweiß
des Tageskotes. Das Eiklar, das erst kürzlich als ein echter Schäd¬
ling des Säuglingsdarmes wieder erwiesen wurde, zeigt ein ähnliches
Verhalten seiner Ausscheidung im Stuhl wie das Kasein. Aller¬
dings in einigen Fällen erst nach 4 tägiger Verabreichung je eines
Eiklars so weit, daß sich noch nichtdenaturierte Substanz im Stuhle
fand. Die Beobachtung von einem ähnlichen Verhalten des schäd¬
lichen Eiklars und des Kaseines hätte vielleicht von vornherein zur
Annahme führen können, daß der Kaseinnahrungsrest tatsächlich
auch ein schädlicher sei. Nachdem aber erwiesen wurde, daß auch
bei größeren Kindern und sogar bei Erwachsenen in einem erheb¬
lichen Prozentsatz der untersuchten Fälle sich Kasein im Stuhle be¬
fand, schien ein solcher Schluß doch allzu rasch. Vorläufig läßt
sich demnach der gefundene Nahrungsrest noch nicht sicher als
schädlicher bezeichnen, trotzdem manches für das Vorhandensein
eines solchen spricht Es wird erläutert, in welcher Weise wir uns
auch heute schon Vorstellungen darüber machen können, nach
welcher Richtung hin wohl der gefundene Nahrungsrest Schaden
anzurichten vermöchte. Autoreferat
Die Injektionen von künstlichem Serum bei den Gastro*«
Enteritiden im ersten Lebensalter. Von Loa ec. (Re¬
ferat in La patliologie infantile, Juli 1914.)
Autor hat 374 Fälle von Gastro-Enteritiden bei künstlich er-
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*5*
nährten Säuglingen, die in der Krippenanstalt des Dr. Chatin in Lyon
mit künstlichem Serum behandelt wurden, gesammelt. Diese Beob¬
achtungen wiesen 72,9 Proz. Heilungen und 27,08 Proz. Todesfälle
auf. Das Verhältnis der Heilungen war bei den chronischen Formen
hoher als bei den akuten Fornien.
Bemerkt muß werden, daß Chatin bei den mit Serum behandel¬
ten Kindern nebenbei die Wasserdiät, die Bäder, das zitronensaure
Natrium, das Tanningen usw. angewendet hat
Von den von C h a t i n angewandten Seren hebt Autor vor allem
folgende zwei hervor, das von Hayem:
Natr. chlorat. pur. 5,0
Natr. sulfur. cryst. pur. 10,0
Aq. dest. ster. 1000,0
und das hypertonische Serum von Netter:
Natr. chlorat. 10,0
Calc. chlorat. 0,3
Natr. bicarbon. 0,1
Aquae. 1000,0
Die Einspritzungen macht man am besten in der Gegend zwischen
den Schulterblättern. Die Haut wird mit Äther oder Jodtinktur
desinfiziert Als Dosis wendet C h a t i n meist 40 ccm p. die in zwei
Einspritzungen von je 20 ccm an. Wenn nötig, wie bei Cholera
infantilis, hyperakuter Gastro-Enteritis mit profuser Diarrhöe und
Erbrechen kann diese Dosis verdoppelt werden.
Bei den chronischen Formen geht man selten unter 40 ccm
herunter. Die Einspritzungen werden im allgemeinen 10 Tage lang
fortgesetzt. Manchmal, bei den akuten Formen, hört man, wenn die
Besserung eine schnelle ist, nach einigen Tagen damit auf. Hat
man die Einspritzungen 10 Tage hindurch gemacht, so kann man
dieselben, wenn nötig, nach einigen Tagen Pause wieder aufnehmen.
Der Erfolg der Einspritzungen war ein sehr guter. Lokale
Komplikatonen kamen nicht vor und das Fieber wurde günstig be¬
einflußt. Das Körpergewicht nahm zu, die Verdauung wurde ge¬
bessert, die Diurese gesteigert, die Ernährung und das Nervensystem
günstig beeinflußt.
Kontraindiziert sind die Einspritzungen bei tuberkulösen Kindern
und bei Ödemen infolge von Nephritis.
von la Hausse-Rosenheim.
Der akute Gelenkrheumatismus bei Kindern. (Referat in
La pathologie infantile, Juli 1914.)
Der akute Gelenkrheumatismus ist beim Kinde relativ selten.
Zwischen 15 und 20 Jahren ist er ziemlich häufig.
Man hat behauptet, daß der Rheumatismus beim Kinde eine
gutartige Erkrankung sei. Das ist richtig, wenn man nur die Ge¬
lenke in Betracht zieht, aber falsch, wenn man auf die Häufigkeit
und die Schwere der Erscheinungen außerhalb der Gelenke und
vor allem auf die Herzlokalisationen Rücksicht nimmt.
Die Erscheinungen außerhalb der Gelenke betreffen die Haut
und das Unterhautzellgewebe und treten als Ödeme und Knötchen auf.
Die Ödeme können das Gesicht, die Genitalien und die Glieder
befallen. Es sind weiße, etwas schmerzhafte Ödeme mit scharfen,
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kreisförmigen Rändern. Dieselben gehen in 24—36 Stunden zurück.
Die Erscheinungen in den Gelenken treten zu gleicher Zeit auf oder
können fehlen. Zur differentiellen Diagnose derselben dient der Um¬
stand, daß sie durch Natr. salizyl. beeinflußt werden und nur geringes
Fieber verursachen.
Die rheumatischen Knötchen haben ihren Sitz nicht in der Haut,
sondern in dem Zellgewebe, den Aponeurosen, den Sehnenendigungen.
Man findet dieselben vor allem an der Stirne, den Ohren, dem Peri-
kranium, an den oberflächlichen Aponeurosen der Glieder. Sie sind
Stecknadelkopf-, linsen- bis erbsengroß; oft schmerzlos, manchmal
jedoch auf Druck empfindlich, manchmal sehr schmerzhaft; sie sind
hart, beweglich und erscheinen vor, während und nach dem Rheu¬
matismus. Im allgemeinen fallen sie mit schweren und besonders
mit Herzkomplikationen zusammen. — Meist vergehen sie rasch,
doch können sie Tage ja Wochen lang bestehen. Doch wird die
Schwere des Gelenkrheumatismus beim Kinde durch die große Häufig¬
keit der Herzkomplikationen bedingt. Dieselben betragen 91,0 Proz.
Am häufigsten kommt Mitralinsuffizienz vor, doch am schwersten
ist die Perikarditis, die in 15—20 Proz. der Fälle auftritt und 7 Proz.
Todesfälle aufweist Die Endokarditis beträgt 80—85 Proz. der Fälle.
Das Hauptmedikament ist das Natr. salizyl. in gehöriger Dosis.
Für den Erwachsenen mit 20 Jahren rechnet man 6 g pro die, und
daraus berechnet man die Gabe für das betreffende Kindesalter.
Man darf mit dem Medikamente nicht zu früh aufhören: man gibt
die volle Dosis 5—6 Tage lang, dann vermindert man dieselbe pro¬
gressiv während 14 Tage nach Aufhören der letzten Schmerzen, mag
der Anfall auch noch so leicht gewesen sein. Autor gibt folgende
Mixtur: Natr. salizyl. 3,0
Natr. bikarbon. 1,5
Rhum. 5,0
Sir. aur. cort. 15,0
Inf. flor. til. 80,0
Wenn der Magen diese Mixtur absolut nicht verträgt, so gibt
man das Natr. salizyl. als Klystier oder als Suppositoriuni.
Gegen das Ohrensausen gibt man gleichzeitig Chinin. Die Gabe
für den Erwachsenen beträgt 0,6 pro die.
Es ist sehr wichtig, die Kranken mindestens noch 14 Tage lang
nach dem Aufhören der Schmerzen im Bette zu lassen.
v. la Hausse-Rosenheim.
Bücherbesprechungen.
Die Röntgendiagnostik der Magenkrankheiten. Von Dr.
M. Faul h ab er, Privatdozent an der Universität Würzburg.
(Sammlung zwangloser Abhandlungen aus dem Gebiete der
Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten, herausg. von A.
Albu-Berlin. Bd V, H. 1.) 2. vermehrte und verbesserte
Auflage, gr. 8°, 59 S. m. 48 Abb. im Text und 2 Tafeln.
Halle a. S. 1914. Verlag von Carl Marhold. Preis 1,50 Mk.
In übersichtlicher anschaulicher Darstellung behandelte Verf.
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253
die normale und anormale Beschaffenheit des Magens im Röntgen¬
bild und zieht daraus die wichtigen praktischen Schlüsse. Ohne
den Wert der Magenuntersuchung im Röntgenbild zu überschätzen,
ist Verf. doch der Ansicht, daß in 20—30 Proz. der Fälle, wo die
klinischen Methoden zur Diagnose des Magenkarzinoms nicht aus¬
reichen, diese durch das Röntgenbild gesichert wird.
Die Abhandlung bietet für Praktiker und Spezialist gleich an¬
regende Momente. Cordes-Dresden.
Diphtherie, Sommersterblichkeit der Säuglinge und
Tuberkulose als soziale und Wohnungskrank¬
heiten. (Nach Untersuchungen in Kiel. Mitunterstützung
der Adelheid B 1 e i ch r öder-Stiftung der Gesellschaft deutscher
Naturforscher und Ärzte.) Von Dr. Peter Hanssen, Kinder¬
arzt in Kiel. (Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Medi¬
zinalverwaltung. Im Aufträge Sr. Exz. des Herrn Ministers
des Innern herausg. von der Medizinalabteilung des Mini¬
steriums, Schriftleitung: Geh. Ober-Med.-Rat Prof.Dr.Dietrich-
Berlin, IV. Bd., II. H. [der ganzen Sammlung 42. H.]), gr. 8°,
68 S., 1 Blatt und 8 (färb.) lith. Stadtkarten. Berlin 1914.
Verlag von Richard Schoetz. Preis 5,20 Mk.
Acht große farbige Stadtpläne ermöglichen den Vergleich
der Verbreitung der angegebenen Krankheiten in den ver¬
schiedenen Straßen von Kiel, namentlich der Vergleich der Jahre
1909—1911 in bezug auf die Säuglingssterblichkeit ist lehrreich.
Diese Stadtpläne ergänzen die Kurven über die Sommer-Temperatur
und Säuglingssterblichkeit in den drei Jahren, die der Verf. im
Archiv für soziale Hygiene, Bd. VII, 1913, veröffentlicht hatte. Zu¬
nächst untersuchte Hanssen die Verbreitung der Tuberkulose in
Kiel, ihre Verteilung auf die Geschlechter, auf das Alter und nach
Jahreszeiten. Die Tuberkulose im Kindesalter wurde noch beson¬
ders betrachtet und vergleichend-pathologische Bemerkungen dazu
gemacht. Die Diphtherie folgte, sie hat sich in den letzten Jahren
besonders in Gaarden gezeigt. Diese Epidemie war von großer
Hartnäckigkeit und Bösartigkeit. Die Gestorbenen gehörten fast
ohne Ausnahme den ärmeren Volksklassen an, ähnlich wie bei der
Tuberkulose.
In einem weiteren Abschnitt des Werkes werden dann die drei
Krankheiten in Beziehung zur Wohnung gebracht. Umfassende
Tabellen lassen erkennen, in welchen Straßen und Häusern in
Kiel diese wichtigen Wohnungskrankheiten ihr Hauptverbreitungs¬
gebiet haben. Alle drei Krankheiten forderten die größte Zahl der
Opfer in den dicht bewohnten Arbeiterstraßen im Norden, Westen
und in Gaarden. Dieser schädliche Einfluß äußerte sich sogar,
wenn die Bewohner sich in hygienisch günstigen Reihenstraßen be¬
fanden, wie in dem Viertel im Westen zwischen Krausplatz und
Gutenbergstraße, an der Peripherie der Stadt Kiel. Umgekehrt trat
der schädigende Einfluß der Wohnung nicht in Wirksamkeit, wenn
Mitglieder des arbeitenden Standes in Einzelhäusern sich angesiedelt
Digitized by
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254
hatten. Diese Mauser wie sie besonders der Bauverein in Ellerbek
in großer Zahl errichtet hat, waren von den Wohnungskrankheiten
in sehr viel geringerem Maße befallen.
In einem Rückblick bespricht der Verf. die großartige Entwick¬
lung der Pachtgärten in Kiel. Die Spiel-Sportplätze in Schleswig-
Holstein werden auf gezählt
Die Aufklärung der Bevölkerung über die Entstehung der In¬
fektionskrankheiten hält Verf. für das wichtigste Mittel zur Ver¬
hütung dieser mörderischen Krankheit. Museen für Säuglingspflege
und Tuberkulose sind auch in kleineren Städten zu errichten, damit
die Erkenntnis über das Wesen dieser Krankheiten in die weitesten
Volksschichten eindringen kann. Autoreferat.
Der gegenwärtige Stand der Pathologie und Prophy¬
laxe des Diabetes mellitus sowie dieTherapie des
Frühstadiums. Von Priv.-Doz. Dr. K. A. Heiberg in
Kopenhagen. (Sammlung zwangloser Abhandlungen aus dem
Gebiete der Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, herausg.
von Prof. Dr. A. Albu-Berlin, Bd. V, H. 4.) 8°, 52 S. Halle
a. S. 1914. Carl Marhold Verlagsbuchhandlung. Preis 1,40 Mk.
Die vorliegende Broschüre ist keiner der landläufigen auch für
Laien bestimmten diätetischen Wegweiser, sondern die Wiedergabe
des wissenschaftlich begründeten Standpunktes des Verf. in den ver¬
schiedenen Diabetesfragen. Jeder Diabetes, führt Heiberg aus, ist
ein Pankreasdiabetes. Die gute Wirkung einer schonenden Therapie
des Diabetes beruht auf einer Kräftigung der Organe mit schwacher
Funktion. Die Möglichkeit der Regeneration und Hypertrophie
des Inselgewebes ist besonders gegeben, wenn eine Sklerose sich
findet.
Der Diabetes in Zusammenhang mit anderen Krankheiten,
Häufigkeit, Ausbreitung, Heredität, allgemeine Prophylaxe, die thera¬
peutischen Konsequenzen aus den vorher aufgeführten Gesichts¬
punkten und Schwierigkeiten bei der Durchführung der Behandlung
der Zuckerkrankheiten werden knapp und scharf besprochen.
Dr ey er-Köln.
Für Mutter und Kind. Abreißkalender für 1915. Lahr i. B.
1914. Moritz Schaumburg. Preis 0,50 Mk.
Das diesjährige Erscheinen des Säuglingskalenders fällt in die
ernsteste und gefahrvollste Zeit, die das deutsche Vaterland in Jahr¬
hunderten zu durchleben hatte.
Wie Ihre Majestät die Kaiserin in Allerhöchst ihrer Mitteilung
vom 12. August mit Recht betonte, macht heute mehr denn je der
Deutschland aufgezwungene „männermordende Krieg“ die Säuglings¬
fürsorge notwendig.
Der Badische Landesausschuß hält es deshalb für seine doppelte
Pflicht, dem von der Abteilung VI des Badischen Frauenvereins
zusammengestellten Säuglingskalender auch jetzt wieder ein warm
empfehlendes Wort mit auf den Weg zu geben: Möge der Kalender,
dessen gediegener Inhalt in Wort und Bild für sich selber spricht,
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255
auch im zweiten Jahr seines Erscheinens gleich wie im ersten seinen
Weg finden zu allen, die mit uns die gleichen Bestrebungen teilen,
nicht allein zu den Zweigvereinen des Badischen Frauenvereins,
sondern auch zu den Vereinen und Korporationen der übrigen Bundes¬
staaten, die sich mit Säuglingsfürsorge beschäftigen. Möge er sich
als wirksames Mittel erweisen für wachsende Ausdehnung der Für¬
sorge für unsere Jugend und damit für Erhaltung deutscher Kraft
und Wehrfähigkeit! Hauser-Karlsruhe i. B.
Die zunehmende Unfähigkeit der Frauen, ihre Kinder
zu stillen. Die Ursachen dieser Unfähigkeit, die Mittel zur
Verhütung. Ein Vortrag von Prof. Dr. G. von Bunge, Prof,
an der Universität Basel. Siebente, durch neues statistisches
Material vermehrte Auflage mit einem polemischen Nachwort
gr. 8°, 40 S. München 1914. Ernst Reinhardts Verlagsbuch¬
handlung. Preis 0,80 Mk.
Die siebente Auflage des bekannten Vortrages Bunge’s, der
vor 14 Jahren zum ersten Mal erschien (gehalten wurde er bereits
ein Jahr früher, im Jahre 1899), weist eine Statistik über 2709
Familien auf. Es ist wohl zu bekannt und braucht an dieser Stelle,
kaum noch einmal hervorgehoben zu werden, daß der Verf. die
Ursache der zunehmenden Stillunfähigkeit der Frauen in der
chronischen Alkoholvergiftung der Aszendenz gefunden zu haben
glaubt — Der Hinweis auf die Neuauflage dürfte genügen, um zur
Lektüre des glänzend geschriebenen Vortrages anzuregen.
Klos e-Breslau.
Fürsorge für ortsfremde oder nicht seßhafte Jugend¬
liche. Konferenzbericht. Von Dir. Dr. Polli gkei t-Frank-
furt a. M., Ami^gerichtsrat Landsberg-Lennep und Dr.
Marie Baum-Dusseldorf. (Veröffentlichungen des Vereins für
Säuglingsfürsorge im Reg.-Bez. Düsseldorf, herausg. von Prof.
Dr. med. Schloßmann und Dr. Marie Baum. H. n.) 8°,
4 u. 60 S. Berlin 1914. Verlag Carl Heymann. Preis 1,20 Mk.
Die Broschüre bringt den Bericht über die vom Düsseldorfer
Verein für Säuglingsfürsorge und dem Vermittelnden Bureau der
rhein.-west£älischen Jugendgerichtshilfe und Jugendschutzarbeit am
4. März 1914 zu Düsseldorf abgehaltene Konferenz, sowie die an die
einzelnen Vorträge sich anschließenden Diskussionen, die für alle,
die sich für die Themen interessieren, viel des Wissenswerten bringen.
Cordes-Dresden.
Kurze Notizen aus der Praxis und Wissenschaft.
Thorax-Abnormitäten. Von M. L. Ombridanne.
Das Kind wurde wegen linksseitigem Tortikollis gebracht. Es
war dadurch eine rechtsseitige Skoliose entstanden, soweit die Hals¬
wirbelsäule in betracht kam, eine kompensatorische im Bereich des
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2 j6
Dorsal-Teils auf der linken Seite. Es bestand eine kongenitale Ge-
schwulst von knochenharter Konsistenz. Das Röntgen-Bild ergab
noch verschiedene bemerkenswerte Einzelheiten am Skelett, das
Herz lag rechts. Verf. hält eine operative Behandlung für möglich.
(Bull, de la sod. de ped de Paris, Febr. 1914.) Hanssen-Kiel.
Vakzine-Therapie des Typhus. Von Comby.
Es wurde das Autolysat von M. Vincent benutzt, und zwar
1 ccm, die Resultate waren günstig, es handelt sich allerdings nur
um 2 Fälle. Im ersten Fall bewirkten 2 Injektionen, daß am 7.
Tage das Fieber nachließ. Im 2. Fall trat nach der Einspritzung
von 3 cm die Entfieberung ein. Die Anwendung des Mittels ist
ohne Gefahr. H a n s s e n-Kiel.
(Bull, de la soc. de ped. de Paris, Febr. 1914.)
Uber die toxische Wirkung des Hypophysis-Ex¬
traktes Auf den Neugeborenen, wahrscheinlich durch
Muttermilch. Von H. B. Sh ef f i eld-New-York.
Die Mutter hatte 12 Stunden vorher 2 subkutane Einspritzungen
von Hypophysis- (Pituitary-) Extrakt erhalten je 1 ccm innerhalb 2
Stunden. Ungefähr 8 Stunden später bekam das vorher gesunde
Kind nach dem ersten Anlegen an die Mutterbrust Zuckungen der
Gliedmaßen. Später wurden die Extremitäten starr (nach der zweiten
Brustmahlzeit), die Hände und Füße flektiert, die Atmung stand
still, das Gesicht tiefblau. Die Anfälle wechselten regelmäßig
alle paar Minuten. Die Muttermilch wurde ausgesetzt und kleine
Dosen Chloral gegeben. Nach 6 Stunden besserte sich das Befinden
des Kindes und 2 Tage nachher war es vollkommen normal.
(Zbl. f. Kinderhlkde., 1914, Nr. 2.) Hanssen-Kiel.
Beobachtungen über den Nährwert der rohen Milch.
Von M. M. G. Variot und Lorenz-Monod.
Die Milch stammte von gesunden Kühen, wurde aseptisch in
kleinen Flaschen gewonnen, bis zum Gebrauche im Eis aufbewahrt.
18 Säuglinge wurden mit dieser Milch ernährt. Nur 5 mal wurde
voller Erfolg erzielt, 15 mal war Mißerfolg zu verzeichnen. Von
diesen Fällen nahmen die meisten nach der Ernährung mit roher
Milch ab, meist zwangen erhebliche Darm-Störungen zum Abbrechen
der Versuche. Demnach sind solche Versuche mit roher Milch nicht
sehr ermutigend. Das bakteriologische Bild der Stühle ergab Uber¬
wiegen der gramnegativen Stäbchen, sonst waren nur wenig Azido-
philus, Thirulin und einige Streptokokken vorhanden.
(Bull, de la soc. de ped. de Paris, Febr. 1914.) Hanssen-Kiel.
KongenitalesFehlenderBrustmuskeln. Svndaktylie.
Von M. M. Savariand und Roederer.
Verff. empfehlen, die Syndaktylie erst im Alter von 7—8 Jahren
zu operieren, M. Mauclaire operiert schon im 5. Jahr.
(Bull de la soc. de ped. de Paris, Febr. 1914.) Hanssen-Kiel.
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Der"Kinderarzt'1914, Heft 12
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| || I I 1| II | II und Heuschnupfen-Konjunktivitia, Bleph&ro-
i || | I I i II I II spasmus und Phlyktänen, Nasen- und Zahn-
' ™ ■■■■■blutungen,Larynx-Tuberkulose,Nebenhöhlen -
Eiterung, Otorrhoe.
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Druck von A. Pa bat in Königabrüok.
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Der Kinder-Arzt
Zeitschrift für Kinderheilkunde
unter
Mitwirkung hervorragender Fachärzte
herausgegeben
Sanitätsrat Dr. med. Sonnenberger,
Spezialarzt für Kinderkrankheiten in Worms.
XXVI. Jahrgang 1015.
Benno Konegen Verlag
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Register
zum Jahrgang XXVI des „Kinderarzt“.
Origin allen, Versammlungs¬
berichte, Sammelreferate.
Armbrust er, Physiologische Bedeu¬
tung des Ikterus neonatorum 2.
— Vom Kehlkopf der Neugeborenen 3.
— Ergänzung zu „Physiologische Be¬
deutung des Ikterus neonatorum“ 51.
— Beobachtungen aus der Praxis: I.
über Morbus makulosus Werlhofii.
II. Uber ansteckende Blepharitis.
III. Uber die Folgen des höherstehen¬
den Kehlkopfes bei Neugeborenen.
IV. Uber Behandlung der Asphyxie
der Neugeborenen 63.
— Uber die Eigenwärme des Kindes
in ihren Beziehungen zu jener des
Embryos 119.
— Uber Nabelbrüche der Kinder 131.
Auerbach, Die Indikationen der ope¬
rativen Epilepsiebehandlung im
Kindesalter 161.
Cordes, Zur Psychose im Kindes¬
alter 81.
Dutoit, Uber Vakzinetherapie des
Typhus abdominalis im Kindesalter
129.
— Uber Syphilis hereditaria präkox
et tarda 145.
Feuchtwanger, Aus dem Grenzge¬
biet zwischen Pädiatrie, Psychologie
und Pädagogik 33.
Greve, Die Behandlung der Milch¬
zähne 113.
Haussen, Milchverderbnis und Säug-
lingssterbiichkeit 17.
— Die Zukunft der Kinderheilkunde
97-
von laHausse, Ein Fall von Masern
mit schweren nervösen Symptomen
52.
R e ck z e h .UberBlutgiftanämien junger
Individuen. Beiträge zur Pathoge¬
nese der perniziösen Anämie und
Anämia infantum pseudoleukämika
65-
Rehn, Zur Wirkung des Diphtherie-
Heilserums durch die Muttermilch
auf den Säugling 35.
— Uber das Vorkommen der Rachitis
in größeren Höhen 177.
Rosenhaupt, Kasuistischer Beitrag
zur Vererbungsfrage bei der akuten
Leukämie 49.
Versammlung des Deutschen Zen¬
tral-Komitees zur Bekämpfung der
Tuberkulose 127.
Zentralausschuß für Volks- und
Jugendspiele in Deutschland 47.
Referate.
A b r a u d, Sehr großer Fibrom aus dem
Nasen-Rachen raum 47.
A p o 1 a n t, Eine Beobachtung zur Impf¬
frage 106.
Digitized by t^ooQle
IV
Arluck, Zur Frage über Tuberkulose
in der Schule 140.
Armbruster, Studien überdas kind¬
liche Herz 138.
Axenf el d, Die Behandlung der Pneu-
mokokkeninfektionen, besonders des
Ulkus korneae serpens, mit Äthyl-
hydrokuprein (Optochin) Morgen-
roth 152.
Babonneix u. Toxin, Hemiplegie
bei einem hereditär syphilitischen
Kinde 32.
Bach, Moorbäder und Quarzlichtbe-
strahXungen bei Enuresis noktuma
75-
Baginsky, Die wichtigsten Ver¬
dauungsstörungen des älteren Kindes
und ihre Behandlung 184.
Barasch, Zehn Jahre Scharlach-
statistk 141.
Barker, Die Verwendung von Blut¬
serum Immunisierter in der Behand¬
lung des malignen Scharlachs 167.
Beekman, Frühzeitige Pubertät bei
Mädchen mit Fallbericht 136.
vonBehr-P innow, Die Bekämpfung
der Säuglingssterblichkeit — eine
Frage der Massenbelehrung 91.
Ben da, Scharlach und Diphtherie in
Ihren Beziehungen zur sozialen Lage
io 3- . , .
Berlin, Zur Frage der bakteriologi¬
schen Diphtherie-Diagnose 169.
Bernhard, Über den Einfluß der
Sommerferien auf die Diphtherie-
und Scharlachsterblichkeit 188.
Berry, Einige Fälle von Diarrhöe¬
behandlung mit Bazillus bulgarikus
I 5- f .
Blechmann u. Delost, Die Reaktion
nach Noguchi bei hereditärer Sy¬
philis 31.
Bloch, E., Die Wiederaufnahme der
Binet-Simon ’schen Intelligenz¬
prüfungen nach Ablauf eines Jahres
an denselben schwachsinnigen Kin¬
dern 125.
Bloch, I., Zur Behandlung sexueller
Insuffizienz 191.
Boncour, Über die Epilepsie bei
Kindern und ihre Behandlung durch
das Brom 8.
Bontillier, Hypertrophie derThymus
und Thymustod mit Fallgeschichte
185.
Borgmann, Kavernöse Lungentuber¬
kulose beim Säugling 44.
Brodsky, Beobachtungen über die
Laktation der Ammen 183.
Buchwald, Monartikuläre Arthritis
des rechten Schultergelenkes bei
einem vier Wochen alten Säugling
153 .
Cassel, Über die Aufzucht von Früh¬
geburten in der offenen Sänglings-
pflege 121.
— Der Brechdurchfall der Säuglinge
und seine Behandlung 152.
Cassonteu.Bocca,Hydatiden-Cj'ste
im Gehirn bei einem Kinde von 14
Jahren 47.
Chanceller, Hemiparesis und Hemi-
plegia als Frühsymptom bei tuber¬
kulöser Meningitis 138.
Chatelin, Diagnose der Anenzephalie
bei der Untersuchung im Dunkel¬
zimmer 31.
Cohn, Säuglingstödesfälle und ärzt¬
liche Behandlung 175.
Crandall, Endokarditis bei Kindern
123.
Curschmann, Zur Frage der„Bron-
chotetanie“ der Erwachsenen und
ihre Behandlung mit Kalzium 27.
Delost u. Strasnie, Zwei Fälle von
Meningitis zerebrospinalis geheilt
durch verschiedene Sera 63.
Doernberger, Hebamme und Säug¬
lingsfürsorge 166.
Duken, Beiträge zur Kasuistik der
malignen Abdominaltumoren des
frühen Kindesalters. Lymphoblasti-
sches Sarkom bei einem dreijährigen
Knaben 190.
Engelmann, Zur Frage der soge¬
nannten Diphtheriebazillenträger 93.
Er dt, Vergiftungstod durch Chineonal
28.
Fischberg, Die Tuberkulinhautreak¬
tion bei Kindern ohne tuberkulöse
Belastung 137.
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V
Fleischmann u. Wolff. Angeborene
Wassersuch. 157.
Fleischner, Einige Fehlerquellen
bei der Diagnose und Behandlung
der lobären Pneumonie im Kindes¬
alter 139.
Frank, Beiträge zur Lehre von der
akuten Nephritis im Säuglingsalter
bei Ernährungsstörungen 191.
Franz, Die Vererbung erworbener
Eigenschaften im Lichte neuerer
Forschungen 76.
Frederich fürTarnell, Das psycho¬
pathische Kind 139.
Freemann, Ursachen und Behand¬
lung des Ekzems im Säuglingsalter
123.
— DieBehandlung des Kindes zwischen
dem ersten und zweiten Lebensjahr
185.
Freiberger, Über die Entwickelung
von Puls und Blutdruck im .späteren
Kindesalter 173.
Friedenthal, Uber Gemüsepulver¬
darreichung bei Kranken und Säug¬
lingen 93.
Fried jung, Kritische Beiträge zur
Lehre von der Masernerkrankung 25.
— Zur klinischen Diagnose der Kinder¬
tuberkulose 76.
Fröschel, Stottern und Nystagmus
105.
Fürstenheim, Entstehung und Ver¬
hütung der Nervosität im Säuglings¬
alter 78.
Gittings, Der kalorische Wert der
Diät für kranke Kinder 167.
Goldreich, Atresia ani vestibularis
154 .
Graham, Die klinischen und sozio¬
logischen Äußerungen des Keuch¬
hustens 109.
Grimm, Taenia saginata bei einem
Säugling 27.
Grumme, Einfluß der Ernährung auf
Milchbildung und Stillvermögen 149.
Guinon u. Aine, Gutartige Enze¬
phalitis 62.
— et Mal arte, Quelques cas de bac-
terioth^rapie antityphique chez l’en-
fant 16.
Halle et Fran£on, Generalisiertes
Sarkom bei einem Säugling 47.
Haussen, Gesundheits- und Sterb-
lichkeitsverhältnisse Schleswig-Hol¬
steins in Vergangenheit und Gegen¬
wart 77.
— Über die Ursachen der niedrigen
Säuglingssterblichkeit im Kreise
Tondem 154.
Hartoch u.Schürmann,DieSchutz-
wirkung des Diphtherieserums bei
der Reinjektion 25.
Hartstum u. Moeller, DieVakzine-
behandlung des Keuchhustens 109.
Hein, Uber die Ursachen der Gehirn¬
entzündung bei Kindern 55.
Heine, Über Säuglingsernährung 7.
Heisler, Erythema infektiosum 43.
Herrmann, Masern: Inkubation, In¬
fektionsgefährlichkeit, Immunität,
Früherscheinungen 110.
— Immunisierung gegen Masern 186.
Herzog, Ein Fall von allgemeiner
Behaarung mit heterologer Pubertas
präkox bei einem dreijährigen Mäd¬
chen (Hirsutismus?) 73.
Heß, Unsere Erfahrungen mit der
Phenolsulfophthalein - Methode als
Prüfungsmittel der Nierenfunktion
107.
Hirsch, Ada, Demonstration eines
anatomischen Präparates einer öso-
phagus-Trachealfistel 44.
Hochsinger, Nervöse Kinder und
Mütter mit isoliertem Fazialisphä-
nomen 54.
— Uber bedeutungslose Geräusche in
der Präkordialgegend von Kindern
und Jugendlichen 172.
Hoffmann, Über eine zweckmäßige
Kombination von Quecksilber und
Salvarsan zur wirksamenBehandlung
angeborener Syphilis 94.
Holl, Influenzaerscheinungen bei
kleinen Kindern 137.
Jacob, Erfahrungen mit dem Haar¬
spiritus aus Euresol Knoll 11.
Isenschmid u. Schemensky, Uber
die Bedeutung der von Doehle be¬
schriebenen Leukozyten einschlüsse
für die Scharlachdiagnose 28.
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Google
VI
Israel u. Verum, Behandlung von
Magendarmkatarrh und Atrophie bei
Säuglingen mit Malzsuppe 148.
Kapesser, Schmierseifeneinreibung
bei Empyem der Kinder 144.
— Uber Keuchhusten 151.
Karl, Magenkarzinom bei einem
9jährigen Jungen 80.
Kassowitz, Beiträge zur Methodik
der Diphtherieprophylaxe 41.
Katz, Nervöse Storungen bei Kin¬
dern 10.
Kehr, Die beste Organisation der
Schulzahnpflege in Deutschland für
die Stadt und auf dem Lande, unter
besonderer Berücksichtigung der
inneren Organisation der mir unter¬
stellten städtischen Schulzahnklinik
zu Düsseldorf 89.
Kern, Uber die Anwendung der epi-
faszialen (bezw. intramuskulären)
Neosalvarsaninjektionen nach Wech¬
selmann im Kindesalter 95.
von Khautz, Ein Fall von Pseudo-
hermaphroditismus maskulinus 125.
— Photographien u. Präparat (hühner¬
eigroßer Kotstein) von einem Falle
von Pseudo-Hirsch sprung’sclier
Erkrankung 142.
Kirschner, Zur Bekämpfung der
Fliegenplage 173.
Kling, Technik der Schutzimpfung
gegen Varizellen 170.
Knopfmacher, Papaverin bei Pylo-
rospasmus 57.
Koch, H., Die Beziehungen der Masern
zu anderen pathologischen Prozessen
59-
— Die Tuberkulinbehandlung im Kin¬
desalter 175.
Koch, R., Gibt es eine erfolgreiche
Scharlachbehandlung? 72.
Köck, Uber schwere, nicht diphthe¬
rische Kehlkopfstenose bei Kindern
28.
Koehler, Die Bedeutung von Pflege¬
kinderaufsicht und Berufsvormund¬
schaft für den Säuglingsschutz 77.
Koplik, Ätiologische Beziehungen
der Syphilis zur Sydenham’schen
Chorea 187.
K o w i t z, Infektiöse Erkrankungen
der Hamorgane im Säuglingsalter
(sogenannte Pyelozystitis) 42.
K ra e m e r, Uber Heilstätten für tuber¬
kulöse Kinder 5.
Kronecker (nach Ugo Mancini),
Sektionsbefunde d. letztvergangenen
Jahre aus einem römischen Kinder*
krankenhause 106.
Kruse, Der Erreger von Schnupfen
und Husten 53.
Ladd, Homogenisiertes Olivenöl und
fettfreie Milchmischungen in Fällen
erschwerter Ernährung 166.
Langstein, Die Grippe im Kindes¬
alter 134.
— Leibschmerzen im Kindesalter 135.
— Ernährung und Wachstum der
Frühgeborenen 149.
Lederer, Sch rümpf nieren im Kindes¬
alter 137.
Lehmann, Die Mundkrankheiten im
Kindesalter 39.
Leichtentritt, Erfahrungen über die
nach dem Verfahren von Engel
hergestellte Eiweißmilch 181.
Lenboullet u. Moricand, Varizellen
bei einem neugeborenen Mädchen
durch mütterliche Infektion 16.
Le vy, Eine Malaria-Infektion in Köln
171.
Liefmann, Uber Säuglingspflege und
Säuglingsemährung in der heißen
Jahreszeit 139.
Li pp, Eine einfache Probe zum Nach¬
weis von Gallenfarbstoff und Hämo¬
globin im Harn 55.
L y m a n n, Die diätetische Behandlung
des Ekzems 136.
von Mallik, Uber die therapeutische
Wirkung des Formamints bei infek¬
tiösen Rachenerkrankungen, speziell
bei der durch Loeffler'sehe Bazillen
erzeugten Rachendiphtherie 94.
Manning u. Fasset, Einige Betrach¬
tungen über die Still’sche Krank¬
heit und Arthritis deformans 15.
Mauclaire, Allocution de 30.
Mayerhöfer, Prolapsus Uteri mit
Spina bifida und Leichenschädel bei
einem neugeborenen Kinde 125.
Digitized by t^ooQle
VII
Mayerhofer, Zur Klinik, Diagnose
und Therapie des mesenterialen
Darmverschlusses im Kindesalter 153.
Merklen, Uber einseitige Ernährung
46.
Meyer, H. u. Jacobsen, Unter¬
suchungen über den Keuchhusten¬
bazillus (Bordet - Gengou’schen
Bazillus) 189.
Meyer, O., Schälblattem beim Säug¬
ling 41.
Meyer, P., Die wichtigsten Krank¬
heiten des Schulkindes 5.
Mittelhäuser, Der Säuglingsschutz
im Großherzogtum Sachsen 182.
Moore, Drei Fälle von Diabetes
mellitus in einer Familie 172.
Mucke, Ein Fall von angeborener
Zwerchfellshernie 154.
Mouchet, Fehlen der rechten Brust¬
drüse mit Vorhandensein der Brust¬
warze 16.
Nageotte-Wilbouchewitsch, Ein
neuer Fall von Tic derSkapula 30.
N et e r, Donaueschingen als Kurort
in.
Neu mann, Beitrag zur Statistik der
Kinderkrankheiten, Diphtherie,
Keuchhusten, Masern in Preußen in
den Jahren 1901-1912 22.
Nie oll. Drei Fälle von Gonokken-
septikämie mit Arthritis nach Schar¬
lach 174.
Nisenson, Einige Bemerkungen über
die letzte Scharlachepidemie in War¬
schau 105.
Nobecourt u. Maillet, Studien über
Hämokonien 63.
Nobel, Ein Fall von Pseudotetanus
bei einem dreijährigen Knaben 54.
— Ein durch Pneumothorax-Therapie
günstig beeinflußter Fall von Lungen¬
tuberkulose 57.
Noeggerath u.Zondek, Zur Kennt¬
nis der Nierenerkrankungen hn
Kindesalter 74.
Oschmann, Säuglingsfürsorgestelle
und Kriegsbeihilfe 160.
Ostrowski, DieBedeutung derLaro-
sanmilch als diätetisches Heilmittel
bei Säuglingen 148.
Park u. Mugher, Schiek’s Reak¬
tion und ihre praktische Anwendung
16.
Petersen, Kongenitale, familiäre Alo¬
pezie auf der Basis eines Hypothy¬
reoidismus 14a
Pich, Pemphigus vulgaris bei einem
8jährigen Mädchen 155.
v. Pirquet, Ein neuer Nabelvexband
für Neugeborene 123.
Popper, Schwinden der Tuberkulin¬
reaktion während der Pertussis¬
erkrankung 56.
Pribram, Zur Prophylaxe und The¬
rapie der Erfrierungen 185.
Redslob, Uber Schulen für Schwach¬
sichtige 24.
Reiß u. Hertz, Weitere Beiträge zur
Serumbehandlung des Scharlachs 167.
Reuben, Pylorusstenose im Säug¬
lingsalter 153.
v. Reuß, Folgeerscheinungen einer
intrakraniellen Geburtsverletzung
und eitrige Parotitis bei einem 16
Tage alten Kinde 124.
— Kongenitale Fazialisparese 143.
Reye, Spasmophilia 157.
— Uber Spondylitis infektiosa 172.
Riesenfeld, Uber Erfahrungen mit
Friedenthal-Milch 182.
Rietschel, Die Gefährdung der Säug¬
linge durch Hitze und Kriegszustand
und die entsprechenden Gegenma߬
nahmen 151.
Roddy, Die Wassermannreaktion
bei kongenitaler Syphilis 187.
Roedelius, Optikusatrophie nach
Keuchhusten 174.
Rolland u. Bug, Purpuraform der
Pneumokokken-Sepsis 62.
Rosanoff, Die diagnostische Bedeu¬
tung der Leukozyteneinschlüsse von
Dohle bei Scharlach, Masern, Diph¬
therie, Anginen und Serumexan¬
themen 138.
Rosenthal, Zur Behandlung des
Schnupfens 189.
Rossiwalt, Pyämie nach Scharlach 56.
Rott, Die Einwirkung des Krieges auf
die Säuglingssterblichkeit und die
Säuglingsschutzbewegung 179.
Digitized by
Google
VIII
Salzer, Die wichtigsten Augenerkran-
kungen im Säuglingsalter 38.
Sauer, Hemiparese und Hemiplegia
als Frühsymptom der Meningitis
tuberkulosa 153.
Sch ab ad, Anormales Scharlachexan¬
them 74.
Scheble, Wesen und Behandlung der
Skrofulöse 187.
Schick, 12jähriger Knabe mit juve¬
niler progressiver Puralyse 79.
— Myxödem bei einem 9 Monate alten
Säugling (Zwillingsgeburt) 95.
Schrecker, Über Salvarsanbehand-
lung bei Säuglingen 191.
Schreiber et Francois, Infantiler
Skorbut bei einem 9jährigen Kinde,
ernährt mit homogenisierter Milch
3i-
Schürmann u. Pringsheim, Zum
Nachweis der Diphtheriebazillen im'
Originaltupferausstrich 188.
Seidel, Zur Behandlung der Diph¬
therie 169.
Silbe rknopf, Varizellen-Erkrankung
in zwei Schüben mit begleitendem
Erythem 171.
Soldin u. Lesser, Zur Kenntnis der
kongenitalen Syphilis der Säuglinge
141.
Sommerfeld, Die Verbreitung der
Diphtherie im Herzblut und in den
Organen 168.
Sperk, Ein Fall von Morbus Barlow
bei einem 4 1 /* Jahre alten Kinde 56.
Spitzig, Vier Fälle von Sehnenplastik
. nach abgelaufener poliomyelitischer
Lähmung 174.
Stamm, Ein Fall von multipler
Sklerose im Kindesalter 79.
Steinhaus, Arbeitsschule und Körper¬
entwicklung 126.
— Ärztliche Beobachtungen an den
Sghwerhörigen-Sonderklassen der
Volksschule in Dortmund 190.
Stern, Beiträge zur Frühdiagnose der
Lungentuberkulose 142.
Stier, Wandertrieb und pathologisches
Fortlaufen bei Kindern 23.
Stommel, Erfahrungen mit Tuber¬
kulin Rosenbach bei der Behand¬
lung der internen Tuberkulose der
Kinder 137.
Strauß, Ein Fall von primär chro¬
nischem Gelenkrheumatismus mit
allgemeiner Lymphdrüsenschwellung
I*>2.
Stromeyer, Zur Magnesiumbehand¬
lung des Tetanus 42.
Tannuschke, Ein Fall von zweifach
bedingtem Hydrops und seine phar¬
makologische Beeinflussung 43.
Tölken, Die Ekehorn’seheOperation
des MastdarmVorfalls bei Kindern 109.
Treves, Heliotherapie chirurgischer
Tuberkulosen 46.
Turn au, Kriegsernährung für Kinder
i der 2 ersten Lebensjahre 181.
Unger, Ein Kind mit Mißbildungen
108.
Variot u. Chatelin, Dextrokardie
und Infantilismus, erworben durch
Tuberkulose 32.
— u. Grandzeau, Zwei Fälle von
Hypertrophie und Erweiterung des
Magens 31.
Veau, Les difficultes du diagnostic
de l’appendicite chez les petis en-
fants 30.
— Chronische Appendizitis undLeisten-
bruch 32.
. Voigt, Die Brauchbarkeit des mit
Äther behandelten Kuhpockenimpf¬
stoffes 40.
Wegen er, Über psychogene Magen
Sekretionsanomalien im Kindesalter
191.
Weller, Milzvergrößerung im Säug¬
lings- und Kindesalter 15.
W e n d e n b u r g, Über die Entwicklung
von Puls und Blutdruck im späteren
Kindesalter 173.
W e r t h e r, Über einen Fall von Lichen
ruber akuminatus universalis mit
begleitender Erythrodermia exfolia¬
tiva, subakutem Verlauf und Heilung
bei einem 2 jährigen Kinde 156.
Wessels, Die Ätiologie des Keuch¬
hustens 109.
Williams, Ursache und Behandlung
des nächtlichen Erschreckens der
Kinder 123,
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IX
Wolffenstein, Uber die Häufigkeit
und Prognose der Rektalgonorrhoe
bei der kindlichen Vulvovaginitis,
nebst Bemerkungen über die Heil¬
barkeit der Vulvovaginitis 124.
Wood, Akute Pyelitis, eine Ursache
nicht erklärlichen Fiebers bei Kin¬
dern 139.
Zarfl, Ein Fall von angeborener
Zystenmere 57.
— Akutes, mediastinales Zellgewebs-
emphysem und Hautemphysem bei
einem 3 Monate alten Säugling 173.
Bücherbesprechungen.
v. Baeyer u. Winter, Kinterturaen.
AnregungzurkörperlichenErziehung
der Kinder vor dem Schuleintritt für
Eltern, Erzieher und alle Freunde
einer gesunden und frischenjugend 14.
Baginsky, Diphtherie und diphthe¬
rischer Kroup 158.
Beitker, Uber Trockennährböden
nach Prof. Doerr 29.
Bericht des Kaiserin Auguste Vik¬
toria-Krankenhauses zurBekämpfung
der Säuglingssterblichkeit im Deut¬
schen Reiche vom 1. April 1913 bis
31. März 1914 30.
Bericht über das Bayerische Gesund¬
heitswesen 191.
Braunshausen, Einführung in die
experimentelle Psychologie 143.
Broca, Chirurgie des Kindesalters 15.
Busch, Phantom der normalen Nase
des Menschen 110.
Dessauer, Hausarzt-Kalender 60.
Determann, Die vegetarische und
fleischarme Ernährung 46.
Dose, Ernährung der Flaschenkinder
mittels unverdünnter Milch 176.
Ebert, Die Grundsätze der künst¬
lichen Säuglingsemährung. Merk¬
bogen für Mütter, Pflegemütter und
Hebammen 144.
Engel u. Baum, Grundriß der Säug¬
lingskunde nebst einem Grundriß
der Säuglingsfürsorge 143.
Fürst, Jahrbuch der Schulgesund¬
heitspflege 1915 96.
Jeß, Die sympathische Ophthalmie 45.
Kassowitz, Die Gesundheit des Kin¬
des 13.
Lehndorff, Kurzes Lehrbuch der
Kinderkrankheiten. Als zweite Auf¬
lage von Nil Filatow’s gleichnamigen
Werke gänzlich neu bearbeitet 45.
Lohnstein, Medizinalkalender und
Rezept-Taschenbuch 1915 46.
Lorand, Die menschliche Intelligenz
und ihre Neigung 14.
Meyer, Gertrud, Tanzspiele und
Volkstänze 79.
Nobecourt, Cardiopathies de L’en-
fance 192.
Peters, Das geschlechtliche Problem
in der Jugenderziehung. Sexuelle
Erziehung und sexuelle Belehrung
in Haus und Familie 96.
Poelchau, Die wichtigsten chroni¬
schen Krankheiten des Schulkindes
und die Mittel zu ihrer Bekämpfung.
Mit besonderer Berücksichtigung
der Tuberkulose 12.
Sander, Die Schulzahnpflege auf dem
Lande und ihre Organisation 13.
Scheffer, Kalender für heilpädago¬
gische Schulen und Anstalten 14.
v. Schrenck, Die Säuglingssterb¬
lichkeit der Stadt Riga 60.
Schnirer, Taschenbuch der Therapie
45-
Seifert, Die Nebenwirkungen der
modernen Arzneimittel 96.
Stark, Lehrbuch der Ösophagoskopie
12.
Staude, Merkbuch für die körperliche
Beschaffenheit und die geistige Ent¬
wicklung von Schüler und Schülerin
44.
Theodor, Praktische Winke zur Er¬
nährung und Pflege der Kinder in
gesunden und kranken Tagen 157.
Versluys, Uber die Verbreitung von
Seuchen durch Insekten im Kriege 62.
Wolff, Molkereibakteriologische Be¬
triebskontrolle 61.
Wörner, Hilfsbüchlein der Säuglings¬
pflege 157.
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X
Sach-Rcgister.
A.
Abdominaltumoren, maligne 190.
Albuminurie orthotische 173.
Alopezie, kongenitale, familiäre 140.
Anenzephalie 31.
Appendizitis 30, 32.
Arbeitsschule und Körperentwicke¬
lung 126.
Arthritis deformans 8.
Arthritis monartikuläre 153.
Asphyxie der Neugeborenen 64.
Äthylhydrokuprein s. Optochin.
Atresia ani vestibularis 154.
Atrophie 148.
Augeuerkrankungen im Säuglings¬
alter 38.
B.
Bakteriotherapie gegen Typhus 16.
Barlow Morbus 56.
Bazillus bulgarikus 15.
Behaarung, allgemeine, mit heterologer
Pubertas präkox bei 3jährigem Mäd¬
chen 73.
Behandlung bei Kinderzwischen 1. und
2. Lebensjahr 185.
Berufsvormundschaften 77.
Blepharitis, ansteckende 63.
Blutanomalien junger Individuen 65.
Brechdurchfall der Säuglinge und Be¬
handlung 152.
Bronchotetanie 27.
Brustdrüse, Fehlen der 16.
C.
Cardiopathies de L'enfance 192.
Chineonal, Vergiftung durch 28.
Chorea 187.
D.
Darm Verschluß, mesenterialer im Säug¬
lingsalter 153.
Dextrokardie 32.
Diabetes mellitus, 3 Fälle von, in
einer Familie 172.
Diät, kalorischer Wert der, für kranke
Kinder 167.
Diphtherie, Behandlung der 169.
Diphtherie-Diagnose, bakteriologische
169.
Diphtherie und diphthericherKroup 158.
Diphtherie, Verbreitung der im Herz¬
blut und in den Organen 168.
Diphtheriebazillen 188.
Diphtheriebazillenträger 93.
Diphtherieprophylaxe 41.
Diphtherieserum 25, 35.
Diphtheriesterblichkeit 188.
Donaueschingen als Kurort 111.
Droserin 176.
EL
Eigenwärme des Kindes in ihrem Be¬
ziehungen zu jener des Embroys 119.
Eiweißmilch 181.
Ekehorn’sche Operation des Mast¬
darmvorfall bei Kindein 109.
Ekzem, diätetische Behandlung des 136.
Ekzem und im Säuglingsalter, Ur¬
sachen und Verbreitung des 123.
Empyembehandlung bei Kindern 144.
Endokarditis bei Kindern 123.
Enuresis nocturna, Moorbäder und
Quarzlichtbestrahlungen bei 75.
Enzephalitis, gutartige 62.
Epilepsie 8.
Eilephiebeliandlung, operative im
Kindesalter, Indikation der 161.
Erfrierungen 185.
Ernährung, einseitige 46.
Ernährung, vegetariche und fleisch¬
arme 46.
Ernährung und Pflege der Kinder in
gesunden und kranken Tagen 157.
Erschrecken, nächtliches der Kinder
123.
Erythema infektiosum 43.
Euresol n.
F.
Fazialisparese, kongenitale 143.
Fazialisphänomen, isoliertes 54.
Fibrom, sehr großes im Nasenrachen¬
raum 47.
Fliegeuplage, Bekämpfung der 173.
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XI
Formamint 94.
Friedental-Milch 182.
Frühgeborene, Ernährung und Wachs¬
tum der 149.
Frühgeburten, Aufzucht der 121.
G.
Gallenfarbstoff, Nachweis von, im
Urin 55.
Geburtsverletzung, intrakranielle, Fol¬
geerscheinungen und eitrige Paro¬
titis bei einem 16 Tage alten Kinde
124.
Gehirnhautentzündungen, Ursachen
von, bei Kindern 55.
Gelenkrheumatismus, primär chroni¬
scher 152.
Gemüsepulverdarreichung 93.
Geräusche, bedeutungslose in der Prä-
kordialgegend von Kindern und
Jugendlichen 172.
Gesundheit des Kindes 13.
Gesundheits- und Sterblichkeits Ver¬
hältnisse in Schleswig-Holstein 77.
Gesundheitswesen, Bayerisches 192.
Grenzgebiet zwischen Pädiatrie, Psy¬
chologie und Pädagogik 33.
Grippe im Kindesalter 134.
Gonokokkenseptikämie mit Arthritis
nach Scharlach 174.
H.
Haarspiritus Euresol Kn oll 11.
Hämoglobin, Nachweis von, im Urin
55-
Hämokonien 63.
Hausarzt-Kalender 60.
Hebamme und Säuglingsfürsorge 166.
Heilstätten für tuberkulöse Kinder 5.
Heliotherapie chirurgischer Tuber¬
kulose 46.
Hemiparese und Hemiplegie als Früh¬
symptom bei tuberkulöser Menin¬
gitis 138, 153.
Hemiplegie 32.
Herz, kindliches, Studien über 138.
Hirsutismus s. Behaarung.
Husten und Schnupfen, Erreger von 53.
Hydatidenzyste im Gehirn bei einem
Kinde 47.
Hydrops 43.
I.
Ikterus neonatorum 2, 51.
Impfpflege, Beobachtung zur 106.
Infantilismus 32.
Influenzaerscheinungen bei kleinen
Kindern 137.
Insekten, Verbreitung von Seuchen
durch im Kriege 62.
Inspirationsluft, Erwärmung der 165.
Insuffizieus, sexuelle 191.
Intelligenz, menschliche 14.
Intelligenzprüfungen, B i n e t - S i m o 11-
sche 125.
K.
Kalender für heilpädagogische Schulen
J4-
Kalzium 27.
Kehlkopf der Neugeborenen 3, 64.
Kehlkopfstenose 28.
Keuchhusten 151.
Keuchhusten, Ätiologie des 109.
Keuchhusten, klinische und soziologi¬
sche Äußerungen des 109.
Keuchhusten, Vakzinebehandlung des
109.
Keuchhustenbazillus 189.
Kind, psychopathisches 139.
Kindesalter, Chirurgie des 15.
Kinderheilkunde, Zukunft der 97.
Kinderkrankheiten, Lehrbuch der 45.
Kindertuberkulose, klinische Diagnose
der 76.
Kindertumen 14.
Kriegsernährung für Kinder 181.
L.
Laktation 183.
Larosanmilch 148.
Leibschmerzen im Kindesalter 135.
Leistenbruch 32.
Leukämie, akute 49.
Leukozyteneinschlüsse (Doehle) 28,138.
Lichen ruber akuminatus 156.
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XII
Lungenkatarrh skrofulöser 165.
Lungentuberkulose, Beitrag zur Früh¬
diagnose der 142.
Lungentuberkulose, kavernöse 44.
M.
Magen, Erweiterung des 31.
Magen, Hypertrophie des 31.
Magen da rmkatarrh und Atrophie, Be¬
handlung von, mit Malzsuppe 148.
Magenkarzinom bei 9J*ähr. Jungen 80.
Magensekretionsanomalien, psycho¬
gene 190.
Magnesiumbehandlung des Tetanus 42.
Malaria-Infektion in Köln 171.
Malzsuppe 148.
Masern 25, 52, 59, 110, 186.
Mastdarmvorfall, s. Ekehorn’sche
Operation.
Medizinalkalender und Rezepttaschen¬
buch 1915 16.
Meningitis zerebro-spinalis 63.
Merkbuch für körperliche Beschaffen¬
heit und geistige Entwickelung von
Schüler und Schülerin 44. '
Milch, unverdiente, Ernährung der
Flaschenkinder mittels 176.
Milchbildung und Stillvermögen 149.
Milch Verderbnis 17.
Milchzähne, Behandlung der 113.
Milzvergrößerung im Säuglings- und
Kindesalter 15.
Mißbildungen, Kind mit 108.
Molkereibakteriologische Betriebskon -
trolle 61.
Moorbäder, s. Enuresis.
Morbus Barlow, s. Barlow.
Morbus makulosus Werlhofii 63.
Mundkrankheiten im Säuglingsalter 39.
Myxödem bei 9 Monate altem Säug-
Hng 95-
N.
Nabelbrüche der Kinder 131.
Nabelverband, neuer für Neugeborene
123.
Nebenwirkungen der modernen Arznei¬
mittel 96.
Neosalvarsninjektionen 95.
Nephritis akuta bei Ernährungsstö¬
rungen 191.
Nervöse Störungen bei Kindern 79.
Nervosität im Säuglingsalter 78.
Nierenerkrankungen im Kindesalter 74.
Noguchi-Reaktion 31.
Nystagmus, s. Stottern.
O.
Olivenöl, homogenisiertes 166.
Ophthalmie, sympathische 45.
Optikusatrophie nach Keuchhusten 174.
Optochin 152.
Ösophagoskopie 12.
Ösophagus-Trachealfistel 44.
P.
Papaverin bei Pylorospasmus 57.
Paralysie, juvenile progressive bei
12jährigem Knaben 79.
Pemphigus vulgaris 41, 155.
Pertussis 56, 164.
Pflegekinderaufsicht 77.
Phenolsulfophthalein- Methode, Prü -
fungsmittel der Nierenfunktion 107.
Pneumokokken-Sepsis, Purpura-Form
der 62.
Pneumonie, lobäre im Kindesalter,
einige Fehlerquellen bei der Diag¬
nose und Behandlung 139.
Pneumothorax-Therapie, günstig be¬
einflußter Fall von Lungentuberku¬
lose 57.
Problem geschlechtliches und Jugend¬
erziehung 96.
Porlapsus uteri mit Spina bifida und
Leichenschädel bei einem neuge¬
borenen Kinde 125.
Pseudo-Hirschsprung’sche Erkran¬
kung 142.
Pseudotetanus, Fall von, bei 3jähr.
Knaben 54.
Psychologie, experimentelle, Einfüh¬
rung in die 143.
Psychose im Kindesalter 81.
Pubertät, frühzeitige bei Mädchen 136.
Puls und Blutdruck, Entwickelung von^
im späteren Kindesalter 173. .
Pyämie nach Scharlach 56,
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— XIII
Pyelitis akuta, eine Ursache nicht er¬
klärlichen Fiebers bei Kindern 139.
Pyelocystitis im Säuglingsalter 42.
Pylorospasmus, s. Papaverin.
Pylorusstenose im Säuglingsalter 153.
Q.
Quarzlichtbestrahlungen s. Enuresis.
Quecksilber, s. Salvarsan.
R.
Rachitis 177.
Rektalgonorrhoe 124.
Rekurrens 165.
8 .
Salvarsan 191.
Salvarsan und Quecksilber, Kombi¬
nation von 94.
Sarkom, generalisiertes bei einem
Säugling 47.
Sarkom, lymphoblastisches 190.
Säuglinge, Gefährdung der durch Hitze
und Kriegszustand 151.
Säuglingsernährung 7.
Säuglingsemährung,künstliche,Grund-
sätze der 144.
Säuglingsfürsorge, Grundriß der 143.
Säuglingsfürsorgestellen und Kriegs-
beihülfe 160.
Säuglingskunde, Grundriss der 143.
Säuglingspflege, Hülfsbüchlein der 157.
Säuglingspflege und Säuglingsernäh-
runp in der heißen Jahreszeit 139.
Säuglingschutz 179, 182.
Säuglingssterblichkeit 17, 30, 60, 91,
154 . 179 -
Säuglingstodesfälle und ärztliche Be¬
handlung 175.
Schälblattem beim Säugling 41.
Scharlach 56.
Scharlach, maligner, Verwendung von
Blutserum Immunisierter in der Be¬
handlung des 167.
Scharlach, Serumbehandlung des 167.
Scharlachbehandlung, erfolgreiche 72.
Scharlachepidemie in Warschau 105.
Scharlachexanthem, anormales 74.
Scharlachstatistik, 10 Jahre der 141.
Scharlachsterblichkeit 188.
Sch ick’s Reaktion 15.
Schnupfen 189.
Schrumpfnieren im Kindesalter 137.
Schulgesundheitspflege, Jahrbuch der
96.
Schulkind, wichtigste Krankheiten des
5 » 12.
Schulzahnpflege 13, 89.
Schwachsichtige, Schulen für 24.
Schwerhörigen-Sonderklasse 190.
Sehnenplastik nach abgelaufener polio-
myelitischer Lähmung 174.
Sektionsbefunde aus einem römischen
Krankenhause 106.
Sklerose, multiple im Kindesalter 79.
Skorbut, infantiler 31.
Skrofulöse 187.
Soziale Lage, Scharlach und Diphtherie
in ihren Beziehungen zur 103.
Spasmophilia 157.
Spondylitis infektiosa 172.
Statistik der Kinderkrankheiten 22.
StilTsche Krankheit 15.
Störungen, nervöse 10.
Stottern und Nystagmus 105.
S3 r philis 187.
Syphilis, hereditäre 31, 32.
Syphilis hereditaria präkoxet tarda 145.
Syphilis kongenitale 141.
T.
Taenia saginata 27.
Tannargen tan 176.
Tanzspiele und Volkstänze 79.
Taschenbuch der Therapie 45.
Tetanus 42.
Thymus 185.
Thymustod 185.
Tic der Scapula 30.
Trockennährböden (Doerr) 29.
Tuberkulin Rosenbach 137.
Tuberkulinbehandlung im Kindesälter
17 5-
Tuberkulinhautreaktion bei Kindern
tuberkulöser Belastung 137.
Tuberkulinreaktion, Schwinden von,
bei Pertussis 56.
Tuberkulose 5, 32, 140.
Typhus abdominalis 16, 129.
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XIV
V.
Vakzinetherapie des Typhus abdomi¬
nalis im Kindesalter 129.
Varizellen 16.
Varizellen-Erkrankung mit begleiten¬
dem Erythem 171.
Varizellen, Schutzimpfung der 171.
Verdauungsstörungen der Kinder 184.
Vererbung erworbener Eigenschaften
76.
Vulvovaginitis 124.
W.
Wandertrieb 23.
Wassermannreaktion 187.
Wassersucht, angeborene 157.
Z.
Zell ge websemphysem, akutes mediasti-
nales und Hautemphysem bei einem
3 Monate alten Säugling 173.
Zentralausschuß fürVolks- und Jugend¬
spiele 47.
Zentral-Komitee, Deutsches, zur Be¬
kämpfung der Tuberkulose 127.
Zwerchfellshernie, angeborene 154.
Zystenniere, angeborene, Fall von 57.
Autoren-Register.
Abraud 47.
Borgmann 44.
Fasset 15.
Aine 62.
Braunshausen 143.
Feuchtwanger 33.
Apolant 106.
Broca 15.
Fischberg 137.
Arluck 140.
Brodsky 183.-
Fleischmann 157.
Armbruster 2, 3, 51, 63,
Buchwald 153.
Fleischner 139.
119, 131, 138.
Bug 162.
Francis 31.
Auerbach 161.
-Busch 110.
Francjon 47.
Axenfeld 152.
Frank 191.
Cassel 121.
Franz 76.
Babonneix 32.
Cassante 47.
Frederich 139.
Bach 75.
Chanceler 138.
Freemann 123, 185.
Baeyer 14.
Chatelia *31, 32.
Freiberger 173.
Baginsky 158, 184.
Cohn 175.
Friedenthal 93.
Barasch 141.
Cordes 81.
Friedjung 25, 76.
Barker 167.
Crandall 123.
Fröschel 105.
Baum 143.
Curschmann 27.
Fürst 96.
Beekmann 136.
Fürstenheim 78.
von Behr-Pinnow 91.
Delost 31, 63.
Beitker 29.
Dessauer 60.
Gittings 167.
Benda 103.
Determann 46.
Goldreich 154.
Berlin 169.
Doemberger 166.
Graham 109.
Bernhard 188.
Dose 176.
Grandzeau 31.
Berry 15.
Duken 190.
Greve 113.
Blechmann 31.
Dutoit 129, 145.
Grimm 27.
Bloch, E. 125.
Grumme 149.
Bloch, I. 191.
Bbert 148.
Guinon 16, 62.
Bocca 47.
Engel 143-
Boncour 8.
Engelmann 93.
Hall6 47.
Bontillier 185.
Erdt 28.
Haussen 77, 97, 154.
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- XV
Hartock 25.
Hartstum 109.
von la Hausse 52.
Hein 55.
Heine 7.
Heister 43.
Herrmann 110, 186.
Hertz 167.
Herzog 73.
Heß 107.
Hirsch 44.
Hochsinger 54, 172.
Hoffmann 94.
Holl 137.
Jacobsen 189.
Jakob 11.
Jeß 45 -
Isenschmidt 28.
Israel 148.
Kappesser 144, 151.
Karl 80.
Kassowitz 13, 41.
Katz 10.
Kehr 89.
Kern 95.
v. Khautz 125, 142.
Kirschner 173.
Kling 170.
Knopfmacher 57.
Koch, H. 59, 175.
Koch, R. 72.
Koehler 77.
Koplik 187.
Kowitz 42.
Kraemer 5.
Kronecker 106.
Kruse 53.
Ladd 166.
Langstein 134, 135, 149-
Lederer 137.
Lehmann 39.
Lehndorf 45.
Leichten tritt 181.
Lesser 141.
Lenboullet 16.
Levy 171.
Liefmann 139.
WPP 55 -
Lohnstein 46.
Lorand 14.
Lymann 136.
Maillet 63.
Malarte 16.
von Mallik 94.
Mancini 106.
Manning 15.
Mauclaire 30.
Mayerhöfer 153.
Merklen 46.
Meyer, Gertrud 79.
Meyer, H. 189.
Mexer, O. 41.
Meyer, P. 5.
Mittelhäuser 182.
Moeller 25.
Moore 172.
Moricand 16.
Mouchet 16.
Mucke 154.
N ageotte-Wilbouche -
witsch 30.
Neter in.
Neumann 22.
Nicoll 174.
Nisenson 105.
Nobecourt 63, 192.
Nobel 54, 57 -
Noeggerath 74.
Oschmann 160.
Ostrowski 148.
Peter 96.
Petersen 140.
Pich 155.
v. Pirquet 123.
Poelchau 12.
Popper 56.
Pribram 185.
Pringsheim 188.
Reckzeh 65.
Redslob 24.
Rehn 35, 177.
Reiß 167.
Reuben 153.
v. Reuß 124, 143.
Reye 157, 172.
Riesenfeld 182.
Rietschel 151.
Roddy 187.
Roedelius 174.
Rolland 62.
Rosanoff 138.
Rosenhaupt 49.
Rosenthal 189.
Rossiwalt 56.
Rott 179.
Salzer 38.
Sander 13.
Sauer 153.
Schabad 74.
Scheble 187.
Scheffer 14.
Schemensky 28.
Schick 79, 95.
Schnirer 45.
Schrecker 191.
v. Schrenk 60.
Schreiber 31.
Schürmann 25, 188.
Seidel 169.
Seifert 96.
Silberknopf 171.
Soldin 4.
Sommerfeld 168.
Sperk 56.
Spitzig 174.
Stamm 79.
Stark 12.
Staude 44.
Steinhaus 190.
Stern 142.
Stier 23.
Stommel 137.
Strasnie 63,
Strauß 152.
Stromeyer 42.
Tannuschke 43.
Tarneil 139.
Theodor 157.
Tölken 109.
Toxin 32.
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XVI
Tr&ves 46.
Turnau 181.
Unger 108.
Variot 31, 32.
Veau 30.
Versluys 62.
Verum 148.
Voigt 40.
Wegen er 191.
Weller 15.
Wendenburg 173.
Weither 156.
Wessels 109.
Williams 123.
Winter 14.
Wolff 61, 157.
Wolffenstein 124.
Wood 139.
Wömer 157.
Zarfl 57, 173.
Zondeck 74.
Druok tob A. Pabst in K&nigibrflakt
Digitized by
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Der Kinder-Arzt.
MsohFift für Kinderheilkunde
unter Mitwirkung hervorragender Fachärzte
herausgegeben
von
Sanitätsrat Dr. Sonnenberger in Worms.
Erscheint am erBten Freitag eines jeden Monats. — Voranszubezahlender Preis für das ganze
Jahr 6 Mk., direkt unter Kreuzband für Deutschland und Österreich-Ungarn 6 Mk. 50 Pf., 7 Mk.
fürs Ausland. Mit Frauenarzt zusammen bezogen statt 24 Mk. nur 20 Mk. Einzelne Hefte 1 Mk.
— Bestellungen nimmt jede Buchhandlung und Postanstalt sowie auch die Verlagsbuchhandlung
jederzeit gern entgegen.
XXVI. Jahrg. Januar 1915. No. 1. (301.)
INHALT: Originalien: Armbruster, Physiologische Bedeutung des
Ikterus neonatorum. 2. — Ar mb rasier. Vom Kehlkopf der Neugeborenen. 3. —
Referate: Kraemer, Über Heilstätten für tuberkulöse Kinder. 5. — Meyer,
Die wichtigsten Krankheiten des Schulkindes. 5. — Heine, Uber Säuglings¬
ernährung. 7. — Boncour, Epilepsie bei Kindern und ihre Behandlung durch
das Brom. 8. — Katz, Nervöse Störungen bei Kindern. 10. — Jacob, Er¬
fahrungen mit dem Haarspiritus aus Euresol Knoll. 11. — Büclierbe-
sprecnungen: Poelchau, Die wichtigsten chronischen Krankheiten des
Schulkindes und die Mittel zu ihrer Bekämpfung. Mit besonderer Berück¬
sichtigung der Tuberkulose. 12. — Stark, Lehrbuch der Ösophagoskopie. 12.
— Sander, Schulzahnpflege auf dem Lande. 13. — Kassowitz, Die Gesundheit
des Kindes. 13. — Lorand, Die menschliche Intelligenz und ihre Neigung. 14.
— Frenzei, Schwenk u. Meitzer, Kalender für heilpädagogische Schulen und
Anstalten (begründet von Sch eff er). 14. — von Ba€yer u. Winter, Kinder-
tumen. 14. — Broca, Chirurgie des Kindesalters. 15. — Kurze Notizen
aus der Praxis und Wissenschaft. 15. —
Abonnements-Einladung.
Mit dem vorliegenden Heft beginnt der 26. Jahrgang unserer
Zeitschrift Wie in früheren Jahren wird es auch weiterhin unser
Bestreben sein, dem praktischen Arzte eine Übersicht über alle Fort¬
schritte auf dem Gebiete der Pädiatrie zu bieten, sowie dem Spezialisten
und Forscher manche Anregungen von Interesse zu bringen. Die
durch den Krieg erschwerten Umstände nötigen uns allerdings, die
Zeitschrift vorläufig in geringerem Umfange erscheinen zu lassen.
Wir laden zum Abonnement auf den neuen Jahrgang hierdurch
höflichst ein.
Die Redaktion Der Verlag
des „Kinder-Arzt'!
Kinder-Arzt XXVI. Jahrg. 1915. 1,
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Originalien.
Physiologische Bedeutung des Ikterus neonatorum.
Von Dr. Armbruster in Schweinheim (Unterfranken).
Der Galle kann folgende physiologische Bedeutung beigemessen
werden: i. Sie befördert neben der Peristaltik vorzüglich die Zotten¬
kontraktionen; 2. sie unterstützt die Resorption von Fett; 3. sie ver¬
hindert besonders durch die Taurocholsäure Fäulnis- und Gärungs¬
prozesse im Darm; 4. sie gestattet durch ihre antifermentativen
Eigenschaften nur im Dünndarm, nicht im Dickdarm die Verdauung,
was für eine willkürliche Defikation von Vorteil ist
Für unser Thema ist zunächst wichtig, daß die Galle Fäulnis-
und Gärungsprozesse hinten anhält. Diese entstehen bei der weichen
Darmflora vielfach durch Mikroben; die Galle wirkt also antiseptisch,
wofür auch ihre antifermentativen Eigenschaften sprechen. Überhaupt
hat der Ikterus neonatorum eine dreifache physiologische Bedeutung:
1. Er befördert die Darmperistaltik und besonders die Zotten¬
kontraktionen.
2. T 2 r verlangsamt den Herzschlag zum besseren Verschluß vom
Foramen ovole und den beiden Duktus Botolli und Arontii.
3. Er verhütet eine Infektion durch die Nabelwunde.
Vermöge Punkt 1 werden die seither inaktiven Darmzotten zu
reger Lebenstätigkeit gezwungen, was für die Ernährung und der
gleichzeitig erhöhten Peristaltik wegen für Entfernung des zähen
klebrigen Makoniums von Vorteil ist Die Verlangsamung des Herz¬
schlages, die auch bei Erwachsenen infolge Ikterus konstatiert wird,
ist besonders bei schwächlichen Kindern, die zumeist am ärgsten von
Ikterus neonatorum heimgesucht sind, z. B. bei verzögerter Thromben¬
bildung der beiden angeführten Duktus, von hohem Vorteil.
Bei der Verhütung einer Infektion der Nabelwunde durch den
Ikterus neonatorum muß vor allem an die Urzustände der Mensch¬
heit gedacht werden, wo die Nabelschnur vielfach durch Abbeißen
von der Plazenta entfernt wurde, ohne daß es zur Unterbindung
kam. Die Galle hat nämlich, damit auf die Infektion einer Nabel¬
wunde keine allgemeine Sepsis folge, die bisher — auch im späteren
Leben — kaum erörterte Eigenschaft, den rechten Ventrikel keim¬
frei zu halten. Wir sehen bei Scharlach, akutem Gelenkrheumatis¬
mus zumeist den linken Ventrikel von den Erregern affiziert, wes¬
halb diese Keime wohl als Aerobier angesprochen werden müssen,
die im erneuten, sauerstoffreichen Blute einen Nährboden finden.
Aus diesem Grunde wird die Leber teilweise so rasch bei entsprechen¬
den Stauungen, wo das venöse Blut sich unreiner vor allem ge¬
staltet, in Mitleidenschaft gezogen, es werden dadurch gar viele
pathogene Keime vom Herzen fern gehalten, die durch diese innere
Lebersekretion zerstört werden. In vorsorglicher Weise hat die Natur
gleichzeitig eine Anzahl kleinerer Venae hepatikae geschaffen, bei
denen infolge ihres geringeren Lumens die Adhäsion erhöht wird
und dadurch ein vermehrter Widerstand gegen die Rückstauung
in die Leber auftritt. Hervorzuheben ist hier noch, daß Wasser im
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Dünndarm den Gallenzufluß rasch und erheblich vermehrt Es wird
eben ohne weiteres vom Brunnen geschöpft und getrunken. Daher
enthält es viele Keime, die dadurch vernichtet werden, soweit dies
nicht der giftige Mundspeichel und die Salzsäure des Magens schon
getan haben.
Der Ikterus neonatorum hat eine dreifache Ursache. Er ensteht
i. durch den embryonalen Druck der Leber; 2. durch die seitherige,
sehr geringe Aktivität der Leber; 3. vielfach wohl durch Bildung
der Darmflora. Der Leberdruck tritt durch die Krümmung der em¬
bryonalen Wirbelsäule auf. Bekanntlich bekommen manche Berg¬
leute, die in gebückter Stellung arbeiten, in analoger Weise nicht
selten Ikterus. Die geringe Aktivität der Leber wird durch den
Duktus Arantii* erzeugt; sein rascher Verschluß löst dann postpartum
eine intensive Lebertätigkeit aus. Die normale Darmflora kann
schon bei abnormer Vermehrung gewisser Keime Ikterus selbst bei
Erwachsenen erzeugen. Der Darm der schwachen Neugeborenen
ist wohl für eine solche Vermehrung teilweise geeigneter. Es tritt
dann ein länger dauernder Ikterus neonatorum ein, wodurch die
Keime in ihrer Überzahl zerstört werden.
Bei der physiologischen Wichtigkeit des Ikterus, wie er sich
vor allem als Ikterus neonatorum zeigt, kann man schon auf den
Gedanken kommen, die Natur habe unter Umständen einen Ersatz
für den hepatogenen Ikterus geschaffen, den man als hämatogenen
bezeichnet. Man behauptet zwar, der hämatogene Ikterus habe mit
hepatogenen nichts zu tun und sei eine Verwechselung, weil bei
ihm der Blutfarbstoff z. B. bei Septikämie in Hämotoidin umge¬
wandelt wird, was dieselbe Farbe, aber nicht die chemische Kraft-
itution des Bilirubins und Biliverdins besitzt. Gleichwohl verlang¬
samt das Hämatoidin beim hämatogenen Ikterus den Pulsschlag
und wirkt antiseptisch. Das genügt, um bei lebenskräftigen Personen
diese Form von Ikterus bisweilen wenigstens vorteilhaft zu gestalten.
Ob schon bei den schwachen Neugeborenen ein entsprechender
Nutzen daraus entstehen kann, ist allerdings wenig wahrscheinlich.
Vom Kehlkopf der Neugeborenen.
Von Dr. Armbruster in Schweinheim (Unterfranken).
Der Kehlkopf liegt median in der vordem obern Gegend des
Halses unterhalb des Zungenbeins vor dem untern Abschnitte des
Pharynx. In der Ruhelage entspricht er dem 4.—6. Halswirbel der¬
art, daß bei Erwachsenen die Grenze zwischen Kehlkopf und Luft¬
röhre mit dem untern Rande des sechsten Halswirbelkörpers zusammen¬
fällt. Beim Neugeborenen liegt der Kehlkopf höher; seine untere
Grenze entspricht der Mitte des vierten Halswirbelkörpers. Der
Übergang in den späteren Zustand erfolgt durch Wachstum des
Gesichtsteiles des Kopfes nach abwärts mit der Ausbildung der
Kiefer, die zum Kauen immer nötiger werden.
Die höhere Lage des Kehlkopfes bei Neugeborenen gewährt
folgende Vorteile:
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1. Sie befördert stärker die Inspiration;
2. sie schützt mehr die Lunge vor Staub und Bakterien;
3. sie bewahrt eher vor Falsch-Schlucken;
4. sie unterstützt besser durch die Epiglottis das Geschmacks¬
organ;
5. sie hält in kranken Tagen leichter eine fortlaufende Entzün¬
dung, vom Mund- oder Nasenkanal ausgehend, von der Trachea fern.
Durch die höhere Lage wird der Kehlkopf der Neugeborenen
bei der Inspiration vorteilhafter nach unten gezogen, und dadurch
wird das Lumen der wahren und auch der falschen Stimmbänder
hier mehr erweitert wie bei Erwachsenen, wo sich der Vorgang zeigt
Schon das Nasenflügelatmen, das bei dysperischen Kindern so gern
erscheint, beweist, wie sehr gerade die Kleinen des inspiratorischen
Sauerstoffes bedürfen, und wie hier erhöht der Zuleitungsapparat
mithilft, ihn der Lunge zu bieten.
Der höher stehende Kehlkopf des Neugebrenen hält ferner den
Staub und damit auch viele Bakterien von Bronchien und Lunge
fern, indem sie nicht so leicht in die beginnende enge Röhre des
Schlundes wie bei Erwachsenen gelangen können, sondern vermehrt
— durch die flüssigen Speisen fortgeschwemmt, wie sie die Neu¬
geborenen ausschließlich genießen — in den Magen-Darmkanal mit
seinen starken antiseptischen Sekreten kommen.
Das neugeborene Kind hat noch nicht die Fertigkeit im Schlucken
wie Erwachsene. Durch die höhere Lage seines Kehlkopfes unter¬
stützt aber die Zungenwurzel intensiver den Verschluß der Epi¬
glottis beim Schluckakt, so daß dadurch ein Falsch-Schlucken leichter
hintangehalten wird.
Das Geschmacksorgan reicht selbstredend auch bei Erwachsenen
bis auf die Epiglottis. Dadurch gelangt oft Genossenes, das durch
den Mundspeichel gelöst nachträglich widerlich schmeckt und daher
auch nicht günstig zumeist als Nahrungsmittel erscheint, durch
Brechreiz wieder zum Vorschein, bevor es die Speiseröhre belästigte.
Bei schwächlichen Neugeborenen wirkt wohl durch die höhere Lage
der Epiglottis das Geschmacksorgan nach hinten zu stärker. Daher
bringen auch die Kleinen, die oft alles Mögliche ohne Wahl in den
Mund stecken, leichter unangenehme Speisen wieder zum Vorschein.
Daß eine enge Röhre besser eine Entzündung fortleitete wie
der weite Rachen, ist zweifellos. Beim Kehlkopf wirkt dann noch
die Epiglottis samt der Stimmritze gegen ein solches Fortschreiten
nach unten. Bei Masern sehen wir einen Reizhusten im Bereich
des Schlundes, der viel stärker auftreten würde, wenn nicht die
höhere Lage des Kehlkopfes vorhanden w T äre, die erst allmählich im
Laufe der Jahre zurückgeht.
Zum Schluß sei die Frage aufgeworfen, warum verlegt die Natur
den Kehlkopf der Erwachsenen tiefer, wenn seine höhere Lage
doch solche Vorteile gewährt? Es geschieht dies einmal wegen der
Nahrung, die hier aus festen Bissen besteht und dafür einen er¬
weiterten Schlund braucht; sodann ist die Stimmritze mit ihrem
Husten und Auswurf, der bei Neugeborenen durch Verschlucken fehlt,
wirksamer in ihren Verschluß gegen Staub, Bakterien, schädliche
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*
Gase, so daß sie liier mehr wie die Epiglottis schützt, die durch j
manche pathologische Zerstörungen wie Syphilis, Lepra, allerdings mit¬
unter auch angeboren, fehlen kann, ohne daß der Schluckakt infolge '
der Tätigkeit der Zungenwurzel nennenswert beeinträchtigt erscheint
Namentlich durch den Auswurf haben Staub und Bakterien hier '
weniger zu sagen. Endlich ist das Geschmacksorgan bei den über- ’
legten Erwachsenen mit ihrer wählerischen Nahrung nach hinten
zu nicht mehr so nötig wie bei unbewußten Kindern. Auch für s
die Sprache und vor allem für den Gesang ist ein Tieferliegen des
Kehlkopfes von Vorteil, daher haben auch die Vögel zumeist, vorab *
die Singvögel, einen obem und untern Kehlkopf, wo der untere nur j
dem Gesänge dient.
Referate. 1
über Heilstätten für tuberkulöse Kinder. Von C. Kraemer- i
Böblingen. (Württ. med. Corr.-Bl., 1914, Nr. 43 u. 44.) ,
Heilstätten für tuberkulöse Kinder sind durchaus zu empfehlen [
und sie bilden eins der besten Mittel im Kampfe gegen die Tuber- f
kulose, weil so eine wirkliche Frühbehandlung der Tuberkulose am <
ehesten gewährleistet ist, die am sichersten den Ausbruch offener,
infektiöser Tuberkuloseerkrankungen verhütet. Außerdem werden
die durch die Frühinfektion gesetzten körperlichen, sehr mannig- \
faltigen Störungen im jugendlichen Alter am besten hinterher wieder [
ausgeglichen. Und endlich stehen dem Heilstättenaufenthalt im
Kindesalter am wenigsten äußere Hindernisse (zumal wenn sie un¬
entgeltlich betrieben werden) entgegen.
Wichtig ist aber dann, daß man stets ein bestimmtes Ziel vor¬
liegen hat, nämlich die Behandlung der Tuberkulose. Die f
Ansicht, in Heilstätten und Höhenkurorten „dispositionelle Prophy- ,
laxe“ treiben, d. h. den Erwerb späterer Tuberkulose dadurch verhüten >
zu können, ist wissenschaftlich unhaltbar, und es ist zu warnen, da¬
für öffentliche Gelder zu verschwenden. Die Frühinfektion, die
lange Latenz der Tuberkulose (an Stelle der ständig damit ver- (
wechselten „Disposition“) sind ja allgemein bekannt, und die [
Immunitätslehre gibt eine vollständig befriedigende Erklärung dafür.
— Es ist deshalb darauf zu achten, daß wirklich nur tuberku- f
löse Kinder zur Aufnahme gelangen, und dazu ist, weil die
mit Aussicht auf Erfolg zu behandelnden Frühfälle klinisch sicher f
genüg zu erkennen sind, das Tuberkulin unentbehrlich. Aber
auch therapeutisch leistet das Tuberkulin gerade bei den —
meist noch in der Bronchialdrüse sitzenden — Frühformen der Tuber- >
kulose vielmehr, als die Allgemeinbehandlung allein. Eher ist letztere
entbehrlich (s. Beispiel). Es darf füglich behauptet werden, daß „in
der Behandlung der gewöhnlichen Kindertuberkulose
das Tuberkulin die Hauptsache und die Anstalt das ,
Adjuvans ist“. Autoreferat.
Die wichtigsten Krankheiten des Schulkindes. Von Paul ’
Meyer, städt. Schularzt in Berlin SW., Hallesches Ufer 19. f
(Med. Kl., 1914, Nr. 45.)
Die Tätigkeit des Schularztes unterscheidet sich prinzipiell von '
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derjenigen des praktischen Arztes. Dem Schularzt ist die Behand¬
lung der Schulkinder in fast allen schulärztlichen Instruktionen
untersagt
Aufgabe des Schularztes ist es hinsichtlich der Krankheiten der
Schulkinder, die Krankheitszustände zur Kenntnis der Eltern oder
anderer Erziehungsverpflichteter zu bringen und für die ärztliche
Behandlung Sorge zu tragen, sowie der Entstehung von Krankheits¬
zuständen vorzubeugen.
Die Lernanfängeruntersuchungen durch die Schulärzte haben
erwiesen, daß die früher sogenannten „Schulkrankheiten“ nicht erst
durch Schädigungen in der Schule hervorgerufen, sondern von den
Kindern bereits in die Schule mitgebracht werden.
Es folgt dann eine eingehende Besprechung. Der unge¬
nügende Kräftezustand ist meist mit Blutarmut verbunden,
was nach dem letzten schulärztlichen Jahresbericht der Stadt Berlin
bei 6,9 Proz. der Schulanfänger, bei 3,5 Proz. der gesamten Ge¬
meindeschulkinder festgestellt wurde. Es wird in diesem Zusammen¬
hang hingewiesen auf die interessanten Beziehungen der Schulan¬
fängeruntersuchungen zu den Resultaten der Rekrutierungsunter¬
suchungen, wie dieselben in den Arbeiten von Nicolai und
Schwiening und von Schwiening niedergelegt sind.
Die Chlorose, die vorwiegend Mädchen im Pubertätsalter be¬
trifft, wird besonders auch mit Berücksichtigung ihrer sozialen und
hygienischen Ursachen besprochen.
Die Folgezustände der Rachitis werden gestreift.
Eine eingehende Würdigung erfahren die Herzkrankheiten.
Nach dem letzten Berliner schulärztlichen Jahresbericht wurden 1,3
Proz. bei den Schulanfängern, 1,5 Proz. bei den gesamten Schul¬
kindern festgestellt. Verf. teilte aus seinen Journalen für die Zeit
von Mai 1900—1912 mit, daß unter 5831 Schulanfängern 51 Kinder,
d. i. 0,9 Proz., und von 3649 Kindern schulpflichtigen Alters 49
Kinder, d. i. 1,3 Proz., mit Herzfehlern behaftet gefunden wurden.
Als ein event. in Betracht kommendes ätiologisches, bisher noch
nicht allgemein gewürdigtes Moment für die Entstehung von Herz¬
krankheiten werden die Masern angeführt, deren Bedeutung für die
Entstehung von Herzaffektionen bereits Heubner und Salge
betonen.
Weiter finden dann Berücksichtigung die Gaumen und Rachen¬
mandeln, die Erkrankungen der Zähne.
Die Augen- und Ohrenkrankheiten werden besprochen
und bei letzteren die wohltätige Einrichtung der Hilfsschulen für
Schwerhörige erörtert.
Die Bedeutung der Nervenkrankheiten für die Schule wird
ausführlich abgehandelt; die Epilepsie, der Veitstanz, der
Kopfschmerz werden besprochen, die Defektpsychosen und
das segensreiche Hilfsschulwesen können nur gestreift werden. —
Die Besprechung der Verkrümmungen der Wirbelsäule
bildet einen eignen Abschnitt, in dem die orthopädischen Verdienste
kritisch gewürdigt werden.
Bei den übertragbaren Krankheiten wird die Bekämpfung
der Diphtherie in der Schule, die Frage der Bazillenträger ein r
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gehend erörtert. Scharlach, Masern und die Heine-Medin-
sche Krankheit werden besprochen bezüglich ihrer epidemiolo¬
gischen Bedeutung für die Schule.
Ein besonderer Abschnitt handelt von der Tuberkulose. Die
Lungentuberkulose ist im schulpflichtigen Alter relativ selten, darin
stimmen fast alle Statistiken überein.
Im Berliner schulpflichtigen Jahresbericht 1907/08 hat Verf.
eine Zusammenstellung gemacht, demnach standen von den Berliner
Gemeindeschulkindern 0,8 Proz. wegen Lungentuberkulose in Über¬
wachung, der Londoner schulärztliche Bericht verzeichnet 0,47 Proz.
und Leubuscher für Meiningen 0,1 Proz.
Es wird dann ferner das Verhältnis von Tuberkulose und Skro¬
fulöse und die diagnostische Bedeutung der v. Pirquersehen Reak¬
tion kritisch erörtert
Zum Schluß finden die Syphilis und Gonorrhoe noch Be¬
rücksichtigung. Autoreferat.
über Säuglingsernährung. Von Ludwig Hein e-Berlin-Wilmers-
dorf. (Die Mutter, XII. Jahrg., Nr. 10.)
Möglichst jedes neugeborene Kind soll die natürliche Nahrung
an der Brust erhalten. Nur chronische, organische Krankheitszu¬
stände, vor allem die Tuberkulose, verbieten die Ernährung an der
Mutterbrust. Die Entscheidung über die Frage der Stillfähigkeit
und Stillmöglichkeit liegt allein in den Händen der Ärzte. Während
des Stillens braucht die Ernährung der Mutter keine von der früheren
Lebensweise abweichende zu sein, insbesondere dürfen Stillende
Kompott, rohes Obst, Salate, saure Speisen essen; die Flüssigkeits¬
zufuhr soll die sonst gewohnte Menge mindestens um einen Liter
übersteigen; von alkoholischen Getränken ist leichtes Bier gestattet.
Der Eintritt der Periode hindert das Stillen nicht. Die vielfach
empfohlenen Präparate zur Beförderung der Milchsekretion sind
nutzlos, nur das regelmäßige Anlegen des Kindes kommt hierfür in
Betracht Mit dem Stillen soll am zweiten Lebenstage begonnen
werden und zwar bei gesunden Säuglingen in vierstündlichen
Zwischenräumen fünfmal am Tage, in der Nacht von 10 Uhr abends
bis 6 Uhr morgens erhält der Säugling nichts. Jedesmal soll nur
eine Brust gereicht werden; nur bei ungenügender Sättigung soll
der Säugling nach Leertrinken der ersten Brust an die zweite ge¬
legt werden. Die Dauer der Mahlzeit soll nicht mehr als 20 Minuten
betragen, bei ungenügender Milchabsonderung muß zur Verhütung
von Unterernährung, vorübergehend oder dauernd, neben der Brust
die Flasche gereicht werden und zwar geschieht diese „Zwiemilch¬
ernährung“ in ersten Lebenswochen am besten so, daß je nach der
Ergiebigkeit der Brust bei einer oder mehreren Mahlzeiten die Flasche
nachgereicht wird. Läßt sich eine weitere Neigung der Brustmilch-
mengen trotz unveränderter Häufigkeit des Anlegens nicht erzielen,
so können Brust und Flasche auch gesondert gereicht werden. Die
zugefütterte Milchmischung ist die gleiche wie bei der künstlichen
Ernährung. Auch bei ausreichender Milchmenge ist eine Beinahrung
im zweiten Lebenshalbjahr erforderlich und zwar gibt man am
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besten zu Mittag statt der Brust eine Gemüse oder eine Breimahl¬
zeit. Im 4. Vierteljahr sind allmählich die andern Brustmahlzeiten
durch Zukost oder Milch zu ersetzen. Die Art der Verdünnung der
Milch bei der künstlichen Ernährung richtet sich nach dem Alter
der Säuglinge; vor der Benutzung muß die Milch abgekocht werden,
aber nicht länger als 3—5 Minuten. Man beginnt die Neugeborenen
mit einer „Eindrittelmilch“, d. h. eine Mischung aus l / 8 Milch und
a / 8 Verdünnungsflüssigkeit; auf 1 / i Liter Verdünnung sind 20 g
Zucker hinzuzusetzen. Im 2. Monat gibt man „Halbmilch“ mit 25 g
Zuckerzusatz, vom 3. Monat ab „Zweidrittelmilch“ mit 30 g Zucker
auf jeden Liter Verdünnungsflüssigkeit Von diesen Mischungen
trinken die Säuglinge in der 2. Woche 400—500 g, in der 3. und 4.
Woche 500—700 g, im 2. Monat 700—800 g, im 3. Monat 800—900 g,
später 1000 g. Die Menge von 1 Pfund soll nicht überschritten
werden. Als Verdünnungsflüssigkeit benutzt man Wasser oder
Schleim aus Hafergrütze, Graupen oder Reis (im ersten Monat ein
Teelöffel, im 2. Monat 1 Eßlöffel, vom 3. Monat ab 1 */*—2 Eßlöffel
Grütze auf 1 /* Liter Wasser). Als Zuckerzusatz ist am meisten Soxhlet-
scher Nährzucker, bei beschränkten Mitteln Nährzucker oder Milch¬
zucker zu verwenden. Diese Milchmischungen allein werden bis
Ende des 5. Monats benutzt; vom 6. Monat beginnt bei viermaliger
Darreichung der Flasche die gemischte Kost und zwar als Brei aus
Gries, Reis, Zwieback, der mit Milch gekocht wird, oder Brühe aus
Rind- oder Kalbfleisch mit Grieszusatz. Vom 7. Monat ab wird eine
zweite Milchmahlzeit durch ein Gericht aus Gemüse in Pureeform
ersetzt. Außerdem kann man im 2. Halbjahr täglich etwas Kom¬
pott oder geschältes, rohes Obst reichen. Gleichzeitig gibt man
statt */ 3 Milch Vollmilch. Die angegebenen Verdünnungen und
Nahrungsmengen sind nur annähernde Werte; für die Verwendung
der Nahrung darf nur die Entwicklung des Kindes ausschlag¬
gebend sein. Autoreferat
über die Epilepsie bei Kindern und ihre Behandlung
durch das Brom, Von Paul Boncour. (La pathologie
infantile, Mai 1914.)
Bei allen Fällen von Epilepsie ist Brom als Medikament ange¬
zeigt Doch ist die Art der Darreichung von großem Einfluß auf
den Erfolg.
Bevor man mit der medikamentösen Behandlung der Epilepsie
beginnt, muß man vor allem von der Natur der Krankheit überzeugt
sein. Daher ist es erste Pflicht des Arztes, das epileptische Kind
gründlich zu untersuchen und die Ursache oder die Ursachen, welche
die Paroxysmen erzeugen, zu ergründen. Dabei ist es notwendig,
über die tägliche Lebensweise, die Ernährung, die Spiele, den
Charakter, die Hygiene usw. des Kindes Erkundigungen einzuziehen.
Das Hauptheilmittel ist ohne Zweifel das Brom. Hilft das Brom
nicht, so haben die andern Heilmittel wenig Aussicht auf Erfolg.
Autor gibt einer Mischung der Bromide des Kalium, Natrium
und Ammonium, den Vorzug.
Pie Jhromide sind in allen Fällen mit spastischen und motorischen
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Erscheinungen von Erfolg. In den psychischen Formen ist ihr Er¬
folg weniger ausgesprochen.
Da das Brom das Hauptmittel ist, so handelt es sich darum,
dasselbe unter den bestmöglichen Bedingungen zu verabreichen. Mit
andern Worten: Das Brom muß eine maximale Wirkung mit
minimalen Nebenwirkungen ausüben. Die Darreichung des
Broms muß, um ein gutes Resultat zu ergeben, Jahre hindurch
stattfinden.
Rieh et und Toulouse haben nachgewiesen, daß das darge¬
reichte Brom, falls es nicht einen Uberschuß an Chloriden im Orga¬
nismus antrifft, in größerer Menge in den verschiedenen Organen
und in den Nervenzellen sich festsetzt.
Da wir nun die Gewohnheit haben, täglich eine größere Dosis
Salz, als für den Körperunterhalt notwendig ist (hierfür sind nur
2—4 g täglich nötig), zu absorbieren, so kann man leicht den Chlor¬
gehalt des Organismus ohne Nachteil herabsetzen. Dieser Zustand
indes gestattet, geringere Mengen Brom zu verabreichen. Auf
diese Weise erfüllt man die Vorschrift: Maximale Wirkung, minimale
N eben Wirkungen.
Das epileptische Kind, das einer langdauernden Brommedikation
bedarf, hat von einer Diät mit verminderter Salzzufuhr noch größere
Vorteile, vorausgesetzt, daß man bei der Behandlung individualisiert.
In der Tat hat Long nachgewiesen, daß gewisse Individuen
nur eine relative Verminderung der Chloride nötig haben, während
bei anderen die Chloride fast bis zur physiologischen Dosis ver¬
mindert werden müssen.
Daher muß man schrittweise Vorgehen und die Brom- und Salz¬
dosis ausfindig machen, welche befriedigende Resultate zu erzielen
gestattet. Zu diesem Zwecke unterwirft Autor die epileptischen
Kinder folgender salzarmen Diät: ungesalzenes Brot, kein Salz in
den Gemüsen, im gebratenen oder gebackenen Fleisch, einmal täg¬
lich ganz leicht gesalzene Suppe; zweimal wöchentlich ein leicht
gesalzenes Ragout.
Bei dieser Diät verordnet Autor anfangs 1 g von 5^—8 Jahren
und 2 g darüber hinaus. Die Dosis wird um 0,25 g alle 5 Tage
gesteigert, bis man die rationelle Dosis gefunden hat. Aütor be¬
zeichnet damit die Dosis, welche die ersten Erscheinungen von
Bromismus hervorruft: Die Aufhebung des pharyngealen Reflexes
ist hierfür ein ausgezeichnetes Kriterium. Wenn natürlich die Kon¬
vulsionen verschwinden, bevor dieses Zeichen auftritt, ist es unnütz,
dasselbe hervorzurufen.
Ist diese Dosis einmal festgestellt, so muß man dabei bleiben,
es müßte denn sein, daß ausgesprochene Erscheinungen von Brom¬
intoxikation auftreten. In diesem bestimmten Augenblicke stellt
man genau den Grad der Chloride fest, um nicht mehr davon ab¬
zugehen.
Die rationelle Dosis darf 3—3,5 g nicht überschreiten; wenn
die Bromdosen von keiner Wirkung sind, muß man sich hüten, die
Dosis zu steigern, man wird vielmehr das Kind einer strengeren
Diät unterwerfen, um die Chloride noch zu vermindern.
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In diesem Falle ist das Salz vollkommen untersagt. Wenn
nötig, gestattet man dem Kinde eine gewisse Gabe Bromnatrium,
um den Speisen Geschmack zu verleihen. Aber diese Gabe muß
in die Gesamtheit der täglich zu verabreichenden Bromide inbe¬
griffen sein.
Den dieser Diät unterworfenen Kindern gibt man mit Vorliebe
an Chlornatrium arme Speisen. So sind z. B. Käse, grüne Gemüse,
Seefische, Schweinmetzgersachen untersagt.
Bei Kindern, die nicht in einer Anstalt, sondern in der Familie
behandelt werden, muß die Menge der Chloride im Urin alle 14 Tage
festgestellt werden.
Autor ist der Ansicht, daß bei einem epileptischen Kinde die
rationelle Bromdosis drei Jahre lang nach dem Aufhören des letzten
Anfalles genommen werden muß. Erst dann vermindert man all¬
mählich die Bromdosis, bis man endlich damit vollständig aufhört
Hierbei verfährt man am besten in der Weise, daß man einige Tage
hindurch die Dosis um 0,23 g vermindert, um wieder bis zur Maxi¬
maldosis zu steigen usw.
Sobald Zeichen sich bemerkbar machen, die das Auftreten neuer
Anfälle wahrscheinlich machen, muß man sofort zur rationellen
Dosis zurückkehren.
Autor verlangt, daß diese Periode der abnehmenden Bromdar¬
reichung mindestens 1 Jahr dauert und rät, falls dieselbe mit ge¬
wissen kritischen Perioden, wie Auftreten der Regeln, schnelles Wachs¬
tum usw. zusammenfällt, dieselbe zu verlängern.
Endlich rät er den Frauen, die früher epileptisch waren und
schwanger werden, zum Brom zurückzukehren.
Am besten gibt man das Brom auf zweimal bei drei Mahl¬
zeiten. Um die Tätigkeit der Nieren zu sichern, ist es am besten,
Brom in einer gewissen Menge eines diuretischen Tees, dem man
etwas Pilokarpin, nitrik. zufügen kann, aufzulösen. Am einfachsten
gibt man die drei oben genannten Bromide zu gleichen Teilen ge¬
mischt. von la Hausse-Rosenheim.
Nervöse Störungen bei Kindern. Von Otto Katz-Charlotten-
burg. (B. kl. W., Nr. 47, 1914.)
Verf. macht auf gewisse nervöse Störungen bei Kindern auf¬
merksam, die er in der letzten Zeit in auffallender Häufung zu
beobachten Gelegenheit hatte. In der ersten Gruppe seiner Fälle
handelt es sich um typische „Angstzustände“. Alle 5 Fälle betrafen
das weibliche Geschlecht im Alter von 6—10 Jahren. Sämtliche
Kinder stammen zwar aus „nervösen“ Familien, waren aber bis jetzt
gesund. Plötzlich fingen sie an, einen weniger frischen, gesunden
Eindruck zu machen. Sie wurden schlaff, blaß, müde, bekamen
schlechten Appetit und zeigten einen gewissen, „melancholischen“
Gesichtsausdruck. Von Zeit zu Zeit hören sie mit ihren Beschäf¬
tigungen, Spielen usw. auf, träumen vor sich hin oder laufen un¬
ruhig hin und her. Nach einer gewissen Zeit, die länger als Ä / 4
Stunde dauern kann, fangen sie wieder mit Spielen usw. an. — In
allen Fällen konnte als Ursache dieser merkwürdigen, sonst im
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Kindesalter seltenen Erscheinungen ein gewisser zystischer Chok
ermittelt werden, den die Kinder durch Erzählungen vom Kriege
und zwar besonders von Einzelheiten und in erster Linie Greuel¬
taten erlitten hatten. Die Kinder geben ganz präzise an, daß sie sich
über gewisse Erzählungen sehr erschreckt hatten, im Anfang immer
mit großer Angst an diese Dinge hätten denken müssen, jetzt aber
Angstanfälle bekämen, ohne zu wissen, weshalb sie sich ängstigen
müßten. Jetzt hätten sie nur von Zeit zu Zeit plötzlich solche
Angst Einer der Fälle, der schwer belastet war von der Mutter
her (Paranoia?), bekam noch außerdem abends beim Zubettegehen
stundenlange Schreianfälle unter den immer wiederkehrenden Worten:
„ich habe solche Angst“.
Die Prognose scheint gut zu sein mit Ausnahme des letzten Falles.
Behandlung septisch muß dem Arzte ausschließlich überlassen
bleiben. Prophylaktisch ist eine gewisse Vorsicht geboten bei nervös
belasteten Kindern bei Erzählungen von Greueltaten usw. —
Auffallend gehäuft zeigten sich im Wirkungskreise des Verf.
in der letzten Zeit ferner Enuresis und Poliakiurie (sogenannte
schwache Blase), Knaben und Mädchen. Ob auch hier ein psychisches
Trauma ähnlicher Art wie oben, vielleicht in abgeschwächter Form
mitwirkt, kann bis jetzt nicht entschieden werden. Autoreferat
Erfahrungen mit dem Haarspiritus aus Euresol Knoll.
Von Paul Jacob-Charlottenburg. (Dermatol. Wschr., 1914,
Nr. 27.)
Zur wirksamen Bekämpfung der Seborrhoe und des damit ver¬
bundenen Haarausfalles weist Verf. auf den Gebrauch von Euresol-
haarspiritus hin, der rezeptmäßig nach folgender Formel zu ver¬
schreiben ist: Euresol. pro capill. 10,0, Spirit. 125,0, Aq. dest. ad
250,0. J e nach Lage des einzelnen Falles kann dieser Vorschrift nach
Sublimat, Tannin, Chinin, Salizylsäure usw. beigefügt werden. Ist
die Kopfhaut sehr trocken und fettarm, so empfiehlt es sich, obiger
Vorschrift 5 g = 2 Proz. reines Paraffinöl zusetzen zu lassen, oder
aber man verordnet das Euresol pro capill. als Haarpomade, z. B.
Euresol. pro capill. 2,0, Ungt. pomadin. alb. ad 50,0.
Die Tatsache, daß nach der Anwendung des Euresols bald die
Haare nicht mehr ausfallen, die Schinnen verschwinden und das
Jucken aufhört, gibt den Patienten sofort wieder belebende Hoffnung,
so daß die Kur eingehalten wird. Die Behandlung selbst muß regel¬
mäßig und einige Monate hindurch fortgeführt werden.
In der ersten Zeit wurde das Mittel jeden zweiten Abend mit
den Fingerspitzen oder einer kleinen weichen Bürste auf die Kopf¬
haut dünn aufgetragen. Der Haarspiritus trocknete sehr rasch ein.
Bei Gebrauch der Pomade ist ein Tuch über den Kopf zu binden,
falls die Anwendung am Abend geschieht, um einem Beschmutzen
der Wäsche vorzubeugen. Nach ungefähr vier Wochen genügt es,
das Präparat zweimal wöchentlich zu gebrauchen.
Nebenbei empfiehlt es sich, eine Waschung der Kopfhaut mit
Schwefelseife von Zeit zu Zeit vornehmen zu lassen, doch ist vor
zu häufigem Gebrauch von Seife und Wasser zu warnen. Eine
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zweckmäßige Lebensweise, vor allem eine geregelte Verdauung, wird
zur Unterstützung der Kur ohne Zweifel beitragen.
Bücherbesprechungen.
Die wichtigsten chronischen Krankheiten des Schul¬
kindes und die Mittel zu ihrer Bekämpfung. Mit
besonderer Berücksichtigung der Tuberkulose.
Von Dr. Gustav Poelchau, Schularzt in Berlin-Charlotten¬
burg. (Zwanglose Abhandlungen aus den Grenzgebieten der
Pädagogik und Medizin. Hrsg. v. Th. Heller-Wien und G.
Leubuscher-Meiningen. H. 4.) gr. 8°, 4 u. 128 S. Berlin
1914. J. Springer. Preis 3,60 Mk.
Der Verf. bespricht auf Grund langjähriger Erfahrungen und
eines reichlichen Materials die wichtigsten chronischen Krankheiten
des Schulkindes, wobei die Tuberkulose eine besonders eingehende
Würdigung erfährt. Namentlich die Ausführungen über die Skrofu¬
löse, die exsudative Diathese und über die Disposition zur Tuberku¬
lose verdienen die Aufmerksamkeit der Ärzte. Da bisher nur wenige
Veröffentlichungen schulärztlicher Erfahrungen vorliegen, bietet die
Arbeit vieles Neue. Reck z eh-Berlin.
Lehrbuch der Ösophagoskopie. Von Prof. Dr. Hugo Stark- „
Heidelberg. 2. größtenteils neu bearbeitete Auflage. 8°, 274 S.
mit 110 Abb. und ausführlichem Literaturverzeichnis. Würz¬
burg 1914. Verlag von Kurt Kabitzsch. Preis brosch. 8,—
Mk., geb. 9,— Mk.
Zehn Jahre sind seit dem Erscheinen der 1. Auflage verflossen.
In dieser Zeit hat die Ösophagoskopie stetige Fortschritte gemacht.
Diese Entwicklung betraf hauptsächlich die Vielgestaltigkeit des
Instrumentariums, ein Umstand, der eine völlige Neubearbeitung des
ersten Teiles des Buches, der Technik, nötig machte. Nicht ganz
Schritt gehalten mit dieser Entwicklung haben die diagnostischen
und therapeutischen Ergebnisse der Ösophagoskopie, deren wesent¬
liche Kapitel seit ihrer Begründung durch vonMikulicz teilweise
nur unwesentliche Erweiterung erfahren haben. Nur die Kapitel
über Fremdkörper und Narben Verengerungen mußten entsprechend
dem Fortschritt der Wissenschaft neu bearbeitet und erweitert
werden. — Das S t a r k ’ sehe Lehrbuch enthält in seiner neuen Form
alles, was für den Arzt, der sich mit diesem Spezialgebiet der Endo¬
skopie befassen will, wissenswert ist. Ein besonderer Vorzug des
Buches ist es, daß ein Hauptgewicht auf die Technik gelegt ist,
so daß auch derjenige, der die Methodik ohne Lehrer erlernen
möchte — was übrigens heute kaum noch nötig sein dürfte — durch
die gründlichen und klaren Auseinandersetzungen dazu imstande
sein dürfte. Auch der spezielle Teil, die Klinik der Speiseröhren¬
erkrankungen, bietet bei aller Vollständigkeit eine übersichtliche
und leicht durchzuarbeitende Darstellung aller in Betracht kommen¬
den Krankheitsbilder, Klos e-Breslan,
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i3
Die Schulzahnpflege auf dem Lande und ihre Organi¬
sation. Von Dr. C. Sander, Geschäftsführer des Haupt¬
vereins für Volkswohlfahrt in Hannover. (Sonderabdruck aus:
Die Schulzahnklinik.) 8°, 36 S. Berlin 1914. Richard Schoetz.
Die öffentliche Zahnhygiene der Kinder für Stadt und Land ist
heute als eine ziemlich anerkannte Notwendigkeit zu beachten. Wenn
es an Einrichtungen hierfür fehlt, so ist meistens die Kostenfrage
hieran schuld. Schwieriger als in den Städten und verhältnismäßig
kostspieliger ist die Zahnpflege auf dem Lande durchzuführen. In¬
dessen ist bei einigem guten Willen und Kenntnis der Sachlage die
Sache dennoch durchführbar. Hierzu gibt der vorliegende Sonder¬
abdruck Anleitung.
Die Organisation ist in 18 Landkreisen Preußens durchgeführt,
worüber im einzelnen berichtet wird. Aus der Zusammenstellung
ergibt sich, daß stets die Untersuchung sämtlicher Schulkinder an
Ort und Stelle im Beisein des Lehrers zu erfolgen hat Der „Be¬
trieb im Umherziehen“ (Auto, Rad, fahrbare Klinik) ist der festen
Station vorzuziehen, da der Zahnarzt sonst nur in wenig Fällen auf¬
gesucht wird.
Der Schulzahnarzt soll besoldet sein, doch ist die Besoldung
von der gewählten Organisation abhängig und wird nicht weiter
erörtert.
Im Zusammenhang hiermit kann auch nur die Heranziehung
der Eltern zu den Kosten erörtert werden. Ein Abonnement für
1 Mark für das erste Kind, 0,50 für jedes weitere Kind einer Familie
hat sich als angemessen und durchführbar erwiesen. Unentgeltliche
Behandlung bezeichnet der Verf. zwar als das Ideal, doch wird das
von maßgebenden zahnärztlichen Kreisen bestritten. Es ist nicht
gut, daß das in Frage kommende Publikum daran gewöhnt wird,
alle sozialhygienischen Maßnahmen unentgeltlich zu verlangen.
Empfehlenswert ist der Anschluß an eine Heilstätte.
G r e v e-München.
Die Gesundheit des Kindes. Zur Belehrung für junge Eltern
von Dr. Max Kassowitz, weil. Prof. d. Kinderheilkunde in
Wien. kl. 8°, 72 S. mit einem Bildnis des Verfassers. Wien
1914. Verlag von Moritz Perles. Preis 1,50 Mk.
Die Absicht von Kassowitz, aus seiner reichen Erfahrung
heraus eine eingehende gemeinverständliche Gesundheitslehre des
Kindesalters zu schreiben, wurde durch den frühen Tod des hervor¬
ragenden Kinderarztes vereitelt. Die vorliegende Broschüre will in
gewissem Sinne einen geringen Ersatz für das beabsichtigte Werk
bieten. Sie ist aus sechs Vorträgen hervorgegangen, die Kasso¬
witz im Rahmen der Wiener volkstümlichen Universitätskurse ge¬
halten hat Knappheit, Klarheit und ein glänzender Stil sind die¬
jenigen Vorzüge, die hervorgehoben zu werden verdienten, wenn
eine solche Empfehlung bei einem Werke von Kassowitz nötig
wäre. Man kann diesen Vorträgen nur eine recht weite Verbreitung
in Elternkreisen wünschen. Klose-Breslau.
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Die menschliche Intelligenz und ihre Neigung. Von Dr.
med. Ä. Lorand-Karlsbad (Böhmen). (Eine Anleitung zum
rationellen Denken durch hygienische und therapeutische Ma߬
nahmen.) gr. 8°, VIII u. 413 S. Leipzig 1914. Verlag von
Dr. Klinkhardt. Preis 4,— Mk.
Verf. steht auf dem ganz modernen, streng naturwissenschaft¬
lichen Standpunkte, daß die Intelligenz des Menschen vom normalen
Funktionieren des Gehirns abhängt und daß sie daher ebenso wie
die Funktionen irgend eines anderen Organes, z. B. des Herzens und
der Nieren, durch eine Reihe hygienischer und therapeutischer Ma߬
regeln günstig beeinflußt werden könne.
Von diesem zweifellos wichtigen Standpunkte erörtert Verf. die
schädlichen und nützlichen Einflüsse auf die Denkfähigkeit und die
Intelligenz und die Behandlung der schädlichen Einflüsse nach
neueren Grundsätzen; insbesondere bespricht er auch das Gedächtnis
und seine systematische Entwicklung, die rationelle Entwick¬
lung der Intelligenz bei den Kindern und hygienische Grundlage
für eine Reform des Schulunterrichtes besonders in den Mittelschulen.
Das Buch ist sehr interessant geschrieben und sehr lesenswert
Schmey-Beuthen O.-S.
Kalender für heilpädagogischeSchulen und Anstalten, be¬
gründet 1905 von Dr. K. G. Th. Scheffer im Aufträge des
Vereins für Erziehung, Unterricht und Pflege Geistesschwacher
hrsg. von Fr. Frenzei, Hauptlehrer zu Stolp i. P. und J.
Schwenk, Direktor der Erziehungsschule zu Idstein im
Taunus, und Dr. Mel tzer, Oberarzt zu Großhennersdorf i. Sa.
X. Jahrg., 1914/15. kl. 8°, XXVIII u. 242 S. Halle 1914.
Carl Marhold’s Verlagsbuchhandlung. Preis 1,20 Mk.
Der Kalender enthält in übersichtlicher Form alles für den Leiter
und Lehrer von Hilfsschulen und entsprechenden Anstalten wissens¬
werte. Er dürfte auch dem Nerven- und Kinderarzt, der häufig
Angehörige minderbegabte Kinder beraten muß, manchen Finger-
zeig geben. Corde s-Dresden.
Kinderturnen. Anregung zur körperl. Erziehung der Kinder vor
dem Schuleintritt für Eltern, Erzieher und alle Freunde einer
gesunden und frischen Jugend. Von Dr. H. von Baever,
Priv.-Doz. a. d. Univ. und Vorstand der orthopäd. Station des
Krankenhauses links der Isar in München, und Friedrich
Winter, städt. Turnlehrer in München. 8°, 52 S. mit 62 Abb.
im Text Leipzig 1914. Druck und Verlag von B. G. Teubner.
Preis —,80 Mk.
Gerade vor und nach dem 6. Jahre, also vor der Schulzeit,
ist die Bewegungslust der Kinder sehr groß. Besonders die
Stadtkinder sind aber in der Beziehung durch ihre Wohnungsver¬
hältnisse vielfach beschränkt. Bei den Unterhaltungsspielen kann
von einer wirklich ausgiebigen Bewegung des Körpers nicht ge¬
sprochen werden. Der Führer soll für Körperpflege bei vorschulpflich¬
tigen Kindern dienen, dazu ist er besonders durch seine zahlreichen
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iS
(62 Abbildungen im Text) Bilder sehr geeignet Auch die wichtigsten
Verbildungen im Kindesalter, wie O- und X-Beine sowie Plattfuß,
werden durch Abbildungen erläutert. Hanssen-Kiel.
Chirurgie des Kindesalters. Von Prof. Dr. A. Broca-Paris.
Lex. 8°, VIII u. 1126 S. avec 12sQ figf- Paris 1914. G. Stein¬
heil. Preis 20,— Mk.
Die Chirurgie des Kindesalters wird in Frankreich seit langem
als eigenes Fach gepflegt. Verf. ist ein ausgezeichneter Kliniker
und das groß angelegte Werk ist offenbar fast durchweg der Nieder¬
schlag eigener Erfahrung und trägt eine ausgesprochen persönliche
Note. Auch der nicht chirurgisch tätige Kinderarzt findet reiche
Anregung. Die beigegebenen Abbildungen sind durchweg einfach ge¬
haltene schematisierende instruktive Zeichnungen. Die Radiographie
ist in weitestem Maße herangezogen. I b r a h i m-München.
Kurze Notizen aus der Praxis und Wissenschaft
Einige Betrachtungen über dieStilFsche Krankheit
und Arthritis deformans. Von John B. Manning und Fred
J. Fasset
Verf. gibt im Anschluß an das von Still 1896 festgelegte
Krankheitsbild. Chronische Verdickung der Gelenke verbunden mit
allgemeiner Drüsen- und Milzvergrößerung bei Kindern Fallgeschichte
mit anschließenden therapeutischen Bemerkungen. Am Schlüsse gibt
er der Meinung Ausdruck, daß die Unterschiede zwischen Arthritis
deformans und vorliegender Erkrankung nicht präzise genug fest¬
gestellt sind. Cordes-Dresden.
(Arch. of ped., Bd. XXI, H. 6.)
Einige Fälle von Diarrhöebehandlung mit Bazillus
bulgarikus. Von Charles White Berry.
Der Artikel zeigt die Erfolge an 24 Fällen von mit Bazillus
bulgarikus behandelten Sommerdurchfällen bei Kindern. Der Verf.
sah sehr gute Erfolge. Eine Anzahl der Fälle konnte zur Norm
geführt werden ohne Diät mit der Behandlung allein. Verf. glaubt
nun auf Grund der 24 Fälle keine definitiven Schlüsse ziehen zu
sollen, will vielmehr in dem Artikel nur einen Hinblick auf die
Wirksamkeit der Behandlungsweise geben. Cordes-Dresden.
(Arch. of ped., Bd. 31, Nr. 7.)
Milzvergrößerung im Säuglings- und Kindesalter.
Von Carl Vernou Weller.
Verf. behandelt eingehend das vielumstrittene Thema in Hinsicht
auf Diagnose, Symptome und Ursache. Einige Fallgeschichten
illustrieren gut das Thema, über dessen Einzelheiten der ausführliche
Artikel belehren muß, der von einer guten Literaturübersicht gefolgt ist.
(Arch. of ped., Bd. 31, H. 7.) Cordes-Dresden.
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i6
Schickes Reaktion und ihre praktische Anwendung.
Von William H. Park und Abraham Mugher.
Die Verff. haben die von Schick-Jena angegebene Diphterie-
toxinhautreaktion an 700 Patienten, die im Scharlachpavillon auf¬
genommen wurden, ausprobiert und bei 47 Proz. negatives Resultat
erhalten. Unter diesen zeigte sich kein Fall klinischer Diphtherie,
wenngleich einige Bazillenträger wurden. Von den Testierenden 300
Patienten bekamen 42 eine milde Form der Diphtherie. Die Verff.
sehen in der Reaktion eine zuverlässige Probe für die Empfänglich¬
keit oder Nichtempfänglichkeit der Individuen für Diphterie. Be¬
sonders wertvoll war die Reaktion auch bei der Erkennung von
zweifelhaften Fällen nasaler Diphtherie. Cordes-Dresden.
(Arch. of ped., Bd. 3 1 , H - 7 *)
Varizellen bei einem neugeborenen Mädchen durch
mütterliche Infektion. Von M. M.Lenboullet u. Moricand.
14 Tage nach der Geburt traten deutliche Eruptionen von
Varizellen auf. Die Mutter hatte bei der Entbindung deutliche
Varizellen-Bläschen aufgewiesen. Man muß annehmen, daß die Mutter
noch nicht immunisiert war, das Kind wurde erst bei der Geburt
von seiner Mutter angesteckt Die Varizellen bei dem Säugling
verliefen ziemlich schwer und es entstand eine oberflächliche Gan¬
grän der Haut, trotzdem wurde das Kind ziemlich schnell gesund.
(Bull, de la soc. de ped. de Paris, Febr. 1914.) Haussen -Kiel.
Fehlen der rechten Brustdrüse mit Vorhandensein
der Brustwarze. Von Albert Mouchet.
Es handelte sich um ein Mädchen von acht Jahren, das sonst
kräftig und gesund war. Jede Spur der Brustdrüse fehlte, außerdem
war die steno-kortale Portion der Pektoralis nicht vorhanden. Außer
einer kleinen Nabelhernie fehlten sonst bei dem Kinde angeborene
Deformitäten. H a n s s e n -Kiel.
(Bull, de la soc. de p6d. de Paris, Febr. 1914.)
Quelques cas de bacteriotherapie antityphique chez
l’enfant. Von Guinon et Malarte.
Es wurde die Vakzine von Prof. Vincent angewandt. Die
Kurven von elf Fällen finden sich dabei abgebildet. Es handelte
sich «um ganz leichte Fälle aber auch um schwerere Fälle von Ty¬
phoide, die als ataxo-adynamische bezeichnet werden. Die Behandlung
begann vom ersten bis zehnten Tage der Erkrankung an. Es wurde
V*—1 ccm der Vakzine verabreicht in der Deltoideus-Gegend, meist
erfolgte keine lokale Reaktion. Am ersten Tage war kein Einfluß
auf die Temperatur zu bemerken. Die Bakteriotherapie besserte
besonders die Dauererscheinungen, aber verhinderte nicht die Blutungen
und Abszesse. Zwei sehr schwere Fälle wurden geheilt. Richar-
di&re betonte in der Diskussion, daß er keinen Erfolg auf die Dauer
der Krankheit bemerken konnte, er behandelte sechs Fälle.
(Bull, de la soc. de ped. de Paris, Jan. 1914.) H a n s se n -Kiel.
Verlag von Benno Konegen, Leipzig. — Druck von A. Pabst Königsbrück.
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Der Kinder-Arzt.
Zeitschrift für ffinderiieiltoinde
unter Mitwirkung hervorragender Fachärzte
herausgegeben
von
Sanitätsrat Dr. Sonnenberger in Worms.
Erscheint am ersten Freitag eines jeden Monats. — Vorauszubezahlender Preis für das gante
Jahr 6 Mk., direkt unter Kreuzband für Deutschland und Österreich-Ungarn 6 Mk. 50 Pf., 7 Mk.
fürs Ausland. Mit Frauenarzt zusammen bezogen statt 24 Mk. nur 20 Mk. Einzelne Hefte 1 Mk.
— Bestellungen nimmt jede Buchhandlung und Postanstalt sowie auch die Verlagsbuchhandlung
jederzeit gern entgegen.
XXVI. Jahrg. Februar 1915. No. 2. ( 302 .)
INHALT: Originalien: Haussen, Milch Verderbnis und Säuglings¬
sterblichkeit. 17. — Referate: Neumann, Beitrag zur Statistik der Kinder¬
krankheiten, Diphtherie, Scharlach, Keuchhusten, Masern in Preußen in den
Jahren 1901—1912. 22. — Stier, Wandertrieb und pathologisches Fortlaufen
bei Kindern. 23. — Redslob, Über Schulen für Schwachsichtige. 24. — Fried-
jung, Kritische Beiträge zur Lehre von der Masernerkrankung. 25. — Hartoch
u. Sehttrmann, Die Schutzwirkung des Diphtherieserums bei der Reinjektion.
*5- — Cursehmann, Zur Frage der „Bronchotetanie 4 - der Erwachsenen und
ihrer Behandlung mit Kalzium. 27. — Grimm, Taenia saginata bei einem
Säugling. 27. — Köck, Uber schwere, nicht diphtherische Kehlkopfstenose bei
Kindern. 28. — Isenschmld u. Schemensky» Bedeutung der von Doehle be¬
schriebenen Leukozvteneinschlüsse für die Scharlachdiagnose. 28. — Erdt, Ver¬
giftungstod durch Chineonal. 28. — Bücherbesprechungen: Stark, Lehr¬
buch der Ösophagoskopie. 2. Aufl. 29. — Beltker, Uber Trockennährböden
nach Prof. Üoerr. 29. — Bericht des Kaiserin Auguste Viktoria-Hauses zur
Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit im Deutschen Reiche. 30. — Kurze
Notizen aus der Praxis und Wissenschaft. 30. —
Originalien.
Milchverderbnis und Säuglingssterblichkeit.
Von Dr. Peter Hanssen, Kinderarzt in Kiel.
Als ich im Jahre 1912 in dieser Zeitschrift ein Sammelreferat
über die Sommersterblichkeit veröffentlichte, hatte ich schon darauf
aufmerksam gemacht, daß mir ein sehr deutliches Beispiel über den
fehlenden Zusammenhang zwischen Milchverderbnis und Säuglings¬
sterblichkeit bekannt sei. Bisher ist eine Veröffentlichung unter¬
blieben. Erst eine Aufforderung der Redaktion erinnerte mich an
den fast vergessenen Gegenstand.
Es unterliegt für mich keinem Zweifel, daß Milchverderbnis
nichts mit der Sommersterblichkeit zu tun hat. Ein Suchen nach
dem Erreger des Sommerdarmkatarrhs in der Milch halte ich für
aussichtslos. Meine Untersuchungen am Hund haben bewiesen, daß
beispielsweise der Hund sehr große Mengen von Bakterien in der
Milch anstandslos verträgt, ohne krank zu werden (Zbl. f. Bakterio-
logie, Origin.).
Wir sehen nie ein epidemisches Auftreten von Cholera nostras
nach Genuß von Milch einer Quelle, wie etwa bei der Fleischver-
Kfi»der-Ar*t XXVT. Jahrg. 1915. 3
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giftung des Erwachsenen. Auch wurde fast nie bei den typischen
Dyspepsien und akuten Entero-Katarrhen des Säuglings aus der¬
selben Milch, die der Säugling bekommen hatte, ein Bacillus ge¬
züchtet, der im Tierversuch sich etwa so verhielt, wie derFlügge-
sche Bacillus und pathogene Coli-Arten. Insbesondere hat man das
Bacterium coli, das zuweilen akut wirken kann, sehr selten in
größerer Menge in verdorbener Milch gefunden, noch seltener Para¬
typhus- und andere ähnliche Bakterien.
Auch meine mitBahrdt, Edelstein und Weide ausgeführten
Tierversuche hatten dasselbe Resultat, insofern ein Einfluß von
Keimzahl der Nahrung und Art der Milchinfektion auf die Bildung
der flüchtigen Säuren sich überhaupt nicht mit großer Sicherheit
ergab und ein solcher Einfluß, wenn er überhaupt bestand, nicht
sehr groß sein konnte. Die im Magen sich bildenden flüchtigen
Säuren entstehen wahrscheinlich aus dem Fett der Kuhmilch und
zwar wahrscheinlich aus den Glyzeriden niederer Fettsäuren. Auch
eine Beobachtung von Schloß spricht gegen die Milchverderbnis
als ursächlichen Faktor: „Es ist Tatsache, daß auf den einzelnen
Säuglingsabteilungen, die alle mit derselben Milch versorgt werden,
die Erkrankungen in verschiedene Zeiten fallen, daß also auf der
einen Abteilung noch alle Säuglinge wohl waren, während auf der
andern die Mehrzahl erkrankte.“ Schloß fügt allerdings hinzu, daß
dies nur für die in einer Periode erkrankten Säuglinge gilt
Nun zu meinem Beispiel: Das Jahr 1902 war sowohl in Schles¬
wig-Holstein, wie in ganz Deutschland ausgezeichnet durch große
Kühle und viel Regen; dasselbe Jahr zeichnete sich ebenfalls in
ganz Deutschland durch einen außerordentlich niedrigen Stand der
Säuglingssterblichkeit aus. Die Witterung in Schleswig-Holstein
war in den einzelnen Monaten folgende:
Der April hatte vorwiegend kaltes und rauhes Wetter, am 9.
herrschte noch — 3,7« C. Auch der Mai brachte noch keine Wärme.
Viele Nachtfröste und Schneefälle störten das Wachstum der Pflanzen.
Erst Ende Mai wurde es wärmer, daß die Vegetation sich außer¬
ordentlich schnell entwickelte. Es blieb auch warm Anfang Juni.
Dann aber blieb es kühl bis Ende August, es regnete fast jeden Tag.
Erst im September wurde es etwas besseres Wetter. Schon im
Oktober trat dann Frostwetter ein. Mitte November war es schon
empfindlich kalt
Gerade imFrühjahr und Sommer 1902 sind nun durch Weigmann
auffällige Erscheinungen und Störungen im milchwirtschaftlichen
Betriebe der Provinz Schleswig-Holstein in einer Zahl berichtet
worden, wie das bisher nicht der Fall war. „Es ist bekannt, daß in
der sogenannten Übergangszeit, d. h. in der Zeit, in welcher das
Vieh vom Stall auf die Weide kommt, häufiger Störungen im milch¬
wirtschaftlichen Betriebe Vorkommen, im vergangenen Frühjahr
scheinen sie jedoch häufiger und tiefgehender Natur gewesen zu
sein als sonst, und was mehr ins Gewicht fällt, sie haben sich bis
in den Hochsommer hinein ausgedehnt, bis in eine Zeit, wo Stö¬
rungen der zu schildernden Art selten sind. Da die ersten und
rasch hintereinander folgenden Berichte in eine Zeit fielen, in der
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*9
besonders stark regnerisches und kühles Wetter herrschte, in den
Monaten Mai und zu Beginn des Juni, so lag es nahe, diesen Wit¬
terungsverhältnissen die Schuld beizumessen, und diese Annahme
scheint nicht unzutreffend zu sein, wenn man in Betracht zieht,
daß noch im August ein Fall konstatiert werden konnte, daß. Milch
von Kühen, welche auf sonst nicht unter Nässe leidenden Wiesen
weideten, schon nach kurzer Zeit „käste“. Bekanntlich zeichnete
sich der ganze Sommer, besonders auch der August, in Schleswig-
Holstein und auch anderwärts durch Nässe und kühle Witterung
aus, so daß man annehmen konnte, daß die zur Übergangszeit
herrschenden Verhältnisse und damit auch die dadurch bedingten Er¬
scheinungen in der Milchwirtschaft sich auf längere Zeit als sonst
hinaus erstreckt haben. Diese Annahme scheint umsomehr gerecht¬
fertigt, als die Erscheinungen so ziemlich nach einer bestimmten
Richtung liegen und eine andere Erklärung als die vom Verf. an¬
genommene nicht gegeben werden konnte“.
Die Fälle, jdie von W ei gm an n angegeben werden, sind folgende:
1. Ende Mai wurde die Milch der Versuchs- und Lehrmeierei
des Instituts seifig. Eine Probe Magermilch aus der Mischmilch
der Meierei hatte nach dem Aufbewahren im Eisschrank einen
widerlichen seifigen Geschmack angenommen, gerann dann beim
Uberbringen in Zimmertemperatur nach einiger Zeit, jedoch dabei
den eigentümlichen Geschmacksfehler verlierend. Durch Impfen
sterilisierter Milch mit der geronnenen Milch und Aufbewahren der
Probe bei niedriger Temperatur konnte der Fehler wieder erzeugt
werden, so daß man es also mit einer Pilzart zu tun haben mußte,
welche bei niedriger Temperatur gedeiht, und unter solchen Ver¬
hältnissen die andern nur^frei höherer Temperatur wachsenden Bak¬
terien überwuchert Diese Bakterienart ist dann auch rein gezüchtet
worden und hat sich als der Erreger des seifenartigen Geschmacks
der Milch erwiesen, eine Beschreibung ist von Dr. Eichholz ge¬
geben. .
2. In einem zweiten Fall ließ sich auf einem Gute im dänischen
Wohld seit Mitte Mai — also seit der Zeit des Eintrittes der kühlen
Witterung und seit die Kühe auf die Weide gebracht waren — der
Rahm nicht buttern. Aus früheren Jahren konnte man sich solcher
Störungen nicht erinnern, jetzt war seit geraumer Zeit die Erschei¬
nung eingetreten. In derselben Zeit wollte auch der Rahm in einer
Genossenschaftsmeierei auf dem Mittelrücken (Geest) Holsteins wie
auch von einer solchen in der Marsch nicht seimig, d. h. dick werden,
und die Verbutterung gelang nur bei höherer Temperatur und nur
unter Verlust an Ausbeute und großer Einbuße an Qualität
3. Ebenfalls in einer Sammelmolkerei, diesmal im östlichen Hol¬
stein, war im Laufe des Monats August, der bekanntlich ebenfalls
sehr regnerisch war, die Wahrnehmung gemacht worden, daß Milch,
welche des Morgens gemolken und an die Meierei geliefert war,
trotz der Kühlung bereits am Morgen gerann und zwar nicht in¬
folge Sauerwerdens, sondern durch süße Gerinnung, d. h. infolge
Sauerwerdens eines labartigen Fermentes von seiten in großer An¬
zahl vorhandener Bakterien entsprechender Art Der betreffende
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io
Molkereibesitzer konnte noch mitteilen, daß der Fehler sich ganz
besonders stark bei einem Milchlieferanten zeige, dessen Kühe auf
niedrig gelegenen und in diesem Jahre nassen Wiesen weideten,
während bei denjenigen Milchlieferanten, wo das Vieh höher und des¬
halb trockene Weiden beging, der •Fehler nicht so stark hervor¬
trete. (Vergl. unten im Allgäu.)
4. Ein letzter Fall, bei dem das Institut um Rat gefragt wurde,
darf, wenn auch nicht mit gleicher Sicherheit, wohl auf dieselbe Ur¬
sache zurückgeführt werden. Einem Milchproduzenten in der Um¬
gegend Hamburgs war es im Juli längere Zeit hindurch passiert,
daß die von ihm nach Hamburg gelieferte Milch auf dem Transport,
welcher zwei Stunden dauert, „lang“, also fadenziehend geworden
war, obwohl die Milch gleich nach dem Melken mittelst Eis abge¬
kühlt wurde. Die Kühe gingen seit Ende Mai auf die Weide. Von
zweien derselben sandte der erwähnte Landwirt Proben zur Unter¬
suchung ein, und die Milch einer dieser Kühe erwies sich als mit
einer Bakterienart durchsetzt, welcher die Eigenschaft zukommt, Milch
in starkem Maße schleimig zu machen; diese Bakterie wurde von
Gruber als Coccus lactis viscosi beschrieben. Die Milch der
andern Kuh enthielt dagegen eine Bakterie in großer Menge, welche
Gärung verursacht und der Milch einen unangenehmen jauchigen Ge¬
schmack gibt (Bacillus aerogenes). Weigmann bringt auch diesen
Milchfehler mit den abnormen Witterungsverhältnissen in Zusammen¬
hang. Solche Erscheinungen traten nicht auf, oder wenigstens an
der Butter nicht, wo das Pasteurisieren des Rahms und der,
Vollmilch im Gebrauch ist
5. In einem weiteren Fall von einem Hofe des Dänischen Wohld
wollte der durch das Swartz’sche Verfahren gewonnene Rahm
nicht dick werden und ließ sich nur unter Anwendung hoher Tempera¬
turen in Butter verwandeln. Diese war schlecht, schmierig, und von
ranzig-talgigem Geschmack.
Weigmanp hat also im Verlauf von ganz kurzer Zeit vier
Fälle von der abnormen Erscheinung der Milch in Schleswig-Hol¬
stein, einen Fall aus Hamburg beobachtet. Nach mündlicher Mit¬
teilung von Prof. Weigmann an mich konnte er von ähnlichen
Beobachtungen aus dem Allgäu berichten, wo auf der Schattenseite
Milchverderbnis beobachtet wurde, auf der Sonnenseite der Weide
nicht. Wie ich schon sagte, war der Stand der Säuglingssterblich¬
keit in Schleswig-Holstein im Jahre 1902 besonders niedrig, ich
gebe die Zahl für die größeren Städte zum Vergleich für das Jahr
1901, darunter für 1902, und für 1909, ebenfalls einem kühlen Jahr;
Altona Kiel Flensburg Neumünster Schleswig Itzehoe Rendsburg Wandsbek
I9OI 23,56 20,1
18,0
19.4
19.4
24,0
?
26,1
J1902 15,3 15,8
12,9
18,8
14.7
12,3
19.3
16,2
IW 15.84 13.5
ii,6
I 4.7
I 4»7
17,0
14,8
15,6
Es starben in
den Städten (im Sommer absolute
Zahl) Säuglinge
1901 266 165
41
17
9
34
?
53
fi902 46 45
3
2
3
4
4
3
\1909 45 46
9
i 7
3
7
4
22
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21
In Hamburg war der Stand der Säuglings-Sterblichkeit zum
Vergleich folgender:
1902 = 15,0
1901 = 19,8
Zum Vergleich im Jahre 1909, einem ebenfalls recht kühlen
Jahr in der Stadt = 14,2; Hamburg Land = 11,6; überhaupt = 13,97.
Die Zahlen für die ganze Provinz Schleswig-Holstein waren
folgende:
1901 17,6
/1902 14,1
I1909 13,21
Zum Vergleich dazu waren die Mitteltemperaturen für Schleswig-
Holstein, Maximum für Hamburg:
1902 im Juli = 15,3 — Aug. = 14,3 — Sept = 12,1 0 C.
das Luftmaximum im Juli = 25,9 — „ =22,0 — „ =25,2
die Niederschläge „ „ = 70,5 — „ = 99,9 — „ = 65,2 mm
Zum Vergleich 1909:
Mittel Juli = 15,5 August 16,3 September 13,6
Maximum „ = 23,6 „ 25,4 „ 21,1
Niederschläge „ = 100,1 „ 41,9 „ 90,9 mm
Zum Vergleich dagegen 1901:
Mittel Juli 19,3 August 17,0 September 14,6
Maximum „ 30,0 „ 27,6 „ 24,7
Niederschläge „ 42,4 „ 81,6 „ 37,4 mm
Aus diesen Zahlen ergibt sich die viel größere Wärme im
Jahre 1901, verbunden mit sehr geringen Niederschlägen.
Es liegt mir natürlich fern, aus dem Ergebnis eines Jahres
Schlüsse zu ziehen; immerhin bleibt es aber auffallend, daß in einem
kühlen feuchten Jahr die Milchfehler sich stark häuften; trotzdem
aber die Säuglingssterblichkeit sehr niedrig war. Um nicht mi߬
verstanden zu werden, will ich keineswegs befürworten, daß bei der
Gewinnung von Milch weniger vorsichtig verfahren wird, dabei wird
schon genug gesündigt. Ich kann nur bestätigen, was Burr sagt:
„Während die Technik des Molkereiwesens von Jahr zu Jahr immer
mehr Fortschritte gemacht hat, läßt sich von der Gewinnung und
Behandlung des Rohmaterials, der Milch, mit vollem Recht be¬
haupten, daß hier mit Ausnahme einer Reihe von Musterwirtschaften
keine Fortschritte zu verzeichnen sind. Im Gegenteil scheint heute
ein großer Teil der Milchproduzenten von der Annahme auszu¬
gehen, daß Sauberkeit bei der Gewinnung der Milch überflüssig
ist, da unsere vorzüglichen Zentrifugen ja den Schmutz wieder
daraus entfernen, und außerdem die gut wirkenden Pasteure die der
Milch schädlichen Keime tot machen“.
Literatur:
Berichte des Medizinalrats in Hamburg.
Burr. Anlieferung möglichst einwandfreier Milch an die Molkereien.
Molkerei- und Käserei-Ztg., Jahrg. V, Nr. 10 u. 11.
Haussen. Die Säuglings-Sterblichkeit in Schleswig-Holstein und die
Mittel zu ihrer Abhilfe. Kiel. L. Handorff’s Verlag.
Digitized by t^ooQle
Haussen. Untersuchungen am Hund über den Einfluß infizierter Milch
auf das Bakterienwachstum im Verdauungskanal speziell im Magen. Zbl. f.
Bakt, Org., Bd. 62, S. 89.
Haussen, Bah rat, Edelstein und Weide. Tierversuche über die
Vermehrung von Bakterien und die Bildung flüchtiger Fettsäuren im Magen
(und Darm) bei Fütterung von keimreicher Milch. Zschr. f. Kinderhlkde.,
Bd. XI, H. 5 u. 6.
Schloß. Über Säuglingsernährung. Die Wirkung der Sommerhitze auf
die Säuglinge.
Weigmann. Handbuch der Milchkunde. Verunreinigung der Milch
von außen. S. 593.
Weigmann. Uber auffälliges Verhalten von Milch, welche im Sommer
1902 auf der Weide gewonnen ist Arbeiten der Versuchsstation für Molkerei¬
wesen, Kiel 1903.
Witterung in Schleswig-Holstein. Zehntägige Witterungs-Berichte der
deutschen Seewarte.
Referate.
Beitrag zur Statistik der Kinderkrankheiten, Diphtherie
Scharlach, Keuchhusten, Masern in Preußen in den
Jahren 1901—1912. Von Dr. Paul Neumann-Gelsen¬
kirchen. (Zschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh., Bd. 38, H. 3,
Leipzig 1914.)
Das Deutsche Reich verdankt seinen immer noch beträchtlichen
Geburtenüberschuß trotz des starken Geburtenrückganges vornehm¬
lich dem Sinken der Sterblichkeitsziffer. Hier feiert die Hygiene
und speziell die Bekämpfung der Infektionskrankheiten ihre größten
Triumphe. Trotz alledem ist die Zahl der alljährlich in den ersten
Lebensjahren dahingerafften Kinder eine recht erhebliche, und einen
nicht geringen Anteil an dieser Sterblichkeit des jugendlichen Alters
haben die 4 ansteckenden Kinderkrankheiten: Diphtherie, Scharlach,
Keuchhusten, Masern. Der Verf. verfolgte die Sterblichkeit dieser
Krankheit im preußischen Staate während des zwölfjährigen Zeit¬
raumes von 1901—1912, indem er dem Werke „Das Gesundheits¬
wesen des preußischen Staates“ die Zahlenangaben für die betreffen¬
den Jahre entnahm.
Zwölf interessante Tabellen und Kurven geben einen genauen
Überblick über das Verhalten der 4 Infektionskrankheiten. Verl
kommt zu folgenden Schlußfolgerungen:
1. Fast überall zeigen Diphtherie und Scharlach einerseits, und
andererseits Keuchhusten und Masern ein ähnliches Verhalten.
2. Für alle vier Krankheiten macht sich in dem behandelten
Zeiträume ein erfreulicher Rückgang in der Sterblichkeit bemerk¬
bar ; am stärksten ist er beim Scharlach, am geringsten beim Keuch¬
husten. Trotzdem ist die Sterblichkeit immer noch recht erheblich.
3. Infolge der starken Abnahme der Diphtheriesterblichkeit ge¬
winnt der Keuchhusten eine immer größere Bedeutung und wird
voraussichtlich unter den vier Krankheiten bald ständig die höchste
Zahl der Todesfälle aufweisen.
4. An dem Rückgang der Sterblichkeit jeder Krankheit be¬
teiligen sich sämtliche Altersklassen des Kindesalters. Am größten
;st die prozentuale Abnahme bei Diphtherie und Scharlach im 1.
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23
Lebensjahr, am geringsten im schulpflichtigen Alter. Bei Keuch¬
husten und Masern ist sie gerade in den ersten zwei Jahren, wo
die meisten Opfer gefordert werden, am geringsten.
5. Die Diphtheriesterblichkeit des 1. Lebensjahres zeigt einen
ganz ständigen Rückgang von Jahr zu Jahr, wie ein solcher in den
andern Altersklassen nicht vorhanden ist Im Alter von 10 bis 15
Jahren macht sich sogar für die zweite Hälfte des Zeitraumes ein
auffallender Anstieg bis 1911 bemerkbar.
6. Der Anteil der einzelnen Altersklassen an der Diphtherie- und
Scharlachmortalität hat in den 12 Jahren abgenommen im vorschul¬
pflichtigen Alter (bis zum 3. bez. 5. Lebensjahr), ist dagegen größer
geworden im schulpflichtigen Alter und den höheren Altersklassen.
7. Auf die Lebenden der einzelnen Alterskiass en kommen die
meisten Todesfälle an Diphtherie und Masern auf das 2. Lebens¬
jahr, die meisten an Scharlach auf das 3. und die meisten an Keuch¬
husten auf das 1. Jahr.
8. Von sämtlichen Gestorbenen jeder Altersklasse erliegen der
Diphtherie, die meisten im Alter von 3 bis 5 Jahren, dem Scharlach
im Alte* von 5 bis 10 Jahren, dem Keuchhusten und den Masern
im 2. Lebensjahre. Im Alter von 3 bis 5 Jahren kommt über ein
•Drittel der Todesfälle auf diese vier Krankheiten. Im 1. Lebens¬
jahr treten sie jedoch, abgesehen vom Keuchhusten, gegenüber der
hohen. Sterblichkeit an Verdauungsstörungen ganz in den Hintergrund.
: 9, Bei Diphtherie, Scharlach und Masern überwiegt die Sterb¬
lichkeit des männlichen, beim Keuchhusten die des weiblichen Ge¬
schlechtes. In der zweiten Hälfte des zwölfjährigen Zeitraumes hat
die Sterblichkeit des weiblichen Geschlechtes beim Keuchhusten im
Verhältnis zu der des männlichen gegenüber der ersten Hälfte nicht
unwesentlich zugenommen.
Die Abnahme der Diphtheriesterblichkeit muß auf die ausge¬
dehnte Anwendung des Diphtherieheilserums zurückgeführt werden.
Die Abnahme erscheint umso auffallender, als die Zahl der Erkran¬
kungen an Diphtherie seit 1905, abgesehen vom letzten Jahre, eine
ständige Zunahme erfahren hat Die überaus interessante und aus¬
führliche Arbeit empfiehlt Referent im Original nachzulesen.
Schlichting-Kassel.
Wandertrieb und pathologisches Fortlaufen bei Kindern.
Von Dr. Stier.
Verf. ist zur Zeit wohl der bekannteste Spezialist für Psycho-
und Neuropathie des Kindesalters. Dementsprechend enthält die
Arbeit eine solche Fülle wichtiger Beobachtungen und Einzelheiten,
daß jedem die Lektüre dringend angeraten ist Die Ergebnisse, kurz
zusammengefaßt, sind folgende:
Wandertrieb (Schulschwänzen etc) ist häufig, an kein Alter ge¬
bunden, das Verhältnis der Beteiligung ist bei Knaben und Mäd¬
chen etwa 3,5:1. Das, sehr häufig pathologische, Motiv kann nur
durch genaue Anamnese und Wertung aller Nebenumstände, nie
durch einmalige Untersuchung erkannt werden.
Die geringste Beteiligung zeigen die echten Psychosen (ledig¬
lich Frühformen von Hebephrenie bei älteren Kindern). Ebenfalls
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34
nicht sehr häufig sind Epileptiker. Verf. unterscheidet bei ihnen
Fortlaufen in tiefer Bewußtlosigkeit (Ep. procursiva) und Fehlgehen
im Dämmerzustand. Ausgesprochene Fälle von Hysterie sind eben¬
falls nicht sehr häufig. Das Hauptkontingent stellen die Schwach¬
sinnigen und die Psychopathen.
Die vermehrte Eindrucksfähigkeit der Schwachsinnigen, bei
gleichzeitigem Wegfall der Hemmungen, läßt die Kinder leicht
passiv „wegbleiben“, weniger aktiv „fortlaufen“. Unter den Psycho¬
pathen unterscheiden sich fünf Gruppen. Drei sind in ihrer Be¬
ziehung zum Fortlaufen ziemlich klar zu erkennen: Die krankhaft
im Affekt gesteigerten, die vorzugsweise aus Angst, Empörung,
Ärger etc. davonlaufen. Die Hyperphantasten, die aus ihrem Traum¬
leben heraus ihren Phantasien in die Wirklichkeit nachziehen. Die
ethisch Depravierten, die vor der Arbeit zum Bummelleben flüchten.
Bei den beiden andern Gruppen sind die Zusammenhänge weniger
klar. Die eine charakterisiert sich durch die anscheinend motivlose
Impulsivität des Wandertriebes, so daß man fast von einer Selbst¬
ständigkeit dieses Triebes als eigenem Krankheitssymptom reden
muß. Die andere Gruppe zeigt familiäres Fortlaufen mit deutlicher
Beziehung zu den Pubertätsjahren. Schwachsinnige und Psycho¬
pathen sind jedenfalls praktisch, infolge ihrer überwiegenden Mehr¬
zahl, die wichtigsten Fälle.
In einigen ganz vereinzelten Fällen entsteht und besteht der
Wandertrieb ohne krankhafte Basis auf Grund des elenden Milieus
(V erwahrlosung).
Die Prognose wird durch die Neigung des Zustandes, habituell
zu werden, und durch die drohende Verwahrlosung getrübt, für
Mädchen mehr als für Knaben. Doch gelingt es in einem nicht uner¬
heblichen Teil der Fälle trotzdem, den Trieb zu unterdrücken, vor¬
ausgesetzt, daß die Therapie zur Zeit einsetzt
Die Therapie selbst kann die Anstaltsbehandlung (Fürsorgeer¬
ziehung, Zwangserziehung) vielfach noch nicht entbehren, um durch¬
greifend zu wirken.
In leichteren Fällen genügt häufig schon der Aufenthalt in einer
Klinik, Überweisung an Kinderhorte, Hilfsschulen etc., eventuell
Milieuwechsel. Ernsthafte Einwirkung durch geschulte Psychiater
ist unerläßlich. Strafen durch Eltern und Lehrer, Hinbringen des
Kindes zur Schule sind ganz ohne Erfolg. Um die rechtzeitige und
richtige Behandlung zu erzielen und das Übel in toto zu bekämpfen,
ist ein Zusammenhang der Jugendorganisationen mit für diese
Frage interessierten Psychiatern anzustreben. Hepner-Mannheitn.
über Schulen für Schwachsichtige. Von Dr. E. Redslob,
städt Schulaugenarzt in Straßburg i. Eis. (Straßburger med.
Ztg., 1914, H. 1.)
Seit 3 Jahren besteht in Straßburg eine städtische Volksschule
für schwachsichtige Kinder, in die solche Kinder äufgenommen
werden, bei denen die korrigierte Sehschärfe des bessern Auges 0,2
nicht erreicht Unter den 210000 Volksschulkindem Straßburgs er¬
füllten ca. 20 diese Bedingung, also ungefähr 1 */ 00 . Zwei waren
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*5
jedoch geistig sehr schwach, so daß sie in der Hilfsschule unterge-
m*acht wurden. Denn in der Schwachsichtigen-Schule sollen nur
Kinder mit normaler Begabung aufgenommen werden. Die Schule
beherbergt auch einige Kinder, die eine etwas bessere Sehschärfe
als 0,2 besitzen, jedoch an rezidivierenden Augenentzündungen leiden
und deshalb ihr Sehorgan stark schonen müssen. Die Schwacli-
sichtigenklasse bildet ein Mittelglied zwischen Blindenanstalt und
Volksschule: so wurden in den letzten Jahren 2 Kinder aus der
Blindenanstalt übernommen, die eine Sehschärfe von Fingerzählen
in s / 4 m hatten.
Die Schwachsichtigenschule ist eine einklassige Schule mit
Normal-Lehrplan, wobei der Lehrer mehr auf das Ohr und die
andern Sinne (Tastsinn, Geruchssinn) zu wirken sucht, als auf das
Auge. Das Schreiben wird so viel als möglich eingeschränkt; es
erfolgt nie länger als 10—15 Minuten hintereinander. Die häufigsten
einsilbigen Wörter werden durch Striche ersetzt, und es sind beson¬
dere Schreibhefte mit größerer Interliniardistanz und größerer Deut¬
lichkeit der Liniatur eingeführt Spezielle Lesebücher sollen aus¬
gearbeitet werden.
Außer in Straßburg gibt es nur noch in Mühlhausen eine solche
Schule. H e p n e r-Mannheim.
Kritische Beiträge zur Lehre von der Masernerkrankung.
(Dauernde und temporäre Immunität, Inkubationszeit, Masern-
rezidiv und wiederholte Erkrankung.) Von Dr. Josef K.
Fried jung, Abteil ungs Vorstand am ersten öffentlichen Kinder¬
krankeninstitut in Wien. (Wiener med. W., 1914, Nr. 18.)
Verf. kommt auf Grund eigener Beobachtungen und der Kritik
fremder zu folgender Zusammenfassung:
1. Die allgemein angenomme Lehre von der fast ausnahms¬
losen Disposition der Menschen für die Masernerkrankung ist dahin
zu ergänzen, daß sich einzelne Individuen vielleicht als dauernd
masernfest erweisen, andere als temporär immun (Schema: Infek¬
tionsgelegenheit A: die nicht gemaserte Person bleibt gesund. Später
Infektionsgelegenheit B: die Person erkrankt). Nicht selten dürfte
so eine temporäre Immunität vorgetäuscht werden, wenn das Masern¬
virus zur Infektion quantitativ nicht ausreichte.
2. Die von Pan um sichergestellte Inkubation der Masern von
13—14 Tagen (von der Infektion bis zum Exanthemausbruch) wird
nicht allzu selten überschritten und kann bis zu 21 Tagen betragen.
Die Ursache ist wahrscheinlich eine familiär herabgerabgesetzte
Empfänglichkeit für das Maserngift.
3. Die Behauptung von wiederholten Masernerkrankungen und
Masemrezidiven ist noch nicht über jeden Zweifel sichergestellt
Wenn überhaupt, so kommen sie jedenfalls außerordentlich selten vor.
H. Schlesinger-Frankfnrt a. M.
Die Schutzwirkiing des Diphtherieserums bei der Rein*
jektion. Von Dr. O. Hartoch-Bern und Dr. W. Schürmann-
Bem. D. m. W., 1914, Nr. 49.
Im Zusammenhang mit der Lehre von der Anaphylaxie stellten
Verff. sich die Frage, ob die Schutzwirkung des subkutan einver-
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a6
leibten Antitoxins bei gegen Pferdeserum überempfindlichen Tieren
quantitative oder eventuell qualitative Unterschiede aulweist gegen¬
über dem Schutzwert gleich großer und in gleicher Weise verab¬
folgter Antitoxinmengen bei unvorbehandelten Kontrolltieren.
Die auffallenderweise in vielen Fällen fehlende Schutzwirkung
des präventiv einverleibten Diphtherieantitoxins gegen eine nach¬
folgende Erkrankung, oder der mangelnde kurative Erfolg, der viel¬
fach selbst bei Einführung einer großen Menge Antitoxineinheiten
die Serotherapie der Diphtherie illusorisch macht, stellt auch z. Z.
eine Frage dar, deren Lösung trotz zahlreicher Versuche und theo¬
retischer Erklärungen noch aussteht
Bei Anstellung der experimentellen Versuche mußte im Hin- -
blick der zu erfolgenden Beantwortung einer auf das praktische In¬
teresse gerichteten Frage eine Versuchsanordnung gewählt werden,
die den Verhältnissen im Leben möglichst nahe läge. Verff. be¬
nutzten daher zu den Versuchen Meerschweinchen, die vor ver¬
schieden langer Zeit mit Gemischen von Diphtherietoxin und
•antitoxin (Pferdeserum) vorbehandelt waren. Diese Verhältnisse
würden zeteris paribus einer kurativ bezw. präventiv erfolgreich
serotherapeutisch beeinflußten Diphtherieinfektion gleichzusetzen sein.
Im Stadium der bereits ausgebildeten Überempfindlichkeit spritzten
sie, wie es u. a. auch in der humanen Praxis üblich ist, Antitoxin
subkutan, und nach 18—24 Stunden wurde der noch vorhandene
Schutzwert des einverleibten Antitoxins mit Hilfe der intrakutanen
Methode geprüft Durch Verwendung der verschieden konzentrierten
Toxinlösung konnte zahlenmäßig die noch vorhandene Schutz¬
wirkung im Vergleich zu den unvorbehandelten Kontrollen festge¬
stellt werden.
Die an Meerschweinchen experimentell durchgeführten Versuche
führten zu folgenden Schlußfolgerungen:
1. Die subkutane Einführung von Diphtherieantitöxin (Pferde¬
serum) verleiht Meerschweinchen, die gegen Pferdeserum überempfind¬
lich sind, bei nachfolgender intrakutaner Prüfung mit Toxin eine
8—32 mal geringere Schutzwirkung als unvorbehandelten Kontrollen.
2. Erzeugt man bei gegen Pferdeserum überempfindlichen Tieren
durch subkutane Injektion von kleinen Dosen Normalpferdeserums
(bezw. antitoxinhaltigen Serums) den Zustand der Antianaphylaxie,
so bleibt das hernach eingeführte Antitoxin fast in gleiche Weise
wirksam wie bei unvorbehandelten Kontrollen.
3. Eine subkutane Injektion kleiner Dosen von Serum nach
dem Vorschläge von Besredka gestattet demgemäß, nicht nur die
Gefahr der Anaphylaxie bei den zu Reinjizierenden zu vermeiden,
sondern sie schützt auch das eingeführte Antitoxin vor einer raschen
^Inaktivierung (Unwirksamwerden).
4. Im Lichte der zurzeit von den meisten Autoren akzeptierten
Lehre von der Anaphylaxie (parenterale Verdauung) sprechen die
Versuche für einen beschleunigten Abbau des Antigens im über¬
empfindlichen Tiere.
5. Durch die mitgeteilten Versuche kann eine mangelhafte Wirk¬
samkeit des Diphtherieserums bei reinjizierten Menschen verständlich
gemacht werden. Autoreferat
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37
Zur Frage der „Brönchotetanie“ der Erwachsenen und
ihre Behandlung mit Kalzium. VonH. Curschmann-
Mainz. M. m. W., 1914, Nr. 6.
Über die Mitbeteiligung der Brochialmuskulatur bei der Tetanie
Erwachsener ist bisher nichts bekannt geworden, wie ja überhaupt
bei ihr Krampfzustände der glatten Muskulatur zu den Seltenheiten
gehören. Ergiebiger sind die Beobachtungen bezüglich der Mit¬
beteiligung der automatischen und glatten Muskulatur bei den
Kindertetanien. Ob die Schluckstörungen tetanischer Kinder spezi¬
fischer Natur sind, steht nach Ibrahim noch nicht fest; dasselbe
gilt von den Beziehungen der Tetanie zum Pylorospasmus der
Säuglinge.
Verf. beobachtet bei einigen Fällen von Bronchialasthma
Jugendlicher, daß sie besonders nach heftigen Anfällen eine
Ubererregbarkeit des Fazialis, also das Ch vostek’sche Tetaniesym¬
ptom aufwiesen, durchweg junge Menschen mit zarter Haut und
etwas gedunsenem Gesicht.
. Uber einen Fall berichtet Verf. ausführlich: Ein 32jähriger, in
der Jugend nicht nachweislich spasmophiler Landwirt leidet seit 3
Jahren an heftigen Anfällen von Brochialgisthma. Zugleich finden
sich alle Zeichen einer latenten Tetanie, das Ch vostek’sche und
Erb’sche Phänomen und leichte abortive „tetanoide“ Anfälle in den
Händen. Asthmatische und tetanische Symptome steigen und
fallen synchron.
Auf die Kalziumbehandlung verschwindet sowohl das Asthma,
als der latente tetanische Symptomenkomplex.
Wir dürfen nicht sagen, daß das Asthma deshalb ein Tetanie¬
produkt ist, weil es auf Kalzium so ausgezeichnet reagiert Neben
seiner Eigenschaft, die Erregbarkeit des zentralen und peripheren
Neurons zu dämpfen, hat es auch diejenige, sekretionshemmend zu
wirken. Auf diese letztere Eigenschaft ist die günstige Wirkung
des Kalks auf manche supersezernierende Prozesse der Luftwege, auch
auf das Bronchialasthma und die eosinophilen Bronchitiden sicher
zum Teil zurückzuführen.
Daß daneben auch eine mechanische Einwirkung auf den
Bronchialmuskelkrampf, also auf die Übererregbarkeit gewisser Vagus¬
endigungen stattfindet, ist zuzugeben. Schlichting-Kassel.
Taenia saginata bei einem Säugling. Von Dr. K. Grimm-
Köln. M. m. W., 61. Jahrg., Nr. 32.
Das seltene Vörkommen dieser Taenienart im Säuglingsalter
hängt mit der in diesem Alter geringen Infektionsmöglichkeit zu¬
sammen. Das Kind, bei dem Verf. mit Erfolg im städtischen Kinder¬
hospital in Köln die Taenie abtrieb, hatte z Monate vorher rohes
geschabtes Rindfleisch erhalten.
Es war ein io*/a Monate alter Knabe von 7020 g mit Proglot-
tiden und Eiern im StuhL Man gab 20 g „Kukumarin“ (Jung-
cl außen -Hamburg) mit der Flasche in der gewohnten Milch¬
mischung aufgelöst. Nach 6 Stunden wurde etwas davon erbrochen,
nach 10 Stunden ging der 3,25 m lange Wurm mit Kopf ab. Kn
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28
nachteiliger Einfluß der Kur auf das Befinden des Kindes war nicht
festzustellen. Scblichting-Kassel.
Über schwere, nicht diphtherische Kehlkopfstenose bei
Kindern. Von Dr. E. Köck-Freiburg. M. m. W., 61. Jahrg.
Nr. 33 -
Verf. beobachtete in der Universitäts-Kinderklinik 2 Fälle von
schwerer, akuter Kehlkopfstenose, über die ausführlich berichtet wird.
Er kommt zu folgender Zusammenfassung:
1. Die „atypische Form des Pseudokrupps“ ist eine wenig be¬
kannte, jedoch nicht seltene und wichtige Erkrankung.
2. Pyogene Infektion der Kehlkopfschleimhaut vermag schein¬
bar so ganz verschiedene Krankheitsbilder wie atypische Form des
Pseudokrupps und Laryngitis phlegmonosa auszulösen.
3. Da die Kehlkopfschleimhaut durch Eitererreger noch erheb¬
lich stärker als durch Diphtheriebazillen geschädigt wird, so soll
beim Nachweis der ersteren als Krankheitsursache grundsätzlich
von der Intubation abgesehen und primäre Tracheotomie gemacht
werden. Sollte, was nicht selten der Fall sein wird, die pyogene
Natur der Infektion erst nachträglich durch das Kulturergebnis auf¬
gedeckt werden, so ist an Stelle der Intubation sogleich die sekun¬
däre Tracheotomie vorzunehmen. Schlichting-Kassel.
Uber die Bedeutung der von Doehle beschriebenen
Leukozyteneinschlttsse für die Scharlachdiagnose.
Von R. Isen schm id und W. S c h e m e n s k y-Frankfurt a.E
M. m. W., 61. Jahrg., Nr. 39.
Um sich ein Urteil über die diagnostische Brauchbarkeit der
Döhle’schen Körperchen zu bilden, untersuchten die Verff. in der
medizinischen Klinik zu Frankfurt a. M. eine große Reihe von Fällen,
indem sie mit Karbol-Methylgrün-Pyronin nach Pappenheim-Unna
und Borax-Methylenblau nach Manson färbten.
Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen fassen sie in folgenden
Sätzen zusammen:
Das Fehlen der Döhle’schen Körperchen bei einem fiebernden
Kranken schließt frischen Scharlach aus.
Der positive Befund von Körperchen schließt Röteln aus und
macht Masern unwahrscheinlich.
Diphtherie und lakunäre Anginen macht der positive Befund
nur dann unwahrscheinlich, wenn sich typisch geformte Einschlüsse
in sehr großer Zahl vorfinden. Sch lieh ting-Kassel.
Vergiftungstod durch Chineonal. Von Med.-Rat V. Erdt-
München. M. m. W., 61. Jahrg., Nr. 35.
Der Verf. berichtet aus seiner landgerichtsärztlichen Praxis
über den Todesfall eines 2 >/ 2 jährigen kräftigen Kindes nach
dem Genuß von 9 Chineonaldragees, die der Kinderwärterin
seitens des praktischen Arztes gegen Keuchhusten verordnet waren.
Das Kind wurde abends soporös, die Pupillen reagierten nicht mehr
auf Licht, Arme und Beine waren wie gelähmt.
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29
Die gerichtliche Sektion ergab keine charakteristischen Befunde
für die Todesursache. Aus dem Gehirn ließen sich eine geringe
Menge von Kristallen, welche als Veronal anzusprechen waren, ge¬
winnen.
Die genossene Menge des Veronals war 0,648 in 6—8 Stunden.
Dem Chinin wird man eine schwächende, den Tod befördernde Wir¬
kung zuerkennen. Schlichtin g-Kassel.
Bücherbesprechungen.
Lehrbuch der Ösophagoskopie. Von Prof. Dr.* Hugo Stark-
Heidelberg. 2. größtenteils neu bearbeitete Auflage. 8 °,
274 S. m. 110 Abb. und ausführlichem Literaturverzeichnis.
Würzburg 1914. Verlag von Kurt Kabitzsch. Preis brosch.
8,— Mk., geb. 9,— Mk.
Zehn Jahre sind seit dem Erscheinen der 1. Auflage verflossen.
In dieser Zeit hat die Ösophagoskopie stetige Fortschritte gemacht.
Diese Entwicklung betraf hauptsächlich die Vielgestaltigkeit des
Instrumentariums, ein Umstand, der eine völlige Neubearbeitung
des ersten Teiles des Buches, der Technik, nötig machte. Nicht
ganz Schritt gehalten mit dieser Entwicklung haben die diagnostischen
und therapeutischen Ergebnisse der Ösophagoskopie, deren wesent¬
liche Kapitel seit ihrer Begründung durch von Mikulicz teilweise
nur unwesentliche Erweiterungen erfahren haben. Nur die Kapitel
über Fremdkörper und Narbenverengerungen mußten entsprechend
dem Fortschritt der Wissenschaft neu bearbeitet und erweitert werden.
— Das Stark’sche Lehrbuch enthält in seiner neuen Form alles,
was für den Arzt, der sich mit diesem Spezialgebiet der Endoskopie
befassen will, wissenswert ist Ein besonderer Vorzug des Buches
ist es, daß ein Hauptgewicht auf die Technik gelegt ist, sodaß auch
deijenige, der die Methodik ohne Lehrer erlernen möchte — was
übrigens heute kaum noch nötig sein dürfte —, durch die gründ¬
lichen und klaren Auseinandersetzungen dazu imstande sein dürfte.
Auch der spezielle Teil, die Klinik der Speiseröhrenerkrankungen,
bietet bei aller Vollständigkeit eine übersichtliche und leicht durch¬
zuarbeitende Darstellung aller in Betracht kommenden Krankheits¬
bilder. Klos e-Breslau.
Uber Trockennährböden nach Prof. Doerr. Von Kreisarzt
Dr. Beitker, Vorsteher des Medizinal-Untersuchungsamts in
Düsseldorf. (S.-A. aus dem Zbl. f. Bakteriologie, Parasiten¬
kunde und Infektionskrankheiten. Originale, Bd. 74, 1914.)
gr. 8°, 8 S.
Durch eingehende vergleichende Versuche konnte derVerf. fest¬
stellen, daß die nach Angaben von Prof. Doerr hergestellten und
von der Firma Bram in den Handel gebrachten trockenen Nähr¬
böden eine wichtige Neuerung darstellen, da sie in kleineren Labo¬
ratorien, namentlich solchen in Krankenhäusern, die zeitraubende Her¬
stellung der Nährböden überflüssig machen. Nicht nur die gewöhn¬
liche Nährgelatine und Nähragar, sondern auch die Spezialnährböden
lieferten vorzügliche Resultate. Klose-Greifswald.
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30
Bericht des Kaiserin Auguste Viktoria-H-au&es zur Be¬
kämpfung derSäuglingssterblichkeitim Deutschen
Reiche vom i. April 1913 bis 31. März 1914. gr. 8®,
76 S. Verlag von Georg Stilke. Berlin.
Die Broschüre gibt eine Übersicht über die baulichen Verände¬
rungen, über den Betrieb in den verschiedenen Abteilungen, über die
experimentelle und klinische Forschung und über die Lehrtätigkeit.
Hingewiesen wird ferner auf die Reichhaltigkeit der Bibliothek {Ver¬
zeichnis der Zeitschriften). Die folgenden Abschnitte orientieren
über Schwesternschaft und Pflegeschule, über die Tätigkeit des Organi¬
sationsamtes für Säuglingsschutz und der Säuglings- und Klein¬
kinderfürsorgestelle. Aus dem Anhang seien hervorgehoben die „Rat¬
schläge für die Ernährung und Pflege des Säuglings und Klein¬
kindes“ und die „Vorschriften über das Verhalten des Pflegepersonals
bei ansteckenden Krankheiten“. Klose-Greifswald.
Kurze Notizen aus der Praxis und Wissenschaft
Les difficultes du diagnostic de l’appendicite chez
les petits enfants. Von Victor Veau.
Die Diagnose ist immer schwierig, oft zeigt die Operation schwere
Storungen, einmal fand sich ein Askaris im Appendix. Kleine Kinder
lokalisieren den Blinddarmschmerz nicht, die meisten zeigen auf die
Nabelgegend, ausnahmsweise wird die Blinddarmgegend selbst als
schmerzhaft angegeben. Grinon berichtet in der Diskussion zu
dem Vortrag, daß er beim Palpieren genau das Gesicht des unter¬
suchten Kindes beobachtet Veau machte auf das Verdienst der
Mme. Nageotte aufmerksam, die zuerst die Diagnose der Appen¬
dizitis gelehrt hat Hanssen-Kiel.
(Bull, de la soc. de pöd. de Paris, Jan. 1914.)
Allocution de M. Mauclaire.
Die Gesellschaft wurde gegründet 1899. Die Kinderheilkunde
ist inzwischen selbständig geworden, sie hat sich von der Geburts¬
hilfe freigemacht Es gibt jetzt einen französischen Kongreß und
einen internationalen für Kinderheilkunde, dazu die verschiedenen
Versammlungen zum Schutze des Säuglings. Besonders die Chirurgie
des Kindesalters hat große Fortschritte gemacht, die ersten Präsiden¬
ten waren deshalb Chirurgen. Hanssen-Kiel.
(Soc. de pöd. de Paris, Jan. 1914.)
Ein neuer Fall von Tic der Scapula. Von Mme. Na¬
geotte-Wilbouchewitsch.
Es handelt sich um ein Mädchen von 12 Jahren, bei ihr be¬
stand rechtsseitige Skoliose. Der richtige Name der Krankheit wäre
wohl „Tic des Rhomboidens, scapulum valgum vortäuschend“. Das
scapulum valgum ist eine Erscheinungsform der Rachitis ebenso
wie das Genu valgum. Nach der Vornahme von gymnastischen
Übungen, Aufhängen an den Armen, Vornahme von tiefen Atem-
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3 1
bewegungen hält sich der Körper im Gleichgewicht und die Tics
der Scapula verschwanden. Haussen-Kiel.
(Bull, de la soc. de p6d. de Paris, Febr. 1914.)
DieReaktion nachNoguchi bei hereditärer Syphilis.
Vorläufige Mitteilung. Von M. M. Gennain Blechmann und
Maurice Delost
Alan Brown wandte die Reaktion zuerst bei Säuglingen an.
Die Verff. wandten einen Extrakt von Spirochäten vermischt mit
Serum an, der in die Haut der Deltoideus-Gegend eingespritzt wurde,
es bildet sich eine Ödem-Blase. Diese rötet sich in positiven Fällen
nach kurzer Zeit und bleibt längere Zeit induriert Man muß die
Kinder ungefähr einen Monat lang beobachten. Hanssen-Kiel.
(Bull, de la soc. de p£d. de Paris, April 1914.)
Zwei Fälle von Hypertrophie und Erweiterung des
Magens. Von M. M. Variot und Grandz&au.
Brustkind. Später Breikost Ständiges Erbrechen, manchmal
Durchfall, zuletzt Obstipation. Fortschreitende Abmagerung. Die
Röntgenuntersuchung ergab eine enorme Magendilatation. Verff.
führen den Zustand auf Unterernährung zurück, da nach dem Reichen
von ausreichenden Nahrungsmengen das Gewicht schnell zunahm
und das Erbrechen aufhörte. Das zweite Kind war ebenfalls unter¬
ernährt, machte erst den Eindruck eines Atrophikers, brach immerzu.
Auch hier bewirkte anreichernde Ernährung eine schnelle Zunahme.
Der Beschreibung nach handelte es sich um zwei Fälle von Pylorospas-
mus. In der Diskussion nach der Vorstellung der Kinder sprechen
noch Variot und Comby, sie erwähnen dabei den Namen Budin,
aber keinen deutschen Forscher. Hanssen-Kiel. '
(Bull, de la soc. de p&l. de Paris, April 1914.)
Infantiler Skorbut bei einem 4jährigen Kinde, er¬
nährt mit homogenisierter Milch. Von M. M. Georges
Schreiber et Fran?ois.
Die Bar low’sche Krankheit kommt ausnahmslos im Alter unter
zwei Jahren vor. Das Kind, das hier beschrieben wird, hatte ab
und zu Verstopfung und Leibschmerzen. Zwei Jahre lang bekam
das Kind täglich 500—750 g Milch Lepelletier, außerdem erhielt es
nur wenig Kartoffeln und Makkaroni. Bei gemischter Nahrung traten
immer wieder leichte Verdauungsstörungen auf, daß die Eltern stets
zu der homogenisierten Milch zurückkehrten, obgleich das Kind wegen
Schmerzen in den unteren Gliedmaßen nicht mehr gehen konnte.
Nach Behandlung mit Zitronensaft, Kartoffelpüree und Yoghurt ver¬
schwanden die Schmerzen schnell. Hanssen-Kiel.
(Bull, de la soc de p6d. de Paris, April 1914.)
Diagnose der Anenzephalie bei der Untersuchung
im Dunkelzimmer. Von M. Charles Chatelin.
Der Schädel war im Dunkelzimmer vollkommen durchsichtig.
Das eine Kind hatte einen Hydrozephalus, die Eltern bemerkten
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3 *
eine Zunahme des Schädelumfangs und fürchteten, daß das Kind
blind sei. Die Fontanelle pulsierte nicht. Alle vier Extremitäten
waren spastisch. Bei Beleuchtung des Augenhintergrundes erschien
das ganze Schädelinnere in rötlichem Licht. Eine Sektion wurde
nicht gemacht Das andere Kind hatte keinen Hydrozephalus, war
aber vollkommen spastisch, sowohl die Gliedmaßen wie die Wirbel¬
säule. Auch hier war das Schädelinnere durchsichtig.
(Bull, de la soc. de p6d. de Paris, April 1914.) H a n s s e n -Kiel.
Dextrokardie und Infantilismus, erworben durch
Tuberkulose. Von M. A. Variot und Mme. Chatelin.
Das Kind war 15 Jahre alt, eine Schwester hatte Drusen, die
Eltern sind gesund. Das Kind hatte immer geschwitzt, besonders
im Winter. Vor einigen Monaten klagte das Kind über rheumatische
Schmerzen in den unteren Gliedmaßen. Seit der Zeit merkte das
Kind, daß sein Herzschlag rechts bedenklich ist Bei der Aufnahme
im Krankenhaus macht es den Eindruck eines 12jährigen Kindes,
es bot außer einer geringen Skoliose keine Deformitäten. Das Rönt¬
genbild zeigt einen Fehler des Herzschattens links, an der normalen
Stelle des Herzens ergibt sich heller Lungenschall, rechts seitlich
vorne dagegen eine dem verlagerten Herzen entsprechende Dämpfung.
Das Fehlen der Verlagerung der Baucheingeweide läßt die Dextro¬
kardie als eine erworbene erkennen. Hanssen-Kiel.
(Bull, de la soc. de p£d. de Paris, April 1914.)
Hemiplegie bei einem hereditär syphilitischen Kinde.
Von M. M. L. Babonneix und L. Toxin.
Es handelte sich um einen 3 1 / 2 jährigen Knaben, rechtzeitig ge¬
boren. Acht Monate an der Brust genährt. Erst bekam er Zuckungen
der‘Augen, am nächsten Tage eine vollkommene Lähmung der linken
Seite, acht Tage konnte das Kind nicht sprechen. Man dachte zu¬
nächst an eine einfache Kinderlähmung zerebralen Ursprungs, doch
erweckte der positive Wassermann den Verdacht auf Lues. Der
Vater und die Mutter hatten eine Quecksilberkur durchgemacht
Doch hatte die Mutter zuletzt einen negativen Wassermann. Die
Verff. empfehlen das Suchen nach Spirochäten im Lumbalpunktat
und Blut bei solchen Kindern. Hanssen-Kiel.
(Bull, de la soc. de ped. de Paris, April 1914.)
Chronische Appendizitis und Leistenbruch. Von M.
Victor Veau.
Wenn ein Kind mit einem Leistenbruch über Schmerzen klagt,
muß man an Appendizitis denken, da eine gewöhnliche Hernie keine
Schmerzen macht. Die klinische Diagnose einer Hernie zusammen
mit einer Appendizitis oder umgekehrt ist nicht schwierig, man muß
nur daran denken. Manchmal täuscht auch ein Kryptorchismus,
sogar ein nicht vollkommen entwickelter, Blinddarmschmerzen vor.
Verf. beschreibt dann das Verfahren bei der Operation besonders bei
rechtsseitigem Leistenbruch. Hanssen-Kiel.
(Bull, de la soc. de p6d. de Paris, Mai 1914.)
Verlag von Benno Konegen, Leipzig. — Druck von A. Pabst, Königsbrück.
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Der Kinder-Arzt.
Zeitschrift fiip {CindepheilHonde
unter Mitwirkung hervorragender Fachärzte
herausgegeben
von
Sanitätsrat Dr. Sonnenberger in Worms.
Erscheint am ersten Freitag eines jeden Monats. — Vorauszubezahlender Preis ffir das ganze
Jahr 6 Mk., direkt unter Kreuzband ffir Deutschland und Österreich-Ungarn 6 Mk. 50 Pf., 7 Mk.
fürs Ausland. Mit Frauenarzt zusammen bezogen statt 24 Mk. nur 20 Mk. Einzelne Hefte 1 Mk.
— Bestellungen nimmt jede Buchhandlung und Postanstalt sowie auch die Verlagsbuchhandlung
jederzeit gern entgegen.
XXVI. Jahrg. März 1915. No. 3. ( 303 .)
INHALT: Originalien: Feuchtwanger, Aus dem Grenzgebiet zwischen
Pädiatrie, Psychologie und Pädagogik. 33. — Rehn, Zur Wirkung des Diph¬
therie-Heilserums durch die Muttermilch auf den Säugling. 35. —Referate:
Boncour, Epilepsie bei Kindern und ihre Behandlung durch das Brom. 36. —
Salzer, Die wichtigsten Augenerkrankungen im Säuglingsalter. 38. — Lehmann,
Mundkrankheiten im Säuglingsalter. 39. — Voigt, Brauchbarkeit des mit Äther
behandelten Kuhpockenimpfstoffes. 40. — Meyer, Schälblattern beim Säugling.
41. Kassowltz, Methodik der Diphtherieprophylaxe. 41. — Kowitz, Infektiöse
Erkrankrankungen der Harnorgane im Säuglingsalter (sog. Pyelozystitis). 42.
— Stromeyer, Magnesiumbehandlung des Tetanus. 42. — Tannuschke, Ein
Fall von zweifach bedingtem Hydrops und seine pharmakolog. Beeinflussung.
43. — Heloler, Erythema iufektiosum. 43. — Hirsch, Demonstration eines ana¬
tomischen Präparates einer Ösophagus-Trachealfistel. 44. — Borgmann, Kaver¬
nöse Lungentuberkulose beim Säugling. 44. — Bücherbesprechungen:
Stande, Merkbuch für die körperliche Beschaffenheit und die geistige Ent¬
wicklung von Schüler und Schülerin. 44. — Schnirer, Taschenbuch der Therapie.
45. — Lehndorff, Kurzes Lehrbuch der Kinderkrankheiten. 45. — Jeß, Die
sympathische Ophthalmie. 45. - Determann, Die vegetarische und fleischarme
Ernährung. 46. — H. u. Th. Lohnstein, Medizinalkalender und Rezept-Taschen¬
buch 1915. 46.— Kurze Notizen aus der Praxis und Wissenschaft.
46. 7- Kleine Mitteilungen. 47. — Berichtigungen. 48.
Originalien.
Aus dem Grenzgebiet zwischen Pädiatrie, Psychologie
und Pädagogik.
Von Dr. med. et phil. A. Feuchtwanger in Frankfurt a. M.
Wir leben im Zeitalter des Spezialistentums. Trotzdem hat jeder
Spezialist, um nicht zum handwerksmäßigen Routinier herabzusinken,
das Bedürfnis, in die Grenzgebiete seines Faches hineinzuleuchten.
Ein solches Grenzgebiet ist für den Pädiater die Frage nach den
verschiedenen Vorstellungsweisen der einzelnen Individuen (Schüler).
Dieses Kapitel wäre des besonderen Interesses der Schulärzte wert.
Das Wesen der verschiedenen Vorstellungstypen läßt sich an einem
einfachen Beispiel erläutern. Ruft man mehreren Personen irgend
ein Wort, z. B. „Glocke“ zu, so wird im Bewußtsein des einen das
visuelle Bild einer bestimmten Glocke auftauchen, während der andere
nur den Klang einer Glocke hört, der dritte dagegen das Wort
innerlich mitspricht, ohne visuelle oder akustische Vorstellungen zu
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haben; der vierte aber sieht das Wort Glocke in Druck- oder seiner
eigenen Schrift vor sich. Je nach diesen Vorstellungsweisen unter¬
scheidet man: Visuelle (Sach- und Wortvisuelle), Akustiker und Moto¬
riker. Uber dieses Kapitel existiert eine reiche psychologische
Literatur, in der eine genaue Methodik des Nachweises der ver¬
schiedenen Vorstellungstypen niedergelegt ist. Das Gedächtnis hängt
natürlich eng mit der Vorstellungsweise zusammen. Wenn eine
Person ihr Vorstellungsleben vorzugsweise aus optischen, visuellen
Bildern aufbaut, so ist sie sehr oft imstande, optische Gedächtnis¬
bilder sehr zäh und fest zu behalten. So gibt es ja bekanntlich viele
Teilgedächtnisse: optische, akustische, Farben-, Formen- und Zahlen¬
gedächtnisse. Die große Bedeutung dieser Auseinandersetzung über
die verschiedenen individuellen Vorstellungsweisen für die Pädiatrie
und Pädagogik ist einleuchtend. Ein visuelles schwachsinniges Kind
muß in der Hilfsschule mit anderen Methoden behandelt werden als
ein extrem akustisches. Dem letzteren wird man mit optischen
Methoden, mit Zeichnen auf der Tafel und Lesenlassen schlecht bei¬
kommen, wohl aber wird man es durch langsames, wiederholtes
Nachsprechen fördern können; einem extrem visuellen Imbezillen
wird man durch fortgesetztes Zeigen auf der Tafel, durch Zeichnen
von Bildern, durch immer wiederholtes Lesenlassen doch einiger¬
maßen bilden können. Diese Grenzgebiete zwischen Psychiatrie,
Pädagogik und Pädiatrie sind für die Zukunft vielversprechende
Gebiete der Medizin. Daß ein ausgesprochen wortvisueller Schüler
in der Orthographie und besonders in der der fremden Sprachen im
Vorteil ist, liegt auf der Hand. Der Akustiker kann sich je nach
dem Klange der Worte in der Orthographie irren, z. B. verwechselte
ein gebildeter französischer Arzt „trois“ und „droit u wegen des ähn¬
lichen Klanges. Den akustisch motorischen Schüler, d. h. den, der
die gehörten Worte in gesprochene Worte, in Sprachbewegungsbilder
umsetzt, erkennt man daran, daß er jedes gehörte Wort leise vor
sich hinspricht Es erscheint als ein pädagogischer Irrtum, wenn
man Schüler, die beim Rechnen mit leise bewegten Lippen zum
Himmel schauen und dadurch eine Lernhilfe erhalten, an diesem
Lernmodus hindert. Der einsichtige Pädagoge muß auch seine eigene
Vorsteilungsweise zum Unterschied von der seiner Schüler kennen.
Er muß der individuellen Eigentümlichkeit der Lernweise des be¬
treffenden Kindes gerecht zu werden suchen, wenn dies auch bei
unseren überfüllten Klassen ein frommer Wunsch und ein allzu
theoretisches Verlangen zu sein scheint. Dies ist der bescheidene
Anfang einer Individualisierung. Nun noch eine kurze Kritik der
ganzen Lehre der Vorstellungs- und Gedächtnistypen: daß mau das
komplexe, schwer analysierbare Seelenleben des Kindes nicht so
einfach in akustische, visuelle, motorische Schemata einzwängen kann,
dessen ist sich jeder Einsichtige bewußt. Die individuelle Begabung
ist ein ganz ungemein kompliziertes, noch nicht im entferntesten
psychologisch analysierbares psychisches Gebilde. Aber vielleicht ist
doch dieser winzige Anfang ein Mosaikstein im künftigen Bau der
Begabungsforschung. Auch gehen die Typen ineinander über, es
gibt sehr wenige reine Typen, wie wir sie zufällig im psychologischen
Laboratorium gefunden haben; die meisten Menschen sind Misch-
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typen, es herrscht bei einem Teil derselben nur der eine oder andere
sensorische Charakter der Vorstellungen vor und es gibt zahlreiche
Übergänge. Psychologisch pädagogische Chauvinisten sind so weit
gegangen, die Begabung für Sprachen und Mathematik vom Vor¬
stellungstypus abhängig zu machen, der visuelle habe Begabung für
Mathematik und Naturwissenschaften, der akustisch-motorische habe
historisch sprachliche Begabung. Das entspricht nicht den Erfahrungen,
und solche oberflächliche weitgehende Schlüsse dürfen aus den
immerhin noch dürftigen psychologischen Beobachtungen nicht ge¬
macht werden. Überhaupt muß bei einer so jungen Wissenschaft
wie die experimentelle Psychologie, die noch in den Kinderschuhen
steckt, vor übertriebenen Schlüssen gewarnt werden. Das eine muß
aber bei den vielen Fäden, die sich zwischen Philosophie und Psy¬
chologie, Pädiatrie und Pädagogik spinnen, verlangt werden, daß
auch die pädiatrischen Zeitschriften diesen Grenzgebieten ihre Spalten
öffnen und dieselben in ausgiebiger Weise pflegen und fördern.
Zur Wirkung des Diphtherie-Heilserums durch die
Muttermilch auf den Säugling.
Von Geh. San.-Rat Dr. H. Rehn in Frankfurt a. M.
Ein kräftiger Knabe war fünf Wochen lang an der Mutterbrust
prächtig gediehen, mit einer Gewichtszunahme bis zu l j t Pfund pro
Woche, als die Mutter an Rachendiphtherie erkrankte und eine
Heilseruminjektion erforderlich wurde. Man beließ das Kind an der
Brust, möglicherweise in der Absicht, ihm den Vorteil der prophy¬
laktischen Immunisierung zu gewährleisten, und die Mutter legte es
schon bald nach erhaltener Injektion wieder an. Noch am selben
Abend nun stellte sich nach jedem Trinken sofortiges Erbrechen und
gleichzeitig mit dem Erbrechen fast nach jeder Mahlzeit Diarrhoe
ein, welche, von grünlicher Farbe, eine schleimige Beschaffenheit
zeigte.
Höchst merkwürdig war die Störung des Allgemeinbefindens.
Der Mutter soll Fieber gefehlthaben, doch war das Kind äußerst unruhig,
zeigte ein auffallendes häufiges Zusammenschrecken und einen fast
absoluten Mangel an Schlaf, Symptome, welche übrigens die Mutter
(seit der Einspritzung) bis zu gewissem Grade mit ihrem Kinde
teilte. Der Gewichtsverlust des letzteren soll in der betr. Zeit etwa
i */ 4 Pfund betragen haben.
Eine diphtherische Erkrankung des Säuglings ist nicht fest¬
gestellt worden. 'Der Untersuchungsbefund beim Kinde war völlig
negativ, speziell waren keine geschwellten Halsdrüsen nachweisbar,
welche auf eine dagewesene Rachendiphtherie konnten schließen
lassen. Die Mutter war von ihrer Erkrankung seit etwa 14 Tagen
hergestellt, hatte jedoch schlechten Appetit, ungenügenden Schlaf
und die Milch hatte begreiflicherweise abgenommen.
Meine Verordnung bestand in dem Ersatz dreier Kostmahlzeiten
durch Schleimmilchmischungen.
Der weitere Verlauf war ein einfacher und glücklicher. Das
Kind nahm die Beikost und vertrug sie gut Nach acht Tagen
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3 ^
hatte das Erbrechen aufgehört und die Entleerungen waren seltener
geworden. Vor allem aber war das Kind jetzt ruhig, schlief nach
den Mahlzeiten und die ganze Nacht hindurch. Auch war eine
kleine Gewichtszunahme zu konstatieren.
Ein mehrwöchentlicher Aufenthalt im nahen Taunus brachte
endlich Mutter und Kind die völlige Genesung.
Daß das Kind durch die Milch der Mutter erkrankt war, und
zwar schwer erkrankt, lag auf der Hand, denn es war bis zu der
Heilserum-Einspritzung völlig gesund und erkrankte unmittelbar
nach derselben.
Es schien mir daher eine bezügliche Untersuchung der Milch
für wünschenswert, obwohl schon 3 Wochen nach der Injektion ver¬
flossen waren.
Herr Dr. H. Braun, Abteilungsvorstand beim hiesigen hygie¬
nischen Institut, hatte die Güte, die Untersuchung zu übernehmen
und mir das Ergebnis, wie folgt, mitzuteilen.
„Im Tierversuch konnten gegen virulente Diphtheriebazillen in
der Milch keine schützenden Eigenschaften nach gewiesen werden.
Mit der Römer’schen Methode ließ sich aber fest¬
stellen, daß die Milch deutlich mehr Antitoxin ent¬
hielt, als eine zur Kontrolle dienende Milch von einer
gesunden Frau.
Es läßt sich nicht entscheiden, ob das Antitoxin von der Patien¬
tin gebildet wurde oder vielleicht doch noch dem eingespritzten
entspricht
Mittels der Komplementbindungsmethode konnte Pferdeserum
in der Milch nicht nachgewiesen werden.“
Interessant ist also der noch gefundene höhere Antitoxingehalt
der Milch, nachdem drei Wochen nach der Einspritzung verstrichen
waren.
Es erübrigt noch die praktische Frage, wie man in ähnlichen
Fällen im eigensten Interesse des Säuglings zu handeln hat Ich
denke folgendermaßen:
Ist er noch frei von diphtherischen Bakterisationen und beson¬
ders auch fieberlos, so soll man ihn von der Brust wegnehmen und
unter strenger Isolierung künstlich ernähren. Ist er aber bereits
infiziert, so kann man ihn an der Brust belassen, sollte ihn aber in
den ersten 24 Stunden nach der Injektion der Mutter lieber nicht
anlegen, um ihn vor dem ersten Ansturm des toxischen Serums zu
schützen.
Referate.
über die Epilepsie bei Kindern und ihre Behandlung
durch das Brom. Von Paul Boncour. (La pathologie
infantile, Mai 1914.)
Bei allen Fällen von Epilepsie ist Brom als Medikament ange¬
zeigt. Doch ist die Art der Darreichung von großem Einfluß auf
den Erfolg.
Bevor man mit der medikamentösen Behandlung der Epilepsie
beginnt, muß man vor allem von der Natur der Krankheit überzeugt
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sein. Daher ist es erste Pflicht des Arztes, das epileptische Kind
gründlich zu untersuchen und die Ursache oder die Ursachen, welche
die Paroxysmen erzeugen, zu ergründen. Dabei ist es notwendig,
über die tägliche Lebensweise, die Ernährung, die Spiele, den Charakter,
die Hygiene usw. des Kindes Erkundigungen einzuziehen.
Das Hauptheilmittel ist ohne Zweifel das Brom. Hilft das Brom
nicht, so haben die andern Heilmittel wenig Aussicht auf Erfolg.
Autor gibt einer Mischung der Bromide des Kalium, Natrium
und Ammonium den Vorzug.
Die Bromide sind in allen Fällen mit spastischen und motorischen
Erscheinungen von Erfolg. In den psychischen Formen ist ihr Er¬
folg weniger ausgesprochen.
Da das Brom das Hauptmittel ist, so handelt es sich darum,
dasselbe unter den bestmöglichen Bedingungen zu verabreichen.
Mit andern Worten: Das Brom muß eine maximale Wirkung
mit minimalen Nebenwirkungen ausüben. Die Darreichung
des Broms muß, um ein gutes Resultat zu ergeben, Jahre hindurch
stattfinden.
R i c h e t und T o u 1 o s e haben nachgewiesen, daß das dargereichte
Brom, falls es nicht einen Uberschuß an Chloriden im Organismus
antrifft, in größerer Menge in den verschiedenen Organen und in
den Nervenzellen sich festsetzt.
Da wir nun TTie Gewohnheit haben, täglich eine größere Dosis
Salz, als für den Körperunterhalt nötig ist (hierfür sind nur 2—4 g
täglich nötig) zu absorbieren, so kann man leicht den Chlorgehalt
des Organismus ohne Nachteil herabsetzen. Dieser Zustand indes
gestattet geringere Mengen Brom zu verabreichen. Auf diese Weise
erfüllt man die Vorschrift: Maximale Wirkung, minimale Neben¬
wirkungen.
Das epileptische Kind, das einer langdauernden Brommedikation
bedarf, hat von einer Diät mit verminderter Salzzufuhr noch größere
Vorteile, vorausgesetzt, daß man bei der Behandlung individualisiert.
In der Tat hatLong nachgewiesen, daß gewisse Individuen nur
eine relative Verminderung der Chloride nötig haben, während bei
anderen die Chloride fast bis zur physiologischen Dosis vermindert
werden müssen.
Daher muß man schrittweise Vorgehen und die Brom- und Salz¬
dosis ausfindig machen, welche befriedigende Resultate zu erzielen
gestattet. Zu diesem Zwecke unterwirft Autor die epileptischen
Kinder folgender salzarmen Diät: ungesalzenes Brot, kein Salz in
den Gemüsen, im gebratenen oder gebackenen Fleisch, einmal täg¬
lich ganz leicht gesalzene Suppe; zweimal wöchentlich ein leicht
gesalzenes Ragout
Bei dieser Diät verordnet Autor anfangs 1 g von 5—8 Jahren
und 2 g darüber hinaus. Die Dosis wird um 0,25 g alle 5 Tage
gesteigert, bis man die rationelle Dosis gefunden hat Autor be¬
zeichnet damit die Dosis, welche die ersten Erscheinungen von Bro¬
mismus hervorruft: Die Aufhebung des pharyngealen Reflexes ist
hierfür ein ausgezeichnetes Kriterium. Wenn natürlich die Konvul¬
sionen verschwinden, bevor dieses Zeichen auftritt, ist es tmnütz, das¬
selbe hervorzurufen.
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3 »
Ist diese Dosis einmal festgestellt, so muß man dabei bleiben,
es müßte den sein, daß ausgesprochene Erscheinungen von Brömin-
toxikation auf treten. In diesem bestimmten Augenblicke stellt man
genau den Grad der Chloride fest, um nicht mehr davon abzugehen.
Die rationelle Dosis darf 3—3,5 g nicht überschreiten; wenn die
Bromdosen von keiner Wirkung sind, muß man sich hüten, die Dosis
zu steigern, man wird vielmehr das Kind einer strengeren Diät
unterwerfen, um die Chloride noch zu vermindern.
In diesem Falle ist das Salz vollkommen untersagt Wenn
nötig, gestattet man dem Kinde eine gewisse Gabe Bromnatrium,
um den Speisen Geschmack zu verleihen. Aber diese Gabe muß in
die Gesamtheit der täglich zu verabreichenden Bromide inbegriffen sein.
Den dieser Diät unterworfenen Kindern gibt man mit Vorliebe
an Chlornatrium arme Speisen. So sind z. B. Käse, grüne Gemüse,
Seefische, Schweinmetzgersachen untersagt.
Bei Kindern, die nicht in einer Anstalt, sondern in der Familie
behandelt werden, muß die Menge der Chloride im Urin alle 14 Tage
festgestellt werden.
Autor ist der Ansicht, daß bei einem epileptischen Kinde die
rationelle Bromdosis drei Jahre lang nach demAufhören des letzten
Anfalles genommen werden muß. Erst dann vermindert man all¬
mählich die Bromdosis, bis man endlich damit vollständig aufhört
Hierbei verfährt man am besten in der Weise, daß^man einige Tage
hindurch die Dosis um 0,25 g vermindert, um wieder bis zur Maximal¬
dosis zu steigen usw.
Sobald Zeichen sich bemerkbar machen, die das Auftreten neuer
Anfälle wahrscheinlich machen, muß man sofort zur rationellen Dosis
zurückkehren.
Autor verlangt, daß diese Periode der abnehmenden Bromdar¬
reichung mindestens 1 Jahr dauert und ratet, falls dieselbe mit ge¬
wissen kritischen Perioden, wie Auftreten der Regeln, schnelles
Wachstum usw. zusammenfällt, dieselbe zu verlängern.
Endlich rät er den Frauen, die früher epileptisch waren und
schwanger werden, zum Brom zurückzukehren.
Am besten gibt man das Brom auf zweimal bei den Mahlzeiten.
Um die Tätigkeit der Nieren zu sichern, ist es am besten, das Brom
in einer gewissen Menge eines diuretischen Tees, dem man etwas
Pilocarpin, nitric. zufügen kann, aufzulösen. Am einfachsten gibt
man die drei oben genannten Bromide zu gleichen Teilen gemischt
von la Hausse-Rosenheim.
Die wichtigsten Augenerkrankungen im S&uglingsalter.
Von Salzer-Münster. (Blätter fÃ